Wo bin ich?
„Der Weg ist das Ziel“
Etwas in mir wehrt sich hartnäckig dagegen, diese Weisheit ein für alle Mal, endlich, verstanden zu haben. Immer wieder muss ich mich aktiv und bewusst aufmachen, öffnen, um mich diesen Worten wirklich zugänglich zu machen. Was heißt: Ich verschließe mich dagegen, kein Ziel zu haben und keines haben zu müssen. Ich wehre mich dagegen, kein Ziel erreichen zu können.
Ich will gestillt werden, ankommen und das Gefühl haben, mich in Sicherheit fühlen zu können.
Dabei hilft mir mein Leben so gut, Verständnis zu haben – in jedem Moment – dafür, dass ich so viel verloren habe, nur weil ich so viel erdacht hatte, zu haben oder zu brauchen, was einfach nicht (mehr) stimmt.
„Ich habe mein altes Leben verloren und noch kein neues gefunden“ schrieb ich neulich in der Problemerfassung für die Klinik auf.
Ist das nicht wunderbar?
Nein. Leider fühlt es sich oft nicht wunderbar an, sondern einfach nur schlimm.
Mein Hirn sucht Sicherheit in der Bewertung.
(Also: Habe ich Angst vor der Zukunft, ist das schlimm. Zorn zu haben oder wütend zu sein, ist schlecht. Verzweiflung auch nur zu erahnen ist schrecklich. Ekel zur spüren ist widerlich. Irgendetwas oder -wer macht mich…, lässt mich… fühlen,… was ich nicht will.)
So funktioniert es nunmal, das Hirn: Es sucht in den alten Schemata (wenn dies und das passiert, werde ich dies und das fühlen, mich in Sicherheit bringen und am besten mich so und so fühlen und verhalten) und greift auf die alten Bewertungen und Verhaltensmuster zurück. Gefühle lösen Gedanken aus und umgekehrt geht das auch.
Ich weiß nicht, wo die Henne ist und wer das Ei. Fühle mich manchmal wie im dichten Nebel einer mir fremden Erdbebenlandschaft verirrt.
Gerade jetzt im Moment ist es anders. Ich schaue auf diese Bühne, habe den Film gedrosselt, ein bisschen zurückgespult, angehalten und versuche auszublenden…
Es ist gut, sich von alten Mauern zu lösen, die sich früher sicher angefühlt haben, wenn sie es nicht mehr tun. Ich hatte mich mal in Sicherheit gewähnt, im Funktionsmodus, der bestand und sich gleichzeitig aufrecht erhielt. Der Weg tat sich einfach auf und ich bin ihn gegangen.
Irgendwann brach irgendwas zusammen.
Es ist nicht so, das es schmerzt, weil irgendwas kaputt geht oder einfach nicht (bzw. „mehr richtig“) tragen will. Das Schöne immer wieder durch die Finger rinnt, ich nicht halten kann, ich nicht vertrauen kann, mich nicht der Freude und Zuversicht hingeben kann, die Angst so groß ist wie die Sehnsucht und die Trauer und die Wut. Weil irgendwas war oder nicht war. Nicht ist, kommt oder geht…
Es schmerzt.
Es ist gut, sich von alten Mauern zu lösen. Das Dumme ist nur, daran zu glauben, dass es mit neuen Mauern (Bewertungen, Bedingungen,…) besser wird. Und darüber zu verzweifeln, nicht zu wissen, wohin die Reise gehen soll.
Der Weg ist das Ziel. Ich weigere mich, einen Weg zu sehen und verzweifele darüber. Oder ich sehe einen Weg und erkenne einfach nicht, dass es meiner ist. Oder ich sehe viele Wege und und kann mich nicht entscheiden, weil sich die anderen dann verschließen oder einbrechen könnten.
Noch ist es so, Karin. Einfach stehen und warten, bis der Nebel sich lichtet.
Heidi, langsam komme ich an den Punkt, diesen Satz, den Du mir vor Monaten schriebst, zu erfassen. Es ist gerade noch so. Punkt.
Ohne „immer“ vor dem noch.
(…und ohne „gerade“ und ohne „noch“. Und ohne „so“…)
Es fühlt sich an wie ungehalten stürzend. Oder getragen. Oder widerlich. Oder zart. Von Herzen oder eklig. Ratlos, verzweifelt oder verzaubert. Ich bin was wert oder nicht. Ich bin egal, war egal, zu viel, zu schlecht, zu… trage Schuld oder bin schuldunfähig. Bin verlogen oder genau richtig, wie ich bin. Irgendwas oder irgendwer im Leben war gut, schlecht, wichtig, egal, schlimm, wunderbar, ein Geschenk oder…
Es ist Leben.
Ich werde nicht. Ich bin.
Nicht der Weg ist zusammengebrochen.
Es sind nur die Mauern der Wahrnehmung.
Und das ist wunderbar.
O.k., Karin, für Dich nochmal von vorne…? Ja, bitte, bitte… immer wieder… „Geschmacksrichtung: Vorgelesen bekommen, am Lagerfeuer sitzen, Summenhören, Sonnenwärme, Sternschnuppen, Glühwürmchentanzen. “ Gibt es dafür auch Weihnachtsplätzchenausstechförmchen? Gaaaaanz bestimmt. Komm‘ wir gehen mal gucken…