Morgens…

…ist einfach meine beste Zeit.

Nach der deutlichen Abkühlung und dem Sturm in den Bergen gestern (hoffentlich war es für die Wanderer da oben nicht so schlimm, wie ich es mir vorstelle) ist die Luft heute angenehm frisch.

Genauso ergeht es mir mit dem Denken und Fühlen: Ich habe frische Ideen und die Angst ist wie die Dunkelheit – sicher da, aber woanders.

Es wäre gut, mit dieser Stimmung laufen zu können.

Bald vielleicht wieder!

Zum Verständnis: Schneeverhältnisse

Wir sind hier in Bishop ca. in Höhe von PCT Meile 850.  Hier geht es bis über 11000 Fuß hoch.

Zwischen Meile 1400 und 1500 gibt es ein Stück unter 6000 Fuß Höhe. Oregon ab Meile ca. 1700 wäre auch meist bei ca. 6000 Fuß, ist aber weiter nördlich.

Der Treffpunkt mit Susi und Tine wäre bei Meile 2100, Grenze zwischen Oregon und Washington.

Zurzeit gilt noch: Ab 5000 Fuß: Schneefelder,  ab 6000 Fuß Schneedecke. Es schmilzt aber.

So versteht Ihr besser, dass es so schwer ist, zu entscheiden, wohin

Warten ist teuer und macht rammdösig. Mache ich schon viel zu lange.

Kein Teil sein.

Ich bin hier in einem Ort, an dem Wanderer zurück von ihrer Erfahrung in der High Sierra kommen.

Es gibt Geschundene und Gestählte.

Ich fühle mich auch geschunden, wenngleich nicht körperlich, und dachte hier, mich teilen zu können, Teil sein zu können.

Aber ich bin es nicht.

Matthias meint, das sei letztlich die Folge meiner Flüchte, der ständigen Sprünge. Recht hat er. Aber die hatten doch ihren Grund. Warum flieht man? Warum springt man? Aus Angst und Hoffnung.

Und morgen springe ich wieder zurück vom kurzen Urlaub – in meine Welt.

Matthias,  ich freu‘ mich, Dich unter den Gestählten zu wissen.

Gestählt wäre ich, könnte ich durch das gehen, was mich fliehen lässt. Das, was geschieht in meinem Gehirn, was ich ‚Verlorensein‘ nenne. Dazu müsste ich mich nur der Einsamkeit stellen. Auch, um mich den Menschen, denen ich dort begegne, trotz meiner Angst, zumuten zu lernen.

Das ist hier kein Problem. Auf, Karin, los: Internetlose Strecken gibt es hier überall. Nervige, wenngleich vermutlich harmlose, Schneefelder unvermeidbar.

Ihr, Freunde, singt mir Eure Lieder…. Sagt mir, die Ihr mich kennt: Rein in die befürchtete Qual, ein weiteres Mal? Ein letzter Versuch, zu lernen, sie in Stärke zu verwandeln?

Oder geht es um Annahme der Unfähigkeit?

Ja, ich weiß… die Antwort muss ich selbst finden.

Respekt

Dafür, dass es diese Menschen, von denen ich jetzt spreche, gibt in meinem Leben, empfinde ich große Dankbarkeit. Und auch wenn ich (noch) nicht gelernt habe, mich auf meinen Boden zuverlässig verlassen zu können, kann ich doch sagen: Ich kann mich selbst verlassen, aber sie bleiben sich und gleichzeitig unserer gegenseitigen respektvollen Art, uns zu begegnen, treu. So kann ich mich auf sie verlassen.

In dieser respektvollen Art würde ich gerne mir selbst begegnen können.

Aber ich höre diese Stimme nicht, die mir sagt, wohin, wie es weitergehen soll für mich. Was richtig ist.

Z.B. mich der Angst aussetzen oder endlich annehmen und akzeptieren, dass ich eben nicht alleine sein kann.

Auch für diese Ratlosigkeit könnte ich jetzt versuchen, Respekt und Geduld aufzubringen: Wir müssen uns doch erst einstimmen.

Aber das, was in der Zwischenzeit passiert, ist manchmal schmerzhaft schlechte Musik.

Davor habe ich Angst.

Mein Handy

Ich hatte damals kurz nach meinem Sturz schon darüber nachgedacht, wie es wäre, die Internetverbindung aus zu stellen. Zu oft hahe ich danals schon auf das Verbindungssymbol geschaut und ob ich vielleicht eine Nachricht bekommen oder einen Anruf verpasst habe.

Mittlerweile habe ich das Gefühl, ich kann nicht mehr ohne Handy sein. Ständig ist es in Benutzung. Ich google nach Verbindungen, gehe shoppen, halte mit Euch Kontakt, schaue nach der Trailapp und versuche, Informationen zu bekommen, wie es denen ergeht, die unterwegs sind in der steilen, verschneiten Sierra, für die ich zu feige bin.

Das Handy muss 2x täglich geladen werden. Gut, es hat ein großes Display und einen schnellen Prozessor, aber trotzdem zeigt das doch, wie oft es in Benutzung ist.

Und ich habe schon ein bisschen Grummeln im Bauch, wenn ich an die Wanderung nach Kennedy Meadows denke. Da werde ich kein Internet haben. Keine Möglichkeit, mich meiner Freunde zu versichern. Keine Möglichkeit, mich mitzuteilen.

Was bedeutet dieses Ding also wirklich für mich?

Ist es eine Art Freundesersatz?

Nein. Wäre das Handy kaputt, könnte schnell ein Neues da sein und es ersetzen.

Bei meinen Freunden ist das definitiv nicht so :-))

Aber es hilft mir. Nicht nur bei der Informationsbeschaffung. Es hilft mir, indem es mich ablenkt. Es hilft mir, indem es mir bestätigt, dass ich Kontakt habe.

Mit Euch.

Schuhe

Es ist Zeit, ein Hohelied auf meine Schuhe zu singen. Es handelt sich um das Modell Meindl Nebraska mit Goretex Ausrüstung. Sie waren vor ca. 600 Meilen noch recht neu. Jetzt sehen sie so aus:

Innen sind sie noch prima erhalten und die Oberfläche ist auch intakt. Aber die Sohlen sind schon recht abgenutzt und es wird deshalb langsam Zeit, mich von ihnen zu verabschieden.

Die wenigen Blasen, die ich hier hatte, habe ich meiner fehlenden Achsamkeit mir selbst gegenüber zu verdanken, nicht ihnen.

Ein Ersatzpaar habe ich in meiner Bouncebox.

Ob ich überhaupt noch ein weiteres Paar brauchen werde?

 

Bishop

Ich bin gestern Morgen dort am Rande des PCT aufgewacht und wusste, dass ich nicht nach Kennedy Meadows wollte. Ich wollte umkehren und tat das auch.

Meine Idee war, mit Matthias zu reden, der einen Teil der High Sierra durchquert hat und sich nach diesen Erfahrungen dort auch mit Abbruchgedanken trug. Er hatte nichts dagegen, also habe ich mich auf den Weg gemacht. SEHR viel Glück beim Trampen ermöglichten es mir, die ca. 160 (!) Meilen nördlich entfernte Stadt um ca. 10 Uhr erreicht zu haben.

Bishop ist ein Touristenziel. Was genau hier diese Stadt den Reisenden bietet, ist unklar, aber es könnte mit der Lage zu tun haben:

Nun bin ich also hier und habe ein bisschen Abstand von der Schwere der zu treffenden Entscheidungen.

Aber ich weiß, die holt mich schnell wieder ein.