Essen

Ich habe mir etwas zu essen gekauft. Frische Sachen und Surimi mit so etwas wie Baguettebrot. Und ein Bier. Das gab es zum Abendessen.

Unterwegs gibt es 2-3 Handvoll Müsli mit Wasser morgens und mittags, Ramensuppen mit Parmesan und / oder Tunfisch abends. Nachts meistens trockenes Müsli und rund um die Uhr Müsliriegel, bis zu ca. vier am Tag. Ich nehme unregelmäßig meine Medikamente: Magnesium, Centrum Multivitamin, Vitamine B12 und Calcium.

Das scheint zu wenig zu sein, mir schwinden die Kräfte.

Was erschwerend hinzu kommt, ist meine Angst, wieder in meine Esstörung zu rutschen. Aber vielleicht bin ich schon mitten drin.

Ich will den Weg weiter gehen. Also muss mehr und besseres Essen her.

Das Dumme ist nur: Es muss ja auch getragen werden. Das Essen war jetzt schon schwer genug. Und Platz braucht es auch.

Ich werde Mandelmus nachkaufen. Und muss das Olivenöl auch mal anfangen zu benutzen, anstatt es nur zu tragen.

Wenn ich weiter gehen will, muss ich mich besser um mich kümmern, so viel steht fest.

Liebe zu meinem Weg

5. Juni.

Gestern bin ich um 5 Uhr morgens von meinem schönen Platz gestartet. Ich hatte mich tags zuvor beim Laufen so wohl gefühlt und mir rund 23 Meilen bis hinter den Silverwoodlake vorgenommen. Morgens ist einfach die beste Zeit: Die rund 12 Meilen bis zum Mittag fielen mir recht leicht.

Beim Wasserholen traf ich zwei andere Wanderer. Das ist schon was Besonderes, da der Trail um diese Zeit deutlich leerer ist. Und dann kam Shirley um die Ecke – ich verstand es erst nach einem Moment: Sie geht die Strecke anders rum, war am Walker Pass gestartet und ich hatte sie in Hikertown getroffen. Was für ein schöner Zufall!

Ihre vier Kinder sind groß. Sie wirkt ausgeglichen, in sich ruhend, zufrieden. Dabei offen, herzlich und interessiert.

Wie ich mich nach einem solchen Zustand sehne.

Vielleicht sehen wir uns wieder… das wäre schön! Sie plant, die Sierra im August anzugehen. Also Daumendrücken: Aller guten Dinge sind Drei!

Mich zog es weiter.

Ich hatte für meine sonstigen Gewohnheiten gut gegessen und getrunken, aber der kräftemäßige Einbruch kam in der brütenden Hitze trotzdem gnadenlos. Ich hatte Druckstellen nicht ernst genommen und mir Blasen gelaufen. Der ersehnte See, den ich mir so schön einsam vorgestellt hatte, hinter Wall und Hang versteckt, es zog sich ewig hin. Ein kurzes Wasserspiel an einem kleinen Strand brachte dann endlich etwas Erfrischung.

Der Weg zum angelegten, offenen Campingplatz war einfach eine Quälerei. Ich fühlte mich so kraftlos. Gegen 20 Uhr hatte ich ihn erreicht. Freute mich nur auf eine Dusche, aber die war verschlossen. Ich spürte meine Müdigkeit und Erschöpfung.

Ich habe Resumee gezogen. Die kommenden Meilen sind kein Spaß und die letzten 20 Meilen führen durchgehend bergauf nach Whrigtwood und haben keine Wasserstelle. Das würde bedeuten, mindestens 8 Liter Wasser tragen zu müssen. Nein, dazu bin ich momentan einfach nicht in der Lage – zumal ich nicht muss.

Also: Mal wieder springen….

Kurz: 250 Meilen Fahrt nach Bakersfield mit Rick, dem ich über Uber gefunden habe, für 90 Dollar.

Wir kamen an Stellen vorbei, an denen ich schon vorbei gelaufen bin. Das kann schon ein bisschen wehmütig machen…

Glücklicherweise hatte der Bus nach Lake Isabella Verspätung, so musste ich nicht drei Stunden dort verbringen, sondern konnte gleich einsteigen.

Auf der Fahrt wurde mir deutlich bewusst, was Schneeschmelze heißt: Der Fluss Kern hatte vor ein paar Tagen nicht halb so viel Wasser.

Nun bin ich wieder hier in Lake Isabella.

Was ist das für ein Weg?

Wie kann man sowas annehmen, das so zerrissen ist? Von wunderschönen, wie entmutigenden Momenten durchzogen? Kein Ziel, kein echter Wille? Zu was?

Aber noch halte ich fest an den schönen Momenten. Ich will sie wieder haben.

Herzlich umarmen…

…möchte ich Euch alle mal ganz dringend und unaufschiebbar – Knuddeln bis die Polster schwabbeln und die Schneeberge hinter den Augen schmelzen – vor Freude oder Berührtsein. Oder alles zusammen…

Es tut so gut Euch mit all Euren guten Wünschen und lieben Gedanken hinter oder neben mir zu wissen. Auch und gerade wenn ich manchmal blind und taub durch die Gegend laufe und den Kontakt zu meinem Boden verliere….

Und bitte haltet mich nicht für faul oder undankbar wenn ich Eure Kommentare, Whattsapps oder Emails meistens nicht persönlich beantworte, obwohl ich mir das immer vornehme. Ich lese sie alle und oft genug geht mir dabei die Gänsehaut in feuchte Augen über.

Bitte weitermachen!!!

Habt meinen herzlichen Dank!

…und hier noch ein kleiner Blumenstrauß für Euch:

 

Wechseljahre???

3.Juni

Ernsthafte Abbruchgedanken. .

Ich war bis zur letzten Minute in der Lodge und habe auch noch eine Weile das Wlan vor der Türe genutzt. Danach bin ich umgezogen, wollte bei Mc Donald’s das Wlan nutzen. An der Kasse fragte mich Diana, ob ich ein PCT Hiker sei und ob sie mir das Essen ausgeben dürfe? Sie finde es toll, was wir machen und hatte sichtlich Freude an ihrer Idee, mir die rund 10 Dollar zu spendieren.

Den Nachmittag verbrachte ich auf der Terasse vom gelben M mit Blick auf den See. Habe viel telefoniert und ‚gewhattsappt‘ – Freunde, habt Dank! Ich trug mich mit ernsthaften Abbruchgedanken. Informierte mich neben Wegen zum Flughafen in L.A. aber auch über alternative Möglichkeiten, die Wartezet bis zur Schneeschmelze zu verbringen: Der Volunteerdienst auf dem PCT ist regional in Gruppen organisiert oder findet nur an speziellen Tagen statt und kommt für mich nicht in Frage, weil ich die Wege nicht fahren kann. Reiten ist viel zu teuer (Vollpension ohne Reitstunde rund 250 Dollar pro Tag).
Gegen 15:30 Uhr setzte ich mich in Bewegung. Irgendwie war ich wieder in der Lage, mir noch eine Chance zu geben: Habe auf dem Parkplatz einen jungen Mann mit geländegängigem Pickup angesprochen, ob er mich gegen Geld zum PCT bringen könne. Wir handelten 7 Dollar Gebühr aus. Nach der Unterhaltung unterwegs wollte Dan kein Geld mehr nehmen und wünschte mir viel Kraft und alles Gute auf meinem Weg. Also wieder so ein netter Mensch!

Am Fluss war am heutigen, warmen Sonntag viel los. Auf dem kurzen Fußweg Richtung PCT sprach mich eine Frau an, ob ich eine Erfrischung brauche und ein Eis haben wolle? Ja, klar!

Ich kam mit ihr und ihrer Freundin ins Gespräch und ließ mich überreden, mit ihnen ein Weilchen gemeinsam Pause zu machen. Sie sprachen mir ihre Achtung aus sowie Mut zu und versorgten mich mit allerlei Leckeren, z.B. frisch gepflückter Minze vom Flussrand, mit der ich mein Wasser aufpeppte.

Gegen 17:00 Uhr brach ich auf und ging noch 6,4 Meilen bis ich diesen herrlichen Platz zum übernachten gefunden habe:

Schon beim Essen auf dem Felsen mit Aussicht auf den Flusscanyon wurde mir dankbar meine Entspannung bewusst. Jetzt liege ich in der Helligkeit des zunehmenden Mondes unter sternenklarem Himmel, höre die Grillen zirpen und in der Ferne den Fluss rauschen. Ich fühle mich richtig und wohl.

Vielleicht war alles nur ein Laune der Wechseljahre?

Mir ist heute schon wieder so viel Gutes widerfahren! Danke, Leben, du sorgst für mich.

Es zusammen angehen / Alleine sein

Ich sehe Paare und höre von Partnerschaften, die sich für den Schnee bilden. Ich vermisse dem Spaß, den ich haben kann, Scherze, Lachen, über sich selbst lästern, sich motivieren, gemeinsam Entscheidungen treffen. Ausrüstungsfragen klären. Es angehen. Oder andere Wege suchen.

Sowas bildet sich manchmal in Kennedy Medows.

Ich bin davor geflohen, weil ich glaube, mich nicht zumuten zu können. Zu langsam, zu gestört, zu kompliziert.

Nun stehe ich da. Ich kann einfach nicht auf Dauer mit mir alleine sein. Ich brauche die Kontakte als Bestätigung, das ich o.k. bin. Kann man sowas annehmen lernen? Das man andere benutzt? Benutzen muss? Ich finde das widerlich.

Lake Arrowhead

Gestern ging es bei mir zwar nicht auf dem Weg, aber emotional bergab. Es fühlt sich so fremd an, hier zu sein, rausgerissen aus dem geographischen Zusammenhang wie aus den wenigen, etwas näheren menschlichen Kontakten, die ich gehabt hatte. Ich stelle meine oft spontan getroffenen Entscheidungen dann immer wieder in Frage und damit mich selbst. So erging es mir gestern. Die PCT Hiker, die ich unterwegs traf, erinnerten mich an die Leichtigkeit, dem Vertrauen ins Leben, von denen ich so gerne so viel mehr im Leben hätte. Vergleiche…. Das hatten wir schon, das Thema, oder?

Ein Sitzbad im traumhaft schönen Fluss tat zwischenzeitlich gut und ich schöpfte wieder Hoffnung, zumal Paul, ein Anwohner, vorbei kam, ein paar Worte mit mir wechselte und mir Wasser schenkte. Sowas tut mir einfach gut.

Aber kaum war ich wieder auf dem Weg, ging es wieder los. So entschloss ich mich umzukehren, um einfach nach Ablenkung zu suchen. Ich fand ein Touristennest namens Lake Arrowhead und bin in einer Lodge abgestiegen. Ist alles zu teuer hier, muss also weg. Genau gesagt in 29 Minuten. Mal sehen, wohin es mich heute verschlägt.

Emotionale Abstürze

Lest besser nicht weiter….  Ich will den Scheiß auch nicht mehr hören.

Gerade jetzt erinnere ich mich an dieses Kraftsatz, den ich in der Klinik in Uffenheim in einem spirituellen Ritual erarbeitet hatte: „Ich will den Scheiß nicht nehr hören!“

Viellecht hilft er mir weiter, was immer ich heute noch mache.

Ich liege im Bett der Saddleback Lodge in Arrowhead Lake. Ich musste gestern fliehen vor meiner Einsamkeit und den Kritikern, die in mir wüteten. Im Laufe des Nachmittags fühlte ich mich immer falscher in meiner Welt und auf den Weg, mit meinen Entscheidungen, dem Wegrennen vor dem einen in den anderen Schmerz. In der Hoffnung auf Menschen, Bier, was Gutes zu essen, wendete ich die Laufrichtung, versuchte zu trampen, wobei erst das dritte Auto aus der Einöde bereit war, mich mitzunehmen. Hier sollte es live Rockmusik geben, das hatte mir am Nachmittag Paul erzählt. Die war schon vorbei. Der Ort ist ein künstlicher Touristenort. Die Lodge ist schön, hat aber sonst ganz andere Gäste. Es ist noch teurer als sonst in Kalifornien. Hier kann ich nicht bleiben. Weiß nicht, wohin.

Moose Inn Menschen

Donnerstag, 1.Juni 2017
Mein Weg sollte mich heute nach Fawnskin führen. Fawnskin ist ein kleines, gemütliches Ferienörtchen auf der gegenüberliegenden Seeseite von Big Bear Lake. Von hier führt eine Dirt Road zu der Stelle des Trails, an dem ich ihn nach meinem Sturz verlassen hatte.

Aber etst mal zum Anfang:
Ich brauchte nur ca. 10 Min um zur Bushaltestelle in Lake Isabella zu kommen. Der Busfahrer kannte seine kurvige Strecke, so viel ist sicher. Er fuhr so geschmeidig, rasant, aber sicher nach Bakersfield, dass es eine wahre Freude war dabei zu sein – fast wie im Karussell. Ich als Ortsfremde hätte ihm wohl kaum mit dem Motorrad folgen können. Der Amtrak Bahnhof hatte nur ein paar Snacks zu bieten, so nahm ich die einzige Frühstücksgelegenheit wahr, die sich in der Gegend anbot: Ein Merriot Hotel. Es war ein echter Genuss. Selbst in meiner Wanderkleidung kam ich mir willkommen vor und es war rundrum lecker.

Der Bus nach Los Angeles kam glücklicherweise pünktlich an, so war es kaum ein Problem, den dortigen Anschlusszug nach San Bernadino zu bekommen. Die Fahrt dauerte über zeei Stunden, aber aus der Stadt kam man nicht wirklich raus, die Strecke war durchgehend mit Gebäuden umsäumt. Bis dahin hatte also alles wunderbar geklappt. Aber der Mensch, den ich in San Bernadino nach der Bushaltestation fragte, schickte mich zu einer falschen. Mir kam das Schild auch merkwürdig vor, so fragte ich beim Fahrer eines ankommenden Busses nochmal nach, der mich zwar auf die andere Straßenseite schickte, aber leider nicht zur richtigen Haltestelle. So durfte ich über fünf Stunden auf den nächsten Bus warten, die ich mit Einkaufen, Verschicken eines Paketes und der erfolglosen Suche nach einem Handygeschäft verbrachte.

Statt um 14:30 Uhr kam ich also um 19:30 Uhr in Fawnskin an. Ich war so müde! Zudem war mir unterwegs eingefallen, das ich vergessen hatte, mir eine neue Gaskartusche zu besorgen. Der kleine Laden hatte nur große, viel zu schwere Dosen. Was tun? Ramensuppen kalt essen? Es musste eine Entscheidung her, aber erstmal brauchte ich dringend eine Toilette. Die Verkäuferin schickte mich zu einem öffentlichen Parkplatz, aber unterwegs leuchtete mich ein Barschild ‚open‘ an.

Ich war in der Moose-Bar gelandet, die sofort einen so gemütlichen Eindruck machte, dass ich dachte, hier könnte ich mich auf Dauer wohlfühlen. Ich wurde auch gleich freundlich angesprochen und so offen, wie ich es hier in den USA bin, habe ich auch gleich von meiner Not erzählt, in der Hoffnung, irgendjemand habe eine Idee, wie ich vielleicht noch in die Stadt kommen könne. Das zwar nicht, aber alle dachten darüber nach, wer so etwas haben könnte und der wurde angerufen. Inzwischen war ich am Tisch von Janna, Mick, Dave und Patty aufgenommen worden, von irgendwo kam ein vegetarisches Essen, dazu ein Bier und ein großes Glas Wasser. Ich wurde eifrig befragt, erfuhr aber auch viel. So, nur z.B. dass Janna eigentlich Holländerin ist und morgen Geburtstag hat, Mick Engländer ist und am Morgen noch in Düsseldorf war, Dave alles über den PCT weiß und Ehemann von Lonie ist, die den Bardienst übernommen hat, und Patty schon viel über den Camino de Santiago in Erfahrung gebracht hat und darüber nachdenkt, ihn zu entdecken. Es war so ein netter Abend und es tat so gut, mich so willkommen zu fühlen. Mick setzte sich kurzerhand ins Auto und kam mit seiner Notfallausrüstung zurück: Instantsuppen, Wasser, Getorade und: Eine Gaskartusche! Welche Notfälle? „Schnee, Waldbrand,… Trump?! Man wisse ja nie!“ Schließlich wurde ich ungezwungen und freundlich eingeladen, die Nacht bei Dave, Lonie, Earl (freundlicher Hund) und Tiger (vorsichtige Katze)…zu verbringen. Habt Dank!!!

Liebe Menschen in der Moosebar: Ich kann Euch gar nicht sagen, wie viel Wohlwollen und Willkommensein ich hier bei Euch erlebt habe. Freunde und Gemeinschaften, die sich wohlfühlen, tragen einander und andere. Das habe ich hier deutlich gespürt. Ich danke Euch für diese Erfahrung und Danke für Eure Wertschätzung und Eure gute Wünsche, die mich jetzt auf meinem weiteren Weg begleiten. Big Bear und seine offenen, herzlichen, hilfsbereiten Menschen wird mir in besonderer, warmer Erinnerung bleiben!

Dieser unglaublich schöne Abend war die Folge eines unnötig verpassten Busses, einer eigentlich ärgerlichen Vergesslichkeit und eines dringenden menschlichen Bedürfnisses.

Das Leben hat so viel zu bieten.

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Nachtrag:

Am Morgen wurde ich von Dave und später von Lonie noch verabschiedet mit der Aufforderung, mich zu melden, wenn ich Hilfe brauche. Darauf musste ich dann auch leider gleich zurück kommen. Ich war schon unterwegs, als ich feststelle, dass mir mein Hut fehlte. Also zurück! Leider war er weder beim noch im Shop und die Bar war geschlossen. So musste ich Lonie um Hilfe bitten, um in der Bar danach zu suchen. Leider ohne Erfolg. So bekam ich einen Hut von Dave geschenkt, den er nicht mehr brauche und der meinem sehr ähnlich ist. Er gefällt mir sehr, sehr gut. Und meinen Dank für diese Menschen weiß ich echt nicht mehr in Worte zu fassen.

Flucht nach hinten Richtung Trail

Es gibt so viele Winterbilder vom Trail. Auch Bilder von breiten, reißenden Flüssen. Berichte von Menschen, die auch aus den Wegen in Oregon zurück kehren. Den zugeschneiten Weg nur finden mit Handy in der Hand.

Nein, ich muss das nicht haben.

Ich fliehe vor vielen Entscheidungen, die ich bezüglich meiner Ausrüstung treffen müsste (Wärme, Nässe, Schneeausrüstung). Und auch vor den vielen Menschen dort in Kennedy Medows. Meiner Einsamkeit in Gruppen. Der Angst vor dem Gefühl, nicht mithalten zu können oder verlassen zu werden, die sich vor allem anderen schieben, das auch in mir ist: Der Wunsch nach Sicherheit, mich nicht beweisen zu müssen, nicht durchhalten zu müssen. Nein, der Schnee macht vieles anders.

Mein Fluchtziel heißt Big Bear Lake.

Ich gehe die Strecke, die ich verpasst habe.

30. Mai 2017 Lake Isabella

Gerade ist es um Mitternacht, Mittwoch, der 30. Mai ist vorbei.

Ich liege im Schlafsack unter einem Laubbaum. Der Wind lässt ihn leise rauschen. In einiger Entfernung singen die Grillen. Ein Hund schickt ab und an, gelangweilt klingend, ein Bellen in die Nacht. Rechts und links von mir in ca. 3m Abstand versuchen andere Hiker zu schlafen.

Es ist sehr warm. So warm, dass ich unter freiem Himmel keinen Schlafsack brauche.

Kein Platz für mich. Zu voll, laut, weit weg vom PCT. Aber:

Mein Platz. Heute.

Tagesbeginn: Zunächst einmal widerte mich das Wasser, an dem ich genächtigt hatte, an und ich freute mich über die frische Quelle – nur ein paar hundert Meter weiter entfernt gelegen…

Ich hatte nur ein paar Meilen. Es ging bergab oder eben dahin. Schnell war ich am Walker-Pass, eine Stelle, an dem der PCT einen Highway kreuzt.

Trialangel. Mal wieder wahr.

Schatten, frisches Obst, Wasser, Chips,…

Abschied.

Jürgen, Clayton und ich gingen irgendwann zum Highway, um ins 35 Meilen entfernte Lake Isabella zu trampen. Wir standen nur ca. 10 min bis Michael anhielt. Er machte erst mal Platz im Auto und die Rucksäcke wurden sorgsam auf den Motorradträger geschnürt.

Michals Bruder ist schneeerfahren und gerade in der High Sierra auf dem PCT unterwegs.

Lake Isabella ist ein großer See, der sich in eine hügelige Landschaft schmiegt. In Europa wäre er dicht besiedelt und ein Ort würde sich, um Touristen oder reiche Anwohner ringend, an den anderen schmiegen.

Hier gibt es diesen gleichnamigen, langgestreckten Ort, durch den eine, für unsere Augen, viel zu breite Straße führt.

Der Campingplatz hat sich auf Hiker eingestellt. Es gibt einen großen Grill, ein Fernsehzimmer, einen Getränkeautomaten, Waschmaschinen und herrliche Duschen. Die Übernachtung kostet 5 Dollar.

Wir haben uns reichlich Bier besorgt. Und damit klappt es mit der Verständigung auch bei mir ganz gut…. Kellsie und Trag, ein junges Päärchen aus San Francisco, beantwortete freundlich all meine neugierigen Fragen (ihre kleine Zweizimmerwohnung z.B. ist mit 3000 Dollar Miete im Monat ein echtes Schnäppchen und nur so billig, weil er schon so lange darin wohnt) und schenkte mir viel Freude, indem sie mich an ihrem zweisamen Glück ein bisschen teilhaben ließen. Und für feuchte Augen hat Kellsie gesorgt, als sie mir, die ich Hamburger verschmähte, mit einem Nudelgericht überraschte. Einfach eine warmherzige Geste, die mich tief berührte. So wurde es ein schöner, entspannter Abend.