Vorstellungskraft

von der Macht der Vorstellungskraft in Zeiten des Umbruchs

Frühdienst. Die Kleidung von gestern geht nochmal. Arbeitsklamotten, staubig, aber bequem. Unten stehen die Gummistiefel. Ich stelle noch die Kaffeemaschine an, bevor ich rüber in den Stall gehe. Träge wedelnd begleitet mich der Hofhund.

Die Pferde schnauben aus tiefer Kehle – mir zu: Willkommen, Mensch!

Was für ein Gefühl… Willkommen, Gänsehaut!

Unruhe kommt auf. Routiniert öffnen meine Hände die Scharniere der Futtertruhe. Die Kelle verschwindet im Hafer. Eins, zwei, drei… Der Eimer leert sich in den Trog… gierig verschwindet der große Kopf des Kaltblüters darin, während sein Nachbar genervt mit seinen Hufen scharrt. Nichts dämpft mehr das Geräusch das erklingt, wenn schwerer Beschlag auf blank geriebenen Steinboden trifft.

Und dann das Malmen… wie sehr ich dieses Geräusch mag. Nein, ich bin nicht in Hektik – nur ist morgens einfach keine Zeit zum Lauschen. Das sanfte Rascheln des Heus entgeht meiner Wahrnehmung, wie so oft, fast gänzlich, aber sein Duft ist überwältigend. Schnell verstecke ich meine Nase im matt gewordenen Grün des letzten Sommers und atme tief ein, bevor die Morgenration mit einem Wurf in der Box verschwindet. Wenn das so gut schmeckt, wie es riecht… mmmh…

Die Ersten sitzen schon über ihren dampfenden Kaffeetassen. Der Chef weiß, was heute zu tun ist und verteilt die Arbeit. „Wir brauchen 30 Bund Radieschen – machst Du das?“

Mir wird schnell klar, dass ich schon wieder die eiernde Schubkarre genommen habe. Auf dem Weg zum Feld gehe ich in Gedanken durch den Werkzeugkeller…. vielleicht ist die Pumpe dort in dem rechten Stahlschrank?

Klar, das erste Bücken des Tages tut einfach weh. Ich weiß, dass es irgendwann besser wird. Die im Boden verbliebene Frische der Nacht leistet als Radieschenschmiermittel zuverlässig ihren Dienst. Und in den löcherigen Hinterlassenschaften der kleinen Rübchen wimmelt es von Leben: Regenwürmer, Larven, Käfer…

…wann hatte ich eingentlich zum letzten Mal saubere Fingernägel?… nur wegen seiner Belanglosigkeit verwundert registriere ich diesen vorbeiziehenden Gedanken.

Jetzt noch schauen, welcher Salat groß genug und noch nicht geschossen ist. Ein paar Gurken aus dem Gewächshaus sind auch reif für die Kiste. Viel Wasser fließt, bis die heutige Ernte im Lieferbus verschwindet.

Zeit zum zweiten Frühstück.

Die Pferde sind schon bei der Arbeit auf dem Acker. Das Misten geht mir leicht von der Hand. Ich schrubbe die Tröge und hole frisches Stroh vom Dach. Wie immer sehe ich Mäuse flitzen. Der alte Kater schaut ihnen unbeeindruckt hinterher. Er weiß, dass die nächste Gelegenheit kommt.

Das Unkraut wuchert. Zuerst die Setzlinge. Knochenarbeit.

Einfach an den Tisch setzen und reinlöffeln. Was bin ich froh, dass ich mich so oft vor dem Kochen drücken kann. Gerne kümmere ich mich stattdessen um den Abwasch.

Mittagspause. Danach noch eins, zwei Stündchen. Das muss für heute reichen.

Die Dusche ist frei. Wie gut sich das warme Wasser anfühlt. Steif schrubbel ich mir den Kopf. Frisch geduscht in sauberen, weichen Klamotten zu verschwinden ist mein täglicher Wellnessmoment.

Ich kann es genießen, zu liegen. Gut, dass es nicht so heiß ist heute. Kurz höre ich noch das Summen im Gras, bevor mir die Augen zufallen.

Gerne übernehme ich am Abend die Stallschicht. Und höre den Pferden ein Weilchen beim Kauen zu.


Der Schalter gibt klackend meinem Druck nach und löscht das Licht.

Wir sitzen noch ein bisschen draußen. Morgen ist wieder ein Tag. Das, was gesagt werden wollte, ist schon lange gesprochen. Gemeinsam schweigen wir noch etwas und hören dem Herrn Amsel auf dem Dachfirst zu, bis ich mich aufraffe und allseits eine gute Nacht wünsche. So liebe Menschen hier. Langsam glaube ich ihnen, dass ich willkommen bin.

Schwer heben mich meine Beine die Treppe hoch. Das Betreten der nervig laut knarzenden Dielen weiß ich schon lange zu meiden. Klackend senkt sich die Messingklinke und gibt den Weg in mein Zimmerchen frei.

Tut es gut zu liegen… Mein müder Körper, mein zufriedener Geist und ich sind einer Meinung. Einverstanden.

Einfach ein gutes Gefühl, hier zu sein.

 

Artikel verkauft

Es hat tatsächlich jemand darauf geboten!

Mir käme es wohl nicht in den Sinn, brutto 17,70€ für ein Paar Topflappen auszugeben – schon dieser Umstand setzt mich in Erstaunen. Umso mehr rührt es mich, dass es jemand tut. Denn scheinbar teilt da eine mir völlig fremde Person zumindest meine Idee, dass diese Dinger für irgendjemanden auf der Welt zu gebrauchen und zu diesem Zwecke ihren Preis wert seien. Möglicherweise gefallen sie ihr sogar?!

Mir dienen Handarbeiten in erster Linie zur anspruchslosen Beschäftigung und Ablenkung meines Verstandes, der sonst einfach tut, was er will – und mir manchmal einfach nicht gut.

Da ich schon mit Topflappen ausgestattet bin, biete ich seit Jahren immer mal wieder ein Paar bei Ebay zum Verkauf an. Den Preis summiere ich aus Materialkosten und einem kleinen einstelligen Betrag zur persönlichen Genugtuung. Bei diesem Päärchen hier jedoch habe ich richtig zugeschlagen und etwas mehr verlangt.

Sonst freue ich mich einfach nur, wenn ich etwas verkauft habe und stürze mich förmlich auf die notwendigen Arbeitsschritte um die Ware im geeigneten Verpackungsmaterial verschwinden zu sehen. Heute aber wurde mir dabei merkwürdig und spürbar weh zu Gemüte.

Sie waren ein bislang einzigartiges Modell. Ich hatte damals also nur eine farbenfrohe Idee von ihnen und machte mich irgendwann einfach an die Umsetzung.

Fülle ist ein zwiespältiges Ding. Einerseits macht mir schon die Vorstellung, bei guter Laune in volle Farbtöpfe zu greifen, draufgängerischen Spaß. Und ich bin gespannt darauf, was da zwischen Hand und Welt entsteht. Auf der anderen Seite der Stimmung, im Kreisel der Entwertung, fühle ich mich schon bei dem Gedanken an „Fülle“ (die eigentlich immer im Leben zur Verfügung steht) wie gelähmt – oder wütend, beiderfalls in Erstarrung versetzt.

Damals aber hatte ich Freude beim Wählen der Farben und bei der Realisierung meiner Idee. Ich brachte da was in die Welt und zustande – unbeholfen wie ein Kind, das etwas mit sich ausprobiert und es irgendwie vollbringt.

Wo steckt das Dilemma, das Nest der Wehmut?

Irgendwie gefallen sie mir schon… Und zu ihnen stehen kann ich nicht.

Sie waren nie das, in dessen Schein sie mich im Prozess ihrer Entstehung gesetzt haben… ( ja, ja… Das Ziel war nie der Weg 😉 )

Letztendlich fehlt es meinem Kritiker zudem auch an Sorgfalt in Ausführung der Arbeit, was als unverzeihliche Kopfnote zum Urteil „bloß weg damit“ führt.

Jedenfalls, nach diesen Zeilen der wertschätzenden Auseinandersetzung, gehen sie mir einfach leichter in den Briefkasten…

Ab in die Welt mich Euch – bringt Freude!

mutig