Puh. Echt jetzt?

Liebe will fließen können – ein Hinblinzeln

Drei Perspektiven schieben sich zusammen

1

„Was wäre wenn…“

frug mich am Ende dieser intensiven Therapiestunde mein Therapeut.

Ich hatte ihm von meiner Diskrepanz erzählt zwischen meinem Wert, Freunden beizustehen und meiner erlebten Unfähigkeit dazu. Mein Nervensystem schlägt einfach Alarm. Es glaubte, meiner Freundin ginge es so schlecht und irgendwas in mir glaubte, etwas können zu müssen oder zu sein… und da war nichts außer „Drama“ – meiner erlebten Ohnmacht, dem zwanghaften Widerstand dagegen, meinem Michselbstbeschuldigen, dem Ummichselbstkreisen und dem Entsetzen darüber, was ja auch nichts anderes ist…

Wir arbeiteten uns mithilfe des aktuellen „Symptoms“ durch die Geschichte zurück an den Anfang. Ich berichtete:

„Ich erinnere mich eigentlich nur an eine schöne Geschichte, die mein Opa von meiner Mutter erzählt hat: Er saß auf dem Rad. Vor ihm, auf dem Lenker, saß seine Tochter. Ihre lockigen, blonden Haare wehten im Wind.“

In meiner Erinnerung an seine Erinnerung ist einfach ein schönes Gefühl. Schlicht, leicht, zart.

Dann kam der Krieg. Und die Geschichten schwiegen. Oder erzählten vom Hunger. Von der Vertreibung. Dem Verteiltwerden nach Unwillkommensein. Dem Trotzdemdasein. Müssen.

„Was wäre, wenn…

all DAS

nicht gewesen wäre?“

Es war ganz am Ende der Stunde. Der Satz war klar da in meinem Kopf und musste nur noch ausgesprochen werden:

 

ich könnte sie einfach lieb haben

 


…und… 

Sie hätten sich lieben lassen können. Sie hätten ihre Liebe fließen lassen können: Sie hätten uns,

 

sie hätten mich einfach lieb haben können.

 

„Und,“ sagte ein treuer Begleiter:

„Du könntest Dich selbst einfach lieb haben…“

 


 

2 : Kindermond

Sie blieb mir wohl aus einer meiner ettlichen spirituell oder therapeutisch gefärbten Lebensstunden hängen, diese Geschichte, die nachspürbar machen soll, wie sich Kinder zu retten vermögen.

Ein Kind bleibt in einem Wald alleine zurück. Es ist dunkel. Die Stimmen entfernen sich. Entsetzt stellt es das Alleinsein fest. Es kann den Weg nicht sehen. Es ruft, krächzt, wimmert… aber die anderen Stimmen kehren nicht zurück. Es ist kalt. Unbekannte Geräusche drängen sich in die Stille. Die Lebensbedrohlichkeit der Situation lässt das Bewusstsein hinter alte Instinkte zurücktreten. Alles erstarrt.

Plötzlich tut sich der Himmel auf. Der Mond erhellt die Nacht. Lässt sein Licht durch die Dächer des dunklen Waldes bis hinunter auf den Boden scheinen. Das Kind atmet auf. Es erkennt, dass es dort anders ist. Vorsichtig traut sich das kleine Wesen, einen Schritt dort hin zu gehen, wohin das Licht fällt. Die Füße spüren, sich vom Ort des Verlassenseins entfernen zu können. Das Gehirn schreibt sich eine Geschichte. Es beginnt zu glauben, der Mond würde ihm einen Weg zeigen! Es fühlt unbeschreibliches Glück, das Gefühl des „Womöglichwahrseinskönnens“ – Reale (!) Hoffnung auf eine Rettung. Das Kind geht weiter. Es macht das Entdecken zu seinem Abenteuer und glaubt an den Mond als seinen beschützenden, treuen Begleiter. Das Kind fühlt sich sicher und findet – mithilfe seines Kindermondes – nicht nur einen, sondern auch seinen Weg.

…wäre es stehen geblieben, hätte es nicht die Möglichkeit der „Bindung an eine Rettung“ – so verrückt sie auch sein mag – gehabt, hätte es vermutlich nicht überlebt.

Der Überlebensinstinkt kapert den Verstand, der sich eine passende Geschichte bastelt.

Ich wurde neulich mal wieder von einer Art Kindermond überrannt.

Rettung war gar nicht nötig. Fühlte sich aber trotzdem so an… 

…weg waren sie, die sturen Eselswächter samt Verstand, hockten seelig an der Wunderbar und gaben sich dem Besoffensein von Neurotransmittercocktail „Könntewomöglichwahrsein“ hin.

Nicht „I.“ (…die vernichtend zuschlagende „Göttin“ der Erlösung nach Art des Hauses) half, sondern ein guter Freund:

„Karin, Du bist ein wundervoller Mensch. BLEIB DIR TREU.

Alle Kinder kommen als Wesen voller Liebe auf die Welt.

Liebe will fließen können…: Du hast einen Riesenstaudamm in Deinem Inneren.“

Manchmal schummelt sich ein Funken hindurch und tanzt sich in die Freiheit. Das kannst Du nicht verhindern, allenfalls schützen, absichern, steuern.


…und so sitze ich hier, betrachte die Szene an der Wunderbar. Und habe Mitgefühl.

Was auch sehr, sehr schön ist.

Danke.


 

3

A propos „Liebe will fließen können…. „:

In diesem Sinne wäre ein eigenes Pony (Link zu einem alten Blogbeitrag, öffnet ein neues Fenster) tatsächlich früher vielleicht wirklich eine Rettung gewesen…

Dornenhecke, verlassen

Verließ oder Verlass?

Wahrscheinlich kennt es jeder. Plötzlich ist wieder eine Erinnerung, ein Bild aus der Vergangenheit da, mit der sich nun auch das Bewusstsein beschäftigen soll…


Kinderbett

Jeder in dieser Wohnung musste ihn hören. Er schrie. Und schrie.

Seine Eltern hatten beschlossen, er habe keinen Grund. Also solle er einfach weiter schreien, bis er damit aufhört.

Jeder von uns wusste: Er konnte schreien bis er blau wurde… (Seine deutlich sichtbare Hautfarbe machte uns die Grausamkeit der Herkunft des Sprichwortes anschaulich)

Manchmal ging ich zu ihm. Voller schlechtem Gewissen. Hintergehe ich die Absichten meiner Eltern? Richte ich ihren Zorn auf mich? Ihre Verachtung? Halte ich mich am Ende für was Besseres?

Ich machte es heimlich.

Er konnte schon stehen in seinem Gitterbett. Und schrie. Die Tränen rollten ihm über die langen Wimpern, die kleinen Wangen und liefen bis auf seinen Ganzteiler aus Frottee. Manchmal starrte er mich an. Fast erschocken verstummte er…

…um dann aus vollen Kräften weiter zu schreien: Nicht ich war das Objekt seiner Sehnsucht.

Und ich ging, beruhigt, es seiner (nichtmal einjährigen Kind-) „Entscheidung“ überlassen zu können, dass nicht ich es war, nach der er sich so sehr sehnte. Ich ging, mein Mitgefühl verleugnend, das Schuldgefühl mit seiner „Entscheidung“ beiseite schiebend.

Ich übte zu sein, wie die Erwachsenen: Der hat nix.

Der will nur was von mir, was ihm nicht zusteht, weil ich gerade nicht in der Lage bin, es ihm zu geben.

Was ist, frage ich mich heute, wenn ich damals gewusst hätte…

…dass ich zwar nicht Objekt seiner Sehnsucht gewesen bin, aber doch Zeuge, Teilhaber seiner Not hätte sein können?

Ja, Bruder, ich sehe Deine Not. Ich sehe sie und sie darf da sein. Du schreist zu Recht. Ich sehe, wie sehr Du leidest. Ich kann Deinen Schmerz erahnen. Er ist so unsagbar groß. Deine Not ist ihm angemessen. Du hast alles Recht auf der Welt, ihn dort hin zu brüllen, wo die Rettung sein müsste.

Und ich kann sehen, dass nicht ich es bin, nach dem es Dir schmerzt ohne selbst daran zu verrecken.

Ich brauche mein Mitgefühl und meine Ohnmacht nicht in Spott zu verwandeln, Achselzucken, Entwertung, Verachtung, Falschsein- oder Schuldgefühl.

Ich glaube nicht, wer anders sein können zu müssen (der/die Dich zu trösten vermag).

Ich glaube nicht, so wie die zu sein oder sein zu müssen, die Dich verlassen, weil Dein Schrei sie zu sehr schmerzt.

Ich nehme meine Ohnmacht, meinen Schmerz und bleibe.

…bis wir uns dem Gerettetsein wieder sicher sind.

 

 

Was könnte ich heute tun?

Es war noch früh. Ich hatte es mir gerade auf meinem Balkon neben dem Kaffee gemütlich gemacht. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Sie blendete mich scharf.

Soll ich mir einen Hut aus dem Schrank holen? Den Hut?

Den, den ich schon auf den Wanderungen, also dem PCT und dem Camino Frances trug…

So knüpfte sich ein Gedanke an den anderen….


Die Sonne schien mir scharf blendend ins Gesicht…

Um diese Zeit waren wir meist schon lange unterwegs. „Wir“…: Der Gedanke haftete sich an eine bestimmte Übernachtung auf dem PCT in bestimmter Gesellschaft.

„Sieben Uhr fertig zum Aufbruch“

hatten wir ausgemacht… meine Erinnerung hilft mir suchen: Ich habe den Tag nach dem Aufbruch aus Idyllwild im Sinn:

=> Aufbruch aus Idyllwild

Ich erinnere mich an eine anstrengende Wanderung in guter Gesellschaft. Und an den Stress, den ich mit meinem Zelt hatte. Ein gutes Zelt… (und ich würde es gerne mal wieder aufbauen….)

Ist es zu fassen? Da war ich.

Heute erinnere ich mich noch über meine Wut.

Dieses Zelt wird zwar mit nur den Wanderstöcken (und sonst keinen Stangen) aufgebaut und ist deshalb sehr leicht, aber es benötigt für den guten Stand eben auch acht Heringe (…und viel Platz für seine große Grundfläche…). Ich war so verzweifelt, wegen des steinigen Bodens keinen geeigneten Platz für mich zu finden. Und ich war so fertig von der anstrengenden Wanderung und von all der Angst, die ich bei der Überquerung des steilen, rauschenden Baches gehabt hatte. …und dann dieses Zelt und der steinige Boden…

Trish, die gute kanadische Seele, brachte mir ganz einfach Steine zum anbinden der Zeltseile. Es ist mir noch heute peinlich, nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein. Ich war nur wütend und verzweifelt und konnte nicht mehr klar denken.

Ich kann noch heute meine Schuld spüren. Ich hatte mich an diesem Tag oft schuldig und als Last gefühlt. Derartig unerfahren wie ich war keine unter uns. Und es war so grundlos… keiner signalisierte mir, ich sei tatsächlich lästig, es war einfach nur ein großes Hirngespinst.

Wo war der Genuss des Augenblicks? Die Faszination? Das Gefühl der Freude darüber, es gemeinsam geschafft zu haben?

Erstickt unter Stress. Wie schade.

Und dann der Morgen.

„Sieben Uhr fertig zum Aufbruch“

Vermutlich hatte ich nicht gut geschlafen. Ich begann schon extrem früh mit dem Einpacken… wollte dabei die anderen nicht wecken… und doch war ich wieder die Letzte, die fertig wurde. Ich weiß noch, wie ich mich fühlte… schuldig und gestresst.

Aber an den Weg danach erinnere ich mich nicht.

Wie schade, liebes Nervensystem.

Was könnte ich heute für Dich tun?


Liebes Nervensystem,

Du kannst es nicht fassen. Es ist zu viel für Dich. Früher waren all diese Gefühle hübsch unterdrückt. Und nun sind es so viele… So viele unterdrückte Gefühle, so viele neue, unbekannte Eindrücke. Du kannst das alles nicht fassen, wo Du gerade bist und wie Du Dich sortieren sollst.

Ein Teil in Dir ist sehr, sehr klein. Er möchte irgendwelchen Großen, bei denen Du Dich sicher UND willkommen UND geborgen UND zugehörig fühlst, von Deinem unglaublichen, unvorstellbaren, unfassbaren Tag berichten und das Gefühl haben, dass alles in Ordnung so ist, wie Du bist und was Du geschafft hast. Du möchtest in den Arm genommen werden, darin verschwinden, Nestwärme spüren und mit guten Wünschen, dem Wissen um Vertrauen und Zuversicht wieder aufbrechen dürfen.

Ein anderer Teil in Dir treibt Dich ständig an und kritisiert Dich unentwegt. Er ist scharf streng, abfällig und spöttisch-schroff. Er macht sich lächerlich über Dich und hat alles schon vorher gewusst.

Er wusste, dass die Strafe kommen werde.

Die Strafe sind extreme Schuldgefühle, Scham, sich nicht nur überflüssig zu fühlen, sondern lästig, allenfalls wohlwollend – weil ja so unterwürfig bemüht, freundlich, angepasst, unterwürfig, „nett“.

Nervensystem, all das ist das Programm, das Dir leicht fällt. Alte Urteile. Bitte schau‘ doch auf das Hier und Jetzt. Was siehst Du wirklich, tatsächlich? Glaube den Menschen, die da sind und vertraue. Übe Dich im Vertrauen. Gehe weiter, Schritt für Schritt.

Liebes Nervensystem, komm runter. Du bist nicht mehr im Überlebenskampf eines Kleinkindes. Wir sind erwachsen.


Ich weiß nicht, wie ich heute reagieren würde. Ich glaube, all die Erfahrungen und das viele neue Wissen über meine Diagnosen haben mir geholfen.

Ich würde es gerne nochmal erleben dürfen.

 

Wehr

Ich sitze hier und suche Halt in meinen Worten. In meinem Blog. Bei „meinen“ Menschen.

Der Körper signalisiert Angst, das Gefühl des Verlassenseins, der diffusen Bedrohung. Der Kopf macht sich seine Geschichte dazu. Greift zu seinen altbekannten Märchen. Die Sorte, in denen am Ende die Stiefmutter lacht.

Neben mir stehen eine Sammlung Bilder und Skizzen. Worte, Gekritzel, Striche, Symbole. Das Blatt, zufällig vorneauf, ist in grün gehalten. Und in grün, schnell niedergeschrieben, sehe ich immer wieder auf:

Teilen = Teilsein

Ich setzte dem Tag und  keine Grenzen. Er bot zu viel für mich – und ich will es nicht wahrhaben. Weil es sowas von lächerlich ist.

Mein Nervensystem glaubt, es brenne. Schlägt Alarm und ich fühle mich feuerwehrlos.

Das ist nur ein Gefühl.

Es ist nur ein Gedanke.

Der Gedanke, ich teile zu viel meiner Schwehrlichkeit – ich sollte sie (für mich be-) halten – , bläst dazu wie in die Segel eines Jammers namens Angst. Treibt mich ins graue Meer des Verlassensseingefühls.

Jetzt, mit diesen Fingerbewegungen des Teilens bei und trotz alledem, nehme ich das Steuer in die Hand. Die See beruhigt sich.

Ich teile mich mit und in dem Moment bin ich Teil. Durch Teilung gibt es mehr Raum. Raum und Teil berühren sich bei und trotz des Gefühls zeitgleichen Trennens: Das Erleben ändert sich – geteilt ist es anders. Ja, (Mit-)teilungen können auch Abschied bedeuten. … – wer kann/will/wird mir noch folgen?

und

Teilen ist Bewegung – und eine Bewegung ist immer auch zu etwas hin.

Ich nehme das Steuer in die Hand. Und es fühlt sich jetzt besser an.

Ich danke Euch, die Ihr in meinen Gedanken da, Teil seid.

 

 

 

Arten des Glücks

Das pure Glück

ist ein Produkt der Phantasie, also meines Gehirns. Die Neurotransmitter kredenzen mir das Erleben eines Traums im Hier und Jetzt. Der Traum wird zum womöglich, aber Wahr-sein, zum Erlebnis und somit wahr.

Der Moment des puren Glücks ist also eine Art Fata Morgana aus einem bestimmten Betrachtungswinkel., unerfüllter, kindlicher Sehnsucht und „Womöglichwahrwerden“ – Gefühl.

Es beschwingt das Erleben meines Lebens (fühlt es sich gelegentlich auch noch so zerrüttet an) auf eine Weise, die mich mit dem Moment in einen mir so wohltuenden Einklang zu vereinen scheint. Einssein ohne Suchenmüssen. Verstand, Zweifel, Beweis hocken benebelt an der Wunderbar…: Ganz und wahr womöglich sein, wenn auch nicht real.

Das tatsächliche Glück ist kleiner, aber wahr und ehrlich nehmbar. Es fasziniert mich, nimmt mich zärtlich, nicht völlig, ein, lässt mich bei ihm bestehen, wirft mich nicht um, verflüchtigt sich aber schneller.

Beide Arten von Glück dienen mir.

Das pure Glück verhilft mir zu spüren, von was ich nur träumen kann. Gelingt es mir, mich zu distanzieren, kann ich zu meinen wahren Bedürfnissen finden – solcherart Bedürfnisse, an die ich mich nur träumend wage.

Gestillt sind sie dadurch jedoch nicht – im Gegenteil: Das pure Glück hinterlässt eine schmerzhafte Leere, der ich mich jetzt nur „unbeschreiblich“ nähern will.

Das wahre, kleine Glück hingegen füllt manchmal zuvor kaum wahrnehmbare Risse der Lebenslandschaft sanft auf.

Beide dienen mir?

„Beherrsch‘ Dich!“

kenne ich

So noch nicht.

Ich lerne zu verstehen, mich beherrschen zu wollen.

Merk Mir: Halt finden

Neulich litt ich mal wieder gründlich. Ich hatte schon eine Ahnung, aber ich konnte sie nicht umsetzen: Körperliche Bewegung ins Freie hätte auch dem Gefühlserleben als Be-frei-ung aus der Bedrückung dienen können.


„Und wenn nicht?“

Wenn es nicht helfen würde, würde es ja noch schlimmer werden – lähmte der Gedanke, passend zum erstarrenden Gefühl der diffusen Angst.

Wenn das Hilfsmittel, dass sich schon so oft bewährt hatte, nicht mehr helfen würde… das „Notfallantibiotikum“ nicht mehr greife?

So passte sich der Gedanke dem Körpergefühl der durch Angst gebremsten Getriebenheit an.

Es müsse derartig furchtbar sein, wenn das so verlässliche Hilfsmittel „raus, Ablenkung, Bewegung“ nicht helfe, dass ich das zu erleben lieber nicht riskieren wollte und verharrte stattdessen im Leid: „Da weiß man, was man hat.“

Es war ein grausam erlebter Nachmittag.

Ich hielt mich krampfhaft im Leiden – verstärkte es also nur – um nur nicht den Halt zu verlieren.


 

Abends aber hatte ich einen Termin: Der Wiederbeginn unseres Tanzkurses brachte mich auf die Füße. Nicht, dass ich auch nur eine Spur von Lust verspürt hätte – das Gefühl der Verpflichtung half mir.

A. ging nicht auf meinen Wunsch ein, uns doch bitte am Veranstaltungsort zu treffen, und fing mich an der Haustüre ab, um mir einfach beim Fußweg Gesellschaft zu leisten – ob ich wolle oder nicht. Schon das alleine lockte eine kleine, vorsichtige, verlocke(r)nde Freude und ihre Freundin, die Dankbarkeit, auf die Bühne.

Und das Tanzen mit ihm brachte die beiden zum Durchbruch: Ich hatte einfach Spaß!

Ich bemerkte erstaunt das Einssein: Freude (Gefühl), Lachen, mein „Tanzen“ (Körper) – und erlaubte es (Gedanken). Welch ein ungeahntes, umfassendes, blitzartiges Wunder der Wende!

Es hat wieder geholfen, das Breitbandantibiotikum „Bewegung“ und zudem das Teilendürfen: Geteiltes Leid und geteilte Freude…

Es greift Mal um Mal zuverlässig.


Und wenn nicht?

Dann werde ich sehen, erleben, fühlen, denken. Es, etwas, wird sein (und – ob ich will, oder nicht – vorbei ziehen wie ein Wetter…). Der Horizont, die Erde, die Menschen, vielleicht das Leiden – jedenfalls: Etwas wird sein.

Die Option, mich in diesem Moment gehalten fühlen zu können, wird sein.

Und wenn ich das, was da ist (der Moment, die Freude, das Leiden, die Angst, das Verlorensein, die Verzweiflung, Ratlosigkeit,…), akzeptiere, dann werde ich sagen können:

Meine Art, mich in diesem Moment gehalten fühlen zu können, wird sein.

Es ist mein Ausdruck, mich gerade so in diesem Moment zu befinden, aufzuhalten…

Oder sogar: Ich halte mich im Jetzt.

Und das nächste „Jetzt“ (z.B. mich einzuladen, mich zu bewegen, die Entscheidung, es zu tun – oder auch nicht) wird wieder eine Option sein, mich gehalten fühlen zu können.

Vielleicht ist es nur ein seltsam verschrobenes Konstrukt, Vertrauen zu er-finden.

ja

und

 


… „veröffentlicht vor 8 Stunden“… sagt der Editor.

und die erste Bewährungsprobe stellt sich ein. Die Angst ist da und sucht sich einen Grund. Einen Halt in möglichen Ursachen und Lösungen.

Weiteratmen. Die Angst ist da und sucht sich einen Halt. Dabei braucht sie keinen. Sie ist da.

Atmen. Mehr ist nicht zu tun.

Antwort: Genesung

Genesung…

Es geht nicht um vollständige „Heilung“ und uneingeschränkte Souveränität im Fach Lebensführung.

Es geht um Milde, Selbststeuerung und um mehr und mehr Humor und Leichtigkeit im Leben.

Die alte Wunde wird immer wieder aufreißen: Es geht darum, „Schlimm“ da sein lassen zu können.

Und darum, aktiv „da-“ (im Jetzt) und „-bei“ (mir) zu sein.

Ich konnte gestern lesen. Nicht viel. Aber ein bisschen meiner Gefühle und Gedanken zulassen und sogar ausdrücken (ins Handeln kommen).

Und ich konnte beobachten, dass andere, leichtere, sogar freudige, sie abgelöst haben.

Und bin da-bei.

Genesung

Etwas

Nach diesem Tag. Am Ende dieses Tages gestern, an dem es so viel von diesem kindlichen Gefühl der diffusen Bedrohung bis hin zum Ausgeliefertsein für mein Nervensystem zu erleben gab – und so viele völlig unerwartete wie wirkungsvolle Glückstrosthoffnungsrettungsgefühlsternschnuppen – saß ich.

Ich saß dort am Aufgang zur Messe Freiburg.

Ich hatte Äpfel bekommen, mein Lieblingsknäckebrot und noch ein paar Zutaten für das heutige Backen mit J.

Ich mag diesen Platz mit dem Blick in die Weite. Der Flugplatz verschafft noch ein bisschen Raum vor all den Baustellen. Links ruht der Schwarzwald. Dort die Gipfel der Vogesen. Bis vor kurzem waren sie noch schneebedeckt…

Und am Himmel spielten sich Sonnenuntergangsfarben sanft in die Nacht.

Nach diesem Tag fand ich dort Weite und Ruhe. Ich saß auf den steinernen Treppen. Ein paar Menschen waren da, aber angenehm weit weg um mich alleine fühlen und trotzdem ungestört sein zu können.

Kein Gedanke ans Atmen. Dabei langsam die Ruhe wahrnehmen, ja vielleicht sogar spüren, diese Ruhe, die da ist. Immer da ist.

Weite. Sanfter, ruhiger Lärm einer entfernten Stadt. Silhouetten von Gebäuden. Auf der Straße dort fuhren einspurig Fahrzeuge von rechts nach links. Ich glaube, ich dachte an nichts. Mein Verstand war eingelullt für einen Moment von ebendiesem.

Bis sich dieses große, rote Etwas in die Wahrnehmung drängte.


Etwas

drängte sich sich auf, zerschnitt den Moment…

Gefühle erklafften den dort entstandenen Raum,

Gedanken wie eine Garde gierig-eifriger Honorarsoldaten im Gefolge.

Die Waffen dieser Soldaten sind Urteile

Sie schneiden scharfe Krater ins Jetzt.


…und verschwand. Das Etwas verschwand. Es ver- zog sich aus dem Blickfeld. Langsam. Ganz langsam. Von rechts nach links.

„Es ist immer alles da“.

Auch wenn etwas den Verstand oder das Gefühl berauscht, verführt, entführt, einnimmt, besetzt, völlig beherrscht, zermartert,…

Es ist immer alles da. Der Boden, der Himmel, die Welt bleibt, wie sie ist.

Auch das Etwas existiert immer. Ich nehme es manchmal nur nicht wahr.

Etwas mag hindurchziehen.

 


 

Wir wollen wieder diesen leckeren Orangengugelhupf backen und Apfel-Haferflocken-Cookies…

Und wie gerne lasse ich mich schon jetzt vom Geruch, der doch auch nur in meiner Erinnerung, in meiner Sehnsucht existiert, verführen.

Bis dort an den gedeckten Tisch.

Mit

Was auch immer Etwas ist.

Es ist immer alles da.

Dasselbe

Ich habe das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen bei Euch, meiner keinen Handvoll treuen Lesern.

Oder ist es bei mir selbst?

Was brauchst Du, Gefühl der Scham?

Welches Bedürfnis habe ich?

Charlotte braucht Sicherheit. Sie lässt mit Mitgefühl von mir ab. Aber ohne die beiden fühle ich mich alleine… schaue auf das Geschehen, dränge mich dazwischen, habe Angst, verlassen zu werden – von beiden.

Was bleibt, wenn beide mit sich beschäftigt sind?

Leere und das Gefühl des Kleinalleineübrigseins. Die Weite des übrigen Raumes zwar, aber das Zögern durch Angst, alleine zu sein.

Ich schreibe diesen Blog für mich. Das ist wahr und auch nicht, sonst schriebe ich Tagebuch und keinen Blog.

Ich schreibe diesen Blog. Punkt.

 

Es stimmt, dass ich seit Jahren dasselbe schreibe.

Und es stimmt nicht.

Was stimmt für Dich?

Charlotte, Du machst Dir Sorgen. Hier und heute gibt es keinen Grund für uns zur Beunruhigung. Wir sind in Sicherheit. Wieder und wieder. Jetzt. Das, was ich schreibe, ist mir wichtig. Ja, es mag sich wiederholen. Ich bin noch nicht weiter oder es fühlt sich oft nicht so an für uns. Du magst mich beschützen wollen. Nun aber entscheide ich, dass ich das Geschriebene den Menschen zumuten kann, die diesen Zugang mit mir teilen wollen. Ein paar Treue kommen gelegentlich vorbei. Aber auch wenn jemand fehlt oder schweigt, bleiben wir in guter Erinnerung verbunden. Ja, es ist traurig und es macht Angst, wenn jemand geht oder nicht (mehr) mitliest. Es verunsichert Schlimm. Und wir lassen sie trotzdem in Liebe und Vertrauen „frei“, denn da gehören sie hin! Und wir schreiben weiter. Blind, aber mutig einen Schritt ins Vertrauen setzend.

Momentannahme

Der Moment:

Gedanken:

Ich schaffe es nicht, ich habe nicht genug, ich kann einfach nicht. Es ist mir zu viel und ich habe zu wenig…

…und dazu gesellen sich die Gedanken der erniedrigenden Selbstverurteilung.

Körper:

Ich kreise auf kleinem Raum. Bin unruhig, getrieben, planlos. Sehe eng, vor und unter mich.

Gefühl:

Ich fühle mich klein. Zittrig. Auf der Hut. Gehetzt und komme doch nicht vom Fleck. Es fühlt sich nicht gut an.

Urteil:

Ich will „das“ nicht haben. Das muss weg. Das soll weg. Ich muss es wegschaffen. Ich muss es schaffen.

Ich muss es schaffen → siehe oben „Gedanken“ ⇒ Gedankenkreisen…

Folge:

Selbstverstärkung des Befindens.


Annahme des Momentes:

Was kann ich für Dich tun, Gefühl?

Du fühlst Dich nicht gut an.

Was fühlt sich jetzt – für Dich – so an, dass es gut sein könnte? Dir fehlt etwas. Was brauchst Du?

Was brauchst Du, was die Unruhe, was braucht der enge Blick, was brauchen die Gedanken, die glauben, „es“ nicht zu schaffen?


Auflösung des Beispielmoments:

Raus! War die Antwort meines Gefühls, der ich folgen konnte.

Ich ging raus, testete die erstmalig von mir selbst eingebauten Hinterradbremsbacken auf dem Weg zur Beschaffung einer neuen Frontglühbirne. Genoss den Rückenwind und stellte mich in die Sonne. Nahm den Anruf an, der mich erreichte. Spürte die Freude und die Dankbarkeit. Übte humorige Milde und Mitgefühl mit den Famileneinkäufen, die ich tätigte. Kam rechtzeitig zum Kaffeetrinken: Heißer Kaffee mit von Hand gebackener, weihnachtsgewürziger Linzer Torte, Menschen, in deren Nähe ich mich entspannen kann. Vergab mir.

Vergab mir? Ja. Genau so wie es für den Moment eben war. Mehr ging nicht und deshalb gab ich dem Maß das Recht, genug zu sein.


Erfolgreiche Therapie besteht für mich darin, mir selbst vertrauen zu lernen, dass auch das Unbegreifliche, das Befürchtete, das Unannehmbare – das auch das zu bewältigen ist, das im Zustand der unsichtbare Vorahnung zum Erstarren führt.

Dass ich es wieder und wieder schaffe, es zu durchleben, auch wenn es sich immer wieder neu glaubhaft überwältigend unerträglich anfühlt.

Ich muss nichts dagegen machen. Dagegen kann ich wirklich nichts machen, denn es ist ja schon da. So gesehen stimmt das Gefühl, machtlos und zu klein zu sein und auch Opfer von der Überwältigung von Gefühlen bleiben zu müssen. Mein vegetatives, nicht zu beeinflussendes Nervensystem signalisiert „Gefahr“, auch wenn keine besteht, und „Schlimm“ folgt ihm, statt mir.

Ich habe also das Gefühl, einer Gefahr machtlos erlegen zu sein.

Aber es ist nur ein Gefühl.

Es ist nicht wahr, auch wenn es wahrwirklich da und für mich wahrnehmbar ist, muss es nicht handlungsleitend wirksam sein.

Statt nach Beweisen und Gründen für diese Gefahr zu suchen, oder mit Wegen, etwas gegen das Gefühl der Bedrohung zu tun, darf ich mich damit beschäftigen lernen, trotz und mit diesem Gefühl etwas tun zu können. Etwas für meine Angst, Traurigkeit, Sehnsucht oder Wut zu tun, heißt eine neue Position zu finden, ohne mich von ihr trennen zu müssen. Von ihr trennen müssen, heißt einerseits Gründe für ihre Existenz im Außen zu finden, Schuld zuzuschieben oder Verantwortung abgeben zu wollen („Ich kann mich nicht um Dich kümmern, du bist mir zu groß“). Andererseits kann ich mich auch trennen, indem ich sie verdränge, zudröhne oder mich bzw. sie entwerte.

Das Gefühl ist, wie es ist. Die Bewertung des Gehirn ist, wie sie ist – es spielt sein Programm ab.

Und ich darf lernen, die Bewertung der Bewertung zu lassen oder zu verändern. Es gibt ihn, den Weg, der mich dabei bleiben lässt in der Verbindung von Zustand A zu Zustand B. Und es geht nicht um das Resultat, es geht um die Einladung des schmerzenden Gefühlskörpers, zu entspannen. Herauszufinden, was er dazu braucht. Und den ausdauernden Mut, die damit verbundenen Aktivitäten, Gesten, Berührungen oder gelenkten Gedanken in die Tat umzusetzen. Moment für Moment der Freundlichkeit und Milde Raum geben.

Amen 🙂