Donnerstag, 1.Juni 2017
Mein Weg sollte mich heute nach Fawnskin führen. Fawnskin ist ein kleines, gemütliches Ferienörtchen auf der gegenüberliegenden Seeseite von Big Bear Lake. Von hier führt eine Dirt Road zu der Stelle des Trails, an dem ich ihn nach meinem Sturz verlassen hatte.
Aber etst mal zum Anfang:
Ich brauchte nur ca. 10 Min um zur Bushaltestelle in Lake Isabella zu kommen. Der Busfahrer kannte seine kurvige Strecke, so viel ist sicher. Er fuhr so geschmeidig, rasant, aber sicher nach Bakersfield, dass es eine wahre Freude war dabei zu sein – fast wie im Karussell. Ich als Ortsfremde hätte ihm wohl kaum mit dem Motorrad folgen können. Der Amtrak Bahnhof hatte nur ein paar Snacks zu bieten, so nahm ich die einzige Frühstücksgelegenheit wahr, die sich in der Gegend anbot: Ein Merriot Hotel. Es war ein echter Genuss. Selbst in meiner Wanderkleidung kam ich mir willkommen vor und es war rundrum lecker.

Der Bus nach Los Angeles kam glücklicherweise pünktlich an, so war es kaum ein Problem, den dortigen Anschlusszug nach San Bernadino zu bekommen. Die Fahrt dauerte über zeei Stunden, aber aus der Stadt kam man nicht wirklich raus, die Strecke war durchgehend mit Gebäuden umsäumt. Bis dahin hatte also alles wunderbar geklappt. Aber der Mensch, den ich in San Bernadino nach der Bushaltestation fragte, schickte mich zu einer falschen. Mir kam das Schild auch merkwürdig vor, so fragte ich beim Fahrer eines ankommenden Busses nochmal nach, der mich zwar auf die andere Straßenseite schickte, aber leider nicht zur richtigen Haltestelle. So durfte ich über fünf Stunden auf den nächsten Bus warten, die ich mit Einkaufen, Verschicken eines Paketes und der erfolglosen Suche nach einem Handygeschäft verbrachte.


Statt um 14:30 Uhr kam ich also um 19:30 Uhr in Fawnskin an. Ich war so müde! Zudem war mir unterwegs eingefallen, das ich vergessen hatte, mir eine neue Gaskartusche zu besorgen. Der kleine Laden hatte nur große, viel zu schwere Dosen. Was tun? Ramensuppen kalt essen? Es musste eine Entscheidung her, aber erstmal brauchte ich dringend eine Toilette. Die Verkäuferin schickte mich zu einem öffentlichen Parkplatz, aber unterwegs leuchtete mich ein Barschild ‚open‘ an.
Ich war in der Moose-Bar gelandet, die sofort einen so gemütlichen Eindruck machte, dass ich dachte, hier könnte ich mich auf Dauer wohlfühlen. Ich wurde auch gleich freundlich angesprochen und so offen, wie ich es hier in den USA bin, habe ich auch gleich von meiner Not erzählt, in der Hoffnung, irgendjemand habe eine Idee, wie ich vielleicht noch in die Stadt kommen könne. Das zwar nicht, aber alle dachten darüber nach, wer so etwas haben könnte und der wurde angerufen. Inzwischen war ich am Tisch von Janna, Mick, Dave und Patty aufgenommen worden, von irgendwo kam ein vegetarisches Essen, dazu ein Bier und ein großes Glas Wasser. Ich wurde eifrig befragt, erfuhr aber auch viel. So, nur z.B. dass Janna eigentlich Holländerin ist und morgen Geburtstag hat, Mick Engländer ist und am Morgen noch in Düsseldorf war, Dave alles über den PCT weiß und Ehemann von Lonie ist, die den Bardienst übernommen hat, und Patty schon viel über den Camino de Santiago in Erfahrung gebracht hat und darüber nachdenkt, ihn zu entdecken. Es war so ein netter Abend und es tat so gut, mich so willkommen zu fühlen. Mick setzte sich kurzerhand ins Auto und kam mit seiner Notfallausrüstung zurück: Instantsuppen, Wasser, Getorade und: Eine Gaskartusche! Welche Notfälle? „Schnee, Waldbrand,… Trump?! Man wisse ja nie!“ Schließlich wurde ich ungezwungen und freundlich eingeladen, die Nacht bei Dave, Lonie, Earl (freundlicher Hund) und Tiger (vorsichtige Katze)…zu verbringen. Habt Dank!!!

Liebe Menschen in der Moosebar: Ich kann Euch gar nicht sagen, wie viel Wohlwollen und Willkommensein ich hier bei Euch erlebt habe. Freunde und Gemeinschaften, die sich wohlfühlen, tragen einander und andere. Das habe ich hier deutlich gespürt. Ich danke Euch für diese Erfahrung und Danke für Eure Wertschätzung und Eure gute Wünsche, die mich jetzt auf meinem weiteren Weg begleiten. Big Bear und seine offenen, herzlichen, hilfsbereiten Menschen wird mir in besonderer, warmer Erinnerung bleiben!

Dieser unglaublich schöne Abend war die Folge eines unnötig verpassten Busses, einer eigentlich ärgerlichen Vergesslichkeit und eines dringenden menschlichen Bedürfnisses.
Das Leben hat so viel zu bieten.
____________________
Nachtrag:
Am Morgen wurde ich von Dave und später von Lonie noch verabschiedet mit der Aufforderung, mich zu melden, wenn ich Hilfe brauche. Darauf musste ich dann auch leider gleich zurück kommen. Ich war schon unterwegs, als ich feststelle, dass mir mein Hut fehlte. Also zurück! Leider war er weder beim noch im Shop und die Bar war geschlossen. So musste ich Lonie um Hilfe bitten, um in der Bar danach zu suchen. Leider ohne Erfolg. So bekam ich einen Hut von Dave geschenkt, den er nicht mehr brauche und der meinem sehr ähnlich ist. Er gefällt mir sehr, sehr gut. Und meinen Dank für diese Menschen weiß ich echt nicht mehr in Worte zu fassen.
