Der erste Veganer

Ich bin gerade zu einem veganen Burrito eingeladen worden: Tacos, Kidneybohnen, Salat, Avocado, Tomate, Gewürze, Hummus, Omega 3 Mehl.

Oh, war das lecker!

Der Spender namens Austin ernährt sich seit 1-2 Jahren vegan. Es sei einfach gesünder. Er kommt prima klar auf dem Trail, hat keinerlei körperliche Probleme. Unterwegs nimmt er Tacos mit Erdnussbutter, Oreos, getrocknetes Obst und Gemüse, vegane Fertiggerichte, veganes Proteinpulver und solche Sachen mit und hat sich entsprechende Pakete voraus geschickt. Wenn er in einer Stadt ist, gibt es so leckere Sachen wie gerade eben.

Ich bin begeistert!

Eine Aussicht: 22. Juni

Von Tine, Belgierin, und Susi aus München hatte ich schon berichtet. Die beiden haben sich zu einem richtig guten Team entwickelt und machen gerade mehrere Wochen Schneeschmelzen-Urlaub auf Hawaii. Sie werden am 22.Juni nach Portland zurück fliegen und von der Stadt Cascade Locks an der Grenze zwischen Oregon und Washington südwärts den PCT fortsetzen.

Sie haben mir eine Einladung gesendet, sie ab dort wieder zu begleiten.

Das freut mich sehr.

Aber ich habe auch Angst, ihr Tempo nicht halten zu können und das fünfte Rad am Wagen zu sein. Aber was kann ich, verglichen mit meiner jetzigen Situation, schon verlieren?

Momentan liegt dort im Norden noch Schnee, auch wenn die Berge nicht so hoch sind. Und warum südwärts? Naja, wenn man dann die High Sierra erreicht, ist der Schnee auch da hoffentlich weg, die Flüsse sind wieder passierbar und man selbst ist wieder so fit, das man die Berge und das ständige Hoch und Runter schafft. Die Idee hat also ihren Reiz. Und wenn man danach noch immer nicht genug sowie Zeit übrig hat, kann man in Washington wieder nordwärts Richtung Canada einsteigen.

Die Verbindung nach Portland kenne ich dann vielleicht schon: Ab hier, Isabella Lake, nur 24 Stunden Busfahrt!

 

Lake Isabella – was macht die da?

…naja, erstmal: Nicht schlafen können. Es ist 00:30 Uhr und mir geht so vieles durch den Kopf. Nebenan eine Straße. Der Hund ist glücklicherweise wieder eingeschlafen. Es ist warm, der Campingplatz voll.

Ich zahle 5 Dollar pro Nacht, Dusche inclusive. Es gibt freies WLAN, ein „Wohnzimmer“ mit Handylademöglichkeit und Fernseher (der rund um die Uhr läuft). Viele schattige Sitzbänke, eine Feuerstelle und zwei Waschmaschinen sowie Trockner.

Mich erwarten zwei selbst vorgeschickte Päckchen mit Dingen wie Kindl Reader, Sandalen, Pulli, usw., die ich gerne um- oder aussortieren würde. Dazu habe ich mir ein paar Sachen bei Amazon bestellt, die spätestens übermorgen da sein sollten.

Lake Isabella ist günstig gelegen. Westwärts fährt ein Bus Richtung Bakersfield und Richtung Osten über die PCT Kreuzung Walker Pass nach Ridgecrest. Rechts und links der Sierra führt ein Highway entlang. Je nachdem, wo ich einsteigen möchte, kann ich mich hier also entsprechend entscheiden.

Nordöstlich hinter Ridgecrest liegt Lone Pine. Dort gibt es einen guten Outdoorusrüster. Ich plane, mit all meinem Kram zu ihm zu gehen und ihn zu bitten, meine Ausrüstung hinsichtlich des Gewichtes und der kommenden Meilen zu optimieren. Das kann ein paar hundert Dollar kosten, aber die Steigungen werden härter und der Bedarf an notwendigen Dingen auch (Verpflegung, Gaskartuschen, mehr und andere Kleidung, wieder Minispikes, Bärenkanister).

So ist der Plan. Erstmal.

Liebe zu meinem Weg – Ja zu….

…den vielen freundlichen, hilfsbereiten Menschen, denen ich begegnet bin. Das wäre mir nicht passiert, wenn ich topfit und dabei wäre, den Thruhike-Zeitrekord zu brechen.

…dem Satz, den mir mein Bruder neulich geschickt hat: „Der Weg ist wie das Leben“. Es ist so, wie es ist. Ich bekomme es nicht anders hin. Es ist mein Weg, ob ich ihn so haben will, oder nicht.

Essen

Ich habe mir etwas zu essen gekauft. Frische Sachen und Surimi mit so etwas wie Baguettebrot. Und ein Bier. Das gab es zum Abendessen.

Unterwegs gibt es 2-3 Handvoll Müsli mit Wasser morgens und mittags, Ramensuppen mit Parmesan und / oder Tunfisch abends. Nachts meistens trockenes Müsli und rund um die Uhr Müsliriegel, bis zu ca. vier am Tag. Ich nehme unregelmäßig meine Medikamente: Magnesium, Centrum Multivitamin, Vitamine B12 und Calcium.

Das scheint zu wenig zu sein, mir schwinden die Kräfte.

Was erschwerend hinzu kommt, ist meine Angst, wieder in meine Esstörung zu rutschen. Aber vielleicht bin ich schon mitten drin.

Ich will den Weg weiter gehen. Also muss mehr und besseres Essen her.

Das Dumme ist nur: Es muss ja auch getragen werden. Das Essen war jetzt schon schwer genug. Und Platz braucht es auch.

Ich werde Mandelmus nachkaufen. Und muss das Olivenöl auch mal anfangen zu benutzen, anstatt es nur zu tragen.

Wenn ich weiter gehen will, muss ich mich besser um mich kümmern, so viel steht fest.

Liebe zu meinem Weg

5. Juni.

Gestern bin ich um 5 Uhr morgens von meinem schönen Platz gestartet. Ich hatte mich tags zuvor beim Laufen so wohl gefühlt und mir rund 23 Meilen bis hinter den Silverwoodlake vorgenommen. Morgens ist einfach die beste Zeit: Die rund 12 Meilen bis zum Mittag fielen mir recht leicht.

Beim Wasserholen traf ich zwei andere Wanderer. Das ist schon was Besonderes, da der Trail um diese Zeit deutlich leerer ist. Und dann kam Shirley um die Ecke – ich verstand es erst nach einem Moment: Sie geht die Strecke anders rum, war am Walker Pass gestartet und ich hatte sie in Hikertown getroffen. Was für ein schöner Zufall!

Ihre vier Kinder sind groß. Sie wirkt ausgeglichen, in sich ruhend, zufrieden. Dabei offen, herzlich und interessiert.

Wie ich mich nach einem solchen Zustand sehne.

Vielleicht sehen wir uns wieder… das wäre schön! Sie plant, die Sierra im August anzugehen. Also Daumendrücken: Aller guten Dinge sind Drei!

Mich zog es weiter.

Ich hatte für meine sonstigen Gewohnheiten gut gegessen und getrunken, aber der kräftemäßige Einbruch kam in der brütenden Hitze trotzdem gnadenlos. Ich hatte Druckstellen nicht ernst genommen und mir Blasen gelaufen. Der ersehnte See, den ich mir so schön einsam vorgestellt hatte, hinter Wall und Hang versteckt, es zog sich ewig hin. Ein kurzes Wasserspiel an einem kleinen Strand brachte dann endlich etwas Erfrischung.

Der Weg zum angelegten, offenen Campingplatz war einfach eine Quälerei. Ich fühlte mich so kraftlos. Gegen 20 Uhr hatte ich ihn erreicht. Freute mich nur auf eine Dusche, aber die war verschlossen. Ich spürte meine Müdigkeit und Erschöpfung.

Ich habe Resumee gezogen. Die kommenden Meilen sind kein Spaß und die letzten 20 Meilen führen durchgehend bergauf nach Whrigtwood und haben keine Wasserstelle. Das würde bedeuten, mindestens 8 Liter Wasser tragen zu müssen. Nein, dazu bin ich momentan einfach nicht in der Lage – zumal ich nicht muss.

Also: Mal wieder springen….

Kurz: 250 Meilen Fahrt nach Bakersfield mit Rick, dem ich über Uber gefunden habe, für 90 Dollar.

Wir kamen an Stellen vorbei, an denen ich schon vorbei gelaufen bin. Das kann schon ein bisschen wehmütig machen…

Glücklicherweise hatte der Bus nach Lake Isabella Verspätung, so musste ich nicht drei Stunden dort verbringen, sondern konnte gleich einsteigen.

Auf der Fahrt wurde mir deutlich bewusst, was Schneeschmelze heißt: Der Fluss Kern hatte vor ein paar Tagen nicht halb so viel Wasser.

Nun bin ich wieder hier in Lake Isabella.

Was ist das für ein Weg?

Wie kann man sowas annehmen, das so zerrissen ist? Von wunderschönen, wie entmutigenden Momenten durchzogen? Kein Ziel, kein echter Wille? Zu was?

Aber noch halte ich fest an den schönen Momenten. Ich will sie wieder haben.

Wechseljahre???

3.Juni

Ernsthafte Abbruchgedanken. .

Ich war bis zur letzten Minute in der Lodge und habe auch noch eine Weile das Wlan vor der Türe genutzt. Danach bin ich umgezogen, wollte bei Mc Donald’s das Wlan nutzen. An der Kasse fragte mich Diana, ob ich ein PCT Hiker sei und ob sie mir das Essen ausgeben dürfe? Sie finde es toll, was wir machen und hatte sichtlich Freude an ihrer Idee, mir die rund 10 Dollar zu spendieren.

Den Nachmittag verbrachte ich auf der Terasse vom gelben M mit Blick auf den See. Habe viel telefoniert und ‚gewhattsappt‘ – Freunde, habt Dank! Ich trug mich mit ernsthaften Abbruchgedanken. Informierte mich neben Wegen zum Flughafen in L.A. aber auch über alternative Möglichkeiten, die Wartezet bis zur Schneeschmelze zu verbringen: Der Volunteerdienst auf dem PCT ist regional in Gruppen organisiert oder findet nur an speziellen Tagen statt und kommt für mich nicht in Frage, weil ich die Wege nicht fahren kann. Reiten ist viel zu teuer (Vollpension ohne Reitstunde rund 250 Dollar pro Tag).
Gegen 15:30 Uhr setzte ich mich in Bewegung. Irgendwie war ich wieder in der Lage, mir noch eine Chance zu geben: Habe auf dem Parkplatz einen jungen Mann mit geländegängigem Pickup angesprochen, ob er mich gegen Geld zum PCT bringen könne. Wir handelten 7 Dollar Gebühr aus. Nach der Unterhaltung unterwegs wollte Dan kein Geld mehr nehmen und wünschte mir viel Kraft und alles Gute auf meinem Weg. Also wieder so ein netter Mensch!

Am Fluss war am heutigen, warmen Sonntag viel los. Auf dem kurzen Fußweg Richtung PCT sprach mich eine Frau an, ob ich eine Erfrischung brauche und ein Eis haben wolle? Ja, klar!

Ich kam mit ihr und ihrer Freundin ins Gespräch und ließ mich überreden, mit ihnen ein Weilchen gemeinsam Pause zu machen. Sie sprachen mir ihre Achtung aus sowie Mut zu und versorgten mich mit allerlei Leckeren, z.B. frisch gepflückter Minze vom Flussrand, mit der ich mein Wasser aufpeppte.

Gegen 17:00 Uhr brach ich auf und ging noch 6,4 Meilen bis ich diesen herrlichen Platz zum übernachten gefunden habe:

Schon beim Essen auf dem Felsen mit Aussicht auf den Flusscanyon wurde mir dankbar meine Entspannung bewusst. Jetzt liege ich in der Helligkeit des zunehmenden Mondes unter sternenklarem Himmel, höre die Grillen zirpen und in der Ferne den Fluss rauschen. Ich fühle mich richtig und wohl.

Vielleicht war alles nur ein Laune der Wechseljahre?

Mir ist heute schon wieder so viel Gutes widerfahren! Danke, Leben, du sorgst für mich.

Moose Inn Menschen

Donnerstag, 1.Juni 2017
Mein Weg sollte mich heute nach Fawnskin führen. Fawnskin ist ein kleines, gemütliches Ferienörtchen auf der gegenüberliegenden Seeseite von Big Bear Lake. Von hier führt eine Dirt Road zu der Stelle des Trails, an dem ich ihn nach meinem Sturz verlassen hatte.

Aber etst mal zum Anfang:
Ich brauchte nur ca. 10 Min um zur Bushaltestelle in Lake Isabella zu kommen. Der Busfahrer kannte seine kurvige Strecke, so viel ist sicher. Er fuhr so geschmeidig, rasant, aber sicher nach Bakersfield, dass es eine wahre Freude war dabei zu sein – fast wie im Karussell. Ich als Ortsfremde hätte ihm wohl kaum mit dem Motorrad folgen können. Der Amtrak Bahnhof hatte nur ein paar Snacks zu bieten, so nahm ich die einzige Frühstücksgelegenheit wahr, die sich in der Gegend anbot: Ein Merriot Hotel. Es war ein echter Genuss. Selbst in meiner Wanderkleidung kam ich mir willkommen vor und es war rundrum lecker.

Der Bus nach Los Angeles kam glücklicherweise pünktlich an, so war es kaum ein Problem, den dortigen Anschlusszug nach San Bernadino zu bekommen. Die Fahrt dauerte über zeei Stunden, aber aus der Stadt kam man nicht wirklich raus, die Strecke war durchgehend mit Gebäuden umsäumt. Bis dahin hatte also alles wunderbar geklappt. Aber der Mensch, den ich in San Bernadino nach der Bushaltestation fragte, schickte mich zu einer falschen. Mir kam das Schild auch merkwürdig vor, so fragte ich beim Fahrer eines ankommenden Busses nochmal nach, der mich zwar auf die andere Straßenseite schickte, aber leider nicht zur richtigen Haltestelle. So durfte ich über fünf Stunden auf den nächsten Bus warten, die ich mit Einkaufen, Verschicken eines Paketes und der erfolglosen Suche nach einem Handygeschäft verbrachte.

Statt um 14:30 Uhr kam ich also um 19:30 Uhr in Fawnskin an. Ich war so müde! Zudem war mir unterwegs eingefallen, das ich vergessen hatte, mir eine neue Gaskartusche zu besorgen. Der kleine Laden hatte nur große, viel zu schwere Dosen. Was tun? Ramensuppen kalt essen? Es musste eine Entscheidung her, aber erstmal brauchte ich dringend eine Toilette. Die Verkäuferin schickte mich zu einem öffentlichen Parkplatz, aber unterwegs leuchtete mich ein Barschild ‚open‘ an.

Ich war in der Moose-Bar gelandet, die sofort einen so gemütlichen Eindruck machte, dass ich dachte, hier könnte ich mich auf Dauer wohlfühlen. Ich wurde auch gleich freundlich angesprochen und so offen, wie ich es hier in den USA bin, habe ich auch gleich von meiner Not erzählt, in der Hoffnung, irgendjemand habe eine Idee, wie ich vielleicht noch in die Stadt kommen könne. Das zwar nicht, aber alle dachten darüber nach, wer so etwas haben könnte und der wurde angerufen. Inzwischen war ich am Tisch von Janna, Mick, Dave und Patty aufgenommen worden, von irgendwo kam ein vegetarisches Essen, dazu ein Bier und ein großes Glas Wasser. Ich wurde eifrig befragt, erfuhr aber auch viel. So, nur z.B. dass Janna eigentlich Holländerin ist und morgen Geburtstag hat, Mick Engländer ist und am Morgen noch in Düsseldorf war, Dave alles über den PCT weiß und Ehemann von Lonie ist, die den Bardienst übernommen hat, und Patty schon viel über den Camino de Santiago in Erfahrung gebracht hat und darüber nachdenkt, ihn zu entdecken. Es war so ein netter Abend und es tat so gut, mich so willkommen zu fühlen. Mick setzte sich kurzerhand ins Auto und kam mit seiner Notfallausrüstung zurück: Instantsuppen, Wasser, Getorade und: Eine Gaskartusche! Welche Notfälle? „Schnee, Waldbrand,… Trump?! Man wisse ja nie!“ Schließlich wurde ich ungezwungen und freundlich eingeladen, die Nacht bei Dave, Lonie, Earl (freundlicher Hund) und Tiger (vorsichtige Katze)…zu verbringen. Habt Dank!!!

Liebe Menschen in der Moosebar: Ich kann Euch gar nicht sagen, wie viel Wohlwollen und Willkommensein ich hier bei Euch erlebt habe. Freunde und Gemeinschaften, die sich wohlfühlen, tragen einander und andere. Das habe ich hier deutlich gespürt. Ich danke Euch für diese Erfahrung und Danke für Eure Wertschätzung und Eure gute Wünsche, die mich jetzt auf meinem weiteren Weg begleiten. Big Bear und seine offenen, herzlichen, hilfsbereiten Menschen wird mir in besonderer, warmer Erinnerung bleiben!

Dieser unglaublich schöne Abend war die Folge eines unnötig verpassten Busses, einer eigentlich ärgerlichen Vergesslichkeit und eines dringenden menschlichen Bedürfnisses.

Das Leben hat so viel zu bieten.

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Nachtrag:

Am Morgen wurde ich von Dave und später von Lonie noch verabschiedet mit der Aufforderung, mich zu melden, wenn ich Hilfe brauche. Darauf musste ich dann auch leider gleich zurück kommen. Ich war schon unterwegs, als ich feststelle, dass mir mein Hut fehlte. Also zurück! Leider war er weder beim noch im Shop und die Bar war geschlossen. So musste ich Lonie um Hilfe bitten, um in der Bar danach zu suchen. Leider ohne Erfolg. So bekam ich einen Hut von Dave geschenkt, den er nicht mehr brauche und der meinem sehr ähnlich ist. Er gefällt mir sehr, sehr gut. Und meinen Dank für diese Menschen weiß ich echt nicht mehr in Worte zu fassen.

Flucht nach hinten Richtung Trail

Es gibt so viele Winterbilder vom Trail. Auch Bilder von breiten, reißenden Flüssen. Berichte von Menschen, die auch aus den Wegen in Oregon zurück kehren. Den zugeschneiten Weg nur finden mit Handy in der Hand.

Nein, ich muss das nicht haben.

Ich fliehe vor vielen Entscheidungen, die ich bezüglich meiner Ausrüstung treffen müsste (Wärme, Nässe, Schneeausrüstung). Und auch vor den vielen Menschen dort in Kennedy Medows. Meiner Einsamkeit in Gruppen. Der Angst vor dem Gefühl, nicht mithalten zu können oder verlassen zu werden, die sich vor allem anderen schieben, das auch in mir ist: Der Wunsch nach Sicherheit, mich nicht beweisen zu müssen, nicht durchhalten zu müssen. Nein, der Schnee macht vieles anders.

Mein Fluchtziel heißt Big Bear Lake.

Ich gehe die Strecke, die ich verpasst habe.

30. Mai 2017 Lake Isabella

Gerade ist es um Mitternacht, Mittwoch, der 30. Mai ist vorbei.

Ich liege im Schlafsack unter einem Laubbaum. Der Wind lässt ihn leise rauschen. In einiger Entfernung singen die Grillen. Ein Hund schickt ab und an, gelangweilt klingend, ein Bellen in die Nacht. Rechts und links von mir in ca. 3m Abstand versuchen andere Hiker zu schlafen.

Es ist sehr warm. So warm, dass ich unter freiem Himmel keinen Schlafsack brauche.

Kein Platz für mich. Zu voll, laut, weit weg vom PCT. Aber:

Mein Platz. Heute.

Tagesbeginn: Zunächst einmal widerte mich das Wasser, an dem ich genächtigt hatte, an und ich freute mich über die frische Quelle – nur ein paar hundert Meter weiter entfernt gelegen…

Ich hatte nur ein paar Meilen. Es ging bergab oder eben dahin. Schnell war ich am Walker-Pass, eine Stelle, an dem der PCT einen Highway kreuzt.

Trialangel. Mal wieder wahr.

Schatten, frisches Obst, Wasser, Chips,…

Abschied.

Jürgen, Clayton und ich gingen irgendwann zum Highway, um ins 35 Meilen entfernte Lake Isabella zu trampen. Wir standen nur ca. 10 min bis Michael anhielt. Er machte erst mal Platz im Auto und die Rucksäcke wurden sorgsam auf den Motorradträger geschnürt.

Michals Bruder ist schneeerfahren und gerade in der High Sierra auf dem PCT unterwegs.

Lake Isabella ist ein großer See, der sich in eine hügelige Landschaft schmiegt. In Europa wäre er dicht besiedelt und ein Ort würde sich, um Touristen oder reiche Anwohner ringend, an den anderen schmiegen.

Hier gibt es diesen gleichnamigen, langgestreckten Ort, durch den eine, für unsere Augen, viel zu breite Straße führt.

Der Campingplatz hat sich auf Hiker eingestellt. Es gibt einen großen Grill, ein Fernsehzimmer, einen Getränkeautomaten, Waschmaschinen und herrliche Duschen. Die Übernachtung kostet 5 Dollar.

Wir haben uns reichlich Bier besorgt. Und damit klappt es mit der Verständigung auch bei mir ganz gut…. Kellsie und Trag, ein junges Päärchen aus San Francisco, beantwortete freundlich all meine neugierigen Fragen (ihre kleine Zweizimmerwohnung z.B. ist mit 3000 Dollar Miete im Monat ein echtes Schnäppchen und nur so billig, weil er schon so lange darin wohnt) und schenkte mir viel Freude, indem sie mich an ihrem zweisamen Glück ein bisschen teilhaben ließen. Und für feuchte Augen hat Kellsie gesorgt, als sie mir, die ich Hamburger verschmähte, mit einem Nudelgericht überraschte. Einfach eine warmherzige Geste, die mich tief berührte. So wurde es ein schöner, entspannter Abend.