Es ist Samstag. Ich komme gerade vom Markt.
Es ist wieder Frühling und ich hatte Lust auf die Farben von Erdbeeren, bunten Ranunkeln und die Farben der Lust unter diesen Menschen zu sein, die sich vielleicht aus demselben Grund dort hin bewegen wie ich.
Kümmelroggenbrötchen?
Wer sie kennt: Sicher ja!
Bergkäse aus Österreich. Ein Bund Salatkräuter – mit Borretsch! Kaffee aus der Rösterei.
Da ist es mir wieder begegnet, dieses „Auch“
Rost
Eine, so, wie sie mir gerade im Sinn ist, herrliche Farbe!
Und sie passt zum Herbst. Damals war ich zuletzt in der Kaffeerösterei am Domplatz, die ich zuvor regelmäßig, und ganz sicher bei jedem Markgang besucht hatte.
In der warmen Jahreszeit kann man von dort aus das bunte Treiben so gelassen aus den bequemen Sesseln heraus beobachten. Von Menschenhänden gehalten ziehen Körbe, Rollatoren, Hunde und Kinder vorbei. Ans Ohr dringen Stimmen-, Glocken und Motorengeräusche.
Für den stolzen Preis konnte ich dort immer mehr genießen als den Kaffee, das gereichte selbstgemachte Butterplätzchen in Herzform, den wohlig warmen und doch kräftigen Duft. Genau passend hatte ich immer die respektvolle Zuwendung des Inhabers empfunden. Er vermitteite mir Wertschätzung seines Produktes und seinen Gästen gegenüber. Er strahlte für mich aber auch eine angenehme, angemessene Anerkennung seiner eigenen Leistungen, aller Zutaten seiner Ladenführung aus.
Und ich nahm es als einen besonderen Vertrauensbeweis, als er mich vor Monaten wegen eines persönlichen Bedürfnisses heraus ansprach. Die Kleine in mir war so überrascht, fühlte sich gesehen und machte sich deshalb auf – zur kindlichen Freude.
Genau so, also aus einer kindlichen Enttäuschung heraus, beleidigt war ich nach meinem letzten Besuch im Herbst.
Denn seine Zuwendung galt nicht seiner Kundschaft, seinem Betrieb und auch nicht mir, sondern gänzlich einem Computerspiel auf seinem Laptop: Der Lack war ab! Ich schien mich getäuscht zu haben.
Fortan mied ich – bis heute – sein Geschäft. Es, nein, er schien mir verlogen zu sein.
Was hat „Rösterei“ mit Rost zu tun?
Dinge brauchen Weile, das Rösten wie der Rost. Heute war ich schon fast auf halbem Weg zu Hause, als ich meine Lust auf den guten Kaffee mit dem Grad des Beleidigtseins aufwog und mich für die Umkehr entschied. Eine Kaffeerösterei ist für das Frohlocken des Gaumens im Hier und Heute zuständig, nicht für die Versorgung von kindlichen Seelenwunden.
Es brauchte seine Zeit, wahrzunehmen, das alles zugleich da sein darf: Lust, Bedürfnis, Enttäuschung. Ich muss nicht auf den Kaffee und das Ritual um die Rösterei verzichten, nur weil ich zu einem kleinen Teil enttäuscht bin. Nein: Ich darf den Kaffee, also das, um was es eigentlich geht, nun aus der Enttäuschung heraus noch mehr würdigen.
Heute bin ich diese Erkenntnis feiernd Kaffee trinken gegangen.
Ist Ent-Täuschung nicht – auch – etwas Wunderbares?
Sattleuchtendes Rostorange entsteht im Vergehen.
Heimweg
Manchmal vermeide ich es auf den Markt zu gehen. Marktbesuche sind mit Sehnsucht verbunden. Sehnsucht nach Sicherheit, erlebt im Teilen und Teilsein. Manchmal tut mir das zu weh.
Manchmal aber mag ich die stille, passive Teilhabe. Das mich bei aller Scham „Versteckenkönnen/Verstecktsein und deshalb trotzdem Dabeiseindürfen“ – Gefühl.
Heute konnte ich es anders sehen. Heute konnte ich das „Auch“ sehen…
All das, was ich vermisse, findet – vielleicht – woanders wirklich statt. In meiner Phantasie wünsche ich diejenigen glücklich, die ich sehe. In meiner Phantasie kümmern die sich um das, was ich gerade nicht kann. Sie er-leben es. Wenn die Erfüllung meiner Sehnsucht Wirklichkeit ist, sei es auch außerhalb meiner selbst, existiert sie. Dann lebe ich in einer – zumindest in Teilhaftigkeit existierenden – wunderbaren Welt. Es ist alles da. Und somit möglich!
So schön zu wissen…!
Mitgefühl
Wenn mir jemand, der mir am Herzen liegt, sagt, die Ampel ist grün, ich sehe aber nur rot? Ich glaube alle Menschen würden das als rot bezeichnen, wie kann es da grün sein?
Wie kann ich einem solchen Menschen dann vertrauen? Oder mir? Oder den Menschen?
Also wenn meine Wahrnehmung nicht stimmt… nicht überein stimmt mit der einer Vertrauensperson, oder mit der Wahrnehmung, die die meisten Menschen haben könnten?
Dünnhäutig wie ich bin, kann ich ob dieser Frage verzweifeln: Das sich manchmal so verdammt richtig anfühlende „Falschseingefühl“.
Und ich bin gründlich dabei…: Schwarz-Weiß Denken, zertrennend teilen in „richtig“ und „falsch“.
Gestern fand ich einen Spalt ins Freie… in eine neue Dimension, einen Spalt ins „Auch“. Und es fühlte sich blendend schön an.
Ich bat (ungerichtet, ins „Irgendwohin“) um Mitgefühl.
Nein, nicht um Mitgefühl für mich, also nicht um jenes für mein Erleben. Sondern ich bat darum, mitfühlen zu können –
also auch bzw. mit empfinden zu können, was mein Gegenüber sagt, das es für ihn oder sie stimmt. Mich stimmig fühlen. Einstimmen können. Trotz und bei meiner Wahrnehmung bleiben, die vielleicht anders, aber meine Wahrheit ist. Zerrissenheit zulassen können, ohne mich und mein Gefühl in Unwert zu zerteilen oder andere zu entwerten.
Ich bat um Mitgefühl.
So darf alles da sein: Nichtteilseinkönnen, Möglichkeit und Hoffnung.
Ins Auch tauchen