Stimmig

„Und wie fühlt sich das als Körper an?“

(Was nimmst Du als Körper wahr? Kannst Du etwas spüren? Hast Du einen Zugang dazu, wie es sich gerade anfühlt?)

höre ich innerlich meine Gießener Zapchen-Therapeutin fragen (an die ich so gerne denke, weil es mir so ein „warmes“ Gefühl bereitet und ein – vielleicht unsichtbares – Lächeln im Gesicht haben lässt).

Es war vor ca. 18 Minuten, also um 2:43 Uhr nachts: Zu diesem Gedanken lag ich auf meinem Rücken im Bett, hatte die Augen geschlossen. Ich habe die Geräusche, die von draußen durch das offene Fenster dringen, nicht bewusst ausgeblendet, aber wahrgenommen, dass meine rechte Hand auf meinem Brustbein lag. Die Linke hatte sich über meinen Kopf auf das Kissen gelegt. Sie wollte aber auf meinen Bauch. Das fühlte sich sodann gut und richtig an. Eine bemerkte und bedachte Friedlichkeit begleitete diese Szene, ein wohlfühliges Besonnensein, eine selbstbezogene Freundlichkeit ohne Spur von Egoismus und fast gänzlich frei von jedweder Schuld. Ja, vielleicht nur der Schatten der Schuld, eine Spur ihres Parfums… war noch darin verblieben.

Einfach bemerkenswert.

Nach einigem Daranherumfeilen hatte ich den vorherigen Beitrag (Willkommen, Sehnsucht,…) veröffentlicht. Er war schon einige Zeit in den „Entwürfen“ zugegen gewesen. Immer wieder war ich hin- und hergerissen, ob ich „sowas“ veröffentlichen, außerhalb meiner selbst preis geben kann.

Ja, ich kann. Es war an der Zeit. Auch den Passwortschutz nahm ich ihm wieder. Er darf sein. Er ist stimmig. Das „es stimmt auch in mir“ – das „ich stimme gerade“ – das „Ja“ war innerlich zu spüren, als sich die bereits oben erwähnte Frage stellte:

„Und wie fühlt sich das (das Stimmigsein) als Körper an?“

Ein Jazumir fühlt sich warm an. Richtig warm. Nicht zu warm. Es fühlt sich auch in dem Gedanken, mich jetzt für’s Wachsein zu entscheiden. Mir einen Tee zu machen. Mir die Sorte auszusuchen, zu der sich meine Lust entscheidet. Und es fühlt sich auch in der Beachtung des bewussten Wahrnehmens, dass sie, die Lust, schon weiß, was sie will.

Ja. Die linke Hand wollte auf den Bauch. Und ich bemerkte es. Und ich entschied mich, sie darauf los zu lassen. Ganz bewusst. Ganz sanft.
Ich ging über den wirklich krass hell neonbeleuchteten Flur zum WC. Aufrecht. Ohne Mühe. Es ging sich so: Einfach. Entspannt. Und ich bemerkte es.


Stimmig.

Gestern, dem ersten Tag der Öffnung nach der Sommerpause, habe ich mich für sechs Volkshochschulangebote angemeldet. Meine Wahl fiel durchgängig auf eher kurztägige Kurse für meine Körperwahrnehmung, mehrfach auch in Einbezug der Stimme und des Tönens. Ich brauche es und will mit ihm, diesem, meinem Körper spüren üben. Ich traue mir zu, ihm trauen zu wollen.
Ich traue mir zu, ihn lassen zu können. Ich erlaube es, ihn möglicherweise daran Spaß empfinden zu können und diese Freude mir spürbar und lebendig zu machen. Ich traue mir auch meine Kritiker zu. Ich werde auch sie auf ihre Art er-leben lassen, wenn ich mich mit meinem Körper einstimmen lerne. Sie werden ganz sicher dabei sein, wenn ich mich unter andere Körper mische und mich dabei bewege / sichtbar bin. Sie haben in solcherlei Situationen immer sehr auf mich aufgepasst, das kann ich ihnen nicht nehmen. Und ich darf mich einladen, sie mir den Spaß am Stimmigseinfühlen trotzdem nicht gänzlich verderben zu können.

Sechs körper-/stimmbezogene Angebote – weil: Lust darauf ??? !

Lust mit dem Körper zu experimentieren… Wow, Karin.

Ich staune.

…und bin sogar wieder müde. Na dann: Mach‘ mal, Körper, wonach Dir ist…

Araber

„Stellen Sie sich vor, Fr. Nies, sie besäßen ein schönes, wildes Pferd. Einen nervösen Araber – irritierbar, tempramentvoll, geht auch gerne mal bei Anlässen durch, die jeder Mensch als ungefährlich bewerten würde. Und es ist gar nicht mal so einfach, ihn wieder zur Ruhe und entspanntem Grasen zu bringen. Es braucht Mühe und Geschick. Geduld und Zeit. Viele Andere sitzen auf einem ruhigeren Pferd, können es mehr oder weniger unbeschwert reiten und kommen damit vielleicht auch gelassener an. Sie aber haben da ein Pulverfass… klar fliegt man da viel öfter und im hohen Bogen runter und das Aufsteigen ist immer wieder neu eine Aufgabe, zu der man sich überwinden muss.

Man kann sich sein Pferd zwar nicht aussuchen, aber so ein Araber ist bei aller Angst schon auch ein feines Tier. Und, ja, es ist möglich, es sogar reiten zu lernen. Stellen Sie sich das nur mal vor, dass es gelingen könnte, ihm als Freund zur Seite zu stehen…“

Ich fühle mich gerne ein und spiele mit diesem Bild, das mir einer meiner Therapeuten mit auf den Weg gab. Es gefällt mir. Und gerade ist mein Vierbeiner (emotionales Erleben) mal wieder in Wallungen.

Er steht in einem fremden Stall und ich lasse mich irritieren, denke mal wieder, ich sei Dompteur, kein Freund, und mein Araber sei doch ein kaltblütiger, nervenstarker Haflinger und ich müsse nur genug davon überzeugt sein, dass ich schon alles weiß und kann, um ihn dazu zu bringen, mir zu vertrauen und brav das alles zu tun, was richtig und gut sein könnte.

Ich versuche sie mechanisch immer wieder, die Rolle des Dompteurs, der an seine Wahrheit glaubt, dass Pressen, Zwingen, Brechen, Beugen doch irgendwie funktionieren wird. Man muss sich nur genug anstrengen…

Ständig trennen sich unsere Wege, er bricht mir immer wieder aus, reagiert übernervös, unruhig, gehetzt… sondert sich ab, sucht nach Nähe und hält sie doch gar nicht aus.

In einer Gesellschaft aus weiteren exotischen Pferderassen, neu eingestellten Stallbetreuern und fern der Heimatsteppe ist mein Araber zittrig, und, unter uns DBT’lern gesprochen, ständig vor dem oder knapp im Hochspannungsbereich.

Wir müssen da durch, Pferd, und wir schaffen das.

Wir schaffen das mit Pausen. Mit Ruhe. Mit Wut, Trauer und Getriebensein und mit all der Angst, die sich so viele Anlässe sucht.

Wir schaffen das, indem wir uns anvertrauen und weiter versuchen, sicheren Stand zu gewinnen und die Angst wie einen Wind vorüber ziehen lassen.

Ich will den Araber achtsam kennenlernen. Ihm Anlass geben, mir trauen zu können. Er muss schon viel mitgemacht haben, ist voller Angst. Er braucht seine Zeit… und er ist und bleibt ein Tier (alte Hirnregionen sind in Alarmbereitschaft). Ich werde ihn nie dazu bringen, eine Maschine zu sein.

Wie soll ich wissen, ob ich am richtigen Ort bin? Hier gibt es Wasser und Weiden. Ob hier aber das rechte Gras wächst für meine Art Araber? Ob ich in die Herde passe? Wie soll ich das jetzt schon wissen?

Es wird sich zeigen.

Brechen lässt er sich nicht, er ist mächtiger. Ich will ihm auch keine Kandare (Psychopharmaka) anlegen, war er doch so lange eingesperrt und im schweren Geschirr eines viel größeren Ackergauls wund und lahm geworden.

Ich darf nicht aufgeben, ihm / mir die Hand hin zu halten.

Auch wenn er manchmal kaum einen auf ihn gerichteten Blick standhält.

La Resurrezione

Nein, ich hätte wohl im Vorhinein keine zwanzig Euro oder gar mehr gezahlt. Zu skeptisch bin ich gegenüber meinem Musikempfinden eingestellt. Zu gewiss bin ich mir der fiesen Verurteilungen meiner inneren Kritiker bei aufkommendem Getrieben- oder Unwohlsein, Nichtgefallen, Desineresse oder Unlust. Bei einem so selten gespielten, mir völlig unbekannten Werk Händels – zumal in italienischer Orginalsprache – hätte ich mich nicht getraut auf mein Wohlgefühl so viel Geld zu verwetten.

Aber es gibt diese erfreuliche Einrichtung in Wetzlar, das sogenannte „Kulturticket“. Ehrenamtlich Tätige organisieren die Verteilung kostenloser Eintrittskarten spendenfreudiger Veranstalter für Konzerte und Aufführungen aller Art. Und so wurden wir gefragt, ob wir an der Aufführung von Händels „Die Auferstehung“ im Stadttheater Gießen interessiert seien.

Ja, klar, das war ein Angebot, auf das wir spontan und freudig eingehen konnten!

Um meine Antreiber und Unruhestifter schon mal vorab zu besänftigen fuhr ich mit dem Rad nach Gießen, wo Klaus mir schon, verschämt schelmisch schmunzelnd, mit zwei Karten in der Hand entgegenwinkte: „Erste Reihe!“

Gießen hat ein echt kleines Theater. Das etwa mit 25 Personen besetzte Orchester war halbhoch arrangiert. Ich traute mich nicht wirklich, meinen Fuß auszustrecken, womöglich hätte der Geruch den Geiger irritiert? Aber solcherlei Gedanken verflogen spätestens mit dem Erklingen der ersten Töne.

Der feierliche, pompöse Beginn des Werkes trieb mir Schauer der Freude über den Rücken und Tränen in die Augen. Mein Körper freute sich – ganz und gar. Er zeigte es mir deutlich und der Rest von mir stimmte sich begeistert mit ein.

Die Nähe zum Ursprung der Musik war es vielleicht, die den ablenkenden Gedanken die Luft nahm. Die Flöten waren mir so nah, dass sie mir stellenweise zu laut waren. Man konnte den Künstlern auf der Bühne auch beim Luftholen zuhören. Und immer wieder schaute ich voller Faszination auf die Hände und die unbeschreiblich schönen Bewegungen der Arme des Menschen „Dirigent“, seine Mimik und die freudvolle, begeisterte, völlig mühelos wirkende Hingabe an die Musik, die er von ganzem Wesen zu leben schien und so für mich auch auf diese Weise zum Mit-Erlebnis machte.

So, wie die Musik zur Tiefe der Trauer um den Geliebten führte, so erklang mit ihr der Weg hinaus durch Trost im Teilen der Last in Gemeinschaft, mit scheinbar gleichsam betroffen fühlenden Menschen und Hoffnung auf die, wenn auch unsichtbare, Auferstehung, von der man sich erzählt, die aber doch keiner wirklich, ehrlich glauben oder begreifen kann.

Ich will da wieder hin.

 

Angelo: Samuel Mariño, Maddalena: Francesca Lombardi Mazzulli, Giovanni: Aco Bišcevic, Cleofe: Marie Seidler, Lucifero: Grga Peroš, Corista: Kyung Jae Moon, Philharmonisches Orchester Gießen, Musikalische Leitung: Michael Hofstetter / 23.Juni 2019

 

 

Haltenkönnen

Ich habe den Moment, in dem ich erkannte, dass ich im klassischen Sinne nicht depressiv bin und dass da noch ein anderer Hase begraben liegen muss, noch klar vor Augen.

Den Raum habe ich dämmrig in Erinnerung, dumpf meine Stimmung. Es war in Uffenheim, nah am Ende meines dortigen Aufenthaltes. Und Fr. S., meine Therapeutin, hatte mich aufgefordert, zu beschreiben, wie es mir geht.

„Ich kann sehr wohl Freude und neugierige Zuversicht empfinden, Schönes, Wohltuendes, Leichtes. Ich kann Hoffnung fühlen und Vorfreude auf… einfach Hoffnung. Auf sowas wie ‚eskönntejawomöglichdochseindass… auchich…auchfürmich?‘ “ Und bei dieser Vorstellung öffnet sich ein zaghaftes, ungläubiges Etwas in mir…

„Aber -„

Mein Blick senkte sich auf meine, auf den Knien ineinander liegenden, nach oben geöffneten Hände.

„…ich kann es nicht halten. Es rinnt mir durch die Finger.“

Und ich schaute dabei zu, wie „es“ mich verließ. Meine Hände vermögen es nicht, „es“ zu halten… übrig bleibt die gelähmte Hilflosigkeit der Finger als Ausdruck der Ratlosigkeit.

Wenn es mir mies geht, ist es in diesem Bild: Ich schaue starr auf das Gerippe der verlassenen Form.

Und dann kann ich es fühlen. Es ist ein Gefühl der sicheren Erwartung von Unheil. Unaufhaltsam wie das Aufgehen der Sonne am Morgen verkündet es, statt der Hoffnung,… ein von Hilflosigkeit und Erstarrung ummanteltes, unbenennbares, Grauenbehaftetes kommt auf mich zu, eine Bedrohung ohne Gestalt.

Aber es erscheint nicht. Es ist „nur“ der Moment davor, den mein Hirn mir erlebbar entstehen lässt. Ich fühle mich von etwas, was nicht auftritt, handlungsunfähig bedroht. Machtlos, zu klein, alleine damit.

Real vielleicht wie im Traum á la Alb mit schwammigem Erwachen.

Echt jetzt? Und wenn schon… in Worte fassen ist ein Weg zum Begreifen. Begreifen ermöglicht Erkenntnis und die ist ein Schritt zum Frieden.


Wenn es mir gut geht, vermag ich es, mich mir zu nähern, indem ich nicht mehr das, bzw. im Bild der Bedrohung bin. Dann vermag ich es, mich von dem Erleben zu trennen, mich von ihm auseinander zu setzen.  Ich nehme es mir wie ein Bild vor und mich damit meiner an. Ich nehme es mir – zu Herzen:

Es ist, wie es ist. Ich erlebe diese Graulichkeit. Irgendetwas löst dieses Erleben aus. Ein Gedanke, ein Gefühl ist wie der Vorhang, der sich hebt und das Stück läuft ab, ohne wirklich reale Ursache im Hier und Jetzt.

Es zieht mich hinein. Die Folge ist, dass mein Hirn die Ursache sucht, keine findet und deshalb einfach einen Bezug herstellt, kreiiert. Irgendwas stimmt nicht, obwohl kein Grund dafür existiert. Das ganze wird dann noch mit „Schlimm“ gewürzt und fertig ist das Falschseingefühl.

Weder ist es aber das Leben, dass nicht stimmt, noch der Mensch „Karin“, sondern nur der Teil in meinem Gehirn, der die Lage beurteilt. Angetriggert durch irgendwas, eine Situation, einen Gedanken, ein Gefühl oder eine Wahrnehmung verurteilt er mich zum schlimmen Falschsein, zur unveränderlichen, alleinigen Schuld, zum Nichtdeslebenswertsein und zum zwanghaften Michwasschämenmüssen.

Mir das als zwar real existierenden, aber heute überflüssigen Automatismus immer wieder bewusst zu machen, mich meiner heutigen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt zu erinnern und sie anzuwenden, darin besteht die Therapie.

Aber ich erlebe auch allesergreifend Schönes. Überwältigend unbegreiflich Schönes. Genau so berührend wie die Sicherheit des geschehenden, unbegreiflichen Wunders der gleich aufgehenden Sonne.

Und es ist kein Wunder, dass ich da hin will. Scheint es doch „dem“ so nah, dem Glück, dem Ganzsein, dem Wasauchimmer, dem, wonach ich mich so sehne. Dem, was mir irgendwie zu fehlen scheint zum Glück.

Jedes Erleben ist nur ein Produkt meines Gehirns.

Es denkt sich manchmal, „nur das da“ fehle zum großen Glück. Und es glaubt, dieser Gedanke sei wahr. Einzig wahr. Dies und jenes müsse sein, und zwar so und so, um das Glück zu erreichen, das Ganzsein fühlen zu dürfen, wenn… nur…., ja, „das da könnte es womöglich sein“, was noch fehlt…

Aber das Leben ist weiter, viel weiter und kreativer als meine Vorstellung reicht.

Ich glaube also, dass ich mein Erleben und mein Urteilen, die Funktionsmöglichkeiten des Gehirns durch gezielte Benutzung umprogrammieren bzw. erweitern kann. Ich glaube also daran, Erlebtes neu zu bewerten zu erlernen, und mich somit von alten „Wahrheiten“ befreien zu können.

Dass ich nun so heftige Gefühle empfinden kann, ist Fluch und Segen zugleich. Manchmal erlebe ich „Schlimm“, manchmal „Dumpf“, manchmal aber auch so… unglaubhaft, überwältigend großartig.

Nein, ich kann ein schönes Gefühl nicht dauerhaft halten. Und so schlimm und grundehrlichtief wahr es sich und ich mich in irgendeinem aufkommenden Gefühls-Theaterstück des Unheils dann auch anfühlen mag – auch das bleibt nicht für immer.

Es kann genau so schmerzvoll wie wunderbar sein, das Leben. Eine plötzliche, unwirklich schöne, völlig unvorhersehbare Überraschung kann und wird die Wendung für mich erkennbar, ergreifbar und zum Erlebnis machen, die eigentlich schon und immer existiert.

Ich darf mich auch zum Teilseinkönnen entscheiden, darf mich entscheiden, sozusagen mit auf der Bühne zu stehen, wenn das Stück so schön ist wie beispielsweise das, was La Resurrezione in mir ausgelöst hat… . Aber ich kann mich auch entscheiden lernen, das Stück abspielen zu lassen, ohne ihm allzu große Teilhabe zu schenken.

So kann es gelingen. Ohne Halten zu können.

(Und wir kommen zur praktischen Übung, Fr. Nies…:

Auch der momentan zugegene Gedankenstau „Du nimmst dich zu wichtig, Du müsstest schon längst, schäm‘ Dich was…“ darf jetzt da sein… seufz…, Und jetzt, Leben, bin ich neugierig, was die Wendung einleiten mag. Ich klick‘ derweil mal, ein bisschen Mut anseite, auf „Veröffentlichen“… und entscheide mich aktiv zum Weitergehen, zu einem nächsten Schritt)

Glaube

Ein Schrei

ohne Ohr

ist ein Schrei

Eine Frage

ohne Antwort

eine Frage

Ein Spiegel

ohne Antwort

ist ein Glas

Ein Puzzle

ohne Bild

ist trotzdem ein Puzzle

braucht aber einen besonderen Blick.

Ein Schrei ist ein Schrei, eine Frage eine Frage

Muss ein Schrei gehört werden?

Braucht eine Frage eine Antwort?

Oder: Ist ein Bedürfnis nur eine Laune des Gehirns?

Welches Bedürfnis muss wirklich gestillt werden? Jetzt, heute, wenn wir erwachsen sind? In der Lage sind, zum Amt zu gehen: Braucht es da sowas wie das Gefühl des gehaltenen „Gehörtwerdens“, „Gesehenwerdens“, „Daseindürfens“, Nähe, Zuneigung, Bestätigung?

Es gibt Stimmen, die sagen, ein Mensch sei ein Gesellschaftstier und brauche die Antworten, das Gehörtwerden, soziale Bestätigung der Gruppe, ja, sogar Körperkontakt?

Mache ich nur Getue, schmarotze, heuchle, konsumiere ich nur Existenzerlaubniskalorien?

Oder bin ich ein Wesen, von dessen Gewimmer andere ihr „Gottseidankbinichganzanders- oder Ganznormal-Sein“ definieren – im Kontrast des Vergleichs, im Erteilen von Therapiestunden, im Anlegen einer Akte des deshalb existenzberechtigten Amts, weil es noch mehr von uns gibt…?

Ein Spiegel ohne Antwort ist ein Glas

…mein Reptilhirn, zuständig für die Beurteilung von Sinneswahrnehmungen, glaubt tatsächlich und immer wieder, haltlos in die Tiefe zu stürzen (lebensbedroht zu sein), wenn es keine Antwort, keine Bestätigung bekommt. Oder die Lösungen des Großhirns die Puzzleteile trotzdem nicht zur passenden Haltung bringen.

Es produziert „Schlimm“. Es glaubt, nicht da zu sein oder nicht da sein zu dürfen, also „weg“ sein zu sollen, aber trotzdem da zu sein…

Schuld und Scham, Zweifel am Urteil, Verzweiflung, Hoffnung und Verrücktsein sind eine logische Folge dieses Dilemmas des gleichzeitigen Daseins und Nichtdaseindürfens…

Dabei ist ein Spiegel ohne Antwort auch nur Glas. Beides ist eines – und, je nach Sichtweise, gleich zerbrechlich oder haltbar.

Ein Bedürfnis ohne Antwort ist und bleibt ein Bedürfnis. Es bringt mich nicht um, auch wenn mein Reptilhirn anders urteilt.

Alle Hirnteile dürfen lernen, dass sie da sind. Füreinander Frage und Antwort genug sein lassen lernen.

Das verstehe wer will! – IHIIICH!!!: ICH will!!! Aber dalli!

Ein Puzzle ohne Bild ist trotzdem ein Puzzle, braucht aber einen besonderen Blick

Kapitel 1: Puzzlen

Die Teile sind dieselben.

Früher haben die Teile zusammengehalten.

Nichts hält jetzt noch richtig.

Nichts hält mehr „Richtig“ zusammen. Es entsteht kein Bild mehr, so sehr ich mich auch mühe, die Teile passend zueinander zu bringen.

Kapitel 2: Mühen

Mühe ich mich wirklich genug?

Die inneren Kritiker sagen: „Nein“.

„Du musst Dich anstrengen.

Es muss mühsam sein.

Gib Dir mehr Mühe.

Du musst das alles doch schon lange können.

Das kann doch nicht so schwer sein!

Du stellst Dich nur an.

Stell Dich nicht so an!

DU stellst Dich was an!!!

Du willst doch gar nicht.

Kein Wunder, dass ich mit Dir nichts zu tun haben will.

Werd‘ endlich mal erwachsen.

Los, beeil‘ Dich…!!!

Du müsstest schon längst fertig sein!!!“

Mein ehemaliger Psychologe, so ich ihn verstanden habe, sagte bei unserem letzten gemeinsamen Termin: „Sie suchen zu viel. Solange Sie nicht bei einer Sache bleiben, sich nicht festlegen, ist jede Mühe aller Beteiligten umsonst.“

Ich fühlte mich verletzt, missverstanden, angegriffen. Verstand nur Vorwürfe… „Therapiehopping“ und „Therapeutenverschleiß“. Dabei hat er doch gesagt, ich mache zu viel? Meint er jetzt, ich mache „Um-den-heißen-Brei-Herumgetue“ oder meint er, ich brauche mehr von „Mich in Ruhe lassen“ und „mir vertrauen“? Oder beides? Dabei ist es doch einfach ’nur‘ seine Einschätzung, vielleicht noch nicht mal seine Wahrheit…

Es gibt so verdammt viele Wahrheiten…

Es gibt Stimmen (in mir), die sagen: „Ein Hirn umzuprogrammieren braucht seine Zeit. Jedes Hirn ist anders. Du musst es auf Deine Art machen. Zu der und im Rahmen der Zeit machen, die DEIN Gehirn, nicht Dein „Sollte“, braucht. Wie sollte es auch anders gehen?“

Und dann gibt es ein Zerverbrechen, ähnlich einem in sich zusammensinkendes Zeitrafferwelken, in mir: „Ich habe einfach keine Lust auf mich. Ich will das nicht mehr länger mitmachen müssen. Ich fühle mich widerlich an und weiß nicht, wie es anders gehen, werden soll. Es war doch schon immer so. Und ist immer wieder so. Das Leichte, das Vertrauen hat einfach keine bleibende Macht über mich. Es, dieses Getue ‚am Leben bleiben‘ ist der Mühe nicht wert. Es wird nie ein ganzes Bild werden, das vor meinem inneren Richter bleiben darf.“

Kapitel 3: Das staunende „Ah“

Und es gibt irgendwo eine Stimme, die sagt: „Ja, klar ist jede Mühe umsonst. Denn das Bild ist schon da.“ Und ganz einfach. Und eines beständigens Bewunderns schön.

Ich brauche nichts tun, denn es ist da.

„Es braucht nur den Blick“…

…das staunende „Ah“ ist schon da.

Das staunende „Ah“ ist schon da?

Blinzeln hab ich schon erlebt.

Glaube ich.

Kapitel 4: Glaube

Was???!!!

Soll das heißen, ich kann tatsächlich an etwas glauben?

T..Ja,…

Ich glaube, dass es ihn geben muss… Schließlich habe ich ihn schon erblinzelt… Ich glaube an den „Puzzlebildgott“.

Oder: Den „Gott“ im ungelösten Puzzle ohne Bild. Glaube an den Zwischenraum. Den, der es vermag, der alles zu eins ist und machen kann. Gleichzeitig. (… da war doch noch was? …Zitat am Rande gefällig? ) Der es vermag, das alles zu einem Bild zu machen, was eigentlich kein Bild darstellt.

Manchmal.

Trotzalledem.

Erblinzelter Glaube an den „Gott“, der es vermag, mir zu vermitteln, das alles (Puzzle und Eins, also) Puzzleeins ist.

Ich werde kapieren und damit (in Frieden, wenn ggf. auch gleichzeitig im Leiden zu) sein, dass nichts irgendein Teil oder Pixel sein muss, einen Raum einnehmen muss, eine Begrenzung hat, die hält. Ich werde verstehen, sein, dass nichts irgendwie anders sein muss… auch ich nicht…

weil es einfach (schon – und wahlweise mit Pünktchen über dem „o“) ist.

Es ist schon

begrenzt, gehalten, schrecklich, anders, leicht, besser, wieder und wieder widerlich… UND gut, wie es ist.

Ich weiß es schon lange und werde es nie kapieren. Und es ist gut und ich bin auf einem guten Weg, der gleichzeitig in den Abgrund führt.

Ich bin die, die haltlos in die Tiefe stürzt UND hält. Gleichzeitig.

Ich bin, sehe und fühle, auch wenn ich es gerade nicht fühle, sehe, bin:

„Ah“

Verständnis, Gefühl, Berührung, Kontakt zum Puzzlebildgott, der alles zusammen ist. Und mir gerade ein selbstvergackeierndes, zärtlich verhohnepiepelndes, aber aufmunternd erleichternde Lächeln ins Gesicht zaubert: …„Au weia, Karin…“

Mantra:

„Dieser Moment wird – wieder und immer wieder – gehenkommensein“

Zitat aus ‚das Leben des Brian‘:
Eine große Ansammung Menschen. Sie rufen alle gemeinsam, wie aus einem Munde:

„Wir sind alles Individuen!“

bis auf einen, der daraufhin meint: „Ich nicht.“

zurück …zum Leben des Ernstfaltenchirurgen 😉

Pinnwürdiges

Ich darf seit ein paar Monaten bei der ein Mal wöchentlich stattfindenden DBT Skillsgruppe mitmischen.

Neben uns 4-8 Teilnehmerinnen sind immer zwei therapeutische Mitarbeiter zugegen. Der Ablauf der 1,5 stündigen Gruppe folgt einer festgelegten Struktur. Zunächst gibt jeder der Anwesenden seinen momentanen Grad der Spannung an. Bei über 70 (von 100) wird nachgefragt ob eine Intervention (‚runterskillen‘) alleine oder in Begleitung außerhalb des Raumes notwendig ist. Nach einer Achtsamkeitsübung trägt jeder seine Hausaufgaben der letzten Woche vor und kann in begrenztem Rahmen eventuelle Unklarheiten oder Schwierigkeiten ansprechen. Danach folgt eine Pause von 5-10 Minuten. Inhaltlich arbeitet sich die Gruppe am ‚Manual‘ (Bohus / Wolf,
Interaktives Skillstraining) entlang. Die Hausaufgabe besteht dann meistens im Bearbeiten eines Arbeitsblattes zum neu besprochenen Thema. Abschluss der Runde ist eine weitere Anspannungsrunde und die Frage, wer die Achtsamkeitsübung für die nächste Woche vorbereitet.

Ich wurde immer kleiner in meinem Stuhl. Zwar war ich diesmal nicht gehetzt als letzte in den Raum gehuscht, musste aber feststellen, dass ich die Hausaufgaben nicht richtig verstanden und somit auch nicht gut vorbereitet hatte. Zu meiner Grundscham gesellte sich nun noch ein übertriebenes, kindliches Schuldgefühl und eine Wut darüber, sowie über die Feststellung, dass ich den Vorträgen meiner Kolleginnen nicht folgen konnte. Wie ich selbst hatte jede scheinbar etwas anderes verstanden oder sprach schüchtern verunsichert nuschelnd ohne Blickkontakt…

Allesamt mir ein Spiegel.

Ich konnte mich nicht konzentrieren, nicht zuhören…

Meine Anspannung war deutlich gestiegen: Ich war so froh über die Pause, floh in das kleine Draußenalleinesein und erkannte dort außer mir schnell ‚Schlimm‘ um Zuwendung drängeln.

Ich atmete und stand an dieser Brüstung. Nahm die Wärme der Sonne wahr und gab es für einen halben Atemzug lang auf, einatmen zu müssen.

So war es mir zu fassen:

Nur mit Schlimm bin ich ganz. Jetzt.

Ich bin nicht schlimm, aber ich habe ihn. Ohne ihn gibt es mich jetzt gerade nicht.

Diese Fassung möchte ich hiermit als Schablone an meine Pinnwand hängen.

So mies sich gerade was anfühlt, ob es schlimm ist oder nicht: Es hilft doch nicht, etwas ‚weg‘ haben zu wollen, was schon da ist.

Nur mit dem Gefühl bin ich ganz. Ich kann bestenfalls lernen zu dirigieren. Hellsehen kann ich nicht.

…durchatmen, wenisten noch ein paar Schritte ums Gebäude laufen und wieder rein zum….

Offensein üben

In jedem neuen Moment habe ich immer wieder eine Chance dazu.


Habe mir übrigens die Hausaufgabe genau notiert.

Müsste dann nur wieder den Zettel finden…

Salbe und Wirken

Die Neurodermitis

Mit meinem Krankenpflegeexamen 1989 und der damit verbundenen Rollenveränderung trat meine Neurodermits auf.

Die Schulmedizin konnte mir auch mit Salben-, Licht- und Badetherapie nicht helfen. Und die Erfolge einer stationären Behandlung verpufften anschließend nach schon drei Wochen. Mehr und mehr half nur noch Kortison. Ohne Salben aus dem Haus zu gehen war nicht denkbar für mich.

Diese andere Art von Aufgekratzsein führte mich schließlich auf andere Wege: „Heilung“ brachte ein Aufenthalt in einer Klinik, die einem besonderen Genehmigungsverfahren der Krankenkasse bedarf, arbeitete sie doch gänzlich nach den Regeln klassischen Homöopathie. Ich war so glücklich, dort hin gehen zu dürfen: Hoffnung.

Ich erinnere mich noch an das stundenlange Anamneseverfahren. Man wurde in dessen Rahmen gebeten, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und sich von zwei ÄrztInnen betrachten zu lassen. Letztendlich erhielt ich einmalig drei bis fünf Globuli, Glaubersalz, dreieinhalb Wochen Saftfasten, 2 x pro Woche Colon-Hydro-Therapie (eine einstündige Darmspülung), ansteigende (das Wasser wurde währenddessen erwärmt) Fußbäder mit Rosmarin und nur bei Bedarf Lymphdrainagen, Kartoffelwickel, Halbedelsteinauflagen und Sauerkrautsaft. Die meisten Patienten dort litten an Haut- oder Darmerkrankungen. Alle mussten fasten, und zwar in zweierlei Hinsicht: Der schlimmste Schrecken übte für mich das Salbenfasten aus. Ständig juckende, schuppende, entzündete Haut ohne Schmierzeug?

Ich glaube, jeder, der unter trockener Haut leidet oder vielleicht mal sowas wie Fußpilz gehabt hat, kann sich annähernd vorstellen, was das bedeuten könnte. Nicht nur meine Haut war abhängig von äußerem Fett. Ich fühlte mich psychisch abhängig und stand vor dem kalten Entzug.

Neben dem Verzicht auf alle symptomlindernde Maßnahmen nahmen wir alle für durchschnittlich drei Wochen  keine feste Nahrung zu uns. Und alle wurden anschließend auf tierisch eiweißfreie Rohkost umgestellt. Es gab neben vielen Vorträgen über Homöopathie und Ernährung auch psychotherapeutisch angeleitete Gruppen- und Einzelsitzungen sowie Ergotherapie. Ich blieb insgesamt ca. acht Wochen, noch drei Monate bei der empfohlenen Kost und bin ‚Pescetarier‘.

Mein Haut riss damals auf, manchmal bei jeder Bewegung. Sie schmerzte, eiterte – und heilte.

Es ist und bleibt wunderbehaftet, dass sie seit dem nie wieder so nach etwas schreien musste.

Vor einigen Jahren traten die Symptome aber wieder zunehmend auf.

Als Krankenschwester auf einer Demenzstation dieser Zeit braucht man in vielerlei und völlig unterschiedlicher Hinsicht ein dickes Fell…

Ich fand mich häufiger in der Apotheke vor den einschlägigen Tuben und merkte doch recht schnell, dass ich das nicht mehr will.

Also der Symptomen wegen (Zufälle gibt es nicht) fand ich meine Hausärztin, die sich auf die klassische Homöopathie spezialisiert hat und mich seither nicht nur entsprechend behandelt sondern mich auf meinem Weg begleitet, mir so zum Beispiel auch meine Körperpsychotherapeuten und die Heiligenfeldkliniken empfohlen hat.

Bei der Homöopathie geht man davon aus, dass die Symptome rückwärts ausheilen. Neuste Symptome zuerst.

Die Haut beruhigte sich schnell wieder.

Die Essstörung

Stopfen. Hinein und Löcher: Halte inne!

Das stumme Schreien nach außen: Bitte bleib! Bleib so. Es ist nicht gut, aber es könnte schlimmer kommen. Ich tue alles, was ich vermag dafür, dass „es“ bleibt, wie es ist.

Das Stopfen nach Innen: Ich tue alles dafür, was ich zu tun vermag. Ich esse, damit ich so bleiben kann, wie ich bin. So sein kann, damit es nicht schlimmer kommt. Damit ich es halten kann, was ist, damit „es“ nicht wahr ist, was ist. Schlimmer als das, was ist, ist die Angst davor. Und die brauche ich nicht spüren, erkennen, sehen, wenn ich esse. Ich bin schlimm, wenn ich esse, nicht „Es“, das ich nicht verstehe, gegen das ich nichts zu tun vermag und das richtig sein muss, damit ich überleben kann. Wenn „Es“ richtig sein muss, es sich für mich aber falsch anfühlt, muss ich doch falsch sein. Vermutung: Ich esse, um zu wissen, spüren, errichten, einen Grund unter meinen Füßen für mein Falschseingefühl zu haben.

Es dauerte Jahre, bis ich – in Uffenheim – den Griff, meinen Halt durch sie, meine Essstörung – lockern konnte.

Ich hatte mich in meiner Kindheit an sie gebunden.

Die Salbe meiner Kindheit legt nun meine Wunden frei.

Es schmerzt. Es eitert Ungesichertsein, Schlimm, Getue und

Falschseingefühl.

Ich muss da durch und vertrauen lernen, dass ich mich mit und durch mein Er-Leben heile.

Ich muss da durch? Besser: Ich bin da mit.

Dieses Erleben ist mein Weg. Ich muss keinen er-finden.

Darf von den Geschichten und Märchen lassen.

Mein Geist spinnt und denkt, mein Gefühl zwingt und schwappt, mein Urteil spaltet, glaubt Fetzen reißen und zu irgendwas verkleben zu können.

Mein Verstand glaubt sich noch in Nachwehen. Er glaubt, ich könnte die Macht ergreifen, könnte es richten. Glaubt, ich müsste tun, sein, machen, verstehen, endlich kapieren, endlich loslassen, endlich vertrauen, planen, bleiben, gehen, halten. Und zwar schon längst! Schnell! Schneller!

Mein Verstand glaubt… ich müsste er-leben.

und

Er ist. Es ist. Jetzt ist es. Ich wirke. Mitten im Atem.

Ob ich’s gerade mal wieder begreife zu kapieren zu scheinen und es ganz sicher niemals (er-) schaffen kann.

Weil’s schon ist…

 


 

Danke für Euch, für Ihr und Euer Sein in meinem Lebensein. Ihr alle, derer Hilfe ich mich bediene. Gefragt oder ungefragt. Es ist, wie es ist.

Verführung aus…

Ich kenne nun also das Gefühl der emotionalen Besoffenheit:

Es ist der Kontakt zu dem Gefühl, der Hauch Ahnung des „Womöglichwahrseins einer tatsächlich möglichen Erlösung“. Es ist ein kleiner Moment des unbeschreiblichen „Ah’s“. Tränen kommen mir in die Augen, wenn ich mir beim Versuch, hier und jetzt, Worte dafür zu finden, das Gefühl versuche vorzustellen.

Damals, in der Schule, stellte ich mir manchmal in meiner Verrücktheit vor, dass ich, würde ich die Schule verlassen, dort auf dem Parkplatz sein Auto sehen. Er wäre aus Norddeutschland gekommen, um mich abzuholen, weil ich ihm ebenso wenig aus dem Sinn gegangen wäre, wie er mir…

Dieses Gefühl meine ich: Völlig verrückt! Also ich befinde mich dann wirklich in der Emotion eines Kindes, das in dem Moment der Erkenntnis ist, dass es wirklich wahr werden könnte, dass… die, seine, gute Fee tatsächlich existiert. Das es ein sich sicher fühlender Teil einer, sich selbst vertrauenden, liebend leichten Herkunftssippe sei, das sein vom Taschengeld gekauftes Los beim großen Preis genannt worden wäre, das meine Eltern mir heimlich ein Pferd gekauft hätten… kurz: Ich rühre mir aus Fetzen meiner Wahrnehmungen einen emotionalen Zaubertrank, damit ich an etwas glauben kann, das nach Faktenlage einfach nicht stimmt, nicht stimmen kann.

Aber es erlaubte mir schon damals einen emotionalen Fluchtweg: Eine gleichzeitige Ablösung vom Gedankenzement des Alltags und Erlösung aus dem Gefühl des alleingelassenen Kleinkindes, das aus einem Rätsel von ‚zu Hause‘, in dem es sich nicht so fühlt, vor einer Welt steht, in die es gehen soll, in der für es nichts ergreifbar ist, aber gleichzeitig schon längst hätte ergriffen werden sollen: Alles scheint zu groß, nicht erlaubt, nicht richtig oder nicht wahr.

Dann ohne stoffliche Hilfsmittel in die emotionale Besoffenheit fliehen zu können, ist doch ein echt kreativer Weg in eine Form der Rettung aus Unerträglichem, Unerklärlichem.

Für eine gewisse Zeit…

Denn diesen Irrsinn gibt es auch anders.

In die andere Richtung geht es noch tiefer, die Angst ist nicht zu beschreiben. Wie „der Schrei“ ohne Hinter- und Vordergrund, ohne Boden und Halt.

Ich bin nicht alleine. Es gibt Menschen, die wissen, von was ich schreibe.

Manchmal reißt ein einziger Gedanke den Boden weg oder ein unablässiger Gedankenstrom der Entwertung wäscht eine Diele nach der anderen aus dem löchrigen Mikado des Vertrauens.

Es fühlt sich so wahr an. Diese Selbsturteile sind für mich so stimmig und wahr, so passend, dass, sehe ich über den schneidend schroffen Spott, die alles ergreifende Kraft des endlich richtigen Entschlusses, die Faszination über die Klarheit dieser Erkenntnisse hinweg, mir Tränen in die Augen kommen.

Tränen? Hatte ich in diesem Blogbeitrag schon mal. Und genau da will ich hin:

Diese beiden Zustände als emotionale Besoffenheit begreifen zu lernen.

Als ein Verführtsein in die Welt von Märchen.

„Das ist doch schlimm! Du bist furchtbar. Schrecklich. Da musst Du was gegen machen. So kannst Du doch nicht… alles nur Getue… willst ja nur abhauen, fliehen, Dich klein machen, rumwimmern, willst nur keine Verantwortung übernehmen… nimm‘ endlich Dein Leben in die Hand, Du unerträglich feige, rumeiernde, um Beachtung buhlende…“

Ja, das kann schlimm sein. Und sich schlimm anfühlen.

Und ich bin Karin, die sich gerne verführen lässt. Von den Märchen ihrer Erlebenswelt, von Vorgelesenbekommen, von Butterplätzchen in Elchform.

Die sich, aus welchen Gründen auch immer, welche es situativ im Hier und Heute sicher öfter mal mit spielerischen Forschergeist, Mitgefühl und Humor zu überdenken lohnt, so gerne und leicht verführen lässt, dass sie auch diese entsetzlichen Verurteilungen dafür in Kauf nimmt.

Ich, Karin, lasse mich gerne verführen. Und das darf so sein.

Spiel zu dritt

Es ist schon nach zwölf. Habe mich entschlossen, den Videovortrag abzuschalten und das Häkelzeug aus der Hand zu legen.

„Schluss jetzt, ab ins Bett, Karin!“ …dabei bin ich schon lange darin…

Habe das Fenster aufgemacht. Sterne gesehen. Die Nacht ist mild. Immer wieder denke ich daran, wie es wäre, draußen zu schlafen, ein wehmütig-sehnsüchtiger Erinnerungsfetzen hört das Geräusch beim Schließen des Zeltreißverschlusses, das Rascheln der Stoffe, spürt beim blinden Versicherungsgriff zu Stirnlampe und Handy den erhofften Widerstand der Gegenstände, senkt sich schließlich in den leichten Dauenschlafsack und ist sich in der frischen, klaren Luft zufrieden, ja, glücklich bewusst. Die Vorstellung im Freien zu schlafen, erleichtert mir, mich „richtiger“ zu fühlen.

Mensch, Karin, was schreibst Du da schon wieder? „Richtiger fühlen…“

Ach, was soll ich sagen, es ist wie es ist.

Ja, klar. Gerade heute auf der Radtour im kräftigen Wind musste ich an mein zweites Zelt denken und wie schlecht es abzuspannen ist. Es hätte schrecklich geflattert und mich wohl kaum gut schlafen lassen. Aber in meiner Vorstellung… jetzt, im mir momentan viel zu warmen Bett…

Gerne draußen zu schlafen ist gelebtes „Anders sein“. Und das fühlt sich und denkt sich, so unspektakulär, zaghaft, feige es sein mag, für mich in diesem Moment, einfach gut an.

Am allerliebsten habe ich mir auf dem PCT ja sogar das Zeltaufbauen gespart und unter freiem Himmel geschlafen.

Er verblasst. War ich wirklich dort? Es war zu kurz. Es war genau richtig so. Ich habe dort so viel über mich erfahren. Habe zwar nicht viel von ihm entdeckt, aber von mir. Ich würde gerne nochmal hin, einfach nur um dort zu laufen. Um mehr diesen Weg zu begehen, zu erleben, weniger mich… Ich war zu viel für mich, nicht er. Ich habe mich als reine Zumutung erlebt. Allen wunderbaren Begegunen und Begleitungen zum Trotze. Wie wunderbar muss es sein, wenn ich gelernt hätte, mich (mir) anvertrauen zu dürfen und zu können.

Um so den PCT entdecken zu können, statt „nur“ mich.

Gerade im Nachhinein war alles richtig so, wie es war.

Nein, mein verlässliches Urvertrauen werde ich wohl nirgendwo mehr finden: Das auf Dauer haftende, oder zumindest ganz leicht zugängliche Grundgefühl, dass ich selbst in Ordnung bin, die Welt und die Weise, mit der ich in Beziehung trete auch.

Aber das Vertrauen kann wachsen, dass ich mehr und mehr lerne, mir und meinem Erleben kreativ, freundlich, wohlgesinnt, neugierig, offen, interessiert begegnen zu können. Und das es sehr wohl sowas gibt, das sich gut anfühlt. Und das Urvertrauen existiert ebenfalls sehr real, ich kann es spüren im Spiegel der Sehnsucht. Es ist da, und sei es schmerzhaft verzerrt, aber ich kann es fühlen. Und das ist wunderbar.

Man ist auf dem PCT nie wirklich alleine. Man bekommt von überall her Hilfe. Nie habe ich mich wirklich in Gefahr gefühlt: Im Gegenteil! Hilfe gab es in herzzerreißender Fülle.

Und dennoch: Ich, das Wesen Karin, habe dort gelernt, wie sich mein Grundgefühl, das ich schon so oft in meinem Leben in Worte gepackt hatte, wirklich anfühlt. Trotz oder vielleicht wegen aller entgegengesetzter realer Erfahrungen habe ich dort erstmalig die Wirklichkeit gefühlt, die ich mein Leben lang nur wusste zu sein.

Egal. Unwichtig. Zu viel. Last.

Nur durch Konsum oder Leistung etwas wert.

Inmitten von Menschen verlassen.

Mich im Kontakt seiend auflösend (den Schutz verlierend)

und deshalb sichtbar werdend:

Ich lebe, deshalb bin ich ein Leben schuldig.

Und muss mich dafür schämen.

Ich habe – ob ich es will oder nicht, ob ich es verstehe oder nicht, und sei es, dass es keinen Funken der tatsächlichen Realität entspricht – mich in meiner Kindheit, von denen, die für mein Überleben zuständig waren, nicht geliebt, sondern lästig, unwert und somit (als schutz- und hilfsbedürfitges Wesen) lebensbedroht erlebt, also mich/mein vegetatives Nervensystem so fühlend erschaffen.

Genau das habe ich mir im Glas des PCTs, diesem phantastischen Weg unter so vielen wunderbaren Menschen, selbst gespiegelt:

Ich habe – ohne realen Grund – gelitten unter dem „Mich getrennt und vollkommen unwichtig fühlen“, also die alten Ängste erlebt. Ohne realen Spiegel (jemand, der diese Gefühle verursachen könnte) konnte ich nur unter mir selbst leiden. Ich bin für mich alleine verantwortlich. Und ich bin frei. In dieser Phase meiner Entwicklung, die ich bis zum PCT schon erreicht hatte, konnte ich für mich eine Entscheidung treffen, das grundlose, aussichtslose Leiden, das Leben ohne haltende Freude, ohne Selbstvertrauen und Hoffnung auf ein Ziel, das mich frei atmen lassen würde, beenden zu können und zu dürfen. Ja, auch zu müssen: Wenn man sich rein und klar als Last und „einfach zu viel“ empfindet, eine der Gemeinschaft pflichtbewusste Grundhaltung zueigen nennt, war es für mich befreiend, entlastend konsequent, diese Entscheidung zu treffen:

Auf dem PCT habe ich mir die Erlaubnis gegeben, es mir wert zu sein, mein Leben beenden zu dürfen. Denn bisher hatte ich mir dieses Recht, diesen Wert, meinen Selbstmord bzw. den Schock, den das verursacht, mir nicht zusprechen können. Ich hatte nicht den Wert, mir das (raus-) nehmen zu dürfen.

Ich habe mir dort sozusagen mein Leben genommen.

Und lade mich ein, mit mir zu spielen, statt nur ich mit ihm.

Das Spiel macht die Regeln. Aber es braucht mich, damit es mit mir spielen kann. Das Leben will mit mir spielen, sonst wäre ich nicht mehr am Leben. Ich habe noch oft keine Lust, mich wirklich mit den Regeln auseinander zu setzen… habe Widerstände (Angst, Trotz, Opferrolle, Kleinfühlen, um Hilfe suchen…). Die Regeln scheinen mir zu sagen, ich könne mir selbst mein Spielziel benennen und meine Spielzüge in die Regeln einbauen… Aber ich traue mich nicht, rätsele lieber, suche,… glaube, auf der Suche nach den Regeln und dem einzigen, besten Spielzug zu sein. Dabei spiele ich gerade „Rätseln“.

Das Spiel spielt mir zu. Es glaubt an mich. Jetzt muss nur noch ich daran glauben, auch Spiel zu sein, nicht nur Figur. Es geht nicht darum, mitspielen zu dürfen, sondern bereits zu sein.

Ein Spiel, in dem es nicht um gewinnen geht, um das Regeln machen, um die Angst rauszufliegen, verloren zu gehen oder darum, ein genialer, tragender, mitdenkender Partner zu sein, sondern um das Spielen.

Keine Sorge, Ihr Lieben:

Ich spiele gerade mit mir „Rätselsein“.

Und die Regel sagt, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich sei alleine damit. Ich halte mich an meine Regeln aus vergangenen Kapiteln: Die Figuren spielen mit. Aber ich werde sie schon einzuladen lernen – hier auf vulkanigem Terrain, in blinden Fetzen, als schwerhöriger Dirigent, der sich noch nicht wirklich traut „Schlimm“ einfach liebend zu leben.

Gegenstände

Warnung: Nu wird’s uh…jujui und pfffhhh. Ich muss schonmal über mich selbst grinsen. Nach außen sicher nur fast unsichtbar zu sehen, aber ganz sicher zu spüren. Eine angenehme Leichtigkeit macht sich breit und spielt mit den Widerständen. Gut so, dann haben sie zu tun.

…und mein Hirn sprudelt…

Widerstand hat die selbe Herkunft wie Gegenstand:

Etymologie: Das Wort »wider« ist synonym mit »gegen«, sodass »Widerstand« usprünglich das Gleiche bedeutete wie »Gegenstand«, nämlich »Entgegenstehendes« oder »Hemmendes«. »Gegenstand« ist im Laufe des 18. Jahrhunderts als eine Eindeutschung für »Objekt« gebräuchlich geworden, während »Widerstand« den ursprünglichen Sinn behielt.

kopiert von der Webseite: gestalttherapie-lexikon.de/widerstand.htm

PS: Und in beiden Wörtern ist „Tand“ enthalten…

 

In dieser Reihe von Blogbeiträgen möchte ich mit der Idee spielen, mich über „Gegenstände“ meinen inneren Widerständen gegen „mich“, also meinem Erleben, Werten, Urteilen, meiner Erlaubnis, mich frei und meiner sicher zu fühlen, zu nähern um mich auf diesem Wege einzuladen, mich zu weiten.

 

Wie es dazu kam:

Ich erkenne gerade (mal wieder), wie schön es ist, etwas entsorgen zu können.

Bringt man es zum Müll oder zu Ebay habe ich damit ziemlich ausgesorgt.

 

und mein Hirn sprudelt…

 

„Umsorgen“ = Einpacken, umhüllen, abdichten, verstecken, Übelkeit, Ekel, Druck

Also zur „Sorge“, mich sorgen um…. muss ich unbedingt auch mal was für mich zu fassen zu bekommen. Aber erstmal soll es um Gegenstände gehen…

Grob eingegrenzt habe ich erstmal

  1. Gegenstände von Nutzen und
  2. Gegenstände von Erinnerungen (kommt später, jetzt, K-Freitag, 14:11 Uhr, muss ich dringend Motorradfahren; Ziel: Eisdiele in Kurvenendbachtal)