Stimmig

„Und wie fühlt sich das als Körper an?“

(Was nimmst Du als Körper wahr? Kannst Du etwas spüren? Hast Du einen Zugang dazu, wie es sich gerade anfühlt?)

höre ich innerlich meine Gießener Zapchen-Therapeutin fragen (an die ich so gerne denke, weil es mir so ein „warmes“ Gefühl bereitet und ein – vielleicht unsichtbares – Lächeln im Gesicht haben lässt).

Es war vor ca. 18 Minuten, also um 2:43 Uhr nachts: Zu diesem Gedanken lag ich auf meinem Rücken im Bett, hatte die Augen geschlossen. Ich habe die Geräusche, die von draußen durch das offene Fenster dringen, nicht bewusst ausgeblendet, aber wahrgenommen, dass meine rechte Hand auf meinem Brustbein lag. Die Linke hatte sich über meinen Kopf auf das Kissen gelegt. Sie wollte aber auf meinen Bauch. Das fühlte sich sodann gut und richtig an. Eine bemerkte und bedachte Friedlichkeit begleitete diese Szene, ein wohlfühliges Besonnensein, eine selbstbezogene Freundlichkeit ohne Spur von Egoismus und fast gänzlich frei von jedweder Schuld. Ja, vielleicht nur der Schatten der Schuld, eine Spur ihres Parfums… war noch darin verblieben.

Einfach bemerkenswert.

Nach einigem Daranherumfeilen hatte ich den vorherigen Beitrag (Willkommen, Sehnsucht,…) veröffentlicht. Er war schon einige Zeit in den „Entwürfen“ zugegen gewesen. Immer wieder war ich hin- und hergerissen, ob ich „sowas“ veröffentlichen, außerhalb meiner selbst preis geben kann.

Ja, ich kann. Es war an der Zeit. Auch den Passwortschutz nahm ich ihm wieder. Er darf sein. Er ist stimmig. Das „es stimmt auch in mir“ – das „ich stimme gerade“ – das „Ja“ war innerlich zu spüren, als sich die bereits oben erwähnte Frage stellte:

„Und wie fühlt sich das (das Stimmigsein) als Körper an?“

Ein Jazumir fühlt sich warm an. Richtig warm. Nicht zu warm. Es fühlt sich auch in dem Gedanken, mich jetzt für’s Wachsein zu entscheiden. Mir einen Tee zu machen. Mir die Sorte auszusuchen, zu der sich meine Lust entscheidet. Und es fühlt sich auch in der Beachtung des bewussten Wahrnehmens, dass sie, die Lust, schon weiß, was sie will.

Ja. Die linke Hand wollte auf den Bauch. Und ich bemerkte es. Und ich entschied mich, sie darauf los zu lassen. Ganz bewusst. Ganz sanft.
Ich ging über den wirklich krass hell neonbeleuchteten Flur zum WC. Aufrecht. Ohne Mühe. Es ging sich so: Einfach. Entspannt. Und ich bemerkte es.


Stimmig.

Gestern, dem ersten Tag der Öffnung nach der Sommerpause, habe ich mich für sechs Volkshochschulangebote angemeldet. Meine Wahl fiel durchgängig auf eher kurztägige Kurse für meine Körperwahrnehmung, mehrfach auch in Einbezug der Stimme und des Tönens. Ich brauche es und will mit ihm, diesem, meinem Körper spüren üben. Ich traue mir zu, ihm trauen zu wollen.
Ich traue mir zu, ihn lassen zu können. Ich erlaube es, ihn möglicherweise daran Spaß empfinden zu können und diese Freude mir spürbar und lebendig zu machen. Ich traue mir auch meine Kritiker zu. Ich werde auch sie auf ihre Art er-leben lassen, wenn ich mich mit meinem Körper einstimmen lerne. Sie werden ganz sicher dabei sein, wenn ich mich unter andere Körper mische und mich dabei bewege / sichtbar bin. Sie haben in solcherlei Situationen immer sehr auf mich aufgepasst, das kann ich ihnen nicht nehmen. Und ich darf mich einladen, sie mir den Spaß am Stimmigseinfühlen trotzdem nicht gänzlich verderben zu können.

Sechs körper-/stimmbezogene Angebote – weil: Lust darauf ??? !

Lust mit dem Körper zu experimentieren… Wow, Karin.

Ich staune.

…und bin sogar wieder müde. Na dann: Mach‘ mal, Körper, wonach Dir ist…

Willkommen, Sehnsucht,

Höllenweh.

Vater-Liebeskummer.

Wie betrauert man diesen Schmerz? Wie betrauert man den Verlust von etwas, das es nie wirklich gab?

Du warst nie da und immer.

Unsichtbar wie unübersehbar warst Du uns. Unfassbar, unnahbar und oft unerträglich hast Du Dich uns überpräsentiert.

Mein Erleben war: Wir (der Rest der Familie) verbündeten uns in der Trennung von Dir. Es gab uns Kraft und Stärke im Wirgefühl gegen Dich.

Und gleichzeitig Dir so die „Erlaubnis“, „Notwendigkeit“, weiter zu machen mit… (Deinen Urteils- und Handlungsmöglichkeiten)

Und so stärkte es „uns“, Dich nicht lieben zu können:

Deine Art zu lieben, Liebe zu zeigen.

Vaters Liebe.

Vaterliebe.

Kinder aber müssen Väter lieben. Ob sie es dürfen, können, wollen, bewusst wahrnehmen, spüren oder nicht: Das steht im Grundprogramm geschrieben.

Und so tue es auch ich:

Wo Du nicht warst, wo ich keine Liebe spüren oder fließen lassen konnte, vor diesem Loch, steht die Sehnsucht. Sie klebt ihren Schmerz vor jede Leere – und flickt den Riss zur Hoffnung. Sie streicht mit sanftem, kühlen Wind über wunde Sinne und hebt die Füße aus Zement.

So weh sie auch tut, dieses seelenreißende Leiden in den „Wehen“ der Sehnsucht: Sie selbst ist rein und ehrlich, vielleicht begleitet, aber frei von Schuld.

So geht Liebeskummer nach etwas, das es nie gab.

Und, hat’s Dir was gebracht?

Wenn ich diese Frage irgendwann gestellt bekomme (und das werde ich), weiß ich bereits jetzt, nach läppischen zwei Monaten Rehabilitation, dass ich sie mit einem lächelnden „Ja!“ beantworten werde.


Ich war schon immer hässlich, unsportlich und unmusikalisch.

Und vielleicht hätte ich das nie erfahren, wenn ich mich nie hätte mit anderen Kindern vergleichen können oder es etwa 2758 Menschen zu 32954758 Anlässen versäumt hätten, es mir zu sagen oder anderweitig zu vermitteln, dass ich schlicht und ergreifend für alles zu dick oder zu doof bin.

Ich konnte also nie richtig auf Bäume klettern, ab Hüfte geschickt Gummitwisten, konnte nie einen freien Handstand, ebenso bin ich beim jedem Versuch des „Feldaufschwungs“ gescheitert und schnell genug (weg) laufen konnte ich auch nicht.

Bei den mir so verhassten Bundesjugendspielen habe ich es nie auch nur zu einer einzigen der mindestwertigen Urkunden geschafft. (Und wir mussten immer da hin. Nicht ein Mal hatte unsere Mutter Gnade mit uns. Nicht ein Mal bekam ich einen gelben Schein…) Noch nicht mal zu einer ortstypischen Konversation in „Platt“ war ich befähigt…

Infolgedessen musste mir die Jury der eingeborenen Landkinder die Zugehörigkeit, also die Erteilung der Aufnahmebescheinigung zu der Menge der Menschen im Status der Lebensberechtigt- und des Lebenswertseins, einfach verwehren.

Die Jahre gingen ins Land. Durchgemogelt habe ich mich mit Rand- und Vertuscherdisziplinen wie: „Liebes Kind“-, „schwarzes Schaf der Familie“-, „dann halt auf christlich Anderssein“ oder auch „in Jute statt Plastik Barfußlaufen“.

Aber ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich den genannten Grundqualifikationen der Menschenwürde bis in diese Tage noch nicht wirklic näher gekommen bin.

Ja, richtig gelesen: Bis in diese Tage…!

Durch das Freiburger Tor geschaut erschließen sich mir ungeahnte Welten und wie durch ein Wunder vermag ich zu verkünden:

Ja, ich kann es. Ich habe es wiederholt getan und bin mir inzwischen bereits ziemlich sicher, es also auch in Öffentlichkeit Preis geben zu dürfen:

Ich vermelde hiermit stolz den Erwerb der Fähigkeit, einen Hula Hoop Reifen um meine Körpermitte kreiseln lassen zu können.

Bei allem Vertrauen in die langjährige Erfahrung der hier Beschäftigten – Wer hätte das in dieser kurzen Zeit für möglich gehalten?!?

Ich jedenfalls nicht.

Und stellt Euch vor: Es macht mir sogar Spaß 🙂

Gemeinsam

Es ist nicht selbstverständlich, dass alle vier dazu eingeteilten Rehabilitanten zum wöchentlichen Küchendienst da sind, wann sie erscheinen und schon gar nicht, mit welchem Anspruch.

So war es mir eine Freude, mit Jan zusammen zu arbeiten, den ich schon aus der Holzwerkstatt kenne.

Die halbleinenen Geschirrtücher in unseren Händen sorgten für schnelle und gründliche Trocknung der letzten Aufbewahrungscontainer des Mittagessens. Entspannung stellte sich ein: Wir hatten es geschaffft, schnell, gründlich und reibungslos die gestellten Aufgaben zu erfüllen.

Ausatmen.

Durch das offene Milchglasfenster drang der Ruf eines unkenntlichen Mannes:

„Junge Frau!?!“

Lachend musste ich rekapitulieren: „Jetzt hab ich mich doch direkt angesprochen gefühlt…“

Worauf Jan meinte: „Macht nichts, ich auch!“

Dienst zu tun hat was von Arbeit. Wenn ich zu dem, was ich ggf. arbeitend geschaffen habe, stehen kann, ist das befriedigend. Daran gar Spaß zu haben, ist (ein) Glück.

Welcher Begriff benennt den Zustand, wenn solcherlei Glücksempfinden dann auch noch in Gemeinsamkeit geschieht?

Weiß nicht.

Aber er fühlt sich ziemlich gut an.

3 von Unzähligen

…heutigen Bemerkwürdigkeiten

Sonne suchen

Ich konnte vom Bett aus im offenen Fenster den sich dort spiegelnden, blauen Himmel sehen und erahnte die aufgehende Sonne. Genau: Vor Allem, was da komme, wollte ich heute, für einen bewussten Moment lang, an einem guten Platz direkt in ihrem Schein stehen.

Aber so einfach ist das hier gar nicht, wenn die Sonne nicht schnell genug aufgeht und die Bäume bzw Hochhäuser ihr den Weg versperren.

Zeit war aber noch – und sie kommt ja auch entgegen. Ich stellte mir also die Alarmfunktion des Telefons auf 25 min, um nach Rückweg plus 10 min Duschen pünktlich in der Holzwerkstatt erscheinen zu können. Freies Feld war zu Fuß nicht zu erreichen, also kam mir der Moosweiher, der nächstgelegene See, in den Sinn, um viel Sonne einfangen zu können. Dazu musste ich nur über die Straße und kurz durch das Mietskasernenwohngebiet laufen. Ein paar müde Gesellen standen gelangweilt an der Straßenbahnhaltestelle. Aneinandergeleinte Gassigeher in addiert sechsbeinigen Paaren querten den Weg. Von straßenbetretenden Fußgängern genervte PKW Fahrer übten grimmige Grimassen. Auffällig: Es war ‚Kinderfrei-Zeit‘, vermutlich aufgrund alleergreifender, ferienbedingter Großkampfbetthüterei.

Wo nur ist die Sonne?

Ich fand sie… z.B. hinter Hindernissen im Basketballnetz gefangen:

…Sonne suchen, dabei nasse Füße und Glitzertropfen im Gras finden: Welch ein Tagesbeginn!


„Und woran arbeiten Sie?“

frug mich die Vertretung des Holzwerkstattbetreuers.

„Ich mache Fehler.“

(um das Fehlermachenkönnen zu erlernen)


Nicht lassen können

Ich konnte es nicht lassen. Ich konnte es nicht. Ich half aus beim mittäglichen Küchendienst, weil wieder einmal irgendjemand der Diensthabenden nicht gekommen ist. Meine Teil der Aufgabe lautete: Tische abwischen, Buffet leer räumen, restliches Essen in den Kühlschrank. Den Restabfall – Mülleimerbeutel wechseln.

Ich konnte es nicht lassen, den Papiermülleimer zu entschimmeln. Ich konnte es nicht lassen, den zweiten Restabfall-Mülleimerbehälter von einer türkisklebrigen Flüssigkeit zu befreien. Ich konnte es nicht lassen, mich zu ärgern.

Hilfsbereit zu sein und sich dann gedemütigt fühlen, weil andere einfach ihren Dreck für die ihnen Nachfolgenden stehen lassen. Warum nur mache ich mich zum Deppen?

Karin, lass‘ jetzt mal das Lied vom „Zuwendungsschmarotzen“ und ewig „Liebkindseinwollen“ beiseite…

Weil ich eine andere Welt als die Ellenbogenwelt will muss ich sie leben.

Aber was mache ich mit meinem Ärger? Mit dem Gefühl, wie Dreck behandelt zu werden? Mit meinem verletzen Stolz? Das alles ist ja auch da. Da ist auch einfach ein Bedürfnis nach positiver Bestärkung, nach Zuwendung, danach, nicht „vergessen zu gehen“, nach „nicht verloren gehen“. Alle diese Bedürfnisse, ob ich sie haben will oder nicht, wollen Ausdruck finden, um Raum für innere Ruhe zu schaffen.

Du willst diese Menschen ändern, kontrollieren, manipulieren, konvertieren? Du willst es einfach einfach haben… sie sollten das gefälligst selbst kapieren, dass… wir alle in einem Boot sitzen…

Wie geht das? In Frieden zu leben und andere in ihrem Frieden leben zu lassen?

Lernen… probieren, überlegen, formulieren, ausdrücken,… Fehler machen…


 

Was bleibt

Kurz. Beeindruckend. Gut. Vorbei.

Damit ist dieses kurze Kapitel „Freizeitbekanntschaft für gemeinsame Aktivitäten“ vorbei, wenn auch noch nicht ganz abgeschlossen.

Zwei sehr unterschiedliche Planeten, deren Krater sich so bekannt vorkamen, haben sich gestreift.

Dem letzten Akt ging voraus:

Aus scheinbar tiefer Verletzung heraus wurde ich angeschrieen. Mit gepresster, zorniger Stimme angeschrieen.

In einem Moment, in dem ich nicht darauf vorbereitet war, also mir allenfalls einer freundlich gemeinten, auf den für mich objektiv gesehen nicht korrekten Wahrheitsgehalt der vorherigen Aussage hinweisenden, Provokation bewusst war.

Zuvor – so mir weitestmöglich – entspannt am Boden liegend wurde ich angeschrieen.

Mein Gegenüber konnte nicht wissen, dass so unerwartet damit innerhalb von Sekunden mein Vater vor mir stand. Und so kann ich mich nicht mehr anschreien lassen.

Mein unterbewusstes Nervensystem reagierte schnell.

Nach einem kurzen, erstarrten Moment des verwunderten Ertragens stürmte sie, meine Verteidigungsarmee, auf die Bühne.

Sie besteht aus einem Schwall wildem, kindlichen Trotz und Zorn in der Hülle der erwachsenen körperlichen und stimmlichen Kraft.

Ich richtete mich auf. Zwar war ich vollkommen nüchtern, aber dennoch: Wie mein Vater wurde ich laut, schroff und herablassend.

(Um im Araberbild zu bleiben: Ich stieg in Sekundenschnelle auf das wild steigende Pferd und fühlte mich mit diesem in diesem Moment stark genug – wenn auch nicht wirklich gut)

Und siehe da: Meine Grenzen wurden akzeptiert.

 

Papa, was hat man Dir nur angetan,
dass Du glaubtest, Dich so verteidigen zu müssen?

Gegen "es", aber vor uns, die wir uns nicht wehren konnten.

Du gabst sie einfach uns, die Schuld für Deinen Zorn, und ich nahm sie an.

Ich habe die Verantwortung für Dein Pferd übernommen.

Du hättest uns der sein sollen,
der uns die verantwortungsvolle Pferdehaltung nahe bringt.
Und hast uns aber nur das  zeigen können, was Du kannst...

Henne oder Ei: Du warst zu besoffen.
Egal. Es ist wie es ist:

Ich bin dran, Verantwortung zu übernehmen,
Verantwortung für ein emotionales Paket ("Typ Araber"),
das jetzt meines ist.


Dumm, wirklich dumm und schade auch, dass ich die Warnzeichen nicht vorab erkannt habe und sie, diese Grenzen, nicht anders verdeutlichen konnte.

Klar, vielleicht war der andere Planet auch zu selbstbezogen, scharfkantig, mit frischen und alten Kraterwunden beschäftigt, in einer verzweifelten situativen emotionalen Verfassung unfähig zu,… egal, es kommt auf dasselbe raus:

Nun ist er weg, der, der vielleicht ein guter Gesellschaftsplanet hätte werden können.

Und ich sitze hier auf meiner weiten Wiese und betrachte den scheinbar ruhig grasenden Vierbeiner:

Was mache ich nur mit diesem Pferd… ?

 

Wie äußert sich eine Störung der Emotionsregulation?

Menschen mit einer Borderline-Störung reagieren sensibler auf gefühlsmäßige Reize und lassen sich leichter von Gefühlen anstecken. Gefühle sind stärker ausgeprägt und werden intensiver erlebt. Gerade unangenehme Emotionen werden also häufig als unerträglich intensiv erlebt.
Die Emotionen halten länger an, d.h. Menschen mit einer Borderline-Störung brauchen mehr Zeit, um zu einer neutralen emotionalen Ausgangslage zurückzukehren.
(Bohus/Wolf-Arehult, Interaktives Skillstraining, 2.Auflage, S.48)


Also: Was mache ich nun mit diesem Pferd (also mit diesem Typ „Erleben, Vorurteil und automatisierter Reaktion“)?

Berechnen lernen. Standardformeln (z.B. der Begegnung mit anderen Rössern) eintrainieren. Immer besser kennenlernen.

Und lieb haben.

Komm‘, Schöner, wir gehen uns in den Fitnessraum bewegen. Da verstehen wir uns ein Weilchen immer ganz gut. Und danach kommst Du mit Motorrad fahren…

Gütenbach be- suchen. Den Platz, an dem sich unsere Freundin so wohlgefühlt hat. Dass es ihr dort so gefallen hat, macht ihn für uns zu einem Ort der Verbundenheit.

Und dann fahren wir kurvensuchend wieder „heim“ in diese vier Wände, die uns ein sicherer Fleck sind.

 

Reha Rahmen

Hier laufen so täglich etwa 60 Rehabilitanten herum, die an unterschiedlichen Maßnahmen teilnehmen. Es gibt die EGH’s (Eingliederungshilfe), die MnP’s (Maßnahme zur Entwicklung neuer Perspektiven) und RPK’s (Reha psychisch Kranker).

Die 30 RPK’s leben meist in den zwei Wohngruppen mit je 12 Bewohnern in zwei Doppel- und acht Einzelzimmern mit Waschbecken und kostenlosem, flottem WLAN (6:00 – 0:00 Uhr tgl.).

Wir teilen uns die Wohnküche, die sanitären Anlagen, einen Aufenthaltsraum mit TV. Waschmaschinen und einen gut gelüfteten Trockenraum. Je ein Mal wöchentlich findet das „Wohngruppengespräch“ und das „Wohngruppentraining“ statt, in dem das Zusammenleben angesprochen wird, bestimmte Dienste aufgeteilt bzw. zeitgleich erledigt werden.

In jeder Wohngruppe gibt es je sechs „Gruppen-“ und „Selbstversorger“. Zum Selbstversorger wird man regelgerecht frühestens nach acht Wochen und nur, wenn einer der sechs Plätze frei wird. Sie bekommen einen bestimmten Betrag ausgezahlt und können für ihr Essen selbst einkaufen, müssen sich daneben aber auch selbst um ihr eigenes Geschirr, Spüli, etc. kümmern. Ihnen steht ein eigener Vorratsraum mit Kühlschrank zur Verfügung. Mittags gibt es für alle Rehabilitanten ein von der Hauswirtschafterin zubereitetes Mittagessen im Gemeinschaftspeiseraum.

Wir Gruppenversorger bekommen in unserer Wohnküche entsprechend der Tageszeit einen Schrank für das Frühstück bzw. das Abendessen aufgeschlossen und in einen Vorratsbehälter ebenfalls gekennzeichnete Lebensmittel. Wir können uns selbst aussuchen, wann, ob und was wir davon essen möchten. Zudem steht uns noch ein wöchentlicher Gemeinschaftsbetrag in der Höhe von 60,-€ zur Verfügung, mit dem wir zusätzliche Lebensmittel (Obst, Joghurt, etc) oder benötigte Haushaltswaren (Frischhaltefolie usw.) einkaufen können. Dafür setzen wir uns zusammen, schreiben eine Einkaufsliste und zwei von uns ziehen dann los und der Kühlschrank ist wieder voll….

Ich fühle mich sehr wohl mit diesen freizügigen Essenszeiten. Auch können wir kommen oder gehen, wann wir wollen, solange wir am Rehaprogramm teilnehmen und hier übernachten. Im Haus gibt es einen Fitnessraum (sogar mit Radio / WLAN / TV…), der für 24 Stunden täglich geöffnet und so gelegen ist, dass wir ihn auch jederzeit benutzten können, ohne zu stören.

Tagsüber sind wir morgens in den verschiedenen Ergotherapie-Tätigkeitsbereichen aufgeteilt. Es gibt die Holz-, Textil- und Digitalwerkstatt und die Hauswirtschaftsgruppe  für je maximal sechs, sowie die Küchenhelfer/Köche und die Hausmeistergehilfen mit je 2-3 Plätzen. In diesen Bereichen halten wir uns vormittags von 8:30 bis 12:00 Uhr auf. Nachmittags gibt es (anfangs 2 x wöchtenlich) Einzelgespräche mit dem jeweiligen Rehaberater, der uns bis zum Ende der Maßnahme begleitet. Ich bin ziemlich zufrieden mit dem, den ich zugeteilt bekommen habe und denke, da habe ich Glück gehabt.

Ein Mal wöchtenlich sollen wir an einer „Aktivierungsgruppe“ teilnehmen (Sport mit unterschiedlichen Gewichtungen – Mannschaftssport, Fitnessraum z.B.). In Bälde werde ich noch einen Termin für die Gesprächsgruppe hinzu bekommen, da die DBT-Skillsgruppe zur Zeit nicht stattfindet. Außerdem gibt es freiwillige, offene Angeobte wie „Kreativgruppe“, „Chor“ und „Tanzen“. Ein Mal im Monat findet eine Freizeitaktivität statt, zu der wir alle eingeladen sind (zuletzt gab es vier Teilnehmer…).

In der Holzwerkstatt stehen alle nötigen Geräte zur Verfügung, die mir einfallen. Da ich mit keinem von diesen nennenswerte Erfahrungen habe, kann ich noch ganz viel lernen. Heute habe ich einem Mitrehabilitanten gesagt, dass ich irgendwann auch mal so cool und gelassen an der für mich ziemlich mächtig wirkenden Kreissäge stehen möchte, wie er 🙂

Den Tätigkeitsbereich kann man in Absprache und bei entsprechend freien Plätzen auch wechseln.

Nach spätestens neun Monaten beginnt die Zeit der Praktika in Betrieben außerhalb des Hauses, um die Belastbarkeit für die sich eventuell anschließende berufliche Rehabilitation zu testen, die in der Regel nach einem Jahr beginnt.

Haus Landwasser hat sich verdoppelt, es standen noch im letzten Jahr nur etwa die Hälfte der Rehaplätze und ausschließlich Doppelzimmer zur Verfügung. Entsprechend der Zahl der Rehabilitanten hat sich auch die Zahl der Mitarbeiter vermehrt. Diese Veränderung ist zwar noch zu spüren – viele Mitarbeiter kennen sich selbst nicht so gut aus – , aber es scheint, als seien alle engagiert bei der Sache, was für eine gute, freundlich-motivierende Stimmung sorgt.

Araber

„Stellen Sie sich vor, Fr. Nies, sie besäßen ein schönes, wildes Pferd. Einen nervösen Araber – irritierbar, tempramentvoll, geht auch gerne mal bei Anlässen durch, die jeder Mensch als ungefährlich bewerten würde. Und es ist gar nicht mal so einfach, ihn wieder zur Ruhe und entspanntem Grasen zu bringen. Es braucht Mühe und Geschick. Geduld und Zeit. Viele Andere sitzen auf einem ruhigeren Pferd, können es mehr oder weniger unbeschwert reiten und kommen damit vielleicht auch gelassener an. Sie aber haben da ein Pulverfass… klar fliegt man da viel öfter und im hohen Bogen runter und das Aufsteigen ist immer wieder neu eine Aufgabe, zu der man sich überwinden muss.

Man kann sich sein Pferd zwar nicht aussuchen, aber so ein Araber ist bei aller Angst schon auch ein feines Tier. Und, ja, es ist möglich, es sogar reiten zu lernen. Stellen Sie sich das nur mal vor, dass es gelingen könnte, ihm als Freund zur Seite zu stehen…“

Ich fühle mich gerne ein und spiele mit diesem Bild, das mir einer meiner Therapeuten mit auf den Weg gab. Es gefällt mir. Und gerade ist mein Vierbeiner (emotionales Erleben) mal wieder in Wallungen.

Er steht in einem fremden Stall und ich lasse mich irritieren, denke mal wieder, ich sei Dompteur, kein Freund, und mein Araber sei doch ein kaltblütiger, nervenstarker Haflinger und ich müsse nur genug davon überzeugt sein, dass ich schon alles weiß und kann, um ihn dazu zu bringen, mir zu vertrauen und brav das alles zu tun, was richtig und gut sein könnte.

Ich versuche sie mechanisch immer wieder, die Rolle des Dompteurs, der an seine Wahrheit glaubt, dass Pressen, Zwingen, Brechen, Beugen doch irgendwie funktionieren wird. Man muss sich nur genug anstrengen…

Ständig trennen sich unsere Wege, er bricht mir immer wieder aus, reagiert übernervös, unruhig, gehetzt… sondert sich ab, sucht nach Nähe und hält sie doch gar nicht aus.

In einer Gesellschaft aus weiteren exotischen Pferderassen, neu eingestellten Stallbetreuern und fern der Heimatsteppe ist mein Araber zittrig, und, unter uns DBT’lern gesprochen, ständig vor dem oder knapp im Hochspannungsbereich.

Wir müssen da durch, Pferd, und wir schaffen das.

Wir schaffen das mit Pausen. Mit Ruhe. Mit Wut, Trauer und Getriebensein und mit all der Angst, die sich so viele Anlässe sucht.

Wir schaffen das, indem wir uns anvertrauen und weiter versuchen, sicheren Stand zu gewinnen und die Angst wie einen Wind vorüber ziehen lassen.

Ich will den Araber achtsam kennenlernen. Ihm Anlass geben, mir trauen zu können. Er muss schon viel mitgemacht haben, ist voller Angst. Er braucht seine Zeit… und er ist und bleibt ein Tier (alte Hirnregionen sind in Alarmbereitschaft). Ich werde ihn nie dazu bringen, eine Maschine zu sein.

Wie soll ich wissen, ob ich am richtigen Ort bin? Hier gibt es Wasser und Weiden. Ob hier aber das rechte Gras wächst für meine Art Araber? Ob ich in die Herde passe? Wie soll ich das jetzt schon wissen?

Es wird sich zeigen.

Brechen lässt er sich nicht, er ist mächtiger. Ich will ihm auch keine Kandare (Psychopharmaka) anlegen, war er doch so lange eingesperrt und im schweren Geschirr eines viel größeren Ackergauls wund und lahm geworden.

Ich darf nicht aufgeben, ihm / mir die Hand hin zu halten.

Auch wenn er manchmal kaum einen auf ihn gerichteten Blick standhält.