Lauge

Ich bin sowas von gesegnet, in dieser Zeit in diesem Land leben zu dürfen, mich trotz mehr als jahreslanger Arbeitsunfähigkeit in finanzieller Sicherheit zu wähnen und physisch völlig gesund zu sein. Bin in eine Familie geboren, in der ich gelernt habe, die Regeln der Gesellschaft befolgen zu können und habe lange Jahre entsprechend den Anforderungen, die an mich gestellt wurden, funktioniert. Habe eine gute Bildung genießen dürfen und einen Beruf erlernt, dem ich lange Zeit nachgehen konnte und in dem ich mich auch in Zukunft wieder einbringen könnte, wenn ich es wollte, weil es auf Dauer so viele freie Stellen gibt und geben wird. Ich kenne wunderbare Menschen, zu denen ich mit meiner Verunsicherung Vertrauen üben gehen kann. Wieder und wieder. Manche werden sogar dafür bezahlt… Und ich habe eine vom Sozialsystem getragene Perspektive, wie es mit mir weiter geht. Ich lebe in einer günstigen Wohnung inmitten dieser Ecke Kleinstadt mit fließend sauberem Wasser, habe es warm und trocken. Es ist Frieden und Wohlstand in diesem Land.

Ich bin sowas von gesegnet.

Heute bin ich geschwommen, Rad und Motorrad gefahren. Das Wetter hat gepasst, die Luft war rein, die Straßen frei. Habe von vielen Menschen Lächeln durch Anlächeln ‚geerntet‘ oder es einfach so geschenkt bekommen. Ich wurde heute mehrfach herzlich, liebevoll berührt und sogar in den Arm genommen. Man hat sich sichtlich gefreut, mich zu sehen, mit mir zu sprechen. Mir so liebe Menschen haben von sich aus, einfach so,  Kontakt zu mir aufgenommen: Was für ein Geschenk, welch eine Fülle! Ist das menschlich wirklich zu erfassen?

Jedenfalls befand ich mich so gesehen heute in einem wohlig warmen Bad der guten Gesellschaft und freundlicher Begebenheiten.

Ich könnte sowas von glücklich sein, rundlich wonnig beseelt.

Das bin ich doch – auch?

Vorrangig aber fühle ich mich gerade ausgelaugt.

Und deshalb schuldig.

Denn da ist noch mehr…

„DU SOLLTEST… sowas von glücklich sein, rundlich wonnig beseelt!“

Ich bin für sie, meine inneren Kritiker, so (einfach) wie ich bin, nicht genug. Ich soll mehr sein, besser sein…

Sie lassen mich ‚einfach‘ nicht in Ruhe.

Was ‚Schlimm‘ entzündet.

Eine Auslaugung ist definiert als die Herauslösung von Substanzen durch ein Lösungsmittel aus einem Feststoff.

Nehme ich die Schuld mal Beiseite und empfehle Schlimm solange in ihre Obhut…

…sortiere also den Lageplan der Verurteilungen neu…

…ergibt sich Neues:

Wo etwas herausgelöst wird, entsteht Raum.

Raum für andere Perspektiven und neue Blickwinkel.

So gesehen gibt es neben den ewigeifrigen Vordränglern „Schuld“ und „Schlimm“ noch weitere herausgelöste Substanzen. Schlichte Müdigkeit zum Beispiel, Erschöpfung, „Geistüberflutung“ – ob ich es will oder nicht. Verwässerte Wut bei all der Anpassung. Ratloses Achselzucken. Hoffnungslosigkeit. Ohnmacht. Das gleichzeitige Spüren, Vermissen und die Ungreifbarkeit von Vertrauen, von Bindung, von Teilsein-Fühlen. Im Feld der Wahrnehmung erscheint auch der Trost der Traurigkeit, die den Schmerz vermag zu lieben – ihn umschließt, verbirgt, versorgt.

Vielleicht braucht die Traurigkeit gar keinen Trost. Sie ist es. Wenn ich sie ganz sehe.

Und das Lösungsmittel, das mir erlaubt hat, das zu erkennen, war dieser wonnig runde, glücklich beseelte Tag mit all seinen Begegnungen.

Auslaugung ist die Herauslösung von Substanzen durch ein Lösungsmittel aus einem Feststoff.

So ist alles richtig – und schon kann mir rückblickend gelingen, was vom Feststoff (oder vom Zähen, Schweren, Klebrigen) übrig bleibt:

Das Lächeln dieses Tages einfach, dankbar schweigend seufzend zu erwidern.

Dem Wunsch der Müdigkeit nach Schlaf zu folgen, und darauf zu vertrauen, dass, wie sie, die anderen herausgelösten Substanzen vielleicht dort ebenso das finden, was sie erlöst.

Ausgelaugtsein ist eine Lösung.

unter die Haut

Im Rahmen der Behandlungsstunden mit meinen körperpsychotherapeutisch interessierten HelferInnen wurde und werde ich oft gefragt: „Und wie fühlt sich das im Körper an?“

Oft spüre ich irgendwie nichts, kann es nicht beschreiben oder ich spüre was, sage das und gleich das dazu, was meine inneren Kritiker dazu meinen. Sie finden das dann „immer“ „zu wenig“, „falsch“, „dumm“, „verlogen“. Kurz: Ich habe es schwer, meinen Körper wahrzunehmen und das einfach zu beschreiben, was er mir mitteilt. Ich will „die Kritiker“ nicht hören und die Gefühle nicht wahrnehmen, die diese Gedanken auslösen.

Gerade jetzt fühle ich dieses Gefühl, das meistens da ist und versuche mal, es zu beschreiben. Ich nenne es mal so: Es fühlt sich an, wie eine „innere Neurodermitis“. Ich würde die Unruhe, das Aufgewühltsein als „juckloses Kribbeln unter der Haut“ beschreiben. Also nicht auf, sondern unter der Oberhaut. Es ist gerade am deutlichsten in der Schulterpartie, den Schulterblättern und den Oberarmen wahrzunehmen. Die Oberschenkel senden es aber auch. Die Zahnreihen haben übersanften Druck, der Kiefer ist also angespannt. Der Körper ist gespannt. Aber nicht freudig erregt gespannt, sondern wie in der Erwartung einer unvorhersehbaren, aber altbekannten Gefahr. Es ist nicht klar, was kommt. Glaube aber, zu wissen, es kommt eine bedrohliche Situation auf mich zu. Mein Urteil lautet: „Ich muss aufpassen“. Ich sollte „raus“.

…und gehe jetzt auch raus – in die Sonne.

Und auf den Samstags-Wochenmarkt.

Die Sonne spüren, die Wärme fühlen, Sicherheit sehen, versuchen, sie auf mich wirken zu lassen.

Sie einladen, mir unter die Haut zu gehen.


Üben, etwas mehr

damit

statt etwas dagegen zu tun.

 

 

Pinnwürdiges

Ich darf seit ein paar Monaten bei der ein Mal wöchentlich stattfindenden DBT Skillsgruppe mitmischen.

Neben uns 4-8 Teilnehmerinnen sind immer zwei therapeutische Mitarbeiter zugegen. Der Ablauf der 1,5 stündigen Gruppe folgt einer festgelegten Struktur. Zunächst gibt jeder der Anwesenden seinen momentanen Grad der Spannung an. Bei über 70 (von 100) wird nachgefragt ob eine Intervention (‚runterskillen‘) alleine oder in Begleitung außerhalb des Raumes notwendig ist. Nach einer Achtsamkeitsübung trägt jeder seine Hausaufgaben der letzten Woche vor und kann in begrenztem Rahmen eventuelle Unklarheiten oder Schwierigkeiten ansprechen. Danach folgt eine Pause von 5-10 Minuten. Inhaltlich arbeitet sich die Gruppe am ‚Manual‘ (Bohus / Wolf,
Interaktives Skillstraining) entlang. Die Hausaufgabe besteht dann meistens im Bearbeiten eines Arbeitsblattes zum neu besprochenen Thema. Abschluss der Runde ist eine weitere Anspannungsrunde und die Frage, wer die Achtsamkeitsübung für die nächste Woche vorbereitet.

Ich wurde immer kleiner in meinem Stuhl. Zwar war ich diesmal nicht gehetzt als letzte in den Raum gehuscht, musste aber feststellen, dass ich die Hausaufgaben nicht richtig verstanden und somit auch nicht gut vorbereitet hatte. Zu meiner Grundscham gesellte sich nun noch ein übertriebenes, kindliches Schuldgefühl und eine Wut darüber, sowie über die Feststellung, dass ich den Vorträgen meiner Kolleginnen nicht folgen konnte. Wie ich selbst hatte jede scheinbar etwas anderes verstanden oder sprach schüchtern verunsichert nuschelnd ohne Blickkontakt…

Allesamt mir ein Spiegel.

Ich konnte mich nicht konzentrieren, nicht zuhören…

Meine Anspannung war deutlich gestiegen: Ich war so froh über die Pause, floh in das kleine Draußenalleinesein und erkannte dort außer mir schnell ‚Schlimm‘ um Zuwendung drängeln.

Ich atmete und stand an dieser Brüstung. Nahm die Wärme der Sonne wahr und gab es für einen halben Atemzug lang auf, einatmen zu müssen.

So war es mir zu fassen:

Nur mit Schlimm bin ich ganz. Jetzt.

Ich bin nicht schlimm, aber ich habe ihn. Ohne ihn gibt es mich jetzt gerade nicht.

Diese Fassung möchte ich hiermit als Schablone an meine Pinnwand hängen.

So mies sich gerade was anfühlt, ob es schlimm ist oder nicht: Es hilft doch nicht, etwas ‚weg‘ haben zu wollen, was schon da ist.

Nur mit dem Gefühl bin ich ganz. Ich kann bestenfalls lernen zu dirigieren. Hellsehen kann ich nicht.

…durchatmen, wenisten noch ein paar Schritte ums Gebäude laufen und wieder rein zum….

Offensein üben

In jedem neuen Moment habe ich immer wieder eine Chance dazu.


Habe mir übrigens die Hausaufgabe genau notiert.

Müsste dann nur wieder den Zettel finden…

Salbe und Wirken

Die Neurodermitis

Mit meinem Krankenpflegeexamen 1989 und der damit verbundenen Rollenveränderung trat meine Neurodermits auf.

Die Schulmedizin konnte mir auch mit Salben-, Licht- und Badetherapie nicht helfen. Und die Erfolge einer stationären Behandlung verpufften anschließend nach schon drei Wochen. Mehr und mehr half nur noch Kortison. Ohne Salben aus dem Haus zu gehen war nicht denkbar für mich.

Diese andere Art von Aufgekratzsein führte mich schließlich auf andere Wege: „Heilung“ brachte ein Aufenthalt in einer Klinik, die einem besonderen Genehmigungsverfahren der Krankenkasse bedarf, arbeitete sie doch gänzlich nach den Regeln klassischen Homöopathie. Ich war so glücklich, dort hin gehen zu dürfen: Hoffnung.

Ich erinnere mich noch an das stundenlange Anamneseverfahren. Man wurde in dessen Rahmen gebeten, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und sich von zwei ÄrztInnen betrachten zu lassen. Letztendlich erhielt ich einmalig drei bis fünf Globuli, Glaubersalz, dreieinhalb Wochen Saftfasten, 2 x pro Woche Colon-Hydro-Therapie (eine einstündige Darmspülung), ansteigende (das Wasser wurde währenddessen erwärmt) Fußbäder mit Rosmarin und nur bei Bedarf Lymphdrainagen, Kartoffelwickel, Halbedelsteinauflagen und Sauerkrautsaft. Die meisten Patienten dort litten an Haut- oder Darmerkrankungen. Alle mussten fasten, und zwar in zweierlei Hinsicht: Der schlimmste Schrecken übte für mich das Salbenfasten aus. Ständig juckende, schuppende, entzündete Haut ohne Schmierzeug?

Ich glaube, jeder, der unter trockener Haut leidet oder vielleicht mal sowas wie Fußpilz gehabt hat, kann sich annähernd vorstellen, was das bedeuten könnte. Nicht nur meine Haut war abhängig von äußerem Fett. Ich fühlte mich psychisch abhängig und stand vor dem kalten Entzug.

Neben dem Verzicht auf alle symptomlindernde Maßnahmen nahmen wir alle für durchschnittlich drei Wochen  keine feste Nahrung zu uns. Und alle wurden anschließend auf tierisch eiweißfreie Rohkost umgestellt. Es gab neben vielen Vorträgen über Homöopathie und Ernährung auch psychotherapeutisch angeleitete Gruppen- und Einzelsitzungen sowie Ergotherapie. Ich blieb insgesamt ca. acht Wochen, noch drei Monate bei der empfohlenen Kost und bin ‚Pescetarier‘.

Mein Haut riss damals auf, manchmal bei jeder Bewegung. Sie schmerzte, eiterte – und heilte.

Es ist und bleibt wunderbehaftet, dass sie seit dem nie wieder so nach etwas schreien musste.

Vor einigen Jahren traten die Symptome aber wieder zunehmend auf.

Als Krankenschwester auf einer Demenzstation dieser Zeit braucht man in vielerlei und völlig unterschiedlicher Hinsicht ein dickes Fell…

Ich fand mich häufiger in der Apotheke vor den einschlägigen Tuben und merkte doch recht schnell, dass ich das nicht mehr will.

Also der Symptomen wegen (Zufälle gibt es nicht) fand ich meine Hausärztin, die sich auf die klassische Homöopathie spezialisiert hat und mich seither nicht nur entsprechend behandelt sondern mich auf meinem Weg begleitet, mir so zum Beispiel auch meine Körperpsychotherapeuten und die Heiligenfeldkliniken empfohlen hat.

Bei der Homöopathie geht man davon aus, dass die Symptome rückwärts ausheilen. Neuste Symptome zuerst.

Die Haut beruhigte sich schnell wieder.

Die Essstörung

Stopfen. Hinein und Löcher: Halte inne!

Das stumme Schreien nach außen: Bitte bleib! Bleib so. Es ist nicht gut, aber es könnte schlimmer kommen. Ich tue alles, was ich vermag dafür, dass „es“ bleibt, wie es ist.

Das Stopfen nach Innen: Ich tue alles dafür, was ich zu tun vermag. Ich esse, damit ich so bleiben kann, wie ich bin. So sein kann, damit es nicht schlimmer kommt. Damit ich es halten kann, was ist, damit „es“ nicht wahr ist, was ist. Schlimmer als das, was ist, ist die Angst davor. Und die brauche ich nicht spüren, erkennen, sehen, wenn ich esse. Ich bin schlimm, wenn ich esse, nicht „Es“, das ich nicht verstehe, gegen das ich nichts zu tun vermag und das richtig sein muss, damit ich überleben kann. Wenn „Es“ richtig sein muss, es sich für mich aber falsch anfühlt, muss ich doch falsch sein. Vermutung: Ich esse, um zu wissen, spüren, errichten, einen Grund unter meinen Füßen für mein Falschseingefühl zu haben.

Es dauerte Jahre, bis ich – in Uffenheim – den Griff, meinen Halt durch sie, meine Essstörung – lockern konnte.

Ich hatte mich in meiner Kindheit an sie gebunden.

Die Salbe meiner Kindheit legt nun meine Wunden frei.

Es schmerzt. Es eitert Ungesichertsein, Schlimm, Getue und

Falschseingefühl.

Ich muss da durch und vertrauen lernen, dass ich mich mit und durch mein Er-Leben heile.

Ich muss da durch? Besser: Ich bin da mit.

Dieses Erleben ist mein Weg. Ich muss keinen er-finden.

Darf von den Geschichten und Märchen lassen.

Mein Geist spinnt und denkt, mein Gefühl zwingt und schwappt, mein Urteil spaltet, glaubt Fetzen reißen und zu irgendwas verkleben zu können.

Mein Verstand glaubt sich noch in Nachwehen. Er glaubt, ich könnte die Macht ergreifen, könnte es richten. Glaubt, ich müsste tun, sein, machen, verstehen, endlich kapieren, endlich loslassen, endlich vertrauen, planen, bleiben, gehen, halten. Und zwar schon längst! Schnell! Schneller!

Mein Verstand glaubt… ich müsste er-leben.

und

Er ist. Es ist. Jetzt ist es. Ich wirke. Mitten im Atem.

Ob ich’s gerade mal wieder begreife zu kapieren zu scheinen und es ganz sicher niemals (er-) schaffen kann.

Weil’s schon ist…

 


 

Danke für Euch, für Ihr und Euer Sein in meinem Lebensein. Ihr alle, derer Hilfe ich mich bediene. Gefragt oder ungefragt. Es ist, wie es ist.

You’re beautiful

Ich höre ihn schon seit Stunden zufällig den Radiosender WDR 4 und freue mich über die Musikauswahl.

Gerade jetzt läuft „I believe in miracles“ von Hot Chocolate… ich stelle mir einen guten Tänzer dazu vor. Was immer das ist. Amy Winehouse hatte mal so zwei Backgroundsänger im Video die ich gerne die ganze Zeit in Großaufnahme gesehen hätte… Egal… ich drifte schon wieder ab!

Denn zuvor wurde von und mit James Blunt „You’re beautiful“ gespielt. Und da fiel mir die Frau gestern im Schwimmbad ein.

Ich hätte ihr es sagen sollen, verdammt nochmal!

Echt jetzt?

Aber.

Ich habe es nicht getan.

Ich denke jetzt an sie. Und habe viel nachgedacht.

Ich widme ihr nicht nur Gedanken. Sondern schicke ihr meine guten Wünsche mit auf ihren Weg.

Sie schwamm kaum. Deshalb sah ich sie so oft. Sie hielt sich an den Beckenrand im Westen und machte langsame Übungen mit Beinen und Rumpf. Sie trug einen türkisfarbenen Badeanzug und ihre langen, blonden Haare hingen bis über die Achseln.

Ob sie darunter rasiert war? Gestern kam mir kein Gedanke daran. Hatte sie, wie so, so viele andere, ein Tattoo? Keine Ahnung. Ich hatte meine Augen woanders.

Mir gefielen ihre üppigen Kurven. Gefüllte Haut. Nicht prall, erdrückend, erstickend. Umfangreich. Gerade an Oberschenkeln und Rumpf. Für mich wohl proportioniert.

Gedanken und Handlungsimpuls:

Mir kam der Gedanke, dass ich sie schön finde. Und auch der Gedanke, dass ich ihr das sagen könnte. Und die Frage, warum ich das nicht getan habe.

Situative Beobachtung:

Kaum bekleidet im Schwimmbad.

weitere Aspekte meiner persönlichen Wahrnehmung:

Sie war übergewichtig und ihre Mundwinkel waren ohne Anspannung. Ihr Blick ging ins Leere. Sie wirkte traurig auf mich.

Vorurteile, Vermeidung und Feigheit, Einhaltung sozialer Regeln – oder Respekt?

Ich glaube zu wissen, wie sich übergewichtige Frauen im Schwimmbad fühlen. Ich gehe von mir aus. Es war für mich immer eine Mutprobe, eine so große Überwindung, ins Schwimmbad zu gehen, dass ich es jahrelang einfach gelassen habe – obwohl ich weiß, wie gut ich mich nach dem Schwimmen fühlen kann. Beispielsweise war ich in Uffenheim nie im Schwimmbad. Ich hatte die Badesachen dabei. Hätte ich ganz, ganz sicher sein können, ganz gewiss niemanden zu kennen, hätte ich es vielleicht wagen können. Aber alleine der Gedanke, irgendjemand, wirklich völlig egal wer, der mich identifiziert, könnte einen Blick auf meinen Körper im Badeanzug werfen, ist mir bis heute sehr präsent nachvollziehbar, nachfühlbar… : Es ist ein grauenhafter, seelischer Schmerz, der durch diese Vorstellung ausgelöst wird. Klingt mal wieder sehr theatralisch, aber ich kann mir vorstellen, dass jeder Mensch so was in sich trägt, so eine angstbesetzte Unvorstellbarkeit bewahrheite sich…

Es ist wie ein Vergrößerungsglas der eigenen Selbstverachtung. Es hat keine Spur mit Realität, Vernunft oder so zu tun, fühlt sich aber an als hätte der Pfeil der Wahrheit bei lebendigem Leib das weiterschlagende Herz getroffen und den Körper angepflockt. Der Atem hört auf, aber man muss weiter leben und sich die Wahrheit ansehen, die man doch immer nur im Geist existent wähnte als irre Unvorstellbarlichkeit.

Wie hätte ich damals wohl reagiert, wie würde ich heute reagieren, würde mir jemand sagen…:

„Entschuldigen Sie bitte, ich möchte nicht respektlos sein, übergriffig oder Sie in Scham versetzen. Aber ich dachte gerade daran, dass ich für mich festgestellt habe, dass ich Sie schön finde. Und ich hatte den Gedanken, Ihnen das einfach mal sagen zu wollen.“

Wie würde es Euch damit gehen?

Klar, es kommt drauf an, wie, wer, wann…

Aber.

Mir wäre es wohl wahrscheinlich so gegangen, dass ich meine Fassade eingesammelt hätte, mich höflich bedankt, wäre errötet, hätte gelächelt…

und innerlich hätte ich sterben müssen, mich ganz schnell „weg“ machen, dissoziieren nennt man sowas auch. Vor meinen eigenen Urteilen und Ängsten verschwinden.

Oder ich hätte mich bittersüß bedankt und innerlich wäre mir die Wut aufgeschwollen. Wie kann die mich so mit meiner Unfähigkeit zu vertrauen in Kontakt bringen?

Ein solches Kompliment beinhaltet in jedem Fall, gesehen worden zu sein. Ein Schreck ins Mark der Seele. So gesehen habe ich meine Feststellung, dass ich sie schön finde, aus Respekt nicht mit ihr geteilt. Ich wollte sie nicht verletzen oder…

…nahm ihr die Freiheit, die Reaktion auf diese Worte meiner Wahrheit spüren zu können.

…nahm mir die Möglichkeit, meine Erfahrungen zu erweitern. Wie wäre es mir ergangen mit ihrer Reaktion?

…wenn ich es gewesen wäre, der sie in eine Dissoziation schickt? …wenn sie mich hohl angelächlt hätte? …wenn sie sichtbar verletzt gewesen wäre? …wenn sie mich angeblafft hätte, was ich mir wohl erlaube?

Gerade gestern haben wir in der DBT Gruppenstunde mit dem Thema „Zwischenmenschliche Fertigkeiten“ begonnen. Je nach dem, auf welchem der Aspekte „Ziel“, „Selbstachtung“ oder „Beziehung“ der Kontakt orientiert ist, wird die Kommunikation anders verlaufen.

Die Beziehung spielt erstmal keine Rolle, denn ich kannte die Frau nicht und hatte auch kein Interesse, sie näher kennenzulernen.

Ziel? Große, unerwartete, also überraschte Freude! Auf beiden Seiten. Aber das ist zu ungewiss durch eine Äußerung dieser Art und Situation zu erreichen. Ich möchte aber auch niemanden verletzen. Weder sie noch mich… und nur um meine Freude zu triggern soll ich riskieren, sie zu verletzen?

…wo wir fließend bei der Selbstachtung wären… ich muss gut auf meine Grenzen achten. Ein Augenaufschlag eines Menschen vermag mir ein Anlass zu sein, mich aus meiner Wärmflaschengeborgenheit in die Landschaft des Selbstzerrisses zu beamen. Das kann in jeder Hinsicht gut oder schlecht sein: Nur durch den dortigen Aufenthalt kann ich wieder und wieder erfahren, dass ich da auch wieder raus und einen guten Platz für mich finde. Aber mir fehlt halt eben noch so oft die Zuversicht, es gelänge mir wirklich. Klar ist es auch Trägheit/Vermeidung. Und es hat auch seinen Reiz, auf meine Verletzlichkeit zu achten.

Also nur um erfahren zu können, wie es sich für mich aus dem Strudel hinausbewegt soll ich riskieren, dass sie ungewollt in einen hineingezogen wird?

…aber wie kann ich wissen, wie es ihr ergangen wäre?

Ich entschied mich zum Schweigen, Denken und: Wohlsein wünschen.

Vielleicht kommt es ja bei ihr an.

Ich jedenfalls kann gerade darüber in Frieden mit mir sein. Und das ist schön. Und ich habe festgestellt, dass ich die Frau („etwas“) als schön empfinde und das einfach für mich stehen lassen.

Also das Ziel der Freude ist bei mir erreicht. Danke, Frau, dass Du im Schwimmbad warst!

Vielleicht mache ich es beim nächsten Mal anders.

Und dann schaunmermal.

 

Liebensollen

Wie „Schlimm“ lieben?

Er ist mein Produkt. Entstanden nur durch mich. Teil von mir.

Eines meiner ‚Chorkinder‘. Ich muss ihn doch lieben können, um zu…

Nur wenn ich mich lieben kann, dann… Du musst Dich selbst lieben… Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst….

Blablabla.


Die innere Kritikerin kann das nicht lieben. Wie soll das gehen? Bin gefesselt an die anderen Extreme dieses Chors. Die Dirigentin ist eine Fata Morgana, ein Nebel.

Die Kleine scheint ununterbrochen zu jammern, irgendwas zu brauchen. Ich habe keinen Bock mich zu kümmern und bin eh nicht gut genug. Alles nervt, ist zu viel und irgendwie durchdrungen von Schlimm.

Das ist nicht zum Aushalten. Da ist nichts, was uns zusammen halten könnte. Keiner will was mit dem anderen zu tun haben. Keiner weiß, was zu wollen sollen seindürfen.


„Ich bin Schlimm und werde nicht satt. Ich werde nie genug haben.“


Hunger ist Ausdruck von Lebenwollen. Schlimm ist deshalb da und deshalb so groß. Weil das Leben sich so sehr will. Und ‚Ich‘ nicht anders zu sein gelernt hat.

Und Schlimm ist einfach nicht Einfach. Schlimm ist einfach nicht zu lieben, weil er sich einfach schlimm anfühlt und immer Schlimm sein wird.


‚Ich‘

kann Mitgefühl aufbringen für ihn…

Auch für

Vater Friedel, der nicht lieben konnte. Er konnte es und sich aber egal sein und uns, seine Familie, meistens immerhin aktiv in Ruhe lassen, wenn er doch schon immer präsent und zeitgleich niemals da war. Seine Not, sein Schuldgefühl, seine Freiheitsliebe hatte er mit zuverlässiger, treuer Pflichterfüllung bei grundgestimmten Genervtsein, „für andere der liebe Friedelsein“ und Spiegeltrinken im Griff. Nur manchmal versoff er sich eben und dann brach sie aus, die Not, gekleidet in höhnischem Spott, Wut, Ekel, Gewalt.

Wie muss es sich anfühlen, zu müssen, zu sollten und nicht zu können?

Weder einfach noch sonstwie?

Ich weiß es:

Schlimm lieben sollen.

Verantwortungsabgabe. Ichbinjadochsoklein. Opfersein. Es-einfachhaben-Verkleidung Sucht Jammerducken und Irgendwiegebrauchtfühlen statt Sich(einsam)selbstertragen hab ich hier gelernt. Kann ich gut.


Mutterich deutet an, sie würde Schlimm lieben können, aber…

sie tut Mussjaanderesweilumzu.

Verdienen von Wegseindürfen in anderer Form.

Wenn sie sich nicht sorgen müsste, funktionieren müsste, wegseinmüsste, könnte sie Lieben. Aber sie Mussja. Und

kann einfach nicht. Kann nicht Einfach.

Weil. Echt gute Gründe.

SIE hat wirklich gute Gründe.

Nachvollziehbar. Endlos bewundernswert. Für uns alle lebensnotwendig. Sie hat sich geopfert für uns. Hat sich ihn und alles gehalten für uns. Nichts war leicht und einfach für sie. Und sie hält sich und andere noch heute mit schier endlosen Willen und Kraft zusammen

Du bist so, so tapfer.

Und du bist meine.

Ich bin deine.

Ich bin aus Dir, nur durch Dich.

Aber:

Egal

– wenn es um die Ausmaße, die Fettsucht, von meinem „Schlimm“ geht. Ich habe ihn (statt Einfach) breit gemacht.

Einfach sein haben. Einfach lieben? Ist nicht.

Einfach leben dürfen konnte man auch hier nicht abschauen.

Einfach geliebt sein… Habe ich einfach nicht verstanden.

Aber das Fürimmeretwasschuldigseingefühl hab ich kapiert. Das Schwerhabensein.

Das „Ichkannjanichteinfachlebenweil“.

Arme, kleine, unfähige Karin weil.

Blablabla.


Die Kleine weiß auch, wie sie sich anfühlt, „Einfach“ nicht zu können.

Etwas einfach zu bekommen ohne es verdient haben zu müssten.

Sie sollte es ‚wenigstens‘ ‚einfach‘ vermögen, die Liebe ihrer Eltern zu wecken, zu entdecken. Und sie vermochte es nicht.

Sie lernte das Leben nicht aus Lust und Liebe einfach kennen, sondern sie wählte die Sicht, Grund zu Pflicht, Last und Sorge zu sein, also ’schlimm‘.

Und gleichzeitig ist die Wunde offen, die begierig nach „Einfachheilseingefühl“ lächzt. Das Hättedochseinmüssen… Da muss doch was sein… Auch für mich….?!

Dumm gelaufen.


Anpassung Auflösung Seinwie Irgendwieleichtsein Hauptsachedengroßengehtesgutmitmir statt

Selbstsein

Klar, dass da nichts ist, was Ichsein einfach gelernt haben könnte:

Selbersein ist ja nicht nur gefährlich, sondern bestimmt auch schlimm anstrengend! (Guck Dir nur die Großen an…)

Liebensollen ist zwecklos!

Widerstand ist zweckvoll:

Das, was war, samt Schlimm, Kleiner und Kritikerin ist nicht zusammenzulieben. Da gibt es nichts zu kitten. Da ist nichts zu kleben, stopfen oder flicken. Was zu be-, erricht(ig)en wäre oder losgelassen werden könnte.

Anpassung, Fressen, Arbeiten, Fernsehen, Festhalten…

Kaputtsein, Sport, Abnehmen, Unruhe, Suchen, Suchen, Suchen, Verstehenwollen um kontrollieren zu können…

Es ist und bleibt ein Haufen Fetzen, ein Puzzle.

Und ein Puzzle wird nicht, niemals, zur lebendigen Landschaft.

Lass die Teile liegen und öffne die verklebten Augen, Ich.

Das Leben benötigt keine Sorge, kein Leiden, keine Schuld, keinen Grund, kein Weil und Warum und auch kein Ichmussdadurch und Ichmussesschaffen, kein Ziel… Es braucht keine Liebe und keinen Schlimm mehr…

Es muss auch kein Einfach sein.

…um zu werden, um sein zu dürfen. Um überleben zu können.

Es ist.

Nachtrag…

 

… Anlass zu einem weiteren Abschiedsbild:

 

.

Sie fasst mich, die Kleine.

Ich das, wie so vieles andere, noch nicht wirklich.

Mulme

aus Scham und Angst

legt sich fast völlig erstickend

über Familie „Wasjaauch“

Freude, Leichtigkeit, Glücklichsein, Überraschung

ja und der Herr „Darfjagarnicht-Könntedochaberauch“…

Stolz

 

Ja, Charlotte, die schauen wir uns ganz vorsichtig an.

Das Hemd

Es ist nicht zu fassen, wie lange ich an diesem Blogbeitrag hier bastele. Nun pack ich ihn, um ihn loszulassen und mit ihm „Es“.

Das Hemd.

Oder das Fett?

Es ist meines und wird immer gewesen bleiben. Es darf jetzt aber werden, anders zu sein.

Zurück zum Hemd.

Habt Ihr schon vom Markenwarenankäufer im Internet gehört? Man gibt den Hersteller an, die Art der Kleidung (Hose, Bluse,…), bekommt den Preis genannt, darf die Ware kostenlos dort hin schicken und weg ist sie. Nach Prüfung der klar genannten Annahmevoraussetzungen erfolgt

die Zahlung shnell und unkompliziert als Banküberweisung.

Genau dort befindet sich gerade „das Hemd“.

Es ist weg, aber noch nicht ganz. Es könnte abgelehnt werden. Denn es ist älter als die erlaubten fünf Jahre…. genauer gesagt sind es mehr als 20 Jahre, die es mich begleitet hat, wie mir gerade bewusst wird.

Ich habe es einfach mit den anderen Hemden dort hin geschickt, befindet es sich doch noch in wirklich gutem Zustand. Es lag ja auch lange in Kisten….

…was darauf hinweisen könnte, dass ich es nie gemocht habe, aber das Gegenteil ist der Fall.

Das Glück, dieses Hemd damals gefunden zu haben, kann ich noch heute nachempfinden. Vor ca. dreißig Jahren gab es für Menschen wie mich das Internet noch nicht wirklich. Alleine dieses Geschäft gefunden zu haben, war ein Geschenk für mich. Er bot nicht nur passende Kleidung an, sondern auch bunte, moderne, frische Farben! Damit lässt sich einiges vor sich selbst verdecken. Und dieses Hemd war auch vom Material her genau das Richtige für mich. Der feste Baumwollstoff gleicht dem eines Segeltuchs. Ich mochte es nie, wenn die Oberteile am Gesäß hängen bleiben. Ich mochte mich und meine Konturen immer versteckt und geglättet wissen. Ich war so glücklich mit diesem Hemd.

Es war damals, 1996/97, bereits mit im Reisegepäck zu meiner ersten stationären Psychotherapiebehandlung in Bad Grönenbach…

Ich hatte das Hemd also damals schon gekauft, mich also damit abgefunden, äußerlich und innerlich diese Maße für mich zu verschlingen.

Und erkannte das zwar als Symptom, aber…

Ich mochte „es“, also das Hemd (,…), sehr und habe es aufbewahrt. Ich trug es nicht wirklich oft. Es lag viel in Kisten und hat gewartet darauf, das es getragen wird.

Nur Kleidungsstücke, an denen ich irgendwie gehangen habe, durften in Kisten darauf warten, dass sie wieder, je nach dem, passen oder gefallen. Ich hatte meistens eine „zu groß“ und eine „zu klein“ Kiste. Dieses Hemd lag oft in der zweiteren. Manchmal war es mir auch einfach nur zu bunt, auffällig und ich deshalb unpassend.

Warum schreibe ich von diesem Hemd?

Ich möchte ihm als Zeichen der Wertschätzung einen schriftlichen Abschiedsgruß widmen… ähnlich vielleicht wie neulich dem Dacia. Es hatte lange, lange Zeit einen Nutzen für mich.

Nun aber ist es weg.

Darf ich es mit meinem Körperfett vergleichen? Natürlich kann ich nicht in die Zukunft sehen. Und die Erfahrung weiß, dass ich schon oft ab- und wieder zugenommen habe. Dieses Hemd hatte mich dennoch die ganze Zeit begleitet… Nun aber ist es weg.

Diese Ausmaße sind weg. Diese Bedürfnisse waren mit alten Mustern nicht mehr zu bewältigen.

Das Hemd ist weg. Und ein Neues ist schon da.

Es ist nicht weit. Aber es passt größentechnisch. Es ist aus reinem Leinen („Segeltuch light“ 😉 ), welches ich gerne mag. Ob es mir emotional passt, werde ich noch finden.

Das Alte jedenfalls, werde ich nicht mehr finden. Es ist weg.

Unabhängig von meinen Ausmaßen: Es würde mich nicht mehr anpassen können.

Hemd, Fett, lass Dich von anderen tragen. Ich derweil trage mehr und mehr Andersmich.

 

PS: Dieser Markenwarenankäufer bietet an, die Sachen gegen Gebühr zurück zu senden, die er nicht annehmen möchte.

Es könnte ja noch Ebaywert für mich haben?

Jetzt, nach dem Schreiben dieses Blogbeitrags weiß ich: Sie dürfen es behalten. Ich habe es getragen. Ich brauche es nicht mehr.

Und ich lasse es Wert gewesen und nun anders sein.

Danke, Hemd

Verführung aus…

Ich kenne nun also das Gefühl der emotionalen Besoffenheit:

Es ist der Kontakt zu dem Gefühl, der Hauch Ahnung des „Womöglichwahrseins einer tatsächlich möglichen Erlösung“. Es ist ein kleiner Moment des unbeschreiblichen „Ah’s“. Tränen kommen mir in die Augen, wenn ich mir beim Versuch, hier und jetzt, Worte dafür zu finden, das Gefühl versuche vorzustellen.

Damals, in der Schule, stellte ich mir manchmal in meiner Verrücktheit vor, dass ich, würde ich die Schule verlassen, dort auf dem Parkplatz sein Auto sehen. Er wäre aus Norddeutschland gekommen, um mich abzuholen, weil ich ihm ebenso wenig aus dem Sinn gegangen wäre, wie er mir…

Dieses Gefühl meine ich: Völlig verrückt! Also ich befinde mich dann wirklich in der Emotion eines Kindes, das in dem Moment der Erkenntnis ist, dass es wirklich wahr werden könnte, dass… die, seine, gute Fee tatsächlich existiert. Das es ein sich sicher fühlender Teil einer, sich selbst vertrauenden, liebend leichten Herkunftssippe sei, das sein vom Taschengeld gekauftes Los beim großen Preis genannt worden wäre, das meine Eltern mir heimlich ein Pferd gekauft hätten… kurz: Ich rühre mir aus Fetzen meiner Wahrnehmungen einen emotionalen Zaubertrank, damit ich an etwas glauben kann, das nach Faktenlage einfach nicht stimmt, nicht stimmen kann.

Aber es erlaubte mir schon damals einen emotionalen Fluchtweg: Eine gleichzeitige Ablösung vom Gedankenzement des Alltags und Erlösung aus dem Gefühl des alleingelassenen Kleinkindes, das aus einem Rätsel von ‚zu Hause‘, in dem es sich nicht so fühlt, vor einer Welt steht, in die es gehen soll, in der für es nichts ergreifbar ist, aber gleichzeitig schon längst hätte ergriffen werden sollen: Alles scheint zu groß, nicht erlaubt, nicht richtig oder nicht wahr.

Dann ohne stoffliche Hilfsmittel in die emotionale Besoffenheit fliehen zu können, ist doch ein echt kreativer Weg in eine Form der Rettung aus Unerträglichem, Unerklärlichem.

Für eine gewisse Zeit…

Denn diesen Irrsinn gibt es auch anders.

In die andere Richtung geht es noch tiefer, die Angst ist nicht zu beschreiben. Wie „der Schrei“ ohne Hinter- und Vordergrund, ohne Boden und Halt.

Ich bin nicht alleine. Es gibt Menschen, die wissen, von was ich schreibe.

Manchmal reißt ein einziger Gedanke den Boden weg oder ein unablässiger Gedankenstrom der Entwertung wäscht eine Diele nach der anderen aus dem löchrigen Mikado des Vertrauens.

Es fühlt sich so wahr an. Diese Selbsturteile sind für mich so stimmig und wahr, so passend, dass, sehe ich über den schneidend schroffen Spott, die alles ergreifende Kraft des endlich richtigen Entschlusses, die Faszination über die Klarheit dieser Erkenntnisse hinweg, mir Tränen in die Augen kommen.

Tränen? Hatte ich in diesem Blogbeitrag schon mal. Und genau da will ich hin:

Diese beiden Zustände als emotionale Besoffenheit begreifen zu lernen.

Als ein Verführtsein in die Welt von Märchen.

„Das ist doch schlimm! Du bist furchtbar. Schrecklich. Da musst Du was gegen machen. So kannst Du doch nicht… alles nur Getue… willst ja nur abhauen, fliehen, Dich klein machen, rumwimmern, willst nur keine Verantwortung übernehmen… nimm‘ endlich Dein Leben in die Hand, Du unerträglich feige, rumeiernde, um Beachtung buhlende…“

Ja, das kann schlimm sein. Und sich schlimm anfühlen.

Und ich bin Karin, die sich gerne verführen lässt. Von den Märchen ihrer Erlebenswelt, von Vorgelesenbekommen, von Butterplätzchen in Elchform.

Die sich, aus welchen Gründen auch immer, welche es situativ im Hier und Heute sicher öfter mal mit spielerischen Forschergeist, Mitgefühl und Humor zu überdenken lohnt, so gerne und leicht verführen lässt, dass sie auch diese entsetzlichen Verurteilungen dafür in Kauf nimmt.

Ich, Karin, lasse mich gerne verführen. Und das darf so sein.