Teil 3: Einladung

Glücklichseindürfen, hab‘ keine Angst. Lass‘ Dir die Zeit, die Du brauchst.

Auch wenn Du von irgendwoher hörst, Du musst für immer da sein, lass‘ Dich nicht beirren. Bleib zart, neugierig, schmecke den Mut, solange er Dir schmeckt. Du musst nicht aufessen. Du musst nicht essen, was anderen schmeckt. Du musst nicht wachsen um unlästig zu sein. Du musst auch nicht stark werden.

Versteck‘ Dich da hin, wo Du Dich sicher fühlst.

Du kannst und machst das prima. Aber ich weiß, Du lukst irgendwann wieder hinter einem Baum hervor. Oder lässt Dich in einem Kitzelkleinenwummsmoment in einem Husch erwischen. Oder streichst im Wind vorbei.

Ich will er-leben, was Du wirst, bist.

Du musst nicht groß sein, nicht größer sein als Du bist. Du nicht.

Ich lerne, auf Euch alle aufzupassen.

Und jetzt, gerade

fühlt es sich verdammt richtig und gut an.

Teil 2: Herzlich willkommen, Schlimm

So saß ich beim Kaffee und dachte…

Schlimm hat nichts mit meinen Eltern zu tun, er gehört als schlichte Zustandsbeschreibung ins und zum Hier und Heute.

Aber schon der Umkleidekabine überfiel er mich wieder.

Und er ließ sich fassen, anfassen, angreifen:

Er gab mir zu verstehen, dass er ein alter Bekannter ist. Das er ins Alte gehört, da gehört er hin.

Schlimm gehört zur Vergangenheit. Ich packe Schlimm in die Gegenwart und er gehört ins Alte. Schlimm war damals!

Ich ziere mich noch immer, aber es war wohl wirklich schlimm. „Schlimm“, das Chormitglied fühlt sich da, dort, beim Alten, richtig aufgehoben an. Er will da hin. Und ich muss ihm erlauben, das Alte schlimm sein zu lassen.

Wenn mich jemand nach meiner Vergangenheit fragt, erzähle ich die, meine, Fakten tonlos oder gepresst, weil ich mir nicht eingestehen kann, das es schlimm war. So schlimm war es nicht. Wir hatten es gut. Unsere Eltern haben alles für uns getan und noch mehr. Sie haben sich sogar aufgeopfert nur für uns… ich habe keinen Grund zum Jammern. Andere Leute haben wirklich Grund, die dürfen es haben, dass es ihnen schlimm geht. Ich habe keinen Grund. Wirklich nicht. Alles nur Getue…

Schlimm! Und schon ist Schlimm wieder im Heute und „nervt“.

Ich stand in der Umkleide. Versicherte mich nochmals, dass die Türen verschlossen waren. Ich stand da, lehnte mich an und weinte mit der Erkenntnis vor Glück.

Schlimm darf da hin, wohin er gehört. Ich darf ihn immer wieder los und zurück in sein nach Hause lassen, wenn ich ihn mal wieder ins Hier und Heute verfrachtet habe. Darf ihm auch einen liebevollen Ermutigungsstartstupser geben. Darf ihn ansehen, liebhaben als „Schlimm“. Er ist wer.

Er ist nicht mehr „Nichtgewesenseindürfen“, er darf Schlimm sein.

Ich weinte noch ein bisschen bis es sich besser anfühlte. Versicherte mich nochmal bei der Kleinen. Sie könne noch nicht sprechen, aber es sei gut so. Es fühlte sich gut an.

Und ich stand unter der Dusche und summte vor mich hin. Ich ließ mich (mich) hören. Und ich freute mich darauf, in das kalte Wasser zu steigen. Mich spüren. Und ich hörte beim Schwimmen diese wunderbare Musik (7. Sinfonie von Beethoven) und ich musste mitten im Becken innehalten und lachen. Und später auf der steilen Bergabfahrt musste ich laut vor mich hin lachen. Einfach so. Und es hörte sich neu an, fremd. Und ich lachte darüber.

Vor Glück.

???

Herzlich willkommen im Leben, Glücklichseindürfen?!!!!

Wo Schlimm nicht mehr ist, gibt es Raum und Sicht und Fläche für andere Wesen.

Teil 1: Schlimm

Mag man in unserer Gegend schwimmen gehen, hat man reichlich Auswahl, aber mein Favorit ist das Europabad in Wetzlar. Und zur Krönung gibt es in der dortigen Pizzeria auch noch einen echt guten Kaffee aus italienischer Maschinerie und Hand.

Dieser war mein Begleiter, als ich mich auf die Suche nach diesem Chormitglied machte. Essen und Trinken, geschmacklicher Genuss ist Begleitung, Versuch des Soseinlassendürfens.

Was sich in meinem Erleben in den letzten zwei Jahren geändert hat, ist zum einen, dass ich mich besser fühle – manchmal auch in qualitativer Hinsicht… aber beeinträchtigt fühle ich mich vor allem durch meine Bewertung:

„Schlimm…

sind nicht die Gefühle, schlimm ist der Widerstand dagegen.“ wie mein Psychotherapeut so treffend bemerkte.

So leide ich immer wieder „schlimm“ besonders unter Zweifeln, Ratlosigkeits- und Ohnmachtsgefühlen, unter Ängsten und mehr oder weniger unterdrückter Wut. Ich mag mich einfach nicht „darum“ kümmern und schon gar nicht adäquat für mein Erleben und Bewerten einstehen. Fühle mich so schuldig. So will ich nicht sein. Sollen sich andere drum kümmern. Es soll anders sein. Sie sollen anders sein. Ich soll anders sein… nur nicht so, wie es ist. Getue! Angst! Wütiges Knirschen gemischt mit Angetriebensein ohne Richtung…

Schlimm.

Was ist mit diesem „schlimm“?

Welches mir so oft begegnet, immer wieder, schon seit langem und in letzter Zeit so klar.

Ich malte mir „Schlimm“ mit großen Buchstaben. Und nun war es so weit, ich riskierte einen Blick auf „schlimm“. Was steckt hinter diesem sich so schlimm anfühlen? Was ist denn so schlimm?

Was ist denn (so), Schlimm?!

Und da wurde er irgendwie schlagartig zu Schlimm.

Ein Chormitglied!

Wow!

Hier ist eine Pause nötig. Ich bin so begeistert über mich, ich kann es gar nicht ausdrücken. Mein Hirn macht das wunderbar, voller Wunder. Genau richtig für mich. Wie kann ich das erklären?

Danke: Auch

Es ist Samstag. Ich komme gerade vom Markt.

Es ist wieder Frühling und ich hatte Lust auf die Farben von Erdbeeren, bunten Ranunkeln und die Farben der Lust unter diesen Menschen zu sein, die sich vielleicht aus demselben Grund dort hin bewegen wie ich.

Kümmelroggenbrötchen?

Wer sie kennt: Sicher ja!

Bergkäse aus Österreich. Ein Bund Salatkräuter – mit Borretsch! Kaffee aus der Rösterei.

Da ist es mir wieder begegnet, dieses „Auch“

Rost

Eine, so, wie sie mir gerade im Sinn ist, herrliche Farbe!

Und sie passt zum Herbst. Damals war ich zuletzt in der Kaffeerösterei am Domplatz, die ich zuvor regelmäßig, und ganz sicher bei jedem Markgang besucht hatte.

In der warmen Jahreszeit kann man von dort aus das bunte Treiben so gelassen aus den bequemen Sesseln heraus beobachten. Von Menschenhänden gehalten ziehen Körbe, Rollatoren, Hunde und Kinder vorbei. Ans Ohr dringen Stimmen-, Glocken und Motorengeräusche.

Für den stolzen Preis konnte ich dort immer mehr genießen als den Kaffee, das gereichte selbstgemachte Butterplätzchen in Herzform, den wohlig warmen und doch kräftigen Duft. Genau passend hatte ich immer die respektvolle Zuwendung des Inhabers empfunden. Er vermitteite mir Wertschätzung seines Produktes und seinen Gästen gegenüber. Er strahlte für mich aber auch eine angenehme, angemessene Anerkennung seiner eigenen Leistungen, aller Zutaten seiner Ladenführung aus.

Und ich nahm es als einen besonderen Vertrauensbeweis, als er mich vor Monaten wegen eines persönlichen Bedürfnisses heraus ansprach. Die Kleine in mir war so überrascht, fühlte sich gesehen und machte sich deshalb auf – zur kindlichen Freude.

Genau so, also aus einer kindlichen Enttäuschung heraus, beleidigt war ich nach meinem letzten Besuch im Herbst.
Denn seine Zuwendung galt nicht seiner Kundschaft, seinem Betrieb und auch nicht mir, sondern gänzlich einem Computerspiel auf seinem Laptop: Der Lack war ab! Ich schien mich getäuscht zu haben.

Fortan mied ich – bis heute – sein Geschäft. Es, nein, er schien mir verlogen zu sein.

Was hat „Rösterei“ mit Rost zu tun?

Dinge brauchen Weile, das Rösten wie der Rost. Heute war ich schon fast auf halbem Weg zu Hause, als ich meine Lust auf den guten Kaffee mit dem Grad des Beleidigtseins aufwog und mich für die Umkehr entschied. Eine Kaffeerösterei ist für das Frohlocken des Gaumens im Hier und Heute zuständig, nicht für die Versorgung von kindlichen Seelenwunden.

Es brauchte seine Zeit, wahrzunehmen, das alles zugleich da sein darf: Lust, Bedürfnis, Enttäuschung. Ich muss nicht auf den Kaffee und das Ritual um die Rösterei verzichten, nur weil ich zu einem kleinen Teil enttäuscht bin. Nein: Ich darf den Kaffee, also das, um was es eigentlich geht, nun aus der Enttäuschung heraus noch mehr würdigen.

Heute bin ich diese Erkenntnis feiernd Kaffee trinken gegangen.

Ist Ent-Täuschung nicht – auch – etwas Wunderbares?

Sattleuchtendes Rostorange entsteht im Vergehen.

Heimweg

Manchmal vermeide ich es auf den Markt zu gehen. Marktbesuche sind mit Sehnsucht verbunden. Sehnsucht nach Sicherheit, erlebt im Teilen und Teilsein. Manchmal tut mir das zu weh.

Manchmal aber mag ich die stille, passive Teilhabe. Das mich bei aller Scham „Versteckenkönnen/Verstecktsein und deshalb trotzdem Dabeiseindürfen“ – Gefühl.

Heute konnte ich es anders sehen. Heute konnte ich das „Auch“ sehen…

All das, was ich vermisse, findet – vielleicht – woanders wirklich statt. In meiner Phantasie wünsche ich diejenigen glücklich, die ich sehe. In meiner Phantasie kümmern die sich um das, was ich gerade nicht kann. Sie er-leben es. Wenn die Erfüllung meiner Sehnsucht Wirklichkeit ist, sei es auch außerhalb meiner selbst, existiert sie. Dann lebe ich in einer – zumindest in Teilhaftigkeit existierenden – wunderbaren Welt. Es ist alles da. Und somit möglich!

So schön zu wissen…!

Mitgefühl

Wenn mir jemand, der mir am Herzen liegt, sagt, die Ampel ist grün, ich sehe aber nur rot? Ich glaube alle Menschen würden das als rot bezeichnen, wie kann es da grün sein?

Wie kann ich einem solchen Menschen dann vertrauen? Oder mir? Oder den Menschen?

Also wenn meine Wahrnehmung nicht stimmt… nicht überein stimmt mit der einer Vertrauensperson, oder mit der Wahrnehmung, die die meisten Menschen haben könnten?

Dünnhäutig wie ich bin, kann ich ob dieser Frage verzweifeln: Das sich manchmal so verdammt richtig anfühlende „Falschseingefühl“.

Und ich bin gründlich dabei…: Schwarz-Weiß Denken, zertrennend teilen in „richtig“ und „falsch“.

Gestern fand ich einen Spalt ins Freie… in eine neue Dimension, einen Spalt ins „Auch“. Und es fühlte sich blendend schön an.

Ich bat (ungerichtet, ins „Irgendwohin“) um Mitgefühl.

Nein, nicht um Mitgefühl für mich, also nicht um jenes für mein Erleben. Sondern ich bat darum, mitfühlen zu können –

also auch bzw. mit empfinden zu können, was mein Gegenüber sagt, das es für ihn oder sie stimmt. Mich stimmig fühlen. Einstimmen können. Trotz und bei meiner Wahrnehmung bleiben, die vielleicht anders, aber meine Wahrheit ist. Zerrissenheit zulassen können, ohne mich und mein Gefühl in Unwert zu zerteilen oder andere zu entwerten.

Ich bat um Mitgefühl.

So darf alles da sein: Nichtteilseinkönnen, Möglichkeit und Hoffnung.

 

Ins Auch tauchen

(ange) wi(e)der (t) da

Es war der Lärm, der beim Schließen der Türe verursacht wurde.

Wir kamen heute spät nach Hause. Ich schloss und hielt auf und war, vom Nachhause-, vielleicht auch vom Getrenntseinwollen, getrieben, schon auf den Stiegen, als dieses Geräusch, aus purer Ignoranz geladen, mit dem Aufeinandertreffen von Türe und Rahmen die Stille des Treppenhauses mit wuchtigem Scheppern zerplatzen ließ.

Genau so, nur lautlos, zerfurchte es mein Un-Bewusstsein.

Ich wählte ein bestimmtes Oberteil aus dem Schrank. Frisch gewaschen. Ein nur durch die Glätte kühl anmutender, weicher Baumwollstoff. Nicht zu weit, damit es ein bisschen wärmt. Ein nicht benennbarer, passender Duft wäre schön gewesen, aber schon der Gedanke daran, das er imstande wäre, etwas zum Trostcocktail der Sinne beizutragen, war genau das rechte Maß, das diesem fehlte. Das kleine Klangspiel an meinem Bett zauberte für ein Streicheln gleichsam sanfte Töne frei. Ich versuchte bewusst, aber wie so oft erfolglos, tief und ruhig zu atmen.

Entspannte Feierabendgeräusche von der Straße kommen durch durch das offene Fenster zu Besuch und erzählen noch von der vor Stunden vergangenen sonnigen Wärme des Frühlings.

Der Sonntag kommt mit Riesenschritten auf uns zu und ist gleich da – wenngleich eine Stunde kürzer.

Dieses Scheppern.

Diese Wut.

Sie ist das Urteil, das mein Gehirn gestern wie damals fällte, das ich aber erst hier und heute spreche.

Das Scheppern der Türe versetzte mich in das Haus der Wahrheit über Szenen meiner Kindheit zurück. Mit diesem Scheppern war die Erinnerung wieder da.

Rücksichtslos, unverdrängbar, präsent wie…

er an solchen Tagen nach Hause kam. War schönes Wetter, irgendeine Veranstaltung oder einfach Wochenende? Man konnte nie wirklich sicher sein wann, wusste aber, dass er irgendwann wieder, und wieder, nach Hause kommen würde. Schwankend, lallend… die Bewegungen nicht mehr steuernd können.

Wir

Wir?

Ich weiß, dass ich hier einfach von „wir“ schreibe und doch nur „ich“ bin, nicht wissen könnend, was Du oder Ihr…. Ich bitte ob dieser Respektlosigkeit um Nachsicht. Ich bemerke: Ich will nicht alleine damit sein. Und ich bin es nicht. Heute wie damals.

Wir

wussten nie, wie er drauf war. Manchmal, wenn wir Glück hatten, „ging“ er einfach ins Bett.

Manchmal hatten wir kein Glück. Dann machte er einen auf irgendeinen „Boah, was bin ich wichtig und ihr ein Dreck“, präsentierte sich ungefragt auf der Bühne dieses Theaters, in dem wir allesamt gefesselt waren – auch er. Wir schenkten ihm keine Beachtung – er ergriff sich in seiner bedrohlichen Unberechenbarkeit räuberisch. Wir kannten ihn, wussten seine Auftritte zu fürchten. Rette sich, wer kann: Der Abend war gelaufen. Hoffentlich kommt er nicht nach zu den Orten unserer Flucht, lässt uns in Ruhe. Hoffentlich geht er, wenn dann schon, zur Mutter, nicht zu uns. Sie setzt sich ihm zur Wehr. Hält sich ihn – von oder zwischen oder an oder sich oder uns. Egal: Es muss nur was dazwischen sein.

Hauptsache, das Getrenntsein ist da, hat einen Namen. Namenlos wäre „es“ – oder Sie, das Schicksal dieser generationenübergreifenden Tragödie, – nicht ____________ (auf Wunsch Wort und Satzzeichen nach eigenem Gutdünken einsetzbar).

Hoffentlich ist er so besoffen, dass nur noch sein Bett ihm als erstrebenswertes Ziel erscheint.

Hier, im Jetzt und Heute ging ich, wie damals, schweigend ins Bett. Anstatt mit der früheren Angst mit der heutigen Wut. Beide aber unterdrückt. Beide angewidert. Ekel. Da ist er wieder, wiedert sich an.

Ekel scheint unter Druck zu entstehen.

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Das Gefühl, es zu beschreiben zu vermögen, fehlt mir.

Es war kein menschlicher Ton, kein Tönen, keine Bewegung eines Körpers zu vernehmen. Ich sah nichts von der Szenerie in der Küche nebenan. Ich hörte nur das Geräusch einer Brottüte bei Berührung durch Wind oder Wesen. Ich hörte aber nicht einmal das, ich hörte eigentlich nur das „wie“.

Ja, ich kann tatsächlich an dieser bestimmten Art des Ertönens einer Papiertüte durch verschlossene Türen hören, das Du, besoffener Vater, in meinem Gehirn unvergessen bist. Detailgenau präsent und lebendig wie damals. Du, Bilder von Dir und all die damals wieder und wieder entstandenen Gefühle – und so muss ich mit Dir leben.

Ruhe in Frieden?

Du hast es gut.

– – – lass mir die Ruhe – – –

„Ich“ ist noch in der Mache. Das Satzzeichen auch.

Bremse

Manchmal spüre ich diese Bremse vor der Freude als stünde ich vor einer verschlossenen Türe aus Milchglas.

Wie gelähmt stehe ich davor. Kein Impuls zur Tat, zum Griff an den Griff. Ich rüttele nicht daran.

Da ist dieses verwitterte Schild:

„Besser nicht, Karin“.

Es sind nicht die Worte, die wirken.

Es ist die Schrift meiner Hand.

Nachhallend

„Aufbegehren“ – hab ich überdeutlich gehört
„Erwartungen“    (kam und haftet mir im Sinn)

keine Antwort = Unausgesprochenes
unausgesprochene Erwartungen
Aufbegehren – Gier
Gier und Wut – Das darf doch nicht ((wahr)) sein!!!
Oh doch!!!
Gier ist verboten wie lebendig – will schreien, nein, raus wie die Wut
Woher ist egal
Gier – wonach?

Bei mir ist die Angst der Gier ganz nah. Bereit zum Übernahme des Raums (Schlachtfelds) im Bewusstsein…

Alte Bedürfnisse.
Welches Bedürfnis?
Bei mir ist es das nach Sichersein, in Sicherheit sein, Schutz
gesehen werden – seiend bleiben dürfen – bleibend sein können

Wut = Du bist mir, verdammt nochmal, nicht egal.

das alte, kindliche
’nimm mich, wie ich bin!‘,
(an: Wer immer da hätte sein sollen)
wütet die Kleine ins Heute –

manchmal wimmert sie auch erbärmlich
…ekelerregend:

Wut hab‘ ich (die andere Seite) auch. Zornig. Zischend. Knirschend.

Auf ihr Sosein haben (und das gilt es sein zu lassen und am Leben zu halten) ALLE, auch alle in mir, ihr Recht.

Natürlich wünsche ich mir ein „Ja“ zu mir von außen.

Weil es leichter zu bekommen scheint, als das „Ja zu mir“, zu mir mit meiner alten, ungestillten, ewig nässenden Wunde „Bedürfnis“.

 Kein Wunder, dass ich kämpfe. Denn das Ja von außen ist, so sehr ich nach ihm giere, nicht das, was den Frieden bringt, die Wunde stillt.

Sie nässt (und trotzt). Manchmal eitrig.


Ich lebe, trotzdem, verdammt nochmal.

Und wenn es noch kämpfend, knirschend, zornig, wimmernd, jämmerlich, erbärmlich, ekelerregend, krumm, unaufrichtig

statt
befreit

von kindlicher Angst und Unvermögen ist:

Egal!

Ich bin nicht meine Wunde,
um die ich mich noch immer bekämpfe,
die ich umringe
mit Sehnsucht
um sie ringe

Ich bin anders

So

ist es
nicht schlimm
nicht gut,
sondern eben

Wummwochen

Manchmal ist so ein „Wumm“ nötig.

Ich bediene mich mal wieder eines Bildes, um auszudrücken, wie sich für mich anfühlt, was gerade geschieht.

Sicher kennt ihr es. Mir kommt Kaffee in den Sinn. Die frisch erworbenen Kaffeebohnen passen nicht ins Glas. Manchmal genügt ein dumpfer Schlag auf das Gefäß, manchmal folgen vielleicht ein paar freundliche Stupser. Der Inhalt wird in Bewegung versetzt, die Einzelzeile schaffen sich eine neue Ordnung und geben Raum frei.

Könnte man dieses Bild auf Leinwand bringen, würde ich es mit „Wumm“ betiteln. Und ich würde, genau betrachtet, nicht es meinen, sondern den Schwung.

Diesen freundlichen Schwung, der den dumpfen, schmerzhaften Schlag begleitet wie ein Schatten, wie ein Wind, wie ein guter Freund. Beide können nicht ohne einander.

Dieses Wumm aber setzt alles in Bewegung, löst kraftvolle Schwingungen aus.

Das mag befreiend klingen, im Kleinen gesehen aber werden Teile aus ihrer gewohnten Lage gepresst, gezwungen, umhergewirbelt, vielleicht gerissen. Das tut weh. Es wird ungeheuer viel Raum geschaffen, aber Raum und Teile sind zunächst wild durchmischt, der Ausgang offen. Nur die Schwerkraft sorgt irgendwann wieder für Richtung.

Und vielleicht kommt irgendwann auch mal wieder alles zur Ruhe und der Raum wird klarer.

In meinem Denken und Erleben finden gerade Wummwochen statt.

Der Motorschaden des gerade mal siebeneinhalbjährigen Dacias bei 185000km war so ein Schlag. Noch immer habe ich nicht entschieden, wie es für „mein“ Auto weitergehen soll.

Auch das gestohlene Portemonnai war so ein Zwang zum Fühlen und Handeln, zur Auseinandersetzung, dem mich Stellen einer „Aufgabe“, die ich bis jetzt noch nicht gänzlich gelöst habe… Wie sehr will ich mich schützen, wie sehr vertrauen? Kann ich mir meine Wertgegenstände anvertrauen? Und was ist für mich eigentlich, wirklich von Wert? Wo will ich welche dieser Papiere und Karten aufbewahren? Welche mit mir führen? Mit welchem Material, welcher Form, welchem Inhalt will ich mich befassen? Was ist mit dem Trotz, dem Widerstand, dem Ekel vor und bei all diesen Fragen?

Ich nahm das Angbot meines Bruders an, seinen Vectra auf unbestimmte Zeit nutzen zu dürfen. Genau drei Tage stand dieser so wunderbar gepflegte Wagen schadlos vor dem Haus – bis zum ersten Heckenkontakt mit Lackschadenfolge. Ein Tag später dann kaufte ich das Auto, nachdem ich – von den Schließungszeiten des Schwimmbads getrieben – flott dorthin ausparkte, wo einfach kein Raum dafür war. Jetzt ist es meines.

Gestern war ein kompletter Tag im Wumm, aber das war gestern. Gut so. Vorbei.

Und heute, am Freitag, 17.02.2019 finde ich dieses Ding, diesen… im Briefkasten…

Einen Wummschlag… also: Umschlag mit Inhalt, der dieses Gefühl auslöst, das ich gerade versucht habe zu beschreiben.

Die Rentenversicherung hat den dreizehnwöchigen, medizinischen Teil der beantragten langfristigen Rehamaßnahme bewilligt, an den sich, je nach erarbeiteten Aussichten, der berufliche Teil der Reha, direkt anschließen kann. Alles in allem kann die Maßnahme über zwei Jahre andauern.

Ohne Gezacker, Gutachten, Ablehnung, Widersprüchen… einfach so:

Genehmigt.

Ich musste raus. Der blaue Himmel wies auf die Konturen des Doms… die Sonne traf warm auf mein Gesicht. Die Angst regt sich. Die Hoffnung fühlt sich gemeint. Alles ist irgendwie dumpf betäubt von diesem Wumm…

Vor fast einem Jahr, noch benommen, gerade angekommen in der Klinik in Herborn, stellte mir die als Mensch anwesende Ärztin, die ich trotz all ihres Stresses noch heute in so guter Erinnerung habe, im Aufnahmegespräch diese Frage: „Was können wir für sie tun, Fr. Nies?“ und ich staune noch heute darüber, wie leicht es mein Hirn vermochte, die schlichte, reine, klare, ehrliche Wahrheit in vier Worten zu verdichten, zu formen und auszusprechen

 

Ich brauche eine Perspektive

 

Und es ist noch alles in Bewegung. Schwung presst sich in den Raum, um ihn frei zu geben.

Da ist die Perspektive.

Sie meint mich.

Und ich nehme sie an.

Nahgespräch

…heute ist von 17 bis 21 Uhr die Malwerkstatt der Diakonie geöffnet. Ich überlege, mal hinzugehen

das ist doch eine gute Idee

wieso?

na, dann hast Du einen Termin, wo du hingehen kannst – du malst doch gerne

ich weiß nicht – alles nur Getue

was meinst du damit?

 

Was soll denn das? Chemie auf irgendwas: Müll produzieren – in doppelter Hinsicht, weiß nicht, was schlimmer ist von beidem – Materialverschwendung oder Produkt…

 

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll –

 

Ist doch wahr

 

Es ist irgendwie wie ein Schlag vor die Brust für mich, das zu hören. So eine Art Druckwelle… aber nicht gefährlich

vielleicht der Luftschwall, der entsteht, wenn eine Tür zugeschlagen wird…?

…aber ich seh‘ Dich ja noch…

Vielleicht sowas wie wenn man  eine aufgepustete Brottüte zerplatzen lässt… fällt mir auf: Das hab‘ ich auch schon ganz, ganz lange nicht mehr gemacht… könnte Spaß machen! …aber Spaß beiseite:

 

Du bist wütend!

 

Ja, komisch.

 

Es ist die alte Suche nach dem Besonderssein, die da mitspielt, glaube ich.

 

Malen hat was mit der Kleinen zu tun. Sie hat Spaß daran. Sie will aber auch immer was Besonderes sein. Und das ist sie eben nicht.

 

Ich kann und will ihr diese Wertschätzung nicht geben. Es ist einfach nichts Besonderes, was sie da macht.

 

Dann ist sie eingeschnappt, beleidigt und will keinen Spaß mehr daran haben. Kann man ja auch verstehen. Sie ist sauer, weil sie einfach nicht „einfach malen“ darf. Es muss immer was Tolles sein. Und das ist auch nie so richtig „richtig“…

 

mach‘ mal langsam, ich komme nicht so ganz mit, glaube ich…

Also da geht es um Dich, die Kleine, das Besonderssein und das Malen?

Ach, ich weiß auch nicht. Ist mir alles zu viel.

Malen kann Spaß machen. Euch Beiden.

Ja…

Kann Dich aber auch wütend machen. Und die Kleine trotzig, also zum Rückzug oder zur Blockade zwingen.

Ja

Das klingt nach Schmerz und Angstrengung. Das würde ich auch nicht machen wollen. Warum sollte man sich dem aussetzen?

Weil es eben auch Spaß machen kann. Ich kann vielleicht neue Leute kennenlernen. Und ich kann „wo hin gehen“ – ich habe einen Termin –

komisch, mir fällt gerade auf, das ist auch interessant, warum das so wichtig ist. Aber da muss ich andermal drüber nochmal nachdenken.

Wann macht es Spaß, wann ist es doof?

Weiß ich doch nicht. Kommt drauf an… kann ich doch gar nicht wissen. Es kommt halt drauf an –

…wie Du es bewerten wirst…

Ja, ich weiß schon. Bewerten soll ich nicht. Wieder ein Fehler! Blöd bleibt blöd.

kannst Du Dir eigentlich bei mir abschminken, das Niedermachen…

Getue meinst Du

ich nenne es Verkleidung, sowas wie Rollensuche, aber egal, ist ein anderes Thema…

was ich sagen wollte ist:

Was ist, wenn Du die Schuld und die Bockigkeit mal freundlich ansiehst und zum Ausruhen aufforderst, was ist dann?

Ganz spontan? Wir könnten spielen gehen –

Spielend zum Malen gehen.

 

 

ggf. zurück zu: 3 h Kunstatelier

Klamüsern

„Wir wissen, sie haben einen sehr schweren Weg vor sich.“

Reaktion in Sekundenbruchteilen (empfunden gleichzeitig):

Wahrnehmungspaket Nr.1:

vorranging: Gedanke: „Das sagt die doch zu allen.“

(und nebenbei: Warum redet „die“ von „wir“, wenn sie alleine ist?)

Gefühl: Wut, Ärger

Körper: taub… dumpf

Gedanken: „Die“ meint das nicht ernst, die sagt das nur so,…

Wertung: Abwertend, herablassend

(was wieder Schuld auslöst, denn so will ich nicht über andere denken!!!)

Alte, aktivierte Glaubenssätze: Du kannst den Menschen nicht trauen. Du kannst Dich nicht verlassen.

Handlungsimpuls: Grinse, schau durch sie durch, sag irgendwas und denke dir deinen Teil (=> Verlogensein)

Wahrnehmungspaket Nr.2:

Vorrangig: Körper: Feuchte Augen, Gänsehaut

Gefühl: Rührung

=> Körpergefühl: Da stimmt was, da ist ein Bedürfnis berührt, ein Bedürfnis nach Verständnis, „Nicht-Alleinesein“ bzw. „Soseindürfen“ (also: Sicherheit = Grundbedürfnis)

Gedanken: Da ist was berührt. Da ist was in Bewegung gekommen. Mein Körper lügt nicht. Sie hat mein Bedürfnis getroffen und ich konnte es spüren.

Außerdem mag ich die Frau und habe sie in den vergangenen Wochen als DBT vermittelnde therapeutische Mitarbeiterin sehr zu schätzen gelernt.

Wertung: Sie meint es ehrlich!

Handlungsimpuls: Schau‘ hin, fühl‘ hin, koste es – hier gibt es ein Stück von dem, was Du brauchst, wonach du dich sehnst. Sei Du: Berührt, bedürftig, dankbar und sage und zeige es.

…und was dann noch geschah:

Gedanken: Sie meint es ehrlich? Kann sie doch gar nicht wissen… (Wut) und: Ich will es aber gar nicht schwer haben!!! (Trotz) 

Wertung: Ich schaff’es eh nicht… Wenn es schwer wird verlassen mich Hoffnung, Zuversicht, Mut und Lust immer so schnell… (Unzulänglichkeit, Ohnmacht, Angst).

=> Bedürfnis nach Schutz und Hilfe (Sicherheit, Geborgenheit)

Gefühl: Scham

Gedanken: alte, tiefe Einstellungssätze:

„Du darfst keine Bedürfnisse (- außer „planmäßigen“ Hunger – ) haben, Du musst dich zusammenreißen, Du musst dich um dich selbst kümmern, Du bist Last, zu viel, nicht richtig im Wesen sein – falsch…)

Bewertung: Selbst-herablassend

Gefühl: Schuld (schützt vor der alten Angst)

Gedanke: Du wirst es nie kapieren.

Gefühl: Ärger, Wut… (auf mich – ist besser als die Angst)


Handlungsimpuls nach dem auslösenden Satz der Sozialarbeiterin:

=> Raus aus der Situation!!! (das wird mir zu viel…)


Ich folgte dem Handlungsimpulses des Körpergefühls, also des Wahrnehmungspaketes 2 und:

Schön war’s.

Wenn auch noch ein bisschen fremd…

So verabschiedete ich mich „anwesend“, aber schnell und ging in Ruhe in die Cafeteria. War unterwegs und klamüserte…

„Sie verzetteln sich“

Ja. Um zu finden.

Mich? oder

Etwas, das ich behalten will.


Die Wahrheit liegt dazwischen.

UND

Ich bin anders.


Natürlich sagt sie das zu allen. Weil es vermutlich für alle Patienten einer solchen Station stimmt. Zumindest empfindet sie es so. Dass sie es ehrlich meint, habe ich-Körper gefühlt.

Ein Weg ist genau so schwer oder leicht, wie man ihn gerade empfindet. Das Gefühl ist Teil des Weges, gehört dazu wie ein Baum am Rand, wie die Steigung oder die Aussicht, die Begleitung oder das Wetter.

Was also auch stimmt ist mein Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt. Denn sie kann nicht wirklich wissen, dass mein Weg schwer wird. Und: Sie meint nicht nur mich, sie schert mich über den Kamm ihrer Erfahrungswerte.

Nicht stimmig sind auch diese Einstellungssätze. Sie sind nicht wahr, mein Hirn lügt mich an! Zudem haben sie fiese Gefühle im Gepäck. Höre ich sie, diese Sätze, ist das wie ein Schlag vor die Stirn, der alles dumpf erstarren lassen muss. Die Wut ist ein Ausweg aus diesem Erstarrtsein. Wütend zu sein, stimmt. Wegen der Stärke ihrer über so viele Jahre angewachsenen Ladung muss sie aber eine andere Richtung (als in Verbotensein und Unterdrückung, gegen mich selbst oder gegen die heutigen Auslöser) finden, eine Richtung, die „dazwischen“ liegt.

Alle Gefühle dürfen also da sein. Sie stimmen. Ich muss „nur“ aufpassen, was ich dazu denke und zu welchem Bild ich mich aus dieser Menge an „Zetteln“ entscheide.

Wunderbar war der scheue Auftritt meiner Bedürfnisse auf der Bühne.

Was macht es mir so schwer, sie in meiner Landschaft auszumachen?

Sie sind wohl eine mit kindlicher Angst gut getarnte Pilzart, die ich mit Übung in meiner Landschaft des Erlebens immer leichter finden werde…

Ich werde sie in ihrer Fremdsprache einladen,…

…ermutigen, lauter zu singen…

…ihre Umrisse in den Seiten voller Buchstaben und Bilder erkennen lernen?

 

die Wahrheit liegt dazwischen?

 

Vielleicht sind Bedürfnisse nicht Stimme des Chors sondern Klang? Nicht Zettel, Unterlage oder Kleber der Collage, sondern der Griff? Nicht Wesen der Landschaft, sondern mein Blick? Nicht der Weg hindurch, sondern die Richtung?

(Zettel, Zettel, Zettel..)

 

Herausklamüsert:

Vorstufe, mir Bedürfnisse (so kleinkindlich sie auch sind) erlauben und erfüllen zu lernen, ist es, sie zu erkennen.

Das ist bei aller angstbedingter Ungeübtheit, Einzwängung, Gewohnheit, innerer Abwehr und Widerwillen zur Veränderung gar nicht so leicht.

Will ich dennoch ein Bedürfnis erkennen, muss und darf ich mich an den Standortmerkmalen „Gefühle und Gedanken“ orientieren, aber auch an ihren automatisieren „Zertramplern“, den Einstellungssätzen.

Ein von mir ziemlich vergessener, aber deutlicher Hinweisgeber scheint der Körper zu sein. Aber ich lerne…

Und: Es fühlt sich einfach saumäßig gut an, dem Körpergefühl entsprechend zu handeln.

 

(*saumäßig gut nenne ich das Gefühl, das ich empfinde, mir vorzustellen, an einem heißen Tag einem wohlig grunzenden Schwein beim gründlichen Suhlen im Schlamm zusehen zu dürfen)