Es ist vier Uhr nachts. Ich finde den Schlaf nicht mehr, aus dem ich komme. Milder Straßenlärm dringt durchs offene Fenster ein. Und Dunkelheit.
Ein Wort lässt mich seit gestern nicht mehr in Ruhe. Es ist wohl eine Frucht am Baum des – zumindest: Blogbeitrag – Werdens.
Nun ist es reif…
Was ich verstanden habe, war eine einfache Frage nach dem, wie es mir ergeht, was sich bei mir „entwickelt“.
Und ich habe ein Bild gefunden, das ich vermutlich irgendwann einmal in einem Comic gesehen habe:
In meinem Kopf zieht Obelix, so wie er nunmal ist, zwar gutherzig, kindlich naiv unüberlegt neugierig, aber tölpelhaft an den Bändern, mit denen eine Mumie eingewickelt ist. Die bereits gelösten weißen Bahnen füllen das Bild, fliegen durch die Luft, bilden Haufen am Boden. Das, was da entwickelt wird, ist nicht zu erkennen. Es wird durch den Zug wild herumgewirbelt und dabei immer wieder auf den Boden geschlagen.
Entwicklung findet bei mir irgendwie gefühlt passiv statt. Ich entwickele mich wenn, dann wohl so wie Obelix es täte.
Gerade stecke ich in der Hilflosigkeit des Bildes. Was kommt da zum Vorschein, wenn die Bänder weg sind? Ich habe Angst, das da nichts ist, was es zu entwickeln gäbe. Nichts, woran ich wirklich glauben könnte. Was von Wert wäre… Und keine Spur von Vertrauen, das ich es für / gut halten könnte.
Ich erinnere mich an eine Übung in der Klinik in Uffenheim. Die Übung fand in Dreiergruppen statt. DIN A 4 Blätter am Boden markierten einen Schritt der Entwicklung. Man wechselte sich ab: Ein „Helfer“ las vorgegebene Fragen nach persönlichen Leitlinien und Werten im Leben vor. Der, der die Übung gerade durchführte beantwortete die Frage laut und durfte einen Schritt weiter voran auf das nächste Blatt schreiten. Ein weiterer Helfer machte davon Notizen.
Mindestens zehn solcher Dreiergruppen führten die Übung gleichzeitig durch. Der Raum füllte sich mit Fragen, Antworten, Emotionen.
Ich war schon einige Wochen dort und spürbar innerlich aufgebrochen auf meinem Weg, der mich heute hier her an den Computer zum tippen dieser Zeilen gebracht hat. Einige Bahnen des Stoffes von Dämpfung und Schutz waren schon weg.
Ich weiß nicht mehr genau, wie die Fragen lauteten, aber ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr sie alles, was mich zu halten schien, durchdrangen. Ich alleine für mich hätte mich ihnen und meiner Leere vielleicht noch vorsichtiger nähern können… so aber nicht.
Etwa nach der Hälfte, genauer gesagt bei der Frage nach meinen „Fähigkeiten“, brach ich die Übung ab.
Ich weiß gar nicht mehr, ob ich äußerlich als Helfer weiter da sein konnte. Es kann gut sein, dass ich das hinbekommen habe.
Innerlich jedenfalls war ich nicht mehr da, war, und das kann ich heute erstmalig in Worten erfassen, dem Druck des Leeregefühls erlegen.
In diesem Zustand sind die Gefühle Scham, Schuld, Verzweiflung wie eine Decke des Schutzes. Die Härte der Selbstentwertung passives Mittel des Haltes, die erste Leiterstufe auf dem Weg zurück.
Genau diese Erkenntnis lässt mich ein innerliches Aufatmen wagen. Ein neuer Blick auf das, was mein Hirn manchmal produziert. Es ist noch da zum Schutz, bis ich so weit bin, mich dem mutig stellen zu wagen, was da ist.
Neulich fasste ich beim Gespräch mit meiner langjährigen Hausärztin mein Erleben in mich hineinfallend mit „Ich bin so kaputt…“ zusammen. Worauf sie meinte, sie würde es eher so sehen: „…schon SO kaputt!!!“ Ich hätte schon so viel geschafft. Unser Lachen tat mir so gut.
Und ich freue mich sehr über dieses Bild vom mumienentwurschtelnden Obelix. Und ich kann mich auch erinnern, dass es im Comic kein ekeliges, verabscheuungswürdiges, totes Etwas war, was er da entwickelte.
Es war ein lebendiger Mensch.