Haltenkönnen

Ich habe den Moment, in dem ich erkannte, dass ich im klassischen Sinne nicht depressiv bin und dass da noch ein anderer Hase begraben liegen muss, noch klar vor Augen.

Den Raum habe ich dämmrig in Erinnerung, dumpf meine Stimmung. Es war in Uffenheim, nah am Ende meines dortigen Aufenthaltes. Und Fr. S., meine Therapeutin, hatte mich aufgefordert, zu beschreiben, wie es mir geht.

„Ich kann sehr wohl Freude und neugierige Zuversicht empfinden, Schönes, Wohltuendes, Leichtes. Ich kann Hoffnung fühlen und Vorfreude auf… einfach Hoffnung. Auf sowas wie ‚eskönntejawomöglichdochseindass… auchich…auchfürmich?‘ “ Und bei dieser Vorstellung öffnet sich ein zaghaftes, ungläubiges Etwas in mir…

„Aber -„

Mein Blick senkte sich auf meine, auf den Knien ineinander liegenden, nach oben geöffneten Hände.

„…ich kann es nicht halten. Es rinnt mir durch die Finger.“

Und ich schaute dabei zu, wie „es“ mich verließ. Meine Hände vermögen es nicht, „es“ zu halten… übrig bleibt die gelähmte Hilflosigkeit der Finger als Ausdruck der Ratlosigkeit.

Wenn es mir mies geht, ist es in diesem Bild: Ich schaue starr auf das Gerippe der verlassenen Form.

Und dann kann ich es fühlen. Es ist ein Gefühl der sicheren Erwartung von Unheil. Unaufhaltsam wie das Aufgehen der Sonne am Morgen verkündet es, statt der Hoffnung,… ein von Hilflosigkeit und Erstarrung ummanteltes, unbenennbares, Grauenbehaftetes kommt auf mich zu, eine Bedrohung ohne Gestalt.

Aber es erscheint nicht. Es ist „nur“ der Moment davor, den mein Hirn mir erlebbar entstehen lässt. Ich fühle mich von etwas, was nicht auftritt, handlungsunfähig bedroht. Machtlos, zu klein, alleine damit.

Real vielleicht wie im Traum á la Alb mit schwammigem Erwachen.

Echt jetzt? Und wenn schon… in Worte fassen ist ein Weg zum Begreifen. Begreifen ermöglicht Erkenntnis und die ist ein Schritt zum Frieden.


Wenn es mir gut geht, vermag ich es, mich mir zu nähern, indem ich nicht mehr das, bzw. im Bild der Bedrohung bin. Dann vermag ich es, mich von dem Erleben zu trennen, mich von ihm auseinander zu setzen.  Ich nehme es mir wie ein Bild vor und mich damit meiner an. Ich nehme es mir – zu Herzen:

Es ist, wie es ist. Ich erlebe diese Graulichkeit. Irgendetwas löst dieses Erleben aus. Ein Gedanke, ein Gefühl ist wie der Vorhang, der sich hebt und das Stück läuft ab, ohne wirklich reale Ursache im Hier und Jetzt.

Es zieht mich hinein. Die Folge ist, dass mein Hirn die Ursache sucht, keine findet und deshalb einfach einen Bezug herstellt, kreiiert. Irgendwas stimmt nicht, obwohl kein Grund dafür existiert. Das ganze wird dann noch mit „Schlimm“ gewürzt und fertig ist das Falschseingefühl.

Weder ist es aber das Leben, dass nicht stimmt, noch der Mensch „Karin“, sondern nur der Teil in meinem Gehirn, der die Lage beurteilt. Angetriggert durch irgendwas, eine Situation, einen Gedanken, ein Gefühl oder eine Wahrnehmung verurteilt er mich zum schlimmen Falschsein, zur unveränderlichen, alleinigen Schuld, zum Nichtdeslebenswertsein und zum zwanghaften Michwasschämenmüssen.

Mir das als zwar real existierenden, aber heute überflüssigen Automatismus immer wieder bewusst zu machen, mich meiner heutigen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt zu erinnern und sie anzuwenden, darin besteht die Therapie.

Aber ich erlebe auch allesergreifend Schönes. Überwältigend unbegreiflich Schönes. Genau so berührend wie die Sicherheit des geschehenden, unbegreiflichen Wunders der gleich aufgehenden Sonne.

Und es ist kein Wunder, dass ich da hin will. Scheint es doch „dem“ so nah, dem Glück, dem Ganzsein, dem Wasauchimmer, dem, wonach ich mich so sehne. Dem, was mir irgendwie zu fehlen scheint zum Glück.

Jedes Erleben ist nur ein Produkt meines Gehirns.

Es denkt sich manchmal, „nur das da“ fehle zum großen Glück. Und es glaubt, dieser Gedanke sei wahr. Einzig wahr. Dies und jenes müsse sein, und zwar so und so, um das Glück zu erreichen, das Ganzsein fühlen zu dürfen, wenn… nur…., ja, „das da könnte es womöglich sein“, was noch fehlt…

Aber das Leben ist weiter, viel weiter und kreativer als meine Vorstellung reicht.

Ich glaube also, dass ich mein Erleben und mein Urteilen, die Funktionsmöglichkeiten des Gehirns durch gezielte Benutzung umprogrammieren bzw. erweitern kann. Ich glaube also daran, Erlebtes neu zu bewerten zu erlernen, und mich somit von alten „Wahrheiten“ befreien zu können.

Dass ich nun so heftige Gefühle empfinden kann, ist Fluch und Segen zugleich. Manchmal erlebe ich „Schlimm“, manchmal „Dumpf“, manchmal aber auch so… unglaubhaft, überwältigend großartig.

Nein, ich kann ein schönes Gefühl nicht dauerhaft halten. Und so schlimm und grundehrlichtief wahr es sich und ich mich in irgendeinem aufkommenden Gefühls-Theaterstück des Unheils dann auch anfühlen mag – auch das bleibt nicht für immer.

Es kann genau so schmerzvoll wie wunderbar sein, das Leben. Eine plötzliche, unwirklich schöne, völlig unvorhersehbare Überraschung kann und wird die Wendung für mich erkennbar, ergreifbar und zum Erlebnis machen, die eigentlich schon und immer existiert.

Ich darf mich auch zum Teilseinkönnen entscheiden, darf mich entscheiden, sozusagen mit auf der Bühne zu stehen, wenn das Stück so schön ist wie beispielsweise das, was La Resurrezione in mir ausgelöst hat… . Aber ich kann mich auch entscheiden lernen, das Stück abspielen zu lassen, ohne ihm allzu große Teilhabe zu schenken.

So kann es gelingen. Ohne Halten zu können.

(Und wir kommen zur praktischen Übung, Fr. Nies…:

Auch der momentan zugegene Gedankenstau „Du nimmst dich zu wichtig, Du müsstest schon längst, schäm‘ Dich was…“ darf jetzt da sein… seufz…, Und jetzt, Leben, bin ich neugierig, was die Wendung einleiten mag. Ich klick‘ derweil mal, ein bisschen Mut anseite, auf „Veröffentlichen“… und entscheide mich aktiv zum Weitergehen, zu einem nächsten Schritt)

Glaube

Ein Schrei

ohne Ohr

ist ein Schrei

Eine Frage

ohne Antwort

eine Frage

Ein Spiegel

ohne Antwort

ist ein Glas

Ein Puzzle

ohne Bild

ist trotzdem ein Puzzle

braucht aber einen besonderen Blick.

Ein Schrei ist ein Schrei, eine Frage eine Frage

Muss ein Schrei gehört werden?

Braucht eine Frage eine Antwort?

Oder: Ist ein Bedürfnis nur eine Laune des Gehirns?

Welches Bedürfnis muss wirklich gestillt werden? Jetzt, heute, wenn wir erwachsen sind? In der Lage sind, zum Amt zu gehen: Braucht es da sowas wie das Gefühl des gehaltenen „Gehörtwerdens“, „Gesehenwerdens“, „Daseindürfens“, Nähe, Zuneigung, Bestätigung?

Es gibt Stimmen, die sagen, ein Mensch sei ein Gesellschaftstier und brauche die Antworten, das Gehörtwerden, soziale Bestätigung der Gruppe, ja, sogar Körperkontakt?

Mache ich nur Getue, schmarotze, heuchle, konsumiere ich nur Existenzerlaubniskalorien?

Oder bin ich ein Wesen, von dessen Gewimmer andere ihr „Gottseidankbinichganzanders- oder Ganznormal-Sein“ definieren – im Kontrast des Vergleichs, im Erteilen von Therapiestunden, im Anlegen einer Akte des deshalb existenzberechtigten Amts, weil es noch mehr von uns gibt…?

Ein Spiegel ohne Antwort ist ein Glas

…mein Reptilhirn, zuständig für die Beurteilung von Sinneswahrnehmungen, glaubt tatsächlich und immer wieder, haltlos in die Tiefe zu stürzen (lebensbedroht zu sein), wenn es keine Antwort, keine Bestätigung bekommt. Oder die Lösungen des Großhirns die Puzzleteile trotzdem nicht zur passenden Haltung bringen.

Es produziert „Schlimm“. Es glaubt, nicht da zu sein oder nicht da sein zu dürfen, also „weg“ sein zu sollen, aber trotzdem da zu sein…

Schuld und Scham, Zweifel am Urteil, Verzweiflung, Hoffnung und Verrücktsein sind eine logische Folge dieses Dilemmas des gleichzeitigen Daseins und Nichtdaseindürfens…

Dabei ist ein Spiegel ohne Antwort auch nur Glas. Beides ist eines – und, je nach Sichtweise, gleich zerbrechlich oder haltbar.

Ein Bedürfnis ohne Antwort ist und bleibt ein Bedürfnis. Es bringt mich nicht um, auch wenn mein Reptilhirn anders urteilt.

Alle Hirnteile dürfen lernen, dass sie da sind. Füreinander Frage und Antwort genug sein lassen lernen.

Das verstehe wer will! – IHIIICH!!!: ICH will!!! Aber dalli!

Ein Puzzle ohne Bild ist trotzdem ein Puzzle, braucht aber einen besonderen Blick

Kapitel 1: Puzzlen

Die Teile sind dieselben.

Früher haben die Teile zusammengehalten.

Nichts hält jetzt noch richtig.

Nichts hält mehr „Richtig“ zusammen. Es entsteht kein Bild mehr, so sehr ich mich auch mühe, die Teile passend zueinander zu bringen.

Kapitel 2: Mühen

Mühe ich mich wirklich genug?

Die inneren Kritiker sagen: „Nein“.

„Du musst Dich anstrengen.

Es muss mühsam sein.

Gib Dir mehr Mühe.

Du musst das alles doch schon lange können.

Das kann doch nicht so schwer sein!

Du stellst Dich nur an.

Stell Dich nicht so an!

DU stellst Dich was an!!!

Du willst doch gar nicht.

Kein Wunder, dass ich mit Dir nichts zu tun haben will.

Werd‘ endlich mal erwachsen.

Los, beeil‘ Dich…!!!

Du müsstest schon längst fertig sein!!!“

Mein ehemaliger Psychologe, so ich ihn verstanden habe, sagte bei unserem letzten gemeinsamen Termin: „Sie suchen zu viel. Solange Sie nicht bei einer Sache bleiben, sich nicht festlegen, ist jede Mühe aller Beteiligten umsonst.“

Ich fühlte mich verletzt, missverstanden, angegriffen. Verstand nur Vorwürfe… „Therapiehopping“ und „Therapeutenverschleiß“. Dabei hat er doch gesagt, ich mache zu viel? Meint er jetzt, ich mache „Um-den-heißen-Brei-Herumgetue“ oder meint er, ich brauche mehr von „Mich in Ruhe lassen“ und „mir vertrauen“? Oder beides? Dabei ist es doch einfach ’nur‘ seine Einschätzung, vielleicht noch nicht mal seine Wahrheit…

Es gibt so verdammt viele Wahrheiten…

Es gibt Stimmen (in mir), die sagen: „Ein Hirn umzuprogrammieren braucht seine Zeit. Jedes Hirn ist anders. Du musst es auf Deine Art machen. Zu der und im Rahmen der Zeit machen, die DEIN Gehirn, nicht Dein „Sollte“, braucht. Wie sollte es auch anders gehen?“

Und dann gibt es ein Zerverbrechen, ähnlich einem in sich zusammensinkendes Zeitrafferwelken, in mir: „Ich habe einfach keine Lust auf mich. Ich will das nicht mehr länger mitmachen müssen. Ich fühle mich widerlich an und weiß nicht, wie es anders gehen, werden soll. Es war doch schon immer so. Und ist immer wieder so. Das Leichte, das Vertrauen hat einfach keine bleibende Macht über mich. Es, dieses Getue ‚am Leben bleiben‘ ist der Mühe nicht wert. Es wird nie ein ganzes Bild werden, das vor meinem inneren Richter bleiben darf.“

Kapitel 3: Das staunende „Ah“

Und es gibt irgendwo eine Stimme, die sagt: „Ja, klar ist jede Mühe umsonst. Denn das Bild ist schon da.“ Und ganz einfach. Und eines beständigens Bewunderns schön.

Ich brauche nichts tun, denn es ist da.

„Es braucht nur den Blick“…

…das staunende „Ah“ ist schon da.

Das staunende „Ah“ ist schon da?

Blinzeln hab ich schon erlebt.

Glaube ich.

Kapitel 4: Glaube

Was???!!!

Soll das heißen, ich kann tatsächlich an etwas glauben?

T..Ja,…

Ich glaube, dass es ihn geben muss… Schließlich habe ich ihn schon erblinzelt… Ich glaube an den „Puzzlebildgott“.

Oder: Den „Gott“ im ungelösten Puzzle ohne Bild. Glaube an den Zwischenraum. Den, der es vermag, der alles zu eins ist und machen kann. Gleichzeitig. (… da war doch noch was? …Zitat am Rande gefällig? ) Der es vermag, das alles zu einem Bild zu machen, was eigentlich kein Bild darstellt.

Manchmal.

Trotzalledem.

Erblinzelter Glaube an den „Gott“, der es vermag, mir zu vermitteln, das alles (Puzzle und Eins, also) Puzzleeins ist.

Ich werde kapieren und damit (in Frieden, wenn ggf. auch gleichzeitig im Leiden zu) sein, dass nichts irgendein Teil oder Pixel sein muss, einen Raum einnehmen muss, eine Begrenzung hat, die hält. Ich werde verstehen, sein, dass nichts irgendwie anders sein muss… auch ich nicht…

weil es einfach (schon – und wahlweise mit Pünktchen über dem „o“) ist.

Es ist schon

begrenzt, gehalten, schrecklich, anders, leicht, besser, wieder und wieder widerlich… UND gut, wie es ist.

Ich weiß es schon lange und werde es nie kapieren. Und es ist gut und ich bin auf einem guten Weg, der gleichzeitig in den Abgrund führt.

Ich bin die, die haltlos in die Tiefe stürzt UND hält. Gleichzeitig.

Ich bin, sehe und fühle, auch wenn ich es gerade nicht fühle, sehe, bin:

„Ah“

Verständnis, Gefühl, Berührung, Kontakt zum Puzzlebildgott, der alles zusammen ist. Und mir gerade ein selbstvergackeierndes, zärtlich verhohnepiepelndes, aber aufmunternd erleichternde Lächeln ins Gesicht zaubert: …„Au weia, Karin…“

Mantra:

„Dieser Moment wird – wieder und immer wieder – gehenkommensein“

Zitat aus ‚das Leben des Brian‘:
Eine große Ansammung Menschen. Sie rufen alle gemeinsam, wie aus einem Munde:

„Wir sind alles Individuen!“

bis auf einen, der daraufhin meint: „Ich nicht.“

zurück …zum Leben des Ernstfaltenchirurgen 😉

Schlaf‘ gut

Habe gerade nochmal hier reingeschaut.

Warum?

Früher in der Höhle haben sie vielleicht auch nochmal nach einander geschaut, ob alle da sind, einen sicheren Platz haben. Man war aufeinander angewiesen. Da war das Gefühl der Verbundenheit nicht nur schön, sondern auch praktisch.

Denke einfach gerne an Euch, die Ihr im Kreise meines Verbundenheitsgefühls so herzlich willkommen seid. Gerade jetzt im Moment der aufkommenden Ruhe nach einem eindrucksvollen Tag.

So wünsche ich Dir – und mir auch – eine gute Nacht

Schlaf gut

und wache gemütlich auf

wohlig räkelnd

viel leicht

Brief

Wetzlar, 7.7.2018

Liebe…

Der Markt findet gerade sein Ende. Sonne scheint auf die bunt gestreiften Stoffdächer der Stände, unter denen geübte Hände die Abbaurituale abspielen. Die Stimmung wirkt zufrieden. Was mag auf sie zu Hause warten?

Ich sitze in Wetzlars Kaffeerösterei mit Blick auf den „Dom“, der keiner ist. Ich gehe gerne auf den Markt und trinke überteuerten Kaffee, serviert mit selbstgebackenen Plätzchen in Herzform. So oft konnte ich hier schon das Sein üben. Das Seinlassen, das Daseinlassen, auch im Sinne des Aushaltens von Sehnsuchts- bzw. emotionalen Allergieauslösern.

Ja, im Moment könntest Du mich wohl mögen. Die freundliche, offen-herzliche Seite, die Du in Deinem letzten Brief gesondert angesprochen hast. Habe beim Lesen trotzig darauf reagiert, kannst Du Dir vermutlich denken. Denn ich bin ein Ganzes, trotz aller Zerrissenheit. Und ein Teil schreit „Hab‘ mich lieb – ich tue alles dafür!“ und ein anderer Teil wendet sich angewidert von sich selbst ab. Ein Teil weiß von den Spielchen, die alle spielen und erlaubt sie allen, nur nicht sich selbst. Dann ist die Milde im Raum („Die Milde, Mathilde“). Sie hat meistens die scheue Zuversicht dabei. Und Christoph, mein Mitgefühl hat fast überall Zugang, wenn ich ihn als Geschenk, eine fremde, aber angenommene Wertigkeit von außen betrachte. Adoptiert sozusagen.

Wind streicht über den Platz.

Ich hol‘ Dich ein bisschen näher.

Die „Alten“ haben es ein bisschen leichter mit mir, glaube ich. Die alten Freunde, die mich von früher kennen. Ein Ganzes sehen können, auch die alten Gemeinsam-Zeiten. Nicht nur das Karin der letzten zwei Jahre.

Ist es wie eine Geburt? Ein Trennen und Finden. Gleichzeitig. Ich tue mich schwer damit. Uffenheim war wohl eine Art Kaiserschnitt 😉

„Wasch‘ mich, aber mach‘ mich nicht nass.“

Es hilft nichts, das Ändern nur im Außen leben zu wollen. Ich muss ans Eingemachte. Irgendwie…

So viel zur Theorie 😉 (mal wieder…)

Es wird gerade Kaffee geröstet. Ich kenne den Geruch aus der Nähe, aber hier draußen ist er angenehm: Verbrannt und aromatisch zugleich. Streng und voller Reize… „Komm‘ näher, ich bin nicht zu durchschauen. Aber ich könnte schmecken. Du musst mich versuchen. Oder mir widerstehen.“

Was ist das Richtige für mich? Für Dich?

Das Suchen, die Verzweiflung, das geliebte Leiden lassen. Dasein oder von ihm ablassen? Das Warten auf Rettung, das Sehnen in der Fremde, bei Fremden (Menschen). Aber was dann? Leere. Ich mit mir? Alleine? Ach nee…

Hr. S., mein Therapeut meinte: „Das Schlimme ist nicht das …xyz… sondern der Widerstand dagegen. Kann man gegen Leere Widerstand haben? Schon wieder Widerstand. Erwischt.

Es wird schon gut sein. Es? Ja, jetzt, dieser Moment. Er wird schon gut sein. Er wird es schon gut mit mir meinen. Der „Jetzt“. Wieder und wieder.

Zuversicht, Du Scheue, ich danke Dir für’s Dasein. Jetzt. Mit Dir traue ich mich zu sein. Einseitig, versteckt, mutig, feige, scheu, zerrissen, unperfekt. Mit Dir traue ich mich

zuzumuten.

Karin

aber vielseitig ganz

Splitter 64 – Milde

Milde

Es ist ein ruhiger Morgen. Seit langer Zeit verbrachte ich die Nachtstunden mal wieder in Wetzlar, also da, wo ich meinen ersten Wohnsitz habe. Habe die Fenster weit auf gemacht. Aufgewacht bin ich milde gestimmt. Habe so viele Menschen, zu denen ich mich auf eine ganz eigene, wertschätzende Weise verbunden fühle. Von jedem von Euch fühle ich mich ein bisschen getragen. Und gerade jetzt, in diesem Moment, kann ich mir diese Passivität verzeihen, Vertrauen und Gehaltenwerden spüren und es einfach da sein lassen.

Sie sind selten, diese Momente der Milde.

Mir ihrer scheuen Flüchtigkeit sehr bewusst, will ich ihnen zumindest in diesen Zeilen haltende, liebevolle, dankbare Aufmerksamkeit schenken. Ich will diesem Moment der Milde wach, wertschätzend, respektvoll aber auch zärtlich begegnen. Innehalten und atmen.

Passenderweise ist heute ein Feiertag, der erste Mai.

Noch

…ist es ruhig. Klaus duscht, bevor er sich auf den Weg macht um die letzten Kleinigkeiten zu besorgen.

Heute ist der erste Freitag nach seinem Geburtstag und, wie in jedem der mindestens letzten 10 Jahren, werden seine Freunde der Einladung folgen und mit ihm feiern.

Im Büro sind die Tische für das Essen vorbereitet. Ein kleiner Tisch lädt zum Verweilen ein. Hocker, Klappsessel, Campingstühle warten auf die Gäste. Alle Kühlschränke laufen. Es wird viele, viele brennende Kerzen geben und auch ein paar Lichterketten. Für die Schachfreunde stehen in der Küche die klassischen Figuren aus Holz bereit, die sie, gedankenversunken wirkend, lautlos über das schöne, große Brett ziehen werden. Ihre Kommentare klingen in meinen Ohren wie eine Sprache aus einer anderen Welt. Ich muss schon jetzt lächeln, wenn ich daran denke, sie eine Weile heimlich zu beobachten.

Gerade bin ich noch in meinem Bett, höre die Ruhe und freue mich trotzdem auf den Klang, der später aus Klaus‘ Anlage strömen wird.

10 Jahre lang – im Prinzip immer dasselbe: Schach, Schwätzen, Kommen, Verabschieden, Essen und viel Trinken. Und dann, irgendwann, macht Klaus Platz vor seinen großen Boxen und wir trauen uns im Kerzenschein unsere Lust uns zu bewegen zu leben, sind vom vielen Sekt betrunken genug, um unsere Hemmungen freundlich zum Ausruhen zu bitten. Freuen uns einfach über die gute Musik. Schwelgen, lauschen oder tanzen sogar. Sehen, teilen, berühren uns vielleicht.

Und doch ist in diesem Jahr etwas für mich anders.

Ich spüre meine Lust schon jetzt. Da ist sogar eine Vorfreude, eine vorsichtig freudige, hoffnungsvolle Erwartung. Auf so ungewohnte wie selten schöne Begegnungen, auf das Wiedersehen und das gemeinsame Zeitverbringen. Das Willkommenheißen und Teilen.

Schade, dass…

ja, ich vermisse Euch.

Aber mal sehen, wer kommt, was er mitbringt und was er hier lässt. Aber auch was er mit sich nimmt, möge leicht sein und die kleinen Fältchen an Augen, Ohren, Mundwinkel oder haarlosem Haupt zum schmunzeln bringen.