La Resurrezione

Nein, ich hätte wohl im Vorhinein keine zwanzig Euro oder gar mehr gezahlt. Zu skeptisch bin ich gegenüber meinem Musikempfinden eingestellt. Zu gewiss bin ich mir der fiesen Verurteilungen meiner inneren Kritiker bei aufkommendem Getrieben- oder Unwohlsein, Nichtgefallen, Desineresse oder Unlust. Bei einem so selten gespielten, mir völlig unbekannten Werk Händels – zumal in italienischer Orginalsprache – hätte ich mich nicht getraut auf mein Wohlgefühl so viel Geld zu verwetten.

Aber es gibt diese erfreuliche Einrichtung in Wetzlar, das sogenannte „Kulturticket“. Ehrenamtlich Tätige organisieren die Verteilung kostenloser Eintrittskarten spendenfreudiger Veranstalter für Konzerte und Aufführungen aller Art. Und so wurden wir gefragt, ob wir an der Aufführung von Händels „Die Auferstehung“ im Stadttheater Gießen interessiert seien.

Ja, klar, das war ein Angebot, auf das wir spontan und freudig eingehen konnten!

Um meine Antreiber und Unruhestifter schon mal vorab zu besänftigen fuhr ich mit dem Rad nach Gießen, wo Klaus mir schon, verschämt schelmisch schmunzelnd, mit zwei Karten in der Hand entgegenwinkte: „Erste Reihe!“

Gießen hat ein echt kleines Theater. Das etwa mit 25 Personen besetzte Orchester war halbhoch arrangiert. Ich traute mich nicht wirklich, meinen Fuß auszustrecken, womöglich hätte der Geruch den Geiger irritiert? Aber solcherlei Gedanken verflogen spätestens mit dem Erklingen der ersten Töne.

Der feierliche, pompöse Beginn des Werkes trieb mir Schauer der Freude über den Rücken und Tränen in die Augen. Mein Körper freute sich – ganz und gar. Er zeigte es mir deutlich und der Rest von mir stimmte sich begeistert mit ein.

Die Nähe zum Ursprung der Musik war es vielleicht, die den ablenkenden Gedanken die Luft nahm. Die Flöten waren mir so nah, dass sie mir stellenweise zu laut waren. Man konnte den Künstlern auf der Bühne auch beim Luftholen zuhören. Und immer wieder schaute ich voller Faszination auf die Hände und die unbeschreiblich schönen Bewegungen der Arme des Menschen „Dirigent“, seine Mimik und die freudvolle, begeisterte, völlig mühelos wirkende Hingabe an die Musik, die er von ganzem Wesen zu leben schien und so für mich auch auf diese Weise zum Mit-Erlebnis machte.

So, wie die Musik zur Tiefe der Trauer um den Geliebten führte, so erklang mit ihr der Weg hinaus durch Trost im Teilen der Last in Gemeinschaft, mit scheinbar gleichsam betroffen fühlenden Menschen und Hoffnung auf die, wenn auch unsichtbare, Auferstehung, von der man sich erzählt, die aber doch keiner wirklich, ehrlich glauben oder begreifen kann.

Ich will da wieder hin.

 

Angelo: Samuel Mariño, Maddalena: Francesca Lombardi Mazzulli, Giovanni: Aco Bišcevic, Cleofe: Marie Seidler, Lucifero: Grga Peroš, Corista: Kyung Jae Moon, Philharmonisches Orchester Gießen, Musikalische Leitung: Michael Hofstetter / 23.Juni 2019

 

 

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