Nabelschausuhlen

 

Die Mittagsmail meiner Mutter bestand heute aus einem Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach

Am Ziel deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen, dein Wandern zum Ziel.

 

Da geh ich jetzt mal gründlich drauf suhlen…

Sonne, Braunfels, Cappuccino: Ich komme!

Raus aus den Federn, alte Sozialschmarotzerin.

Jetzt erst??? …und dann auch noch frech grinsen!!!

 

 

Leere Dose, prall gefüllt

Wenn ich wandere, ist es immer ein Moment der Freude und Neugier, mich zu entscheiden, in einen Weg abzubiegen, den ich noch nicht kenne.

Er könnte besonders schön sein. Es könnte etwas zu entdecken geben. Ich lerne mich immer besser auskennen im Terrain. Der Weg wird zwar früher oder später auf etwas treffen, das ich kenne, aber es besteht zumindest die Möglichkeit, das dann aus einer neuen Perspektive zu sehen.

So entschied ich mich heute für einen schmalen Pfad, wirklich winzig und kurz. Und sein nahes Ende, eine vielbefahrene, altbekannte Straße, hatte ich schon vor dem ersten Schritt deutlich vor den Augen und in den Ohren. Aber es war die Entdeckung eines neuen Weges und die muss ja, wenn schon nicht feierlich, aber zumindest umgehend begangen werden.

Und siehe da, es gab etwas zu finden:

Es war eine Dose.

Sie lag bestimmt noch nicht lange dort, unübersehbar, äußerlich makellos, kess glänzend in der Sonne und lockte mit ihrem „guck‘ mal, ich bin sogar noch 25 Cent wert“ Versprechen.

Die Dose war bedruckt mit Eisvogel auf dunklem Grün. Sie war leer von Bier aber voll mit…

…Luft? Ja, das auch…

Ich nahm sie mit. Und genau in diesem Moment war noch etwas anderes darin.

Ich frug mich, wer sie denn morgens um die Zeit schon geleert haben würde? Jemand auf dem Weg zu nahgelegener Bau-, Halte- oder Suchtberatungsstelle? Rathaus, Leica oder Parkbank?

Es waren also Fragen darin. Und viel Phantasie. Auch ein Hauch von Betroffenheit und Mitgefühl. Also jede Menge Bewertung. Und Entwertung auch, wenn ich ganz ehrlich bin…

Und da war sie schon!

Ich hatte noch einen guten Kilometer zu gehen und war mitten in der Stadt.

„Was wohl die Leute denken? So früh morgens, eine leere Dose Bier in der Hand?“

„Hättest sie doch liegen lassen können für jemanden, der das Geld wirklich braucht. Als hättest Du DAS nötig!“

„Du solltest Dich was schämen!“

Es war Scham darin!!!

Und ich geh‘ noch einen Schritt weiter: Es war Glück darin, denn ich fand neben all dm eine kleine, feine Unterrichtseinheit zum Thema „Wahrnehmung, Urteil und Auswirkung auf das tägliche Handeln“. Mit Achtsamkeit herausgefummelt.

Erstaunlich! Wundersam…

Und gefreut habe ich mich schließlich auch noch drüber.

 

Ich glaub‘, darauf gehen wir jetzt erstmal einen trinken.

Mit Charlotte auf die Parkbank.

Auf mein Wohl 😉

 

Leid halten


Screenshot einer Handynotiz. „Eines angelutschten Gedankenbonbons“:
 

Sie müssen es nicht aushalten

Sie halten mich aus

 

Ich halte es aus.

Ich halte es        ?

Das Leid Das Leiden

ich halte es     Aus !

 

Es war einer dieser Momente der schmerzhaft umkämpften Haltlosigkeit.

Das zermalmende Gefühl der Unfähigkeit, „Es“ aushalten zu können.

Indem ich das „Schlimme“, das Leiden, von mir trenne, es glaube, mit anderen teilen zu müssen, vergrößere ich meine Unfähigkeit, also es, das Gefühl, mich selbst (aus-) halten zu können.

Indem ich es (nicht /aus-) halte, halte ich es.

Indem ich es nicht (wahr-) haben kann, füttere ich dessen Existenz, die Angst davor, den Schrecken…

Indem ich es er- lebe, lebe ich. Er-

Leben

?!!

 

Gummi: Umso stärker ich ziehe, desto stärker der Zug.

 

Weißrauschknirschen

Knirschen

Vor ca. 35 Jahren hatte ich für eine Weile begonnen, regelmäßig bei uns im Wald zu joggen.

Manchmal war ich „im Flow“ und spürte ich mich sein, indem ich wahrnahm, wie sich die kleinen Steinchen des befestigten Weges unter meinen Schuhen bewegten.

Ich nahm meine Existenz wahr, indem die die Auswirkung meiner Körperbewegungen auf die Umwelt wahrnahm.

Ich blendete alles andere aus, nahm die Szene wahr und mich darin an.

Ich habe nur ein „nicht zu greifendes Gefühl“ dafür. Es ist eine ungläubige Faszination an der Schlichtheit der Existenz und Sinn des Lebens, das nur den einen Moment für sich in Anspruch nimmt.

Zu erkennen am Knirschen.

Es ist die einfache Erfahrung, dass ich bin. Es knirscht. Nicht mehr, nicht weniger. Nicht falsch, nicht richtig.

Eine Dimension tut sich auf: Kann es so einfach sein?

Fasziniert, erstaunt.

Ungläubig.

Tröstend, entlastend.

Zweifelnd.

Ich erkannte die, meine kleine, hoffnungsschwangere Weisheit für einen Moment – und im selben war sie weg.

Aber mit jedem Schritt steht es mir frei, sie wieder neu zu (er-) finden.

Weißrauschen

Es erklingt im Meer oder beim Prasseln des Regens. Auch das Rauschen nach Sendeschluss (den nur noch wir kennen 🙂 ) ähnele dem Geräusch, das Ungeborene angeblich beständig hören sollen. Manchem Unterbewusstsein vermittele das „weiße Rauschen“ deshalb noch Jahrzehnte nach der Geburt ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit.

Weißrauschknirschen

…nenne ich von nun an das Geräusch, das entsteht, wenn ich auf schottrig befestigten Wegen wandere. Es schwingt aber auch mit, wenn vertrocknete Halme der Grasnabe auf Feldwegen unter meinen Füßen zerbersten.

Dass mir das Laufen so gut tut, hat sicher viele Gründe.

Das Weißrauschknirschen ist wohl einer von ihnen.

Rückblick: Knoblauchsland

Heute bin ich nach Herborn geradelt. Fehlender Proviant war angesichts der anrainenden, übervollen Obstbäume kein Problem. Aber es gab nicht ein einziges Gemüsefeld. Da fiel mir ein, dass ich doch schon an einem Beitrag über meinen Nürnberger Lieblingsort begonnen hatte:

Knoblauchsland

„So heißt die Region im Nordwesten Nürnbergs. Es liegt im Zentrum des Städte-Dreiecks Nürnberg-Fürth-Erlangen und ist eines der größten zusammenhängenden Gemüseanbaugebiete in Deutschland.

Zwiebelzuchten haben diesem Landstrich zu seinem Namen verholfen. Hinweise darauf bietet das Wachstafelzinsbuch des Burggrafentums Nürnberg von 1425. Um 1600 weist der Nürnberger Stadtschreiber Johannes Müllner auf die Zwiebel als Namensursprung hin:

„Und diese bisher aufgezählten Flecken und Dörfer (des Knoblauchslandes) liegen alle zwischen dem Wald und der Rednitz gegen der linken Hand, welcher Traktus insgeheim das Knoblauchsland genannte wird, aus Ursach, dass viel Zwieffel und Rubsamen gebauet und von hinnen in fremde Land führt … und damit große Hantierung getrieben wird.“

Die Stadt Nürnberg und seine umliegenden Dörfer konnten so schon vor Jahrhunderten voneinander profitieren.

Der Stadt diente das Umland als Nahrungsproduzent, dafür konnten sich die Bewohner der Dörfer in Krisenzeiten auf den Schutz der Burg verlassen.

Quelle: https://www.rb-knoblauchsland.de/homepage/seite-3.html

 

Das Knoblauchsland ist mein liebstes Ziel während meiner Zeit in Nürnberg.  Es lärmt nicht, ist nicht schnell, nicht hoch, aber weit.

Mein Rad macht alles mit, trägt mich hin und weg.

Ich spüre Muskeln, auch die fehlenden, den Atem, auch den kurzen. Sandige Wege bringen mich zur vollen Aufmerksamkeit, schottrige zum Lachen. Ich bin ganz im Hier – und weg vom Da.

An das Lachen mit dem paustbackigen Trekkerfahrer werde ich mich hoffentlich auch noch lange erinnern: Wie vor einem Jahr auf dem Camino stelle ich mich oft absichtlich unter die Sprenkelanlagen und lasse mich bewässern und genieße es, zu bemerken, wie gut sich Wind, Feuchte, Wärme und Haut vertragen.

Feuchtes Gemüse riecht zwar noch intensiver, aber meine Nase vermag es trotzdem nicht wirklich, herauszufinden, nach welchem Kraut es gerade genau riecht. Aber ich versuche es immer wieder… Zwiebelgewächse aller Art stechen hervor: Lauch, Knobi, Schnittlauch in langen Reihen. Dill, Rucola, Minze und sogar Liebstöckel kann ich ausmachen, Sellerie, Fenchel, Salat und Kohl hingegen nur optisch erkennen.

Ja, und ein mal schnupperte ich, kaum hatte ich die Siedlung hinter mir gelassen, einem Duft hinterher… Ich kannte den Geruch,  hatte ihn schon oft gerochen. Und ich war ganz aufgeregt, weil ich mir sicher war, herausbekommen zu können, was ihn verströmt. Und dann war er da, der Moment der Erkenntnis und die Lösung ließ mich breit grinsen, denn es roch eindeutig, würzig, intensiv nach

Gulasch!!!

Nein – Stemmen

Oder würde „Stämmen“ nicht besser passen ins Bild, das ich mir einprägen will?

Mich stämmen gegen…

Die Wahrheit derer, die alles zer dröhnt, stört, sägt, fetzt.

Kritiker und Antreiber, maßlos wild, gerichtet.

Gegen, nicht für mich.

Wie ein Sturm ziehen sie ein.

Mich stämmen gegen ihre Wahrheit, die dann meine scheint.

Mich stämmen mit allem Nein, das ich aufbringen kann.

Ihr seid meine, aber nicht Eure Wahrheit.

Ihr seid wahr, aber ihr habt kein Recht.

Keine Verirrung mehr, Euch folgend.

Keine Argumente, keine Spiegelsuche, kein Gewimmer.

Nur

Nein.