Arten des Glücks

Das pure Glück

ist ein Produkt der Phantasie, also meines Gehirns. Die Neurotransmitter kredenzen mir das Erleben eines Traums im Hier und Jetzt. Der Traum wird zum womöglich, aber Wahr-sein, zum Erlebnis und somit wahr.

Der Moment des puren Glücks ist also eine Art Fata Morgana aus einem bestimmten Betrachtungswinkel., unerfüllter, kindlicher Sehnsucht und „Womöglichwahrwerden“ – Gefühl.

Es beschwingt das Erleben meines Lebens (fühlt es sich gelegentlich auch noch so zerrüttet an) auf eine Weise, die mich mit dem Moment in einen mir so wohltuenden Einklang zu vereinen scheint. Einssein ohne Suchenmüssen. Verstand, Zweifel, Beweis hocken benebelt an der Wunderbar…: Ganz und wahr womöglich sein, wenn auch nicht real.

Das tatsächliche Glück ist kleiner, aber wahr und ehrlich nehmbar. Es fasziniert mich, nimmt mich zärtlich, nicht völlig, ein, lässt mich bei ihm bestehen, wirft mich nicht um, verflüchtigt sich aber schneller.

Beide Arten von Glück dienen mir.

Das pure Glück verhilft mir zu spüren, von was ich nur träumen kann. Gelingt es mir, mich zu distanzieren, kann ich zu meinen wahren Bedürfnissen finden – solcherart Bedürfnisse, an die ich mich nur träumend wage.

Gestillt sind sie dadurch jedoch nicht – im Gegenteil: Das pure Glück hinterlässt eine schmerzhafte Leere, der ich mich jetzt nur „unbeschreiblich“ nähern will.

Das wahre, kleine Glück hingegen füllt manchmal zuvor kaum wahrnehmbare Risse der Lebenslandschaft sanft auf.

Beide dienen mir?

„Beherrsch‘ Dich!“

kenne ich

So noch nicht.

Ich lerne zu verstehen, mich beherrschen zu wollen.

Schüümli

Schüümli-Kaffee verknüpft mein Hirn mit einer „guten Erfahrung“. Kognitiv kann ich mich leider nicht mehr genau erinnern, was und wann genau diesem Eindruck Anlass genug war, es sich in meinen Nervenbahnen so angenehm gemütlich zu machen. Aber so wichtig ist das ja auch gar nicht.
„Schüümlikaffee“ steht für einen typischen Urlaubseinkauf – also für „unvernünftig, unnötig“ – aber eben deshalb aus einer feinen Laune der leicht-sinnigen Lust heraus, die es so selten so einfach zu schnappen gibt.

Schümli Kaffee entpuppte sich damals zudem als überraschend wohlschmeckend: Aromatisch, rund und einfach als ein Genussmittel, also ein Vermittler, das Wohlsein fühlen und sich darin einlassen zu können.

Ich habe bis heute gute Erinnerungen daran. In Mittelhessen ist diese Schümli-Kaffeeröstung nur in großen Supermärkten zu finden und wegen des stolzen Preises siegte bislang immer meine Vernunft vor dem Kauf. Sie und ihr Preisbewusstsein schützen mich auch vor der Enttäuschung: Was ist, wenn da vielleicht doch kein wohliger, emotional auffrischender „Schüümligeschmack“ von damals drin ist, sondern doch nur überteuerter Kaffee…?

Hier, wohl der Nähe der Schweiz zu verdanken, gibt es ihn einfach immer im Regal und neulich blieb mein Blick an ihm haften…

Da stand er: Durchschnittlich, nicht übertrieben teuer. Keine besondere Marke… aber mit einem 5,- Euro Gutschein darauf, einzulösen bei Aral (kann man immer mal gebrauchen). Klar, Milchmädchengeschäfte… aber ich schlug zu, die Gedanken daran, ihn Klaus mitzubringen. Vielleicht kann er sich ja noch erinnern, wann und wo das war? Vielleicht freut er sich ja…

Und Klaus freute sich. So hatte ich neben meiner stillen Vorfreude auch noch die geteilte Freude…: Schümli-Plan erfüllt!

Aber der Aralgutschein war abgelaufen und ich fühlte mich veräppelt. Das wollte ich denen nicht durchgehen lassen. Den Kassenbon hatte ich noch…


Die Schlangen an den Kassen waren lang. Die Kassiererin ließ die Filialleitung durchrufen.

Eine hektische, gestresst wirkende Frau mittleren Alters kam von irgendwoher angeflattert. Ihre Schlüssel klapperten. Die kleine Tür des Kassenverschlags hämmerte ins Schloss. Sie stöhnte. Ihre Stimmlage bewertete ich als genervt-raunend.

Sollte sie damit mein Schuldgefühl bezweckt haben, war sie erfolgreich.

Vermutlich instinktiv und nur um dessen ganz sicher zu sein, frug sie mich zudem: „Und wegen dem Gutschein haben Sie also den Kaffee gekauft?“

Was bin ich doch für ein armer Teufel, läppische fünf Euro (laut Adam Riese Karin Kleinhirn gerundet 30% des Ursprungspreises) als Kaufentscheidung zu benötigen und sie, Frau Ganzwichtig-Dauergenervt mit so einer Lächerlichkeit zu belästigen?

„Damit ist der Kaffee fünf Euro billiger. Das ist doch was?“

Ein stöhnenseufzendes „Pfff“ entwich ihr. Sie verstaute den Bon im unteren Schubfach der Kasse und griff ins Geldfach.

Ob ich 20 Cent hätte?

Freudig bejahend gab ich ihr das Geldstück.

Sie drückte mir einen 10 Euro Schein in die Hand, den ich dankend annahm.

„Würden Sie dann vielleicht noch den Flaschenpfandbon auszahlen…?“

„Ausnahmsweise!!!“ mahnte sie. Und mit dem Zusatz „Normalerweise müssten Sie sich hinten anstellen wie alle anderen auch!“ glaubte sie wohl, mein Wissensspektrum erweitern zu können.

Ich unterdrückte eine bissige Bemerkung und bedankte mich stattdessen nicht zu betont höflich: Das sei aber SEHR nett von ihr…

…als mir promt einfiel, dass ich doch ursprünglich nicht 9,80€ sondern 13,99€ für den Kaffee gezahlt hatte. Ich frug sie freundlich, ob sie nochmals auf den Zettel schauen könne?

Sie schaute, war genervt, das wisse sie jetzt auch nicht, wie soll sie denn das heraus bekommen?

Ich hatte keine Lesebrille dabei. Mist. So erkenne ich rein gar nichts normalgroß Gedrucktes mehr.

Das in Scham flüchtenwollende Kleinkind in mir siegte allesandereüberflutend.

„Sicher. Das wird schon seine Richtigkeit haben. Das wird schon stimmen, was auf dem Zettel steht. Sie können da ja auch nichts für…“

Draußen am Rad aber schaltete sich das Hirn wieder ein. Ich schaute in die Angebote der Woche. Tatsächlich: Genau diesen Kaffee gibt es zur Zeit für 9,80€ statt für 13,99€.

Kurz befragte ich mich und ging hinein…


Die Schlangen an den Kassen waren lang. Die Kassirerin ließ die Filialleitung durchrufen…

„Ich sehe, Sie haben einen stressigen Job. Dennoch glaube ich, dass mir noch ein Restbetrag meiner Rückgabe zusteht.“

4,19 € fielen in meine offene Hand. Natürlich bat sie nicht um Verzeihung oder zumindest Verständnis. Armer Mensch.

Ich aber hielt 4,19 € in Händen und mit dem „Kleingeld“ eine genau richtig dosierte, wohligschmeckende Portion Stolz.

Verdammt gutes Stöffchen, so ein Schüümli.

Radstadt

Freiburg hat so einer popeligen Mittelhessin wie mir schon was zu bieten… z.B.: Erlebnis Radfahren in einer fahrradfreundlichen Stadt.

Gleich mal zu Beginn – ich bin hier mit meiner „Eigentlichnurfahrradfahrerei“ wirklich nichts Besonderes. So viele Fahrräder auf einen Haufen und unterwegs habe ich allenfalls damals mal in Amsterdam gesehen.

Es ist aber auch sowas von leicht und einfach sich hier auf zwei Rädern zu bewegen: Die Stadt ist mehr oder weniger flach und überall gibt es, zumindest farblich, gekennzeichnete Radwege auf den Straßen.

Und schon in den ersten Wochen konnte ich es kaum fassen, dass Autofahrer hier tatsächlich Rücksicht auf Radfahrer nehmen! Zugegeben: Mittlerweile habe ich mich echt dran gewöhnt und mich zu einer dieser blinddusseligen Scheuklappenfahrerinnen entwickelt, über die ich mich gründlich aufregen kann, sobald ich am Steuer eines KFZ’s sitze…

Aber zurück: Der Fahrradverkehr ist den Stadtplaneren scheinbar wirklich wichtig.

Es gibt komplette Radfahrstraßen, auf denen Autofahrer geduldet werden, die Straßen an sich aber so schmal sind, dass ein Überholen nur an Kreuzungen möglich ist. Und an vielen Ampelanlagen gibt es ganz vorne einen begrenzten Raum nur für Radfahrer, sodass die Kreuzung von diesen zuerst befahren werden kann.

Auf den gut ausgeschilderten Radschnellwegen lässt sich die Stadt in zwei Achsen durchqueren. Dort gibt es keine großen Verkehrskreuzungen und auch sonst kaum Kontakt zum Kraftfahrzeugen. Auch werden dort nach Möglichkeit Fußgänger und Radfahrer getrennt. So verläuft beispielsweise der Radweg entlang an der Dreisam flussauf- und der Fußweg flussabwärts.

Diese Radschnellwege sind beleuchtet und seit meinem Praktikum bei der Freiburger Stadtreinigung weiß ich, dass peinlich genau darauf geachtet wird, dass diese Strecken sauber und, vor allem, scherbenfrei sind. Sind sie aus bestimmten Gründen nicht befahrbar wird rechtzeitig darauf hingewiesen und ggf für deutliche erkennbare, gelbe und wie im normalen KfZ Straßenverkehr übliche Umleitungsbeschilderung gesorgt.

Als sich im Frühjahr die Dreisam mal hoch und breit machte, musste ich über dieses Schild hier schmunzeln:

Aber zur Zeit staune ich doch echt über diese Besonderheit:

Eine Fahrrad-Baustellenampel!

Das Ufer der Dreisam wird scheinbar befestigt und der Radweg ist nicht befahrbar. Man hat eine Trasse zur parallel verlaufenden, reichlich befahrenen, zweispurigen Hauptverkehrsader (Verbindung Autobahn in Richtung Schwarzwald/Titisee) geteert, dort die Fahrbahn verengt, damit der Radweg auch noch darauf Platz hat. Und damit die Radfahrer nicht unvorhersehbar mit dem Baustellenverkehr in Kontakt kommen, gibt es eben auf dem Radweg eine Baustellenampel.

Aber damit nicht genug.

An vier Stellen in der Stadt gibt es Fahrradreparaturstationen mit den gängigsten Werkzeugen und einer Luftpumpe.



Schon mal ein Fahrradparkhaus gesehen?



Und Radwegspiegel bei schlecht einsehbaren Radwegkreuzungen?



Freiburg ist echt auch eine Radreise wert 🙂


Merk mir 2:

Auch im Repertoire:

Ausgewogen. Beweglich. Leicht.

Einen Zauber spüren.

Es nicht fassen können,

aber halten –

momentlang

Und:

„Schwanger mit Leichtigkeit“

 

Die Leere füllen – zwei Möglichkeiten

Etwas fühlen können, wenn auch nicht begreifen.


Ich mag diese Bilder. Besonders die ersten zwei. Alle entstanden, in guter Gesellschaft, einfach mir.

Und:

Ich habe Angst. Angst, die Bilder hier zu zeigen. Sie gegebenfalls der Lächerlichkeit, dem Unverständnis preis zu geben. Sie haben direkte Verbindung zu einem sehr verletzlichen Teil von mir. Es ist meine Aufgabe, ihm klar zu machen, dass ich Zuneigung für und Wundern mit ihm spüre. Die Verbindung ist da, wenn auch schlecht… Die Verbindung bricht komplett ab, aber ich finde sie – zu meinem Erstaunen – irgendwann wieder:

„Ich komme wieder.“

Wie schön ich diesen Moment finden kann, wie sehr ich ihn mögen kann – daran erinnern mich diese Bilder.

Dass muss diesem Teil als Vertrauensbeweis genügen.

Sahneklecks

„Tschüss… schönes Wochenende! Bis Dienstag!“

Langsam verstaue ich meine Sachen, umschiffe die Tretminen von Rottweilerdame Bajonett während ich das Rad zur Straße schiebe, steige auf und lasse rollen. Und jedes Mal, wirklich jedes Mal erstaune ich bei diesem Blick, der sich mir nach ca. zehn Metern bietet:


Er gefällt mir so sehr.


Links die Weiden des benachbarten Reitstalls (manchmal ist eines der Pferde darauf, andermal begleitet mich stattdessen – aufgebracht und grimmig bellend – der Wachhund des Hofes ein Stück). Rechts die kräftig rot blühenden Bohnen in sattem Grün – wie der Mais des anrainenden Feldes. Der landwirtschaftliche Seitenweg führt zur Straße leicht abwärts, so kann ich jedes Mal nach getaner Arbeit völlig tretfaul in diese Weite auf die Hänge des Schwarzwaldes blicken. Manchmal waren sie schon regenverhangen, aber nicht minder bezaubernd: Das Denken wendet sich zum Wundern und das Fühlen zum Staunen bei diesem Blick. Erleichterung macht sich breit –

Was für eine Belohnung nach der „Arbeit“ – Pferde, Heu, frisches Stroh –

wie ein frisch servierter Kaiserschmarrn, buttrig duftend verbunden mit einem Hauch Puderzucker. Dazu ein paar frische Erdbeeren mit einen kleinen Sahneklecks.

 

Merk Mir: Halt finden

Neulich litt ich mal wieder gründlich. Ich hatte schon eine Ahnung, aber ich konnte sie nicht umsetzen: Körperliche Bewegung ins Freie hätte auch dem Gefühlserleben als Be-frei-ung aus der Bedrückung dienen können.


„Und wenn nicht?“

Wenn es nicht helfen würde, würde es ja noch schlimmer werden – lähmte der Gedanke, passend zum erstarrenden Gefühl der diffusen Angst.

Wenn das Hilfsmittel, dass sich schon so oft bewährt hatte, nicht mehr helfen würde… das „Notfallantibiotikum“ nicht mehr greife?

So passte sich der Gedanke dem Körpergefühl der durch Angst gebremsten Getriebenheit an.

Es müsse derartig furchtbar sein, wenn das so verlässliche Hilfsmittel „raus, Ablenkung, Bewegung“ nicht helfe, dass ich das zu erleben lieber nicht riskieren wollte und verharrte stattdessen im Leid: „Da weiß man, was man hat.“

Es war ein grausam erlebter Nachmittag.

Ich hielt mich krampfhaft im Leiden – verstärkte es also nur – um nur nicht den Halt zu verlieren.


 

Abends aber hatte ich einen Termin: Der Wiederbeginn unseres Tanzkurses brachte mich auf die Füße. Nicht, dass ich auch nur eine Spur von Lust verspürt hätte – das Gefühl der Verpflichtung half mir.

A. ging nicht auf meinen Wunsch ein, uns doch bitte am Veranstaltungsort zu treffen, und fing mich an der Haustüre ab, um mir einfach beim Fußweg Gesellschaft zu leisten – ob ich wolle oder nicht. Schon das alleine lockte eine kleine, vorsichtige, verlocke(r)nde Freude und ihre Freundin, die Dankbarkeit, auf die Bühne.

Und das Tanzen mit ihm brachte die beiden zum Durchbruch: Ich hatte einfach Spaß!

Ich bemerkte erstaunt das Einssein: Freude (Gefühl), Lachen, mein „Tanzen“ (Körper) – und erlaubte es (Gedanken). Welch ein ungeahntes, umfassendes, blitzartiges Wunder der Wende!

Es hat wieder geholfen, das Breitbandantibiotikum „Bewegung“ und zudem das Teilendürfen: Geteiltes Leid und geteilte Freude…

Es greift Mal um Mal zuverlässig.


Und wenn nicht?

Dann werde ich sehen, erleben, fühlen, denken. Es, etwas, wird sein (und – ob ich will, oder nicht – vorbei ziehen wie ein Wetter…). Der Horizont, die Erde, die Menschen, vielleicht das Leiden – jedenfalls: Etwas wird sein.

Die Option, mich in diesem Moment gehalten fühlen zu können, wird sein.

Und wenn ich das, was da ist (der Moment, die Freude, das Leiden, die Angst, das Verlorensein, die Verzweiflung, Ratlosigkeit,…), akzeptiere, dann werde ich sagen können:

Meine Art, mich in diesem Moment gehalten fühlen zu können, wird sein.

Es ist mein Ausdruck, mich gerade so in diesem Moment zu befinden, aufzuhalten…

Oder sogar: Ich halte mich im Jetzt.

Und das nächste „Jetzt“ (z.B. mich einzuladen, mich zu bewegen, die Entscheidung, es zu tun – oder auch nicht) wird wieder eine Option sein, mich gehalten fühlen zu können.

Vielleicht ist es nur ein seltsam verschrobenes Konstrukt, Vertrauen zu er-finden.

ja

und

 


… „veröffentlicht vor 8 Stunden“… sagt der Editor.

und die erste Bewährungsprobe stellt sich ein. Die Angst ist da und sucht sich einen Grund. Einen Halt in möglichen Ursachen und Lösungen.

Weiteratmen. Die Angst ist da und sucht sich einen Halt. Dabei braucht sie keinen. Sie ist da.

Atmen. Mehr ist nicht zu tun.

Dosenöffner

Ich fand ihn in der Küchenschublade meines gerade bezogenen, übervoll ausgestatteten Einzimmerappartements. Ich beachtete ihn zunächst gar nicht besonders. Er war einfach nur ein Teil unter vielen, die ich in den Wäschekorb legte, um ihn mit diesen zur Spülmaschine im Nachbarhaus zu transportieren. Mein Vorgänger hatte seine Maßnahme vorzeitig abgebrochen und wohl anderes im Kopf, als die Küchenutensilien in einem sauberen Zustand zu hinterlassen…

Eigentlich alle anderen Gegenstände trennten sich in der Gastronomiespülmaschine spätestens nach dem dritten Durchgang von ihren Anklebnissen, aber der Dosenöffner hielt trotz manuellen Zwischenarbeitsschritten mit Spüli und Bürste einem Teil seiner erworbenen Errungenschaften fest die Treue.

Es handelte sich um ein metallenes Ikea-Standartmodell im Edelstahllook mit reichlich Rostansatz – und eben hartnäckig haftendem Küchendunst- und Doseninhaltrestschmodder.

Eigentlich war ich wütend. Oder beekelt – und wütend – darüber, dass Hr. D. seinen Nachfolgern diesen, seinen Dreck einfach so hinterlässt. Darüber, dass der Träger der Einrichtung keine Verantwortung für solche Fälle einer überhasteten Übergabe übernimmt. Darüber, dass dieser Dosenöffner meinen Bemühungen so lässig trotzte.

Und ich spürte Ekel. Ekel und Wut…

„Stell‘ Dich nicht so an!“

raunte es aus den Tiefen des Nervensystems bzw. den Wahrheiten der Überlebensregeln aus den Kindertagen.

Und dieses „NEIN“ war da, einfach da. Ich konnte es hören hören und akzeptieren. Das „NEIN“ zum Dosenöffner. Diesen Dosenöffner wollte ich nicht in meinem Appartement haben, noch nicht mal in der Kiste mit all dem Krempel, den ich bis zum Auszug nicht brauchen werde. Diesen Dosenöffner wollte ich nicht in meinem Leben haben.

So stellte ich mich –

meinen inneren Kritikern, nahm das mir, jetzt, so gesehen, sehr wertvolle Stück und übergab es der zuständigen Hauswirtschafterin. Sie solle mit ihm machen, was sie wolle. Ich jedenfalls sage „Nein“ zu ihm.

Sie hatte die Kiste mit für mich Überflüssigem an mich zurück überwiesen. Auch die riesige Rührschüssel mit Deckel musste ich wieder mitnehmen und selbst verwahren. Den Dosenöffner aber nahm sie an sich und ich musste auch keine Austauschexemplar mitnehmen: Mein Nein zu ihm war also zu verstehen.

Und mit ihm mein Nein zu den Wahrheiten meines alten Leitsystems – meine Gefühle (Ekel, Wut) und Bedürfnisse (Respekt, Soseindürfen) seien zu übergehen, nicht wichtig, und ich habe gefälligst dafür zu sorgen, sie zu unterdrücken.

So lege ich das Nein zu diesem versifften Dosenöffner in meine Errungenschaftskiste als griffiges Beispiel, also ein immer wieder anwendbares Werkzeug, für hoffentlich noch viele, sich zwar fremd, aber irgendwie auch reizvoll, abenteuerlich und – alles in allem -echt gut anfühlende „Neins“.