Tja, was nun? Angekommen in Santiago wollte ich mich nicht mit dem Gedanken beschäftigen, nach Hause zu fahren. Ich dachte daran, nach Finsterre ans Meer zu reisen und von dort die 3-4 Tage zurück nach Santiago zu laufen. Aber zu allererst wollte ich mich darum kümmern, wie ich überhaupt zurück nach Deutschland kommen kann. Dazu stand die Fahrt nach Vigo an, um mir in der dortigen Honorarbotschaft wieder einen Pass zu besorgen. Und von Vigo aus kann man ja auf dem Camino Português auch nach Santiago laufen, aber…
…die Schmerzen im linken Schienbein, die mich auf den letzten Tagen des Weges schon begleitet hatten, hatten spürbar nachgelassen oder sind einfach nur nichtig geworden im Verhältnis zu denen in der linken Hüfte, mit denen ich tags zuvor vom Barhocker gekrochen war. Die Treppen der Pension waren schon eine Aufgabe, aber schlimmer noch war es, das Bein ins Bett zu bekommen. Jede Bewegung, auch nachts, ließ mich zusammenfahren. Fiel mir etwas auf den Boden, kam das einem Drama gleich, denn ich konnte mich einfach nicht so tief bücken. Dabei waren nicht die Schmerzen das Schlimmste, sondern die erbärmliche Hilflosigkeit. Den ganzen Tag konnte ich, wenn ich es geschafft hatte, auf die Füße zu kommen, nur winzige, vorsichtige Schritte machen und für lächerliche Entfernungen nahm ich mir ein Taxi, wobei ich auch dabei den Eindruck hatte, mehr Zeit zum Ein- und Aussteigen zu benötigen, als die Fahrtzeit andauerte. Zudem kam mir der Rucksack unendlich schwer vor.
Dies alles nahm ich als Zeichen, dass mein Körper meint, er sei jetzt genug gelaufen und wolle heim. Ich buchte einen Flug, besorgte mir weitere Ibuprofen Tabletten, sowie Diclofenac Gel und schlief nachmittags und schlief abends und schlief nachts…
…und das Wunder kam. Schon nachts wunderte ich mich darüber, wie gut ich mich im Bett bewegen konnte. Und morgens war ich überglücklich, relativ leicht aus dem Bett zu kommen und darüber, dass ich mir auch noch die Schuhe einigermaßen vernünftig zubinden konnte.
Ein kleiner Morgenspaziergang bestätigte das Wohlgefühl und jetzt schon denke ich daran, den Flug umzubuchen, noch ein paar Tage hier zu verweilen, um noch etwas zu laufen…
Ich habe das Gefühl, nicht Abschied nehmen zu können oder genommen zu haben.
Kann man ohne Abschied „ankommen“, sich „zu Hause“ fühlen?
Moin. Du stellst Fragen. Ankommen ohne Abschied zu nehmen? Das denkt jetzt in mir. Zeiten in meinem Leben, die mich immer noch beschäftigen, vielleicht nicht verabschiedet. „Nachtragend“ trifft das auch. Etwas abgeschlossen haben. Uuuuuuuuuuh, das wird jetzt anstrengend. Ich werde noch eine Weile darüber nachdenken. Ciao.