Reha Rahmen

Hier laufen so täglich etwa 60 Rehabilitanten herum, die an unterschiedlichen Maßnahmen teilnehmen. Es gibt die EGH’s (Eingliederungshilfe), die MnP’s (Maßnahme zur Entwicklung neuer Perspektiven) und RPK’s (Reha psychisch Kranker).

Die 30 RPK’s leben meist in den zwei Wohngruppen mit je 12 Bewohnern in zwei Doppel- und acht Einzelzimmern mit Waschbecken und kostenlosem, flottem WLAN (6:00 – 0:00 Uhr tgl.).

Wir teilen uns die Wohnküche, die sanitären Anlagen, einen Aufenthaltsraum mit TV. Waschmaschinen und einen gut gelüfteten Trockenraum. Je ein Mal wöchentlich findet das „Wohngruppengespräch“ und das „Wohngruppentraining“ statt, in dem das Zusammenleben angesprochen wird, bestimmte Dienste aufgeteilt bzw. zeitgleich erledigt werden.

In jeder Wohngruppe gibt es je sechs „Gruppen-“ und „Selbstversorger“. Zum Selbstversorger wird man regelgerecht frühestens nach acht Wochen und nur, wenn einer der sechs Plätze frei wird. Sie bekommen einen bestimmten Betrag ausgezahlt und können für ihr Essen selbst einkaufen, müssen sich daneben aber auch selbst um ihr eigenes Geschirr, Spüli, etc. kümmern. Ihnen steht ein eigener Vorratsraum mit Kühlschrank zur Verfügung. Mittags gibt es für alle Rehabilitanten ein von der Hauswirtschafterin zubereitetes Mittagessen im Gemeinschaftspeiseraum.

Wir Gruppenversorger bekommen in unserer Wohnküche entsprechend der Tageszeit einen Schrank für das Frühstück bzw. das Abendessen aufgeschlossen und in einen Vorratsbehälter ebenfalls gekennzeichnete Lebensmittel. Wir können uns selbst aussuchen, wann, ob und was wir davon essen möchten. Zudem steht uns noch ein wöchentlicher Gemeinschaftsbetrag in der Höhe von 60,-€ zur Verfügung, mit dem wir zusätzliche Lebensmittel (Obst, Joghurt, etc) oder benötigte Haushaltswaren (Frischhaltefolie usw.) einkaufen können. Dafür setzen wir uns zusammen, schreiben eine Einkaufsliste und zwei von uns ziehen dann los und der Kühlschrank ist wieder voll….

Ich fühle mich sehr wohl mit diesen freizügigen Essenszeiten. Auch können wir kommen oder gehen, wann wir wollen, solange wir am Rehaprogramm teilnehmen und hier übernachten. Im Haus gibt es einen Fitnessraum (sogar mit Radio / WLAN / TV…), der für 24 Stunden täglich geöffnet und so gelegen ist, dass wir ihn auch jederzeit benutzten können, ohne zu stören.

Tagsüber sind wir morgens in den verschiedenen Ergotherapie-Tätigkeitsbereichen aufgeteilt. Es gibt die Holz-, Textil- und Digitalwerkstatt und die Hauswirtschaftsgruppe  für je maximal sechs, sowie die Küchenhelfer/Köche und die Hausmeistergehilfen mit je 2-3 Plätzen. In diesen Bereichen halten wir uns vormittags von 8:30 bis 12:00 Uhr auf. Nachmittags gibt es (anfangs 2 x wöchtenlich) Einzelgespräche mit dem jeweiligen Rehaberater, der uns bis zum Ende der Maßnahme begleitet. Ich bin ziemlich zufrieden mit dem, den ich zugeteilt bekommen habe und denke, da habe ich Glück gehabt.

Ein Mal wöchtenlich sollen wir an einer „Aktivierungsgruppe“ teilnehmen (Sport mit unterschiedlichen Gewichtungen – Mannschaftssport, Fitnessraum z.B.). In Bälde werde ich noch einen Termin für die Gesprächsgruppe hinzu bekommen, da die DBT-Skillsgruppe zur Zeit nicht stattfindet. Außerdem gibt es freiwillige, offene Angeobte wie „Kreativgruppe“, „Chor“ und „Tanzen“. Ein Mal im Monat findet eine Freizeitaktivität statt, zu der wir alle eingeladen sind (zuletzt gab es vier Teilnehmer…).

In der Holzwerkstatt stehen alle nötigen Geräte zur Verfügung, die mir einfallen. Da ich mit keinem von diesen nennenswerte Erfahrungen habe, kann ich noch ganz viel lernen. Heute habe ich einem Mitrehabilitanten gesagt, dass ich irgendwann auch mal so cool und gelassen an der für mich ziemlich mächtig wirkenden Kreissäge stehen möchte, wie er 🙂

Den Tätigkeitsbereich kann man in Absprache und bei entsprechend freien Plätzen auch wechseln.

Nach spätestens neun Monaten beginnt die Zeit der Praktika in Betrieben außerhalb des Hauses, um die Belastbarkeit für die sich eventuell anschließende berufliche Rehabilitation zu testen, die in der Regel nach einem Jahr beginnt.

Haus Landwasser hat sich verdoppelt, es standen noch im letzten Jahr nur etwa die Hälfte der Rehaplätze und ausschließlich Doppelzimmer zur Verfügung. Entsprechend der Zahl der Rehabilitanten hat sich auch die Zahl der Mitarbeiter vermehrt. Diese Veränderung ist zwar noch zu spüren – viele Mitarbeiter kennen sich selbst nicht so gut aus – , aber es scheint, als seien alle engagiert bei der Sache, was für eine gute, freundlich-motivierende Stimmung sorgt.

Araber

„Stellen Sie sich vor, Fr. Nies, sie besäßen ein schönes, wildes Pferd. Einen nervösen Araber – irritierbar, tempramentvoll, geht auch gerne mal bei Anlässen durch, die jeder Mensch als ungefährlich bewerten würde. Und es ist gar nicht mal so einfach, ihn wieder zur Ruhe und entspanntem Grasen zu bringen. Es braucht Mühe und Geschick. Geduld und Zeit. Viele Andere sitzen auf einem ruhigeren Pferd, können es mehr oder weniger unbeschwert reiten und kommen damit vielleicht auch gelassener an. Sie aber haben da ein Pulverfass… klar fliegt man da viel öfter und im hohen Bogen runter und das Aufsteigen ist immer wieder neu eine Aufgabe, zu der man sich überwinden muss.

Man kann sich sein Pferd zwar nicht aussuchen, aber so ein Araber ist bei aller Angst schon auch ein feines Tier. Und, ja, es ist möglich, es sogar reiten zu lernen. Stellen Sie sich das nur mal vor, dass es gelingen könnte, ihm als Freund zur Seite zu stehen…“

Ich fühle mich gerne ein und spiele mit diesem Bild, das mir einer meiner Therapeuten mit auf den Weg gab. Es gefällt mir. Und gerade ist mein Vierbeiner (emotionales Erleben) mal wieder in Wallungen.

Er steht in einem fremden Stall und ich lasse mich irritieren, denke mal wieder, ich sei Dompteur, kein Freund, und mein Araber sei doch ein kaltblütiger, nervenstarker Haflinger und ich müsse nur genug davon überzeugt sein, dass ich schon alles weiß und kann, um ihn dazu zu bringen, mir zu vertrauen und brav das alles zu tun, was richtig und gut sein könnte.

Ich versuche sie mechanisch immer wieder, die Rolle des Dompteurs, der an seine Wahrheit glaubt, dass Pressen, Zwingen, Brechen, Beugen doch irgendwie funktionieren wird. Man muss sich nur genug anstrengen…

Ständig trennen sich unsere Wege, er bricht mir immer wieder aus, reagiert übernervös, unruhig, gehetzt… sondert sich ab, sucht nach Nähe und hält sie doch gar nicht aus.

In einer Gesellschaft aus weiteren exotischen Pferderassen, neu eingestellten Stallbetreuern und fern der Heimatsteppe ist mein Araber zittrig, und, unter uns DBT’lern gesprochen, ständig vor dem oder knapp im Hochspannungsbereich.

Wir müssen da durch, Pferd, und wir schaffen das.

Wir schaffen das mit Pausen. Mit Ruhe. Mit Wut, Trauer und Getriebensein und mit all der Angst, die sich so viele Anlässe sucht.

Wir schaffen das, indem wir uns anvertrauen und weiter versuchen, sicheren Stand zu gewinnen und die Angst wie einen Wind vorüber ziehen lassen.

Ich will den Araber achtsam kennenlernen. Ihm Anlass geben, mir trauen zu können. Er muss schon viel mitgemacht haben, ist voller Angst. Er braucht seine Zeit… und er ist und bleibt ein Tier (alte Hirnregionen sind in Alarmbereitschaft). Ich werde ihn nie dazu bringen, eine Maschine zu sein.

Wie soll ich wissen, ob ich am richtigen Ort bin? Hier gibt es Wasser und Weiden. Ob hier aber das rechte Gras wächst für meine Art Araber? Ob ich in die Herde passe? Wie soll ich das jetzt schon wissen?

Es wird sich zeigen.

Brechen lässt er sich nicht, er ist mächtiger. Ich will ihm auch keine Kandare (Psychopharmaka) anlegen, war er doch so lange eingesperrt und im schweren Geschirr eines viel größeren Ackergauls wund und lahm geworden.

Ich darf nicht aufgeben, ihm / mir die Hand hin zu halten.

Auch wenn er manchmal kaum einen auf ihn gerichteten Blick standhält.

Kaffeesatz

Ja, ich habe einen Platz gefunden in Freiburg.

Das vorläufige Endergebnis der Suche nach meinem Lieblingscafé ist gefallen. Die einfrauige Jury wählte das Eiscafé „Eis Sensazioni“, zu finden in der Elsässer Straße 60 in 79110 Freiburg, zu ihrem favorisierten Kaffeezubereiter aus einer vermutlich niedrigen zweistelligen Auswahl zufällig gewählter Konkurrenzanbieter. Getestet wurde jeweils ein Cappuccino sowie eine einkugelige Portion Eis der Geschmacksrichtung Haselnuss. Die Lage und Ausstattung der Lokalität, sowie der Service spielten eine untergeordnete Rolle in der Bewertung, flossen aber bei der Entscheidungsfindung ebenfalls mit ein, ebenso der Geschmack und die Konsistenz der Waffel, wohingegen „Sahne“ durchwegs nicht gewählt wurde und somit keine Berücksichtigung fand.

Dort also steht eine chromglänzende Siebkaffeemaschine, die Handgriffe der Zubereiter wirken völlig automatisiert, die Bewegungen fließend und die Menschen sich ihrer Sache sicher. Der Kaffee kommt umgehend, heiß und kräftig aromatisch daher. Man spricht italienisch. Viel und schnell, hat sich ständig was mitzuteilen. Die Stimmung wird gelassen, auch heiter. Die Kundschaft wird bedient. Flott, geschmeidig, freundlich, aber bar jeglicher Übertreibung. Ja, ich glaube, das, was mir besonders gefällt ist der Eindruck „schnörkelloser Bodenständigkeit“: Kein Schnickschnack. Keine Phantasiepreise. Einfach nur gute Qualität in allen für mich beurteilbaren Kriterien.

Dieser Krümel ist also gesunken und hat sich gesetzt. Alle anderen meiner so zahlreichen Eindrücke nach fast/schon/erst 14 Tagen in Freiburg (sch)weben noch das Aufgewühltsein.

… und gleich nebenan gibt es da noch die „Mooswaldbäckerei“ Ortlieb. Neulich schon habe ich ihren Werbebanner gelesen: „Hier wird traditionelles Bäckerhandwerk betrieben – vorgefertigte Teiglinge werden bei Ortlieb nicht aufgebacken.“

Eine weitere Filiale gibt es wohl nicht. Homepage? Fehlanzeige.

Soeben, am frühen Morgen, war der Verkaufsraum gut besucht. Auch die wenigen Plätze im Freien waren belegt. Menschen in Arbeitskleidung, Menschen in Bürokleidung und Schulkinder füllten den Verkaufsraum.

Eine gesonderte Vitrine mit belegten Waren ist gut gefüllt. Man ist also auf reichlichen Absatz vorbereitet.

Klingt nach einem weiteren, sinkenden Kaffeekrümel…

 

Mitglied

Sehr geehrte Frau Nies,

wir bedanken uns für folgende Bestellung:

Bestellnummer: 44839189

SC Freiburg – Cagliari Calcio, 3. August 2019, 14:30 Uhr:
Sparkassen-Tribüne Stehplatz Süd – Stehplatz Süd – erm. 4,00 EUR
Sparkassen-Tribüne Stehplatz Süd – Stehplatz Süd – erm. 4,00 EUR

Versandkosten: 3,00 EUR
——————————————————————–
Gesamtpreis inkl. aller Gebühren und USt: 11,00 EUR

[…]

Sportliche Grüße,

Ihr SC Freiburg
Ticketing


Ich freu‘ mich!!! Ich geh‘ ins Stadion!!! Wie früher im Waldstadion: Ein Stehplatz muss es sein. Erstmal in die Südkurve (früher in Frankfurt: F-Block…). Die Nordkurve ist den „echten“ Fans vorbehalten, denke ich mal. Ich schau‘ mir das erstmal an.

Es gibt ja noch weitere Testspiele… aber der Vorverkauf ist immer zunächst nur Mitgliedern möglich. Und die Eintracht wird ja auch kommen… Man kommt hier, so oder so, einfach nicht so leicht an Heimspielkarten, so viel habe ich schon mitbekommen.

Kurz und gut:

Seit heute bin ich Mitglied im Fußballclub 1.FC Freiburg.

Und das macht – jetzt schon – Spaß.

 

Wildthal

Einer Ebay Kleinanzeige habe ich heute eine ganz besonders schöne Entdeckung zu verdanken. Zu verschenken waren Stadtpläne, ein Stadtführer und eine Fahrradkarte von Freiburg.

Irgendwo in Gundelfingen? Laut Google Maps per Rad ca. 30 min entfernt von hier machte ich mich gleich auf den Weg.

Und der führte mich zunächst schnurgerade durch den hiesigen Wald in das dortige Industriegebiet, dann eine Wohngegend mit Einfamilienhäusern und unter der S-Bahntrasse hindurch ein kurzes Stück klein wenig bergan. Die Straße machte eine Kurve und ich war plötzlich nicht mehr „am Rande des“ bzw. „vor der Türe des Schwarzwaldes“, sondern: Ein Schritt weiter. Ein winziges Nest, das keine Durchgangsstraße besitzt, sondern sich in locker voneinander entfernten Gehöften verliert. Bächlein plätschern, es riecht nach Kuhmist, man warnt vor sträßchenüberquerenden Pferden und am Wegrand wächst wilder Thymian. Und es ist ruhig in Wildthal. Einfach: Ruhig!

Die Ruhe hat dort Raum gefunden und ihn bis heute tapfer verteidigt.

Darf ich vorstellen? Mein kürzlich für 30,-€ erworbener, zuverlässiger Begleiter „Stadtrad“

 

Ich nahm meinen Platz am Wegrand und war erstaunt, beeindruckt, ja glücklich:

Nur läppische 8 km und ich bin „raus“!

 

Und nur 7 oder 8 km und ich war wieder mitten drin: Pünktlich zum Orgelkonzert im Freiburger Münster.

Was für eine überraschungsreiche, spannende Gegend…


Sea you

Von all den Eindrücken, die ich in den letzten Tagen hier gewonnen habe, kann ich jetzt im Moment nur einen zu einem Beitrag fassen – und er ist noch ganz frisch von heute Abend.

Gegen Nachmittag hatte es angefangen zu regnen und es regnete sich richtig ein. Ich war am Vormittag wieder viel mit dem Rad unterwegs gewesen, hatte mir anschließend was Leckeres zum Essen zubereitet, war eine Weile im Speiseraum zum Kaffeetrinken.

Noch versuche ich, es mir im Zimmer wohnlicher zu machen, es zu „meinem“ werden zu lassen. Irgendwann war mir die Luft aber zu dick und ich beschloss so gegen 20 Uhr, den nahegelegenen Wald mal nicht per Rad, sondern erstmalig zu Fuß zu betreten. Regen hin oder her…

Kaum war ich aus der Türe, hörte ich dieses Techno-Wummern und dachte, es stamme aus einem abgestellten, verdunkelten PKW. Dann dachte ich, es käme aus einem der hiesigen Mietskasernen-Hochhäuser. Ich konnte nur eine grobe Richtung ausmachen… dachte, irgendwelche Jugendlichen hätten große Boxen irgendwo mitten im Wald aufgebaut. So sehr ich hoffte, mich entfernen zu können: Es wurde einfach nicht leiser! Selbst der Wald im strömenden Regen vermochte es nicht, dieses für mich übergriffige, belästigende Geräusch zu schlucken und auch die vierspurige Schnellstraße hatte keine Macht darüber. Ich erwischte mich immer wieder beim Umblicken, glaubte ich doch mehrfach, ein PKW mit dieser Musik wolle mich überholen und sogar jetzt noch habe ich den Eindruck, das Gedröhne zu hören, obwohl ich das Fenster komplett verschossen habe.

Glücklich bin ich darüber, herausgefunden zu haben, dass der Ursprung wohl das „Sea You Festival 2019“ am Tunisee ist und nicht eine wöchentlich hämmernde Discothek im Umkreis. Erstaunt aber bin ich sehr wohl über den Störfaktor trotz der Entfernung:

 

Ich bekomme eine Ahnung: Wie mag es sein, wenn die Tage kurz sind, das Wetter schlecht? Wo hin kann man fliehen, wenn der Lärm stadtüblich allgegenwärtig ist? Wieso mache ich mir darüber Gedanken, wo doch wahrlich nicht alle Tage so ein Techno-Festival stattfindet?

Ahnung, ich seh‘ Dich. So aufregend und schön die erste Woche im sommerlichen Freiburg auch gewesen sein mag: Ich werde noch viel zu entdecken haben – aber auch erleben dürfen. Da kommt was, „wieauchimmergeartetes“, jedenfalls sehr eindruckgeladenes, auf mich zu… Na denn, mal los… : See you!

Freiburg, erste Eindrücke

Der Donnerstag neigt sich. Erst seit Dienstag bin ich hier. Aufgebrochen bin ich am Montag, den 8. Juli 2019. Bin mit dem Motorrad durch den Vogelsberg, den Spessart, Teile vom Odenwald und den Kraichgau nach Malsch bei Wiesloch gefahren und wurde dort herzlich empfangen (siehe Blogbeitrag zuvor). Am nächsten Tag ging es dann per Bundesstraßen nach Karlsruhe und von dort aus durch das Kurvenreich Schwarzwald nach Freiburg. Ich kam pünktlich um 10:30 Uhr an Ort und Stelle an.

Haus Landwasser ist eine Rehabilitationseinrichtung für psychisch erkrankte Menschen. In mir stockt es noch immer, das zu kapieren, dass ich krank, also weder „abartig“ noch „normal“ und des hysterischen Sozialschmarotzertums schuldig bin. Naja, egal, man nenne es, wie man will. Ich darf hier sein und am Rehaprogramm teilnehmen. Simulanten wird sowas eigentlich nicht bezahlt.

Ich hatte schon am Dienstag viele, viele Gespräche… mit den Mitarbeitern aus dem Sekretariat, der Pflege, der Ärztin, dem Sozialdienst, meinem Rehabetreuer und meiner „Patin“. Ich bezog mein Zimmer

und am Nachmittag kam dann noch Klaus mit meinen Sachen vorbei. Ach, was bin ich so froh, dass ich ein Fahrrad hier habe!!!

Neben der Teilnahme am therapeutischen Angebot zur Rehabilitation ziehe ich nämlich meine Kreise…

Die üblichen Verdächtigen (Lidl, Aldi, Müller, Ikea) sind ausgemacht. Habe auch schon im Second Hand Laden gestöbert, die ersten Cafe’s ausprobiert, einen Briefkasten aufgesucht, der abends um 23 Uhr geleert wird, war am Münster (war schon geschlossen) und im Obi. Eine schöne Feierabendbank mit Blick auf den kleinen Flughafen habe ich auch schon für mich erkoren.

…Wie wohl der Bau voran schreiten wird? Hoffentlich kein Hochhaus.

Die Wege im hier gleich nebenan gelegenen Wald sind schnurgerade und ziemlich langweilig, aber: Da!

Fahrräder! So viele Fahrräder… immer wieder staune ich. Es gibt hier überall Fahrradständer, Fahrradwege und sogar Fahrradstraßen. Und ich habe einen gewaltigen Respekt vor den aufmerksamen, geduldigen Autofahrern hier, die nicht nur überall mit kreuz- und querfahrenden Radfahrern zu rechnen scheinen, sondern auch noch Rücksicht nehmen und Vorfahr gewähren, wo gar keine ist. Es gibt auch viele Bäume in der Stadt. Und sehr, sehr viele Touristen. Eine Dame, die ich heute nach dem Weg fragte, meinte, ich solle vorsichtig fahren. Recht hat sie! „Karin guck‘ in die Luft“ befürchtet nicht ganz grundlos, in eine der vielen Fahrradfallen in Form von Straßenbahnschienen oder einen der Wasserläufe („Bächle“) zu fahren. Netterweise fordern die Kopfsteinpflaster der Innenstadt ihre Aufmerksamkeit und schützen so ein bisschen vor forcierter Verträumtheit.

Gestern war ein herrlich warmer Tag. Und die Stadt war bis abends zum Einbruch der Dunkelheit voller Menschen. Überall Stimmengewirr, Trauben von Grüppchen auf Steinen und sonnenwarmen Platten. Schmunzelnd nehme ich meine Verwunderung über französische und ’schwiezerdütsche‘ Sprachmelodien wahr. Und was uns Hessen wohl ebenso fremd ist: Es wurde, völlig ungezwungen, dafür aber besonders entspannt wirkend, im Freien getanzt.

Die Örtlichkeit stellte sich im Nachhinein als ehemalige Springbrunnenanlage heraus: Welch eine geniale Idee, die glatte Oberfläche zum Tanzen und die Einfassung zum Zuschauen zu nutzen!

In den ersten acht Wochen bleibe ich an den Wochenenden hier. Das kulturelle Angebot ist riesig und für mich nicht wirklich überschaubar. Das Radwegenetz ist gut ausgeschildert. Die Wanderschuhe habe ich auch dabei. Und natürlich die BMW.

verlässlich 2

Das Wort „verlässlich“ verlässt mich seit einer Weile in anderer Hinsicht nicht… ich formulierte kürzlich mal:

Ich bin kein Mensch, der verlässlich zu sich stehen kann.

Ist das schlimm? Ego meint verächtlich: „Schäm‘ Dich was!“ – Ego meint also, das sei schlimm.

Ist es aber gar nicht.

Es ist gut so.

Es ist gut, in dem Sinne, die Strenge des Egos, seine Wahrheiten, Beschuldigungen verlassen zu können:

Ich bin ein Mensch, der verlässlich zu sich stehen kann.

und

es macht Angst. Denn zu solchen launigen, wankelmütigen Menschen kann Andermensch nicht verlässlich stehen. Oder?

Bleib im Jetzt, Liebe, sagt mein Mitgefühl. Bleib‘ hier bei mir. Jetzt im Moment bist Du, real, völlig verlassen, denn Du bist alleine hier im Raum. Es ist kein Mensch da. Und, fühlt sich das schlimm an? Nein. (* Anmerkung der Redaktion: Kein Wunder, sie, mein Mitgefühl, ist ja da…) Jetzt im Moment lässt Dich das Ego in Ruhe, auch die Kleine schläft, egal wie viel Mist Du gemacht hast und wie verkorkst Du Dich manchmal verhälst: Egal, wie Dich Deine Kritiker bewerten. Egal, wie viel Angst in Deinen Gedanken über… steckt.

Wer verlässt überhaupt wen wann?

Alle Menschen sind im Moment auch verlassen von mir, denn ich bin alleine. Fühlt sich das für die im Moment schlimm an? Nein.

Ist das schlimm für mich? Ego/Kleine meint, kleinlaut, aber doch: „Ja, eigentlich schon…“ Womit die Lächerlichkeit dieses Urteils ziemlich offenbar wird.

Sie werden Dich verlassen! Sie werden Dich erkennen, angewidert sein und… Dich sowas von satt haben… zumindest viel lieber etwas mit anderen zu tun haben wollen… Lückenfüller…

Jetzt, im Moment jetzt, kann mir keiner (mehr) folgen. Ich weiß selbst nicht, auf welche Taste ich als nächstes tippe. Ich weiß nicht, was passiert.

Wenn Du Dich hingibst, wenn Du Dich zeigst, wirst Du die Angst der Wahrheit des Verlassenseins spüren. Du wirst erniedrigt, verspottet, weggeschickt. Du wirst verletzt, verwundet. So sehr, dass Du daran zu Grunde gehen wirst.

Der Verstand reagiert mit „Dumpfe“, mit Verdrängung, der Körper deutet Schock an. Für ihn war das schon sehr oft wahr. Für ihn war das früher so wahr, dass er das Programm gelernt hat, in bestimmte, lebensrettende Verhaltens- und Gefühlsmuster zu verfallen (Selbsterniedrigung, Anpassung, Unterwerfung, Kleinmacherei, Spott und Hohn, Anbiederung, Fremdverherrlichung, Realitäts(v)erträumung… Dumpfe und Verdrängung…).

Bei allem (in dieser Schockstarre) – verdumpften – Mitgefühl:

Sind diese Urteile im Hier und Heute deshalb weniger lächerlich?

Andauernd verlasse ich und bin verlassen und es ist nicht schlimm: Ist es nicht wunderbar befreiend? Auch das ist egal, denn es kann sich sogleich verdammt und real schlimm anfühlen, also wirklich sein… Und, Karin, auch das ist ein Geschenk, so fühlen zu können. Geschenke kann man manchmal nicht zurück geben oder wieder los werden. Man muss, darf sie behalten und etwas damit machen, lernen zum Beispiel:

Ich darf mich darüber hinaus

– immer wieder – auf mich

und

mich – immer wieder – verlassen.

Menschen verlassen mich. Mehrfach täglich. Und ich fühle es meistens nicht. Auch das ist schlimm. Und ich bin dankbar dafür.

Ich verlasse den Kreis vertrauter Menschen und fühle so dumpf. Dauerschuld. Manchmal kriecht die Angst hoch.

Und es ist nicht schlimm, dass es sich fühlt und denkt, als ob das alles zusammen genommen aber sowas von… sei.


„…diese Wichtigtuerei...“ ja, Ego… ruhig Blut. Wir sind uns unserer Unwichtigtuerei ja manchmal auch schon bewusst.

…und mit so einem Kram verpasst man das Leben… 😉

Dennoch: Danke für’s Lesen.

Noch mehr?


Ich bin ein Mensch, der verlässlich zu sich gehen kann.

Schmeckt sich gut an. Fühlt sich neugierig an. Ein schöner Legosatz. Lässt Freiheit zu, zu dürfen, auch anders zu sein, hat aber eine ziemlich begrenzte Richtung.

Den probier‘ ich vielleicht mal aus, lass‘ ihn mal so stehen… Der ist es aber nicht…

Denn: Ich bin auch (in) Euch, Ihr, die ihr seid und gewesen seid, seid auch in mir… wir leben zusammen. Und es gesellen sich neue Wanderer hinzu und wir dürfen uns wieder da sein und verlassen sein lassen.

Ich bin ein Leben, das, trotz (und nur wegen/in Form genau) dieser Menschengestalt, verlässlich lernen darf, einfach (einfach) zu sein.

Alles andere ergibt sich mit der Aufgabe.

verlässlich 1

Morgen trete ich die Reha in Freiburg an. Diese kann bis zu zwei Jahre andauern.

Heute steige ich aufs Motorrad und verlasse…

Ich sitze aufrecht in meinem Bett. Die Sonne schaut durchs Fenster. Hell ist es um 6:32 Uhr, blau das Stück Himmel. Es wird ein heißer Tag. Die Töne der Vögel wirken noch ein bisschen nachtmüde, gelangweilt. Vielleicht meckern sie über die Nachbarschaft. Vielleicht kommentieren sie ihre Körperpflege? „Und hier noch ein bisschen jucken, mach‘ mir doch mal einer die Plagegeister weg… und – aaaahhhrg – der Rücken… – was gibt’s heute eigentlich zum Frühstück?“

Ich werde mal sehen, was aus dem Kühlschrank noch weg muss. Ein Stück Ananas wartet da noch auf jeden Fall auf mich… Um spätestens 14 Uhr will ich aufgebrochen sein. Ich nehme die kurvigen, autobahnfreien Strecken, darf mich willkommen fühlen bei Margret und Franz. Klaus wird da sein. Und ein Willkommensein, das mir Tränen in die Augen treibt. „Da und verlässlich willkommen sein“ mit gefühlsechtem Wirklichkeitsgeschmack. Es sind willkommenheißende, herzliche Zärtlichkeitstränen für die Begrenztheit in mir.

Kann man etwas verlassen, das man gar nicht annehmen kann?

Das man glaubt, verdienen zu müssen? Bei gleichzeitigem unveränderbarem Schuldempfinden, weil man ja sowas gar nicht verdienen kann? Wenn sich Vertrauen ins Daseindürfen, in die Näheduldung immer wie ein „Vorschuss“ anfühlt, wie kann das „einfach“ sein dürfen?

Egal. So oder so nehme ich Euch alle, die mir am Herzen sind, mit. Das kann ich, auf meine Art. Ich pack‘ Euch zu mir, hab‘ Euch am Bandel, bestech‘ Euch… mit Füßekitzeln, Seifenblasen und Gutenachtgeschichten bei Kerzenschein (wahlweise Taschenlampe unter der Decke)… Ich mache ein Angebot, das Ihr nicht ablehnen könnt.

Und wieder schwappt ein Glücksgefühl zur Trauer. Meinem Körper wird’s warm… Ihr zumindest seid schon mal da angekommen 🙂

Ich bin begrenzt.

„Mach‘ das Beste draus.“ und „lass‘ es Dir gut gehen“. Ich nehme diese Sätze als gutgemeint an, und erweitere ihnen bewusst Raum, weil mir die Aufträge sonst zu groß erscheinen, nicht zu packen, vor zu schwierige Rätsel stellen, „Löcher in den faserigen Bug reißen können“.

Davon habe ich schon genug. Aber der Kahn fährt. Wir kennen uns schon eine ganze Weile und ich bin dabei, ihn lieben zu lernen.

Denn endlich vertraut er mir genug, sich mir ganz zu zeigen. Alle seine Wunden.

Vielleicht wie einen Oldtimer. Erst muss ich spengeln lernen, damit die Teile wirklich halten. Mein Hirn kapiert manchmal halt noch immer nicht, dass Neuteile von der Stange „einfach“ nicht passen.

Wir gehen auf Ausfahrt.

 

Anschlusspunkt

Und am Montag ging ich wieder ins Atelier. Irgendwann, als die beruhigende Wirkung von schlichtem Verweilen, getarnt, geschminkt, verwürzt mit Kaffee und Keksen, einsetzte, nahm ich mir ein grobes Skizzenpapier, sowie die Farben Schwarz und Weiß.

Ich gab der Leere eine haltlose Struktur, wollte diese aufweichen, verwässern, restliche Räume „irgendwie“ füllen, in Kontakt zueinander bringen, mischte die Farben, aber wirkungslos… letztendlich war der innere Konflikt („Mach’…! Tu.. Werd’… Aber schnell“ ) der den bewussten, vertauenden Beginn und ein zufriedenes Ende so schwierig macht, behandelt, bewerkelt, aber nicht bewerkstelligt, geschweige denn befriedet.

Irgendwann entstanden kleine Punkte auf einsamen, schwarzen Stellen. Wundenmarker?

Ein Pünktchen ist ein Ende und zwingend ein Neubeginn mit offenem Beginn: Ich habe infolgedessen immer wieder die Wahl, was nach dem Punkt geschieht. Was geschieht, fühlt sich begrenzt an (habe einen kleinen, weißen Pinsel in der Hand), ist es letztendlich aber nicht. Es könnte jederzeit zumindest ein Strich werden.

Ich fühle mich so begrenzt. Wodurch begrenzt? Durch den Raum, den ich mir zugestehe, die Möglichkeiten, die ich mir vorstellen kann, die Fähigkeiten, die ich mir einberaume.

Nein, Karin, diese Begrenzungen werden durch Dein Nein und Deine Schuld bewacht, aber sie sind vielleicht nur dadurch Grenze. Sie ist nicht das Ende. Du weißt es. Du reibst Dich an ihr. Gerne? Leidend? Gezwungenermaßen? Noch. Oft. Aber Du bist bewegt, auf sie zuzugehen.

Sie glaubt, Dich beschützen zu müssen vor Schlimmerem als „das allem“. So schnürt sie Dich ein mit Selbsterniedrigung. Aber sie gibt Dir Halt, hält Dich, wenn auch in Deinem Raum…

Du weißt, sie ist Deins, aber Du kannst sie nicht berühren, nicht nehmen. Jeder Kontakt mit tut so schlagartig „Nein“.

Punkt für Punkt. Wie abstoßende Magnete finden sie ihren Raum auf meinem Papier, lassen sich Abstand und Raum, werden sich aber nie nahe kommen, wenn sie weiter Punkt bleiben wollen.

Zu überwinden bin ich für mich nicht. Aber vielleicht einzunehmen. Durch Annahme. Oder „Radikale Akzeptanz“… die Grenze akzeptieren, sehen, achten, vereinnahmen,…? Wie wirdsoll das gehen?

Strich statt Punkt? Striche verbinden vielleicht, aber nähern sich dadurch Punkte wirklich an? Einer erobert den anderen. Flicken eine Wunde, heilen sie doch aber nicht.

Den letzten Punkt setzte ich auf dieses Papier am Montag, dem 1. Juli 2019, um 16:32 Uhr.


Montag, 1. Juli 2019, 16:32 Uhr.

Ich war also gerade dabei, möglichst „schöne“ Pünktchen in genau „richtigem“ Abstand auf die Welt aus Papier zu bringen.

Und ein anderer Mensch war im selben Moment dabei, einen der Punkte in meine Welt des Erlebens zu bringen, die sich „besonders“ hervortun. Die sich anfühlen, wie ein bedeutender, richtungsweisender Punkt.

Unser Treffpunkt war das Vibrieren meines Telefons.

Der Punkt heißt: Rehabeginn in Freiburg im Breisgau am Dienstag, den 9. Juli 2019

Nein, kein Schlusspunkt, denn es geht ja weiter. Es ist ein Anschlusspunkt mit Pfeil am Ende.

Ich ging zurück zu meinem Tisch und machte ein Bild vom Anschlusspunkt. Ein Bild, mit dem ich den Moment der Geburt dieses Farbstillstands fest hielt, um mir vielleicht vorzugaukeln, es gäbe irgendetwas im Leben, das auf/zuhalten sei.

Auf geht’s!