Haltenkönnen

Ich habe den Moment, in dem ich erkannte, dass ich im klassischen Sinne nicht depressiv bin und dass da noch ein anderer Hase begraben liegen muss, noch klar vor Augen.

Den Raum habe ich dämmrig in Erinnerung, dumpf meine Stimmung. Es war in Uffenheim, nah am Ende meines dortigen Aufenthaltes. Und Fr. S., meine Therapeutin, hatte mich aufgefordert, zu beschreiben, wie es mir geht.

„Ich kann sehr wohl Freude und neugierige Zuversicht empfinden, Schönes, Wohltuendes, Leichtes. Ich kann Hoffnung fühlen und Vorfreude auf… einfach Hoffnung. Auf sowas wie ‚eskönntejawomöglichdochseindass… auchich…auchfürmich?‘ “ Und bei dieser Vorstellung öffnet sich ein zaghaftes, ungläubiges Etwas in mir…

„Aber -„

Mein Blick senkte sich auf meine, auf den Knien ineinander liegenden, nach oben geöffneten Hände.

„…ich kann es nicht halten. Es rinnt mir durch die Finger.“

Und ich schaute dabei zu, wie „es“ mich verließ. Meine Hände vermögen es nicht, „es“ zu halten… übrig bleibt die gelähmte Hilflosigkeit der Finger als Ausdruck der Ratlosigkeit.

Wenn es mir mies geht, ist es in diesem Bild: Ich schaue starr auf das Gerippe der verlassenen Form.

Und dann kann ich es fühlen. Es ist ein Gefühl der sicheren Erwartung von Unheil. Unaufhaltsam wie das Aufgehen der Sonne am Morgen verkündet es, statt der Hoffnung,… ein von Hilflosigkeit und Erstarrung ummanteltes, unbenennbares, Grauenbehaftetes kommt auf mich zu, eine Bedrohung ohne Gestalt.

Aber es erscheint nicht. Es ist „nur“ der Moment davor, den mein Hirn mir erlebbar entstehen lässt. Ich fühle mich von etwas, was nicht auftritt, handlungsunfähig bedroht. Machtlos, zu klein, alleine damit.

Real vielleicht wie im Traum á la Alb mit schwammigem Erwachen.

Echt jetzt? Und wenn schon… in Worte fassen ist ein Weg zum Begreifen. Begreifen ermöglicht Erkenntnis und die ist ein Schritt zum Frieden.


Wenn es mir gut geht, vermag ich es, mich mir zu nähern, indem ich nicht mehr das, bzw. im Bild der Bedrohung bin. Dann vermag ich es, mich von dem Erleben zu trennen, mich von ihm auseinander zu setzen.  Ich nehme es mir wie ein Bild vor und mich damit meiner an. Ich nehme es mir – zu Herzen:

Es ist, wie es ist. Ich erlebe diese Graulichkeit. Irgendetwas löst dieses Erleben aus. Ein Gedanke, ein Gefühl ist wie der Vorhang, der sich hebt und das Stück läuft ab, ohne wirklich reale Ursache im Hier und Jetzt.

Es zieht mich hinein. Die Folge ist, dass mein Hirn die Ursache sucht, keine findet und deshalb einfach einen Bezug herstellt, kreiiert. Irgendwas stimmt nicht, obwohl kein Grund dafür existiert. Das ganze wird dann noch mit „Schlimm“ gewürzt und fertig ist das Falschseingefühl.

Weder ist es aber das Leben, dass nicht stimmt, noch der Mensch „Karin“, sondern nur der Teil in meinem Gehirn, der die Lage beurteilt. Angetriggert durch irgendwas, eine Situation, einen Gedanken, ein Gefühl oder eine Wahrnehmung verurteilt er mich zum schlimmen Falschsein, zur unveränderlichen, alleinigen Schuld, zum Nichtdeslebenswertsein und zum zwanghaften Michwasschämenmüssen.

Mir das als zwar real existierenden, aber heute überflüssigen Automatismus immer wieder bewusst zu machen, mich meiner heutigen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt zu erinnern und sie anzuwenden, darin besteht die Therapie.

Aber ich erlebe auch allesergreifend Schönes. Überwältigend unbegreiflich Schönes. Genau so berührend wie die Sicherheit des geschehenden, unbegreiflichen Wunders der gleich aufgehenden Sonne.

Und es ist kein Wunder, dass ich da hin will. Scheint es doch „dem“ so nah, dem Glück, dem Ganzsein, dem Wasauchimmer, dem, wonach ich mich so sehne. Dem, was mir irgendwie zu fehlen scheint zum Glück.

Jedes Erleben ist nur ein Produkt meines Gehirns.

Es denkt sich manchmal, „nur das da“ fehle zum großen Glück. Und es glaubt, dieser Gedanke sei wahr. Einzig wahr. Dies und jenes müsse sein, und zwar so und so, um das Glück zu erreichen, das Ganzsein fühlen zu dürfen, wenn… nur…., ja, „das da könnte es womöglich sein“, was noch fehlt…

Aber das Leben ist weiter, viel weiter und kreativer als meine Vorstellung reicht.

Ich glaube also, dass ich mein Erleben und mein Urteilen, die Funktionsmöglichkeiten des Gehirns durch gezielte Benutzung umprogrammieren bzw. erweitern kann. Ich glaube also daran, Erlebtes neu zu bewerten zu erlernen, und mich somit von alten „Wahrheiten“ befreien zu können.

Dass ich nun so heftige Gefühle empfinden kann, ist Fluch und Segen zugleich. Manchmal erlebe ich „Schlimm“, manchmal „Dumpf“, manchmal aber auch so… unglaubhaft, überwältigend großartig.

Nein, ich kann ein schönes Gefühl nicht dauerhaft halten. Und so schlimm und grundehrlichtief wahr es sich und ich mich in irgendeinem aufkommenden Gefühls-Theaterstück des Unheils dann auch anfühlen mag – auch das bleibt nicht für immer.

Es kann genau so schmerzvoll wie wunderbar sein, das Leben. Eine plötzliche, unwirklich schöne, völlig unvorhersehbare Überraschung kann und wird die Wendung für mich erkennbar, ergreifbar und zum Erlebnis machen, die eigentlich schon und immer existiert.

Ich darf mich auch zum Teilseinkönnen entscheiden, darf mich entscheiden, sozusagen mit auf der Bühne zu stehen, wenn das Stück so schön ist wie beispielsweise das, was La Resurrezione in mir ausgelöst hat… . Aber ich kann mich auch entscheiden lernen, das Stück abspielen zu lassen, ohne ihm allzu große Teilhabe zu schenken.

So kann es gelingen. Ohne Halten zu können.

(Und wir kommen zur praktischen Übung, Fr. Nies…:

Auch der momentan zugegene Gedankenstau „Du nimmst dich zu wichtig, Du müsstest schon längst, schäm‘ Dich was…“ darf jetzt da sein… seufz…, Und jetzt, Leben, bin ich neugierig, was die Wendung einleiten mag. Ich klick‘ derweil mal, ein bisschen Mut anseite, auf „Veröffentlichen“… und entscheide mich aktiv zum Weitergehen, zu einem nächsten Schritt)

Vorfreude jetzt

so deutlich, dass es im Tagebuch gehalten werden möchte… und hierher geteilt

Die Stadt Wetzlar hat ein Geschenk für uns. Jeden Sonntag gibt es bei schönem Wetter ein Matinee-Konzert im Freilichttheater „Rosengärtchen“. Heute spielte die Band „Blues Range“ auf. Es war Musik zu meiner Freude, die es mit einer verführerisch kindlichen Leichtigkeit vermochte, meine Zweifler einzuladen, das Zetern einzustellen, ein bisschen loszulassen und staunend zuzuschauen, wie viel Spaß das machen kann.

Danke, Band, Wetzlar – und mir.

Glaube

Ein Schrei

ohne Ohr

ist ein Schrei

Eine Frage

ohne Antwort

eine Frage

Ein Spiegel

ohne Antwort

ist ein Glas

Ein Puzzle

ohne Bild

ist trotzdem ein Puzzle

braucht aber einen besonderen Blick.

Ein Schrei ist ein Schrei, eine Frage eine Frage

Muss ein Schrei gehört werden?

Braucht eine Frage eine Antwort?

Oder: Ist ein Bedürfnis nur eine Laune des Gehirns?

Welches Bedürfnis muss wirklich gestillt werden? Jetzt, heute, wenn wir erwachsen sind? In der Lage sind, zum Amt zu gehen: Braucht es da sowas wie das Gefühl des gehaltenen „Gehörtwerdens“, „Gesehenwerdens“, „Daseindürfens“, Nähe, Zuneigung, Bestätigung?

Es gibt Stimmen, die sagen, ein Mensch sei ein Gesellschaftstier und brauche die Antworten, das Gehörtwerden, soziale Bestätigung der Gruppe, ja, sogar Körperkontakt?

Mache ich nur Getue, schmarotze, heuchle, konsumiere ich nur Existenzerlaubniskalorien?

Oder bin ich ein Wesen, von dessen Gewimmer andere ihr „Gottseidankbinichganzanders- oder Ganznormal-Sein“ definieren – im Kontrast des Vergleichs, im Erteilen von Therapiestunden, im Anlegen einer Akte des deshalb existenzberechtigten Amts, weil es noch mehr von uns gibt…?

Ein Spiegel ohne Antwort ist ein Glas

…mein Reptilhirn, zuständig für die Beurteilung von Sinneswahrnehmungen, glaubt tatsächlich und immer wieder, haltlos in die Tiefe zu stürzen (lebensbedroht zu sein), wenn es keine Antwort, keine Bestätigung bekommt. Oder die Lösungen des Großhirns die Puzzleteile trotzdem nicht zur passenden Haltung bringen.

Es produziert „Schlimm“. Es glaubt, nicht da zu sein oder nicht da sein zu dürfen, also „weg“ sein zu sollen, aber trotzdem da zu sein…

Schuld und Scham, Zweifel am Urteil, Verzweiflung, Hoffnung und Verrücktsein sind eine logische Folge dieses Dilemmas des gleichzeitigen Daseins und Nichtdaseindürfens…

Dabei ist ein Spiegel ohne Antwort auch nur Glas. Beides ist eines – und, je nach Sichtweise, gleich zerbrechlich oder haltbar.

Ein Bedürfnis ohne Antwort ist und bleibt ein Bedürfnis. Es bringt mich nicht um, auch wenn mein Reptilhirn anders urteilt.

Alle Hirnteile dürfen lernen, dass sie da sind. Füreinander Frage und Antwort genug sein lassen lernen.

Das verstehe wer will! – IHIIICH!!!: ICH will!!! Aber dalli!

Ein Puzzle ohne Bild ist trotzdem ein Puzzle, braucht aber einen besonderen Blick

Kapitel 1: Puzzlen

Die Teile sind dieselben.

Früher haben die Teile zusammengehalten.

Nichts hält jetzt noch richtig.

Nichts hält mehr „Richtig“ zusammen. Es entsteht kein Bild mehr, so sehr ich mich auch mühe, die Teile passend zueinander zu bringen.

Kapitel 2: Mühen

Mühe ich mich wirklich genug?

Die inneren Kritiker sagen: „Nein“.

„Du musst Dich anstrengen.

Es muss mühsam sein.

Gib Dir mehr Mühe.

Du musst das alles doch schon lange können.

Das kann doch nicht so schwer sein!

Du stellst Dich nur an.

Stell Dich nicht so an!

DU stellst Dich was an!!!

Du willst doch gar nicht.

Kein Wunder, dass ich mit Dir nichts zu tun haben will.

Werd‘ endlich mal erwachsen.

Los, beeil‘ Dich…!!!

Du müsstest schon längst fertig sein!!!“

Mein ehemaliger Psychologe, so ich ihn verstanden habe, sagte bei unserem letzten gemeinsamen Termin: „Sie suchen zu viel. Solange Sie nicht bei einer Sache bleiben, sich nicht festlegen, ist jede Mühe aller Beteiligten umsonst.“

Ich fühlte mich verletzt, missverstanden, angegriffen. Verstand nur Vorwürfe… „Therapiehopping“ und „Therapeutenverschleiß“. Dabei hat er doch gesagt, ich mache zu viel? Meint er jetzt, ich mache „Um-den-heißen-Brei-Herumgetue“ oder meint er, ich brauche mehr von „Mich in Ruhe lassen“ und „mir vertrauen“? Oder beides? Dabei ist es doch einfach ’nur‘ seine Einschätzung, vielleicht noch nicht mal seine Wahrheit…

Es gibt so verdammt viele Wahrheiten…

Es gibt Stimmen (in mir), die sagen: „Ein Hirn umzuprogrammieren braucht seine Zeit. Jedes Hirn ist anders. Du musst es auf Deine Art machen. Zu der und im Rahmen der Zeit machen, die DEIN Gehirn, nicht Dein „Sollte“, braucht. Wie sollte es auch anders gehen?“

Und dann gibt es ein Zerverbrechen, ähnlich einem in sich zusammensinkendes Zeitrafferwelken, in mir: „Ich habe einfach keine Lust auf mich. Ich will das nicht mehr länger mitmachen müssen. Ich fühle mich widerlich an und weiß nicht, wie es anders gehen, werden soll. Es war doch schon immer so. Und ist immer wieder so. Das Leichte, das Vertrauen hat einfach keine bleibende Macht über mich. Es, dieses Getue ‚am Leben bleiben‘ ist der Mühe nicht wert. Es wird nie ein ganzes Bild werden, das vor meinem inneren Richter bleiben darf.“

Kapitel 3: Das staunende „Ah“

Und es gibt irgendwo eine Stimme, die sagt: „Ja, klar ist jede Mühe umsonst. Denn das Bild ist schon da.“ Und ganz einfach. Und eines beständigens Bewunderns schön.

Ich brauche nichts tun, denn es ist da.

„Es braucht nur den Blick“…

…das staunende „Ah“ ist schon da.

Das staunende „Ah“ ist schon da?

Blinzeln hab ich schon erlebt.

Glaube ich.

Kapitel 4: Glaube

Was???!!!

Soll das heißen, ich kann tatsächlich an etwas glauben?

T..Ja,…

Ich glaube, dass es ihn geben muss… Schließlich habe ich ihn schon erblinzelt… Ich glaube an den „Puzzlebildgott“.

Oder: Den „Gott“ im ungelösten Puzzle ohne Bild. Glaube an den Zwischenraum. Den, der es vermag, der alles zu eins ist und machen kann. Gleichzeitig. (… da war doch noch was? …Zitat am Rande gefällig? ) Der es vermag, das alles zu einem Bild zu machen, was eigentlich kein Bild darstellt.

Manchmal.

Trotzalledem.

Erblinzelter Glaube an den „Gott“, der es vermag, mir zu vermitteln, das alles (Puzzle und Eins, also) Puzzleeins ist.

Ich werde kapieren und damit (in Frieden, wenn ggf. auch gleichzeitig im Leiden zu) sein, dass nichts irgendein Teil oder Pixel sein muss, einen Raum einnehmen muss, eine Begrenzung hat, die hält. Ich werde verstehen, sein, dass nichts irgendwie anders sein muss… auch ich nicht…

weil es einfach (schon – und wahlweise mit Pünktchen über dem „o“) ist.

Es ist schon

begrenzt, gehalten, schrecklich, anders, leicht, besser, wieder und wieder widerlich… UND gut, wie es ist.

Ich weiß es schon lange und werde es nie kapieren. Und es ist gut und ich bin auf einem guten Weg, der gleichzeitig in den Abgrund führt.

Ich bin die, die haltlos in die Tiefe stürzt UND hält. Gleichzeitig.

Ich bin, sehe und fühle, auch wenn ich es gerade nicht fühle, sehe, bin:

„Ah“

Verständnis, Gefühl, Berührung, Kontakt zum Puzzlebildgott, der alles zusammen ist. Und mir gerade ein selbstvergackeierndes, zärtlich verhohnepiepelndes, aber aufmunternd erleichternde Lächeln ins Gesicht zaubert: …„Au weia, Karin…“

Mantra:

„Dieser Moment wird – wieder und immer wieder – gehenkommensein“

Zitat aus ‚das Leben des Brian‘:
Eine große Ansammung Menschen. Sie rufen alle gemeinsam, wie aus einem Munde:

„Wir sind alles Individuen!“

bis auf einen, der daraufhin meint: „Ich nicht.“

zurück …zum Leben des Ernstfaltenchirurgen 😉

Drei Begegnungen

Das, was den Moment so besonders macht, ist das Jetzt. Und genau dem bin ich gestern auf meinen Wanderungen drei Mal so eindrucksvoll begegnet, das ich jetzt noch drüber schreiben will.

Barbara

Sie kam mir auf dem Rad entgegen.

Es ist mir eine liebgewonnene, weil zwanglose, Gewohnheit geworden, Menschen bei Gelegenheit zu grüßen.

Wir lächelten.

Sie hielt spontan und sprach mich an.

Ihr Lächeln könnte in seiner Beseelheit drogenindiziert sein, so kindlich glücklich wirkte es. Dass ein Glaube das zu tun vermag, ist mir zwar bekannt aber doch immer wieder verwunderlich: Fasziniert studierend lauschte ich ihrem Gesicht.

Sie wollte ihren Glauben teilen. Ich lehnte dankend ab.

Aber wir gingen mit voneinander erfahrenen Namen…

…und ich mit ihrem Wunderlichkindsein im Sinn.

Die Rose

Die Rose ist eine Rose. Sie tut, was sie soll: Blühen und duften. Wachsen und stechen.

Ich bin ein Mensch, sehe, fühle, denke.

Bemerke, verknüpfe, hoffe, staune, erdufte.

Das Wunder ist im Hirn, nicht in der Rose

Transmitter im Hirn machen es, was es ist. Bunt oder vernichtend. Duft oder Schmerz.

Es ist alles da. Alles möglich.

Mein Reptilhirn erfasst den Duft der Angst. Bunt oder vernichtend?

Open to Ah:

Mach ein Wunder daraus.

Der Hund, der Groll und der Weg der Wunde (r)

Dieser Köter kläffte mich schon aus der Ferne an. Natürlich war er nicht angeleint und meine Hoffnung, er sei dann vielleicht doch ein gut erzogenes, weil auf sein Alphatier vertrauen könnend gebundenes Exemplar, erfüllte sich leider nicht. Er rannte leichtfüßig springend, aber deutlich verärgert erregt bellend auf mich zu.

Ich blieb stehen, senkte meinen Blick. Groll dröhnte auf: Das nun wieder…

Es gibt verschiedene Handlungsvarianten, die die menschlichen Begleiter von Hunden dieses Verhaltens ergreifen. Es gibt beispielsweise die erfolglos Befehlserteilenden, aber erfolgreich Schuldbewussten. Zu erkennen am hysterischen Herumgebrülle in den verschiendensten Tonlagen.

Die mir gestern begegnete Frauchenvariante ist mir zwar auch nicht willkommen, aber immerhin lieber: Sie machte noch nicht mal den Versuch, ihn zurückzurufen. Sie spazierte tiefenentspannt wirkend ihrem halbhohen Mischling hinterher, der in etwa vier Meter Entfernung von mir zum Stehen kam – ununterbrochen aufgebracht kläffend blieb er seiner Einschätzung der Lage treu. Sein basketballförmiger Kumpel hingegen schnaufte sich knurrbellend bis an mein Hosenbein.

Streng den Exerzitien des Ritus folgend bekannte sich Frauchen sicheren Wortes zu ihrem festen Glauben:

„Die machen nix.“

Ja klar. Logo.

Der Hund ist ja bekannerweise der Spiegel des menschlichen Begleiters und sie beißt mich ja im Moment ‚jetzt‘ nicht….

Das Hunde mich nicht tätlich angreifen, solange ich sie weiter nicht beachte bzw mich ihnen freundlich gegenüber zeige, hatte ich dem Volk der Hundeführer wirklich viele Jahre glauben können. Bis ich mehrfach eines anderen belehrt wurde.

Mein Hirn weiß, das es glauben könnte. Früher hätte es gewusst, dass diese Hunde nicht gefährlich sind.

Es weiß aber auch, das der Körper das nicht mehr weiß, im Gegenteil: Der erinnert sich an die Fehleinschätzungen des Hirns genau…

Es ist egal, ob es mein Groll ist, oder meine Angst:

Die Skepsis des Hundes jedenfalls ist geweckt.

Und aus unerwünschtem Kontakt mit Hundegebissen ist mühsam eine gute Erfahrung und wohl kaum ein Wunder zu machen.

Wohl aber aus dieser Begegnung:

Die Skepsis meines Körpers war geweckt. Schlug mir Alarm.

und

Es ist mal wieder gut gegangen, Körper. Haben wir gut gelöst, gut überstanden, gut gemacht.

Auf ein Neues, zurück.

Hin zum – angeborenen – Vertrauenkönnen.

Vertrauen

auf eine verlässliche Bindung.

And now…

…to something completely different…

Wie könnte ich den Beitrag noch nennen?

„VORSICHT! Sommer!“

„Verregelungsepidemie im Wohlstandsstaat“

„Hinterhältiger Angriff auf die öffentliche Ordnung – Beamte konnten Tatverdächtige ausfindig machen“

…Ach, ich wünschte, mir flössen die Worte eines humorig-bissigen Satirikers durchs Hirn…

….denn heute gab es eine echte Schwerglaubhaftigkeit im Briefkasten.

Lust mitzulachen?

Lauge

Ich bin sowas von gesegnet, in dieser Zeit in diesem Land leben zu dürfen, mich trotz mehr als jahreslanger Arbeitsunfähigkeit in finanzieller Sicherheit zu wähnen und physisch völlig gesund zu sein. Bin in eine Familie geboren, in der ich gelernt habe, die Regeln der Gesellschaft befolgen zu können und habe lange Jahre entsprechend den Anforderungen, die an mich gestellt wurden, funktioniert. Habe eine gute Bildung genießen dürfen und einen Beruf erlernt, dem ich lange Zeit nachgehen konnte und in dem ich mich auch in Zukunft wieder einbringen könnte, wenn ich es wollte, weil es auf Dauer so viele freie Stellen gibt und geben wird. Ich kenne wunderbare Menschen, zu denen ich mit meiner Verunsicherung Vertrauen üben gehen kann. Wieder und wieder. Manche werden sogar dafür bezahlt… Und ich habe eine vom Sozialsystem getragene Perspektive, wie es mit mir weiter geht. Ich lebe in einer günstigen Wohnung inmitten dieser Ecke Kleinstadt mit fließend sauberem Wasser, habe es warm und trocken. Es ist Frieden und Wohlstand in diesem Land.

Ich bin sowas von gesegnet.

Heute bin ich geschwommen, Rad und Motorrad gefahren. Das Wetter hat gepasst, die Luft war rein, die Straßen frei. Habe von vielen Menschen Lächeln durch Anlächeln ‚geerntet‘ oder es einfach so geschenkt bekommen. Ich wurde heute mehrfach herzlich, liebevoll berührt und sogar in den Arm genommen. Man hat sich sichtlich gefreut, mich zu sehen, mit mir zu sprechen. Mir so liebe Menschen haben von sich aus, einfach so,  Kontakt zu mir aufgenommen: Was für ein Geschenk, welch eine Fülle! Ist das menschlich wirklich zu erfassen?

Jedenfalls befand ich mich so gesehen heute in einem wohlig warmen Bad der guten Gesellschaft und freundlicher Begebenheiten.

Ich könnte sowas von glücklich sein, rundlich wonnig beseelt.

Das bin ich doch – auch?

Vorrangig aber fühle ich mich gerade ausgelaugt.

Und deshalb schuldig.

Denn da ist noch mehr…

„DU SOLLTEST… sowas von glücklich sein, rundlich wonnig beseelt!“

Ich bin für sie, meine inneren Kritiker, so (einfach) wie ich bin, nicht genug. Ich soll mehr sein, besser sein…

Sie lassen mich ‚einfach‘ nicht in Ruhe.

Was ‚Schlimm‘ entzündet.

Eine Auslaugung ist definiert als die Herauslösung von Substanzen durch ein Lösungsmittel aus einem Feststoff.

Nehme ich die Schuld mal Beiseite und empfehle Schlimm solange in ihre Obhut…

…sortiere also den Lageplan der Verurteilungen neu…

…ergibt sich Neues:

Wo etwas herausgelöst wird, entsteht Raum.

Raum für andere Perspektiven und neue Blickwinkel.

So gesehen gibt es neben den ewigeifrigen Vordränglern „Schuld“ und „Schlimm“ noch weitere herausgelöste Substanzen. Schlichte Müdigkeit zum Beispiel, Erschöpfung, „Geistüberflutung“ – ob ich es will oder nicht. Verwässerte Wut bei all der Anpassung. Ratloses Achselzucken. Hoffnungslosigkeit. Ohnmacht. Das gleichzeitige Spüren, Vermissen und die Ungreifbarkeit von Vertrauen, von Bindung, von Teilsein-Fühlen. Im Feld der Wahrnehmung erscheint auch der Trost der Traurigkeit, die den Schmerz vermag zu lieben – ihn umschließt, verbirgt, versorgt.

Vielleicht braucht die Traurigkeit gar keinen Trost. Sie ist es. Wenn ich sie ganz sehe.

Und das Lösungsmittel, das mir erlaubt hat, das zu erkennen, war dieser wonnig runde, glücklich beseelte Tag mit all seinen Begegnungen.

Auslaugung ist die Herauslösung von Substanzen durch ein Lösungsmittel aus einem Feststoff.

So ist alles richtig – und schon kann mir rückblickend gelingen, was vom Feststoff (oder vom Zähen, Schweren, Klebrigen) übrig bleibt:

Das Lächeln dieses Tages einfach, dankbar schweigend seufzend zu erwidern.

Dem Wunsch der Müdigkeit nach Schlaf zu folgen, und darauf zu vertrauen, dass, wie sie, die anderen herausgelösten Substanzen vielleicht dort ebenso das finden, was sie erlöst.

Ausgelaugtsein ist eine Lösung.

unter die Haut

Im Rahmen der Behandlungsstunden mit meinen körperpsychotherapeutisch interessierten HelferInnen wurde und werde ich oft gefragt: „Und wie fühlt sich das im Körper an?“

Oft spüre ich irgendwie nichts, kann es nicht beschreiben oder ich spüre was, sage das und gleich das dazu, was meine inneren Kritiker dazu meinen. Sie finden das dann „immer“ „zu wenig“, „falsch“, „dumm“, „verlogen“. Kurz: Ich habe es schwer, meinen Körper wahrzunehmen und das einfach zu beschreiben, was er mir mitteilt. Ich will „die Kritiker“ nicht hören und die Gefühle nicht wahrnehmen, die diese Gedanken auslösen.

Gerade jetzt fühle ich dieses Gefühl, das meistens da ist und versuche mal, es zu beschreiben. Ich nenne es mal so: Es fühlt sich an, wie eine „innere Neurodermitis“. Ich würde die Unruhe, das Aufgewühltsein als „juckloses Kribbeln unter der Haut“ beschreiben. Also nicht auf, sondern unter der Oberhaut. Es ist gerade am deutlichsten in der Schulterpartie, den Schulterblättern und den Oberarmen wahrzunehmen. Die Oberschenkel senden es aber auch. Die Zahnreihen haben übersanften Druck, der Kiefer ist also angespannt. Der Körper ist gespannt. Aber nicht freudig erregt gespannt, sondern wie in der Erwartung einer unvorhersehbaren, aber altbekannten Gefahr. Es ist nicht klar, was kommt. Glaube aber, zu wissen, es kommt eine bedrohliche Situation auf mich zu. Mein Urteil lautet: „Ich muss aufpassen“. Ich sollte „raus“.

…und gehe jetzt auch raus – in die Sonne.

Und auf den Samstags-Wochenmarkt.

Die Sonne spüren, die Wärme fühlen, Sicherheit sehen, versuchen, sie auf mich wirken zu lassen.

Sie einladen, mir unter die Haut zu gehen.


Üben, etwas mehr

damit

statt etwas dagegen zu tun.

 

 

Pinnwürdiges

Ich darf seit ein paar Monaten bei der ein Mal wöchentlich stattfindenden DBT Skillsgruppe mitmischen.

Neben uns 4-8 Teilnehmerinnen sind immer zwei therapeutische Mitarbeiter zugegen. Der Ablauf der 1,5 stündigen Gruppe folgt einer festgelegten Struktur. Zunächst gibt jeder der Anwesenden seinen momentanen Grad der Spannung an. Bei über 70 (von 100) wird nachgefragt ob eine Intervention (‚runterskillen‘) alleine oder in Begleitung außerhalb des Raumes notwendig ist. Nach einer Achtsamkeitsübung trägt jeder seine Hausaufgaben der letzten Woche vor und kann in begrenztem Rahmen eventuelle Unklarheiten oder Schwierigkeiten ansprechen. Danach folgt eine Pause von 5-10 Minuten. Inhaltlich arbeitet sich die Gruppe am ‚Manual‘ (Bohus / Wolf,
Interaktives Skillstraining) entlang. Die Hausaufgabe besteht dann meistens im Bearbeiten eines Arbeitsblattes zum neu besprochenen Thema. Abschluss der Runde ist eine weitere Anspannungsrunde und die Frage, wer die Achtsamkeitsübung für die nächste Woche vorbereitet.

Ich wurde immer kleiner in meinem Stuhl. Zwar war ich diesmal nicht gehetzt als letzte in den Raum gehuscht, musste aber feststellen, dass ich die Hausaufgaben nicht richtig verstanden und somit auch nicht gut vorbereitet hatte. Zu meiner Grundscham gesellte sich nun noch ein übertriebenes, kindliches Schuldgefühl und eine Wut darüber, sowie über die Feststellung, dass ich den Vorträgen meiner Kolleginnen nicht folgen konnte. Wie ich selbst hatte jede scheinbar etwas anderes verstanden oder sprach schüchtern verunsichert nuschelnd ohne Blickkontakt…

Allesamt mir ein Spiegel.

Ich konnte mich nicht konzentrieren, nicht zuhören…

Meine Anspannung war deutlich gestiegen: Ich war so froh über die Pause, floh in das kleine Draußenalleinesein und erkannte dort außer mir schnell ‚Schlimm‘ um Zuwendung drängeln.

Ich atmete und stand an dieser Brüstung. Nahm die Wärme der Sonne wahr und gab es für einen halben Atemzug lang auf, einatmen zu müssen.

So war es mir zu fassen:

Nur mit Schlimm bin ich ganz. Jetzt.

Ich bin nicht schlimm, aber ich habe ihn. Ohne ihn gibt es mich jetzt gerade nicht.

Diese Fassung möchte ich hiermit als Schablone an meine Pinnwand hängen.

So mies sich gerade was anfühlt, ob es schlimm ist oder nicht: Es hilft doch nicht, etwas ‚weg‘ haben zu wollen, was schon da ist.

Nur mit dem Gefühl bin ich ganz. Ich kann bestenfalls lernen zu dirigieren. Hellsehen kann ich nicht.

…durchatmen, wenisten noch ein paar Schritte ums Gebäude laufen und wieder rein zum….

Offensein üben

In jedem neuen Moment habe ich immer wieder eine Chance dazu.


Habe mir übrigens die Hausaufgabe genau notiert.

Müsste dann nur wieder den Zettel finden…

Salbe und Wirken

Die Neurodermitis

Mit meinem Krankenpflegeexamen 1989 und der damit verbundenen Rollenveränderung trat meine Neurodermits auf.

Die Schulmedizin konnte mir auch mit Salben-, Licht- und Badetherapie nicht helfen. Und die Erfolge einer stationären Behandlung verpufften anschließend nach schon drei Wochen. Mehr und mehr half nur noch Kortison. Ohne Salben aus dem Haus zu gehen war nicht denkbar für mich.

Diese andere Art von Aufgekratzsein führte mich schließlich auf andere Wege: „Heilung“ brachte ein Aufenthalt in einer Klinik, die einem besonderen Genehmigungsverfahren der Krankenkasse bedarf, arbeitete sie doch gänzlich nach den Regeln klassischen Homöopathie. Ich war so glücklich, dort hin gehen zu dürfen: Hoffnung.

Ich erinnere mich noch an das stundenlange Anamneseverfahren. Man wurde in dessen Rahmen gebeten, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und sich von zwei ÄrztInnen betrachten zu lassen. Letztendlich erhielt ich einmalig drei bis fünf Globuli, Glaubersalz, dreieinhalb Wochen Saftfasten, 2 x pro Woche Colon-Hydro-Therapie (eine einstündige Darmspülung), ansteigende (das Wasser wurde währenddessen erwärmt) Fußbäder mit Rosmarin und nur bei Bedarf Lymphdrainagen, Kartoffelwickel, Halbedelsteinauflagen und Sauerkrautsaft. Die meisten Patienten dort litten an Haut- oder Darmerkrankungen. Alle mussten fasten, und zwar in zweierlei Hinsicht: Der schlimmste Schrecken übte für mich das Salbenfasten aus. Ständig juckende, schuppende, entzündete Haut ohne Schmierzeug?

Ich glaube, jeder, der unter trockener Haut leidet oder vielleicht mal sowas wie Fußpilz gehabt hat, kann sich annähernd vorstellen, was das bedeuten könnte. Nicht nur meine Haut war abhängig von äußerem Fett. Ich fühlte mich psychisch abhängig und stand vor dem kalten Entzug.

Neben dem Verzicht auf alle symptomlindernde Maßnahmen nahmen wir alle für durchschnittlich drei Wochen  keine feste Nahrung zu uns. Und alle wurden anschließend auf tierisch eiweißfreie Rohkost umgestellt. Es gab neben vielen Vorträgen über Homöopathie und Ernährung auch psychotherapeutisch angeleitete Gruppen- und Einzelsitzungen sowie Ergotherapie. Ich blieb insgesamt ca. acht Wochen, noch drei Monate bei der empfohlenen Kost und bin ‚Pescetarier‘.

Mein Haut riss damals auf, manchmal bei jeder Bewegung. Sie schmerzte, eiterte – und heilte.

Es ist und bleibt wunderbehaftet, dass sie seit dem nie wieder so nach etwas schreien musste.

Vor einigen Jahren traten die Symptome aber wieder zunehmend auf.

Als Krankenschwester auf einer Demenzstation dieser Zeit braucht man in vielerlei und völlig unterschiedlicher Hinsicht ein dickes Fell…

Ich fand mich häufiger in der Apotheke vor den einschlägigen Tuben und merkte doch recht schnell, dass ich das nicht mehr will.

Also der Symptomen wegen (Zufälle gibt es nicht) fand ich meine Hausärztin, die sich auf die klassische Homöopathie spezialisiert hat und mich seither nicht nur entsprechend behandelt sondern mich auf meinem Weg begleitet, mir so zum Beispiel auch meine Körperpsychotherapeuten und die Heiligenfeldkliniken empfohlen hat.

Bei der Homöopathie geht man davon aus, dass die Symptome rückwärts ausheilen. Neuste Symptome zuerst.

Die Haut beruhigte sich schnell wieder.

Die Essstörung

Stopfen. Hinein und Löcher: Halte inne!

Das stumme Schreien nach außen: Bitte bleib! Bleib so. Es ist nicht gut, aber es könnte schlimmer kommen. Ich tue alles, was ich vermag dafür, dass „es“ bleibt, wie es ist.

Das Stopfen nach Innen: Ich tue alles dafür, was ich zu tun vermag. Ich esse, damit ich so bleiben kann, wie ich bin. So sein kann, damit es nicht schlimmer kommt. Damit ich es halten kann, was ist, damit „es“ nicht wahr ist, was ist. Schlimmer als das, was ist, ist die Angst davor. Und die brauche ich nicht spüren, erkennen, sehen, wenn ich esse. Ich bin schlimm, wenn ich esse, nicht „Es“, das ich nicht verstehe, gegen das ich nichts zu tun vermag und das richtig sein muss, damit ich überleben kann. Wenn „Es“ richtig sein muss, es sich für mich aber falsch anfühlt, muss ich doch falsch sein. Vermutung: Ich esse, um zu wissen, spüren, errichten, einen Grund unter meinen Füßen für mein Falschseingefühl zu haben.

Es dauerte Jahre, bis ich – in Uffenheim – den Griff, meinen Halt durch sie, meine Essstörung – lockern konnte.

Ich hatte mich in meiner Kindheit an sie gebunden.

Die Salbe meiner Kindheit legt nun meine Wunden frei.

Es schmerzt. Es eitert Ungesichertsein, Schlimm, Getue und

Falschseingefühl.

Ich muss da durch und vertrauen lernen, dass ich mich mit und durch mein Er-Leben heile.

Ich muss da durch? Besser: Ich bin da mit.

Dieses Erleben ist mein Weg. Ich muss keinen er-finden.

Darf von den Geschichten und Märchen lassen.

Mein Geist spinnt und denkt, mein Gefühl zwingt und schwappt, mein Urteil spaltet, glaubt Fetzen reißen und zu irgendwas verkleben zu können.

Mein Verstand glaubt sich noch in Nachwehen. Er glaubt, ich könnte die Macht ergreifen, könnte es richten. Glaubt, ich müsste tun, sein, machen, verstehen, endlich kapieren, endlich loslassen, endlich vertrauen, planen, bleiben, gehen, halten. Und zwar schon längst! Schnell! Schneller!

Mein Verstand glaubt… ich müsste er-leben.

und

Er ist. Es ist. Jetzt ist es. Ich wirke. Mitten im Atem.

Ob ich’s gerade mal wieder begreife zu kapieren zu scheinen und es ganz sicher niemals (er-) schaffen kann.

Weil’s schon ist…

 


 

Danke für Euch, für Ihr und Euer Sein in meinem Lebensein. Ihr alle, derer Hilfe ich mich bediene. Gefragt oder ungefragt. Es ist, wie es ist.

You’re beautiful

Ich höre ihn schon seit Stunden zufällig den Radiosender WDR 4 und freue mich über die Musikauswahl.

Gerade jetzt läuft „I believe in miracles“ von Hot Chocolate… ich stelle mir einen guten Tänzer dazu vor. Was immer das ist. Amy Winehouse hatte mal so zwei Backgroundsänger im Video die ich gerne die ganze Zeit in Großaufnahme gesehen hätte… Egal… ich drifte schon wieder ab!

Denn zuvor wurde von und mit James Blunt „You’re beautiful“ gespielt. Und da fiel mir die Frau gestern im Schwimmbad ein.

Ich hätte ihr es sagen sollen, verdammt nochmal!

Echt jetzt?

Aber.

Ich habe es nicht getan.

Ich denke jetzt an sie. Und habe viel nachgedacht.

Ich widme ihr nicht nur Gedanken. Sondern schicke ihr meine guten Wünsche mit auf ihren Weg.

Sie schwamm kaum. Deshalb sah ich sie so oft. Sie hielt sich an den Beckenrand im Westen und machte langsame Übungen mit Beinen und Rumpf. Sie trug einen türkisfarbenen Badeanzug und ihre langen, blonden Haare hingen bis über die Achseln.

Ob sie darunter rasiert war? Gestern kam mir kein Gedanke daran. Hatte sie, wie so, so viele andere, ein Tattoo? Keine Ahnung. Ich hatte meine Augen woanders.

Mir gefielen ihre üppigen Kurven. Gefüllte Haut. Nicht prall, erdrückend, erstickend. Umfangreich. Gerade an Oberschenkeln und Rumpf. Für mich wohl proportioniert.

Gedanken und Handlungsimpuls:

Mir kam der Gedanke, dass ich sie schön finde. Und auch der Gedanke, dass ich ihr das sagen könnte. Und die Frage, warum ich das nicht getan habe.

Situative Beobachtung:

Kaum bekleidet im Schwimmbad.

weitere Aspekte meiner persönlichen Wahrnehmung:

Sie war übergewichtig und ihre Mundwinkel waren ohne Anspannung. Ihr Blick ging ins Leere. Sie wirkte traurig auf mich.

Vorurteile, Vermeidung und Feigheit, Einhaltung sozialer Regeln – oder Respekt?

Ich glaube zu wissen, wie sich übergewichtige Frauen im Schwimmbad fühlen. Ich gehe von mir aus. Es war für mich immer eine Mutprobe, eine so große Überwindung, ins Schwimmbad zu gehen, dass ich es jahrelang einfach gelassen habe – obwohl ich weiß, wie gut ich mich nach dem Schwimmen fühlen kann. Beispielsweise war ich in Uffenheim nie im Schwimmbad. Ich hatte die Badesachen dabei. Hätte ich ganz, ganz sicher sein können, ganz gewiss niemanden zu kennen, hätte ich es vielleicht wagen können. Aber alleine der Gedanke, irgendjemand, wirklich völlig egal wer, der mich identifiziert, könnte einen Blick auf meinen Körper im Badeanzug werfen, ist mir bis heute sehr präsent nachvollziehbar, nachfühlbar… : Es ist ein grauenhafter, seelischer Schmerz, der durch diese Vorstellung ausgelöst wird. Klingt mal wieder sehr theatralisch, aber ich kann mir vorstellen, dass jeder Mensch so was in sich trägt, so eine angstbesetzte Unvorstellbarkeit bewahrheite sich…

Es ist wie ein Vergrößerungsglas der eigenen Selbstverachtung. Es hat keine Spur mit Realität, Vernunft oder so zu tun, fühlt sich aber an als hätte der Pfeil der Wahrheit bei lebendigem Leib das weiterschlagende Herz getroffen und den Körper angepflockt. Der Atem hört auf, aber man muss weiter leben und sich die Wahrheit ansehen, die man doch immer nur im Geist existent wähnte als irre Unvorstellbarlichkeit.

Wie hätte ich damals wohl reagiert, wie würde ich heute reagieren, würde mir jemand sagen…:

„Entschuldigen Sie bitte, ich möchte nicht respektlos sein, übergriffig oder Sie in Scham versetzen. Aber ich dachte gerade daran, dass ich für mich festgestellt habe, dass ich Sie schön finde. Und ich hatte den Gedanken, Ihnen das einfach mal sagen zu wollen.“

Wie würde es Euch damit gehen?

Klar, es kommt drauf an, wie, wer, wann…

Aber.

Mir wäre es wohl wahrscheinlich so gegangen, dass ich meine Fassade eingesammelt hätte, mich höflich bedankt, wäre errötet, hätte gelächelt…

und innerlich hätte ich sterben müssen, mich ganz schnell „weg“ machen, dissoziieren nennt man sowas auch. Vor meinen eigenen Urteilen und Ängsten verschwinden.

Oder ich hätte mich bittersüß bedankt und innerlich wäre mir die Wut aufgeschwollen. Wie kann die mich so mit meiner Unfähigkeit zu vertrauen in Kontakt bringen?

Ein solches Kompliment beinhaltet in jedem Fall, gesehen worden zu sein. Ein Schreck ins Mark der Seele. So gesehen habe ich meine Feststellung, dass ich sie schön finde, aus Respekt nicht mit ihr geteilt. Ich wollte sie nicht verletzen oder…

…nahm ihr die Freiheit, die Reaktion auf diese Worte meiner Wahrheit spüren zu können.

…nahm mir die Möglichkeit, meine Erfahrungen zu erweitern. Wie wäre es mir ergangen mit ihrer Reaktion?

…wenn ich es gewesen wäre, der sie in eine Dissoziation schickt? …wenn sie mich hohl angelächlt hätte? …wenn sie sichtbar verletzt gewesen wäre? …wenn sie mich angeblafft hätte, was ich mir wohl erlaube?

Gerade gestern haben wir in der DBT Gruppenstunde mit dem Thema „Zwischenmenschliche Fertigkeiten“ begonnen. Je nach dem, auf welchem der Aspekte „Ziel“, „Selbstachtung“ oder „Beziehung“ der Kontakt orientiert ist, wird die Kommunikation anders verlaufen.

Die Beziehung spielt erstmal keine Rolle, denn ich kannte die Frau nicht und hatte auch kein Interesse, sie näher kennenzulernen.

Ziel? Große, unerwartete, also überraschte Freude! Auf beiden Seiten. Aber das ist zu ungewiss durch eine Äußerung dieser Art und Situation zu erreichen. Ich möchte aber auch niemanden verletzen. Weder sie noch mich… und nur um meine Freude zu triggern soll ich riskieren, sie zu verletzen?

…wo wir fließend bei der Selbstachtung wären… ich muss gut auf meine Grenzen achten. Ein Augenaufschlag eines Menschen vermag mir ein Anlass zu sein, mich aus meiner Wärmflaschengeborgenheit in die Landschaft des Selbstzerrisses zu beamen. Das kann in jeder Hinsicht gut oder schlecht sein: Nur durch den dortigen Aufenthalt kann ich wieder und wieder erfahren, dass ich da auch wieder raus und einen guten Platz für mich finde. Aber mir fehlt halt eben noch so oft die Zuversicht, es gelänge mir wirklich. Klar ist es auch Trägheit/Vermeidung. Und es hat auch seinen Reiz, auf meine Verletzlichkeit zu achten.

Also nur um erfahren zu können, wie es sich für mich aus dem Strudel hinausbewegt soll ich riskieren, dass sie ungewollt in einen hineingezogen wird?

…aber wie kann ich wissen, wie es ihr ergangen wäre?

Ich entschied mich zum Schweigen, Denken und: Wohlsein wünschen.

Vielleicht kommt es ja bei ihr an.

Ich jedenfalls kann gerade darüber in Frieden mit mir sein. Und das ist schön. Und ich habe festgestellt, dass ich die Frau („etwas“) als schön empfinde und das einfach für mich stehen lassen.

Also das Ziel der Freude ist bei mir erreicht. Danke, Frau, dass Du im Schwimmbad warst!

Vielleicht mache ich es beim nächsten Mal anders.

Und dann schaunmermal.