Pinnwürdiges

Ich darf seit ein paar Monaten bei der ein Mal wöchentlich stattfindenden DBT Skillsgruppe mitmischen.

Neben uns 4-8 Teilnehmerinnen sind immer zwei therapeutische Mitarbeiter zugegen. Der Ablauf der 1,5 stündigen Gruppe folgt einer festgelegten Struktur. Zunächst gibt jeder der Anwesenden seinen momentanen Grad der Spannung an. Bei über 70 (von 100) wird nachgefragt ob eine Intervention (‚runterskillen‘) alleine oder in Begleitung außerhalb des Raumes notwendig ist. Nach einer Achtsamkeitsübung trägt jeder seine Hausaufgaben der letzten Woche vor und kann in begrenztem Rahmen eventuelle Unklarheiten oder Schwierigkeiten ansprechen. Danach folgt eine Pause von 5-10 Minuten. Inhaltlich arbeitet sich die Gruppe am ‚Manual‘ (Bohus / Wolf,
Interaktives Skillstraining) entlang. Die Hausaufgabe besteht dann meistens im Bearbeiten eines Arbeitsblattes zum neu besprochenen Thema. Abschluss der Runde ist eine weitere Anspannungsrunde und die Frage, wer die Achtsamkeitsübung für die nächste Woche vorbereitet.

Ich wurde immer kleiner in meinem Stuhl. Zwar war ich diesmal nicht gehetzt als letzte in den Raum gehuscht, musste aber feststellen, dass ich die Hausaufgaben nicht richtig verstanden und somit auch nicht gut vorbereitet hatte. Zu meiner Grundscham gesellte sich nun noch ein übertriebenes, kindliches Schuldgefühl und eine Wut darüber, sowie über die Feststellung, dass ich den Vorträgen meiner Kolleginnen nicht folgen konnte. Wie ich selbst hatte jede scheinbar etwas anderes verstanden oder sprach schüchtern verunsichert nuschelnd ohne Blickkontakt…

Allesamt mir ein Spiegel.

Ich konnte mich nicht konzentrieren, nicht zuhören…

Meine Anspannung war deutlich gestiegen: Ich war so froh über die Pause, floh in das kleine Draußenalleinesein und erkannte dort außer mir schnell ‚Schlimm‘ um Zuwendung drängeln.

Ich atmete und stand an dieser Brüstung. Nahm die Wärme der Sonne wahr und gab es für einen halben Atemzug lang auf, einatmen zu müssen.

So war es mir zu fassen:

Nur mit Schlimm bin ich ganz. Jetzt.

Ich bin nicht schlimm, aber ich habe ihn. Ohne ihn gibt es mich jetzt gerade nicht.

Diese Fassung möchte ich hiermit als Schablone an meine Pinnwand hängen.

So mies sich gerade was anfühlt, ob es schlimm ist oder nicht: Es hilft doch nicht, etwas ‚weg‘ haben zu wollen, was schon da ist.

Nur mit dem Gefühl bin ich ganz. Ich kann bestenfalls lernen zu dirigieren. Hellsehen kann ich nicht.

…durchatmen, wenisten noch ein paar Schritte ums Gebäude laufen und wieder rein zum….

Offensein üben

In jedem neuen Moment habe ich immer wieder eine Chance dazu.


Habe mir übrigens die Hausaufgabe genau notiert.

Müsste dann nur wieder den Zettel finden…

Salbe und Wirken

Die Neurodermitis

Mit meinem Krankenpflegeexamen 1989 und der damit verbundenen Rollenveränderung trat meine Neurodermits auf.

Die Schulmedizin konnte mir auch mit Salben-, Licht- und Badetherapie nicht helfen. Und die Erfolge einer stationären Behandlung verpufften anschließend nach schon drei Wochen. Mehr und mehr half nur noch Kortison. Ohne Salben aus dem Haus zu gehen war nicht denkbar für mich.

Diese andere Art von Aufgekratzsein führte mich schließlich auf andere Wege: „Heilung“ brachte ein Aufenthalt in einer Klinik, die einem besonderen Genehmigungsverfahren der Krankenkasse bedarf, arbeitete sie doch gänzlich nach den Regeln klassischen Homöopathie. Ich war so glücklich, dort hin gehen zu dürfen: Hoffnung.

Ich erinnere mich noch an das stundenlange Anamneseverfahren. Man wurde in dessen Rahmen gebeten, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und sich von zwei ÄrztInnen betrachten zu lassen. Letztendlich erhielt ich einmalig drei bis fünf Globuli, Glaubersalz, dreieinhalb Wochen Saftfasten, 2 x pro Woche Colon-Hydro-Therapie (eine einstündige Darmspülung), ansteigende (das Wasser wurde währenddessen erwärmt) Fußbäder mit Rosmarin und nur bei Bedarf Lymphdrainagen, Kartoffelwickel, Halbedelsteinauflagen und Sauerkrautsaft. Die meisten Patienten dort litten an Haut- oder Darmerkrankungen. Alle mussten fasten, und zwar in zweierlei Hinsicht: Der schlimmste Schrecken übte für mich das Salbenfasten aus. Ständig juckende, schuppende, entzündete Haut ohne Schmierzeug?

Ich glaube, jeder, der unter trockener Haut leidet oder vielleicht mal sowas wie Fußpilz gehabt hat, kann sich annähernd vorstellen, was das bedeuten könnte. Nicht nur meine Haut war abhängig von äußerem Fett. Ich fühlte mich psychisch abhängig und stand vor dem kalten Entzug.

Neben dem Verzicht auf alle symptomlindernde Maßnahmen nahmen wir alle für durchschnittlich drei Wochen  keine feste Nahrung zu uns. Und alle wurden anschließend auf tierisch eiweißfreie Rohkost umgestellt. Es gab neben vielen Vorträgen über Homöopathie und Ernährung auch psychotherapeutisch angeleitete Gruppen- und Einzelsitzungen sowie Ergotherapie. Ich blieb insgesamt ca. acht Wochen, noch drei Monate bei der empfohlenen Kost und bin ‚Pescetarier‘.

Mein Haut riss damals auf, manchmal bei jeder Bewegung. Sie schmerzte, eiterte – und heilte.

Es ist und bleibt wunderbehaftet, dass sie seit dem nie wieder so nach etwas schreien musste.

Vor einigen Jahren traten die Symptome aber wieder zunehmend auf.

Als Krankenschwester auf einer Demenzstation dieser Zeit braucht man in vielerlei und völlig unterschiedlicher Hinsicht ein dickes Fell…

Ich fand mich häufiger in der Apotheke vor den einschlägigen Tuben und merkte doch recht schnell, dass ich das nicht mehr will.

Also der Symptomen wegen (Zufälle gibt es nicht) fand ich meine Hausärztin, die sich auf die klassische Homöopathie spezialisiert hat und mich seither nicht nur entsprechend behandelt sondern mich auf meinem Weg begleitet, mir so zum Beispiel auch meine Körperpsychotherapeuten und die Heiligenfeldkliniken empfohlen hat.

Bei der Homöopathie geht man davon aus, dass die Symptome rückwärts ausheilen. Neuste Symptome zuerst.

Die Haut beruhigte sich schnell wieder.

Die Essstörung

Stopfen. Hinein und Löcher: Halte inne!

Das stumme Schreien nach außen: Bitte bleib! Bleib so. Es ist nicht gut, aber es könnte schlimmer kommen. Ich tue alles, was ich vermag dafür, dass „es“ bleibt, wie es ist.

Das Stopfen nach Innen: Ich tue alles dafür, was ich zu tun vermag. Ich esse, damit ich so bleiben kann, wie ich bin. So sein kann, damit es nicht schlimmer kommt. Damit ich es halten kann, was ist, damit „es“ nicht wahr ist, was ist. Schlimmer als das, was ist, ist die Angst davor. Und die brauche ich nicht spüren, erkennen, sehen, wenn ich esse. Ich bin schlimm, wenn ich esse, nicht „Es“, das ich nicht verstehe, gegen das ich nichts zu tun vermag und das richtig sein muss, damit ich überleben kann. Wenn „Es“ richtig sein muss, es sich für mich aber falsch anfühlt, muss ich doch falsch sein. Vermutung: Ich esse, um zu wissen, spüren, errichten, einen Grund unter meinen Füßen für mein Falschseingefühl zu haben.

Es dauerte Jahre, bis ich – in Uffenheim – den Griff, meinen Halt durch sie, meine Essstörung – lockern konnte.

Ich hatte mich in meiner Kindheit an sie gebunden.

Die Salbe meiner Kindheit legt nun meine Wunden frei.

Es schmerzt. Es eitert Ungesichertsein, Schlimm, Getue und

Falschseingefühl.

Ich muss da durch und vertrauen lernen, dass ich mich mit und durch mein Er-Leben heile.

Ich muss da durch? Besser: Ich bin da mit.

Dieses Erleben ist mein Weg. Ich muss keinen er-finden.

Darf von den Geschichten und Märchen lassen.

Mein Geist spinnt und denkt, mein Gefühl zwingt und schwappt, mein Urteil spaltet, glaubt Fetzen reißen und zu irgendwas verkleben zu können.

Mein Verstand glaubt sich noch in Nachwehen. Er glaubt, ich könnte die Macht ergreifen, könnte es richten. Glaubt, ich müsste tun, sein, machen, verstehen, endlich kapieren, endlich loslassen, endlich vertrauen, planen, bleiben, gehen, halten. Und zwar schon längst! Schnell! Schneller!

Mein Verstand glaubt… ich müsste er-leben.

und

Er ist. Es ist. Jetzt ist es. Ich wirke. Mitten im Atem.

Ob ich’s gerade mal wieder begreife zu kapieren zu scheinen und es ganz sicher niemals (er-) schaffen kann.

Weil’s schon ist…

 


 

Danke für Euch, für Ihr und Euer Sein in meinem Lebensein. Ihr alle, derer Hilfe ich mich bediene. Gefragt oder ungefragt. Es ist, wie es ist.