Vorgelesenbekommen

Entscheidung für einen neuen Weg… am Tag 4 (Sa., 17.11.2018)

Klaus bot mir an, vorzulesen. Er war ja gerade aufgestanden, die Zeitung hatte ich aus der Klinik kommend mitgebracht. Vorgelesenbekommen – ja!

Das alleine aber hätte nicht gereicht, dass der Moment, mein in ihm wohl und Zuhausefühlenkönnen zum Einverständnis des inneren Chors hätte gelangen können. Es war Zeit für eine ‚Skillskette‘, eine kurz aufeinanderfolgenge Anreihung oder Anhäufung von Fertigkeiten zum Verändern der Handlungs- oder Urteilsfähigkeit im Hier und Jetzt… : Ich stellte Klaus‘ Sessel ans Licht und bereitete ihm einen Kaffee. Die Nachfolgerin der „Mitgefühlskerze“, einem Geschenk von Christoph, brannte auf der Standbox. Auch waren die großen Zeitungsblätter dort vor der Flamme gut geschützt und ich konnte sie immer sehen, bewusst oder unbewusst. „Die Trostspenderin“, eine reine, ätherische Duftölmischung füllte den Raum. Ich selbst durfte ins Bett kriechen, wo schon eine Wärmflasche wartete. Neben mir dampfte der mit Zimt und Kardamon gewürzte Kräutertee. Häkelnd waren Finger und Hirn beschäftigt.

Wirklich neu war, dass ich 1. wahrnehmen, 2. wahrhaben und 3. sogar ausprechen konnte, das ich nicht wirklich in der Verfassung war, zuzuhören. Es ist leider viel zu oft so, dass ich bzw. meine Aufmerksamkeit ‚abdriftet‘, was natürlich und verständlicherweise zur Verärgerung führen kann: „Sag‘ mal, wozu lese ich eigentlich vor?“ Diesmal konnte ich es aussprechen, dass es mir heute nicht oder nur am Rande, als „Zugabe“ um die Informationsgewinnung ging, denn „Vorgelesenbekommen“ bedeutet mir weitaus mehr als das.

Vorgelesenbekommen ist etwas, dass meine Kanäle zu tiefen Bedürfnissen öffnet. Ein stilles Teilhabendürfen, ein Willkommensein der Art Lagerfeuer, Sonnenschein, auf der Erde liegen….

In der Sonne zu sitzen ist „Gesehenwerden, im Überfluss, unendlich üppig, Licht und Wärme geschenkt bekommen ohne Wert, Urteil und Leistung“. Lagerfeuer bedeutet „gemeinsam in Sicherheit sein“. Auf der Erde liegen ist „Getragenwerden ohne Last zu sein“. Vorgelesenbekommen berührt mich in ähnlicher Weise sehr. Die Regeln sind für alle klar. Es ist schwer, Fehler zu machen oder zu finden. Die Distanz stimmt: Das emotionale Verletzungsrisiko ist für beide Seiten gut steuerbar. Es ist ein Teilen, Geben und Nehmen gleichzeitig (und beim Rollentausch kann ich auch lernen, Vertrauen zu haben, dabei gut genug zu sein).

Es geht um Zuwendung.

Menschliche Zuwendung, die für meine inneren Kritiker und für meine innere Kleine, beide, aushaltbar ist.

Und gerade, weil ein Mensch Teil ist, ist dieses Vorgelesenbekommen – sicher nicht nur für mich – eine Möglichkeit, das Gefühl des Vertrauenhabenkönnens einzuladen, vorsichtig einzuatmen und am Ende vielleicht in klarem Dank zu verabschieden, auch wenn die kindliche Gewissheit, das alles nicht wahr ist, von den Kritikern zerstört wird und die Strafe sicher folgt, weil man doch wieder irgendwas falsch gemacht hat und der Mensch doch eigentlich lieber bei anderen vorgelesen hätte… usw.

(Ja, Ihr schier unermüdlichen, mich liebenden, mich beschützenwollenden inneren Kritiker: Ihr hattet Eure Vorlesepause redlich verdient. Seid nicht allzu streng mit der Kleinen. Sie hat die Ruhe vor Euch so sehr gebraucht.)

Habt Dank. Ihr Vorleserinnen und Gitarrenvirtuosen meines Lebens. Ich konnte Euch ein großes Geschenk machen. So groß wie Ihr mir eines gemacht habt. Es wirkt noch immer.

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PS (ein paar Stunden später):

Es kann natürlich sein, das diese, meine Wahrheit bei Euch ganz anders aussieht, obwohl wir diese Zeit gemeinsam verbracht haben.

Schade, aber durchaus möglich, dass ich mehr genommen habe, als Ihr geben wolltet.

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PPS:

Ja. Und Geschenke will auch nicht jeder.

Hickeln

(Entscheidung für einen neuen Weg am 7.Tag)

Ich musste darauf warten, bis mir jemand die Stationstüre öffnet zum Erledigen meines Stationsdienstes, dem täglichen Abholen der Zeitung. Und dann musste ich klingeln, damit ich wieder herein gelassen werden konnte.

Ich fordere Arbeit und ‚Zuwendung‘ im Außen und habe somit die ‚Arbeit‘ mit mir, mir diese Mühe innerlich zu gestatten (muss mich mir und meinem Erleben zuwenden…).

Ich hatte Spaß mit Nina und Seb, schon am Frühstückstisch.

(…auf Spaß folgt Strafe…)

Wenn die Spannungskurve steigt, sind ‚Skills‘ angesagt.

Ich nahm mir die Freiheit und ging an die Luft, um dort Kühle, Distanz, das und Gefühl zu finden, mir helfen zu können.

Ein Skill kann auch sein, etwas anders als gewohnt zu machen oder sich ‚anders‘ zu spüren. ‚Hickeln‘ kam mir spintan in den Sinn.

Hickeln??! Wie kommst Du denn bloß darauf??? Spinnst Du jetzt komplett? …kannst Du doch nicht machen. Auch noch im Sichtbereich des Raucherbalkons

Und ich entschied mich, und hickelte… (Wo sonst, wenn nicht in der Klapse?) Nahm neben meiner Schwerfälligkeit (als Kind war’s irgendwie leichter?!? 😉 ) ein scheues, verschmilztes Lächeln wahr – und hatte damit von allem genug (!). Ich verzieh meinen Kritikern und bat meine Kleine um Verzeihung. Und es war gut so.

Nicht zufriedenstellend (woher auch? Von mir???), aber sehr gut gemacht.

WWW – eine Idee

Ich stahl

mich nachts in den Vorratskeller im Untergeschoss. Klaute Gläser mit Wurst oder Dosen mit Erbsen. Oder ich ging an den Gefrierschrank und aß Eis. Am besten die ganze Packung. Dann fällt es vielleicht nicht auf. Müll wurde tief in der Mülltonne entsorgt oder sogar mit in die Schule genommen, um Spuren zu beseitigen. Auch Brot abzuschneiden hätte bedeutet, erwischt zu werden. Man hätte erkannt, dass nicht der Vater abgeschnitten hatte. Ich klaute meinem Bruder seine Süßigkeiten. Er konnte sie, im Gegensatz zu mir, schon immer aufheben und einteilen. Manchmal machte er sich lustig über mich. Manchmal wurde er wütend. Er hatte ja Recht. Ich gab ihm Geld dafür und noch heute nenne ich mich „den Grundstock seines finanziellen Wohlstands“ 😉 .

Entweder fiel das niemandem auf, dass in den Regalen etwas fehlte. Oder man schwieg es der Einfachheit halber tot. Oder es war einfach nicht schlimm.

Für sie.

Für mich schon. Ich las irgendwann in einem Bravoartikel über die „Esssucht“, erkannte mich in diesen Mustern. Wollte in Psychotherapie. Man hielt mich für verrückt. Nimm‘ Dich nicht so wichtig. Geht vorbei. Ist doch nicht schlimm, machst halt mal Diät. Und: Reiß‘ Dich endlich zusammen. Machst nur Stress. Das Kind in Psychotherapie schicken. Wo gibt’s denn sowas. Die spinnt doch.

Ich stahl

Dinge. Oft. Und wurde zwei Mal dabei erwischt. DAS war schlimm. Ich durfte in Psychotherapie.


Ohne Berechtigung und gleichzeitig schlecht zu sein, ist noch heute ein Grundgefühl. Ich habe es schon damals gelebt, indem ich gestohlen habe. So durfte dieses Gefühl da sein, so hatte es seinen Grund.

Essen ist Vereinnahmung. Da kommt keiner mehr dran. Meins. Wenn auch zu Unrecht, gestohlen. Aber diesen Genuss habe ich mir selbst besorgt. Ich werde immer fetter? Klar: Euch zeig‘ ich’s…

Ich fühle mich schlecht? Ja, ich zeig es Euch, indem ich mein Schlechtsein bin.

Bedürfnisse wie Lust und Trost werden auf Essen projeziert.


Diesen Mustern gilt es, auf die Spur zu kommen.

Das Hirn hat sich Muster gespeichert. Kommt dieses oder jenes Gefühl auf, wird es so bewertet, wie es sich während der Entwicklung bewährt hat.

Leider ändert sich daran nichts mehr (wenn ich Hrn. G.Hüther, Neurobiologe, richtig verstanden habe). Hoffnung gibt es in Form von körperorientierter Traumaarbeit, um dabei zu helfen, diese erlernten Muster durch den Neokortex neu bewerten zu lassen. Er muss immer wieder neue, hilfreiche Erfahrungen machen, damit er schneller, zuverlässiger und für sich glaubhafter „überbewerten“ kann.

Wenn das Stammhirn meldet: „Vertrauen – das kannst Du Dir nicht leisten. Irgendwas stimmt da draußen nicht. Das kann ja gar nicht sein. Pass‘ auf! Nimm, was Du kriegst, egal was, egal von wem, um zu überleben.“ muss der Kortex schnell und überzeugend sein, um dafür zu sorgen, dass die Bälle nicht allzu hoch fliegen.


Was lasse ich heute in meinem Leben aufführen?

Welches Gefühl lasse ich heute wahr werden, was inzeniere ich mir heute?

Diesen Mustern gilt es auf die Spur zu kommen…

Und: Wenn ich mir heute was erlebe, es mir lebendig mache, darf ich lernen, die aufkommende Schuld als Teil der Aufführung zu begreifen, nicht mich in ihr.

Und auch sie ist kein Schmarotzer, sondern Begleiterin der Kleinen. Die Schuld kommt auf, um mich auf mein Kleinkinderleben hinzuweisen, dass ich immer mit mir trage. Es muss nichts mit der Realität zu tun haben, für mein Gehirn aber war es und ist es noch heute wahr.

Das ist ein weitere, vorsichtige Schrittimmagination (nicht, dass ich denke, ich hätte das schon wirklich verstanden 😉 ). In Richtung „Entscheidung“ für den Ausweg.

Ich werden den Beitrag www nennen.

Wie Wahrheit wird. Eine Idee.

oder

wie Wahrheit wurde… ? Geht beides. Aber: „Werden“ klingt so schön nach frischem, erdig duftenden Hefeteig. Ich mag Hefeteig.

Wenn’s gut wird, werde ich mich endlich zu meinem „Eins“ machen können, eins, worauf ich wirklich Lust habe.

Neuer Weg Tag 3

Diese Station nimmt außer den Menschen, die zur Krisenintervention hier her kommen, gleichzeitig und geplant bis zu acht Patienten auf, die gemeinsam das insgesamt achtwöchige DBT Programm durchlaufen und somit zusammen an den daran gebundenen Therapiestunden teilnehmen.

Wie es der Zufall so will, haben wir – ich nenne sie hier einfach mal ‚Nina‘ und ich – aber nur zu zweit begonnen (und sind gespannt auf nächste Woche, in der weitere GenossInnen zu uns stoßen sollen), weshalb die Gruppe „Körperskills“ zugegebenermaßen in einem recht kleinen Rahmen stattfand.

Ich nehme mich trotzdem mutig wahr. Machte die Übungen mit, stellte Fragen, auch danach, ob mein Eindruck stimmt, dass ich zu viel Raum einnehme. Konnte stehen lassen, dass ich den Antworten kaum Glauben schenken konnte, ohne mich dafür allzu sehr zu verurteilen.

Ich denke oft an Uffenheim. Bin froh, dass ich nicht so lange wie dort brauche, um meine Barrikaden fallen zu lassen. Dennoch fehlt mir die Entspannung. Auch das „Hören sanft gespielter Instrumentalmusik zum Wochenende“ in einer mir unbekannten, zusammengewürfelten Teilnehmergruppe hat eher Gegenteiliges bewirkt. Aber das ist ja eigentlich gerade die Therapie – gesehen als Angebot zur Selbstwahrnehmung und Möglichkeit zur Umentscheidung in Urteil und Handlung.

Ich blieb trotz Wut und Unruhe. Und konnte meiner Aufmerksamkeit immer wieder empfehlen, den Tönen der Instrumente zu folgen statt den alten Geschichten.

Müde bin ich dennoch nach den vier Therapieeinheiten heute. Denke, ich werde gut schlafen.

Später dann.

Neuer Weg Tag 2

Gestern noch flüchtete ich wie ein getroffener Hund mit eingezogenem Schwanz aus der Cafeteria der nahegelegenen Universität. Man könne da keinen Kaffee trinken, wenn man weder im Besitz eines Studentenausweises noch einer Mensakarte sei. Dabei war die Feierabendstimmung dort so einladend jugendlich leicht locker und die Kaffeemaschine vielversprechend.

Heute nahm ich mir vor, den Mut aufzubringen und jemanden zu bitten, für mich mit meinem Geld einen Kaffee zu erwerben.

Und es gelang!

Zudem ein relativ kurzes, aber bemerkenswert offenes Gespräch über meinen derzeitigen Aufenthaltsort, die DBT Therapie und den Suizid der damals 56jährigen Tante meines freundlichen Kaffeeerwerbers.

Ja, und durch dessen Information bin ich nun auch im Besitz einer…

…die man dort gegen Pfand einfach so erwerben kann.

Gute Entscheidung!

Klinik als Dienstfahrzeug

Es ist noch dunkel draußen. Die Temperaturen sind erstaunlich mild für Mitte November, aber der Nebel passt in den Monat. Das Rauschen auf dem Karl Kellner Ring nimmt langsam zu, aber momentan sind die Fahrzeuge noch einzeln auszumachen.

Es sind Konstruktionen, die erfunden wurden, Menschen dazu zu verhelfen, sich in einer Art fortbewegen zu können, die über das Maß ihrer ursprünglichen Möglichkeiten hinaus geht. Diensttuend hinterlassen sie Raum – sowie dieses typische Rauschen in meinen Ohren.

Ich werde heute ein leeres, abgezogenes Bett zurücklassen, dazu etwas Platz in Regalen, sowie ein verklingendes Geräusch, das entsteht, wenn ein Mensch eine hölzerne Treppenstufe verlässt, also ebenfalls eine Form, die dazu dient, von A nach B zu kommen.

Und als solche möchte ich gerade die Einrichtung begreifen, in die ich mich heute begebe – eine Psychotherapeutische Klinik als eine Konstruktion, die dazu dient, Menschen eine Fortbewegung zu ermöglichen.

„Ich muss mich umbringen oder mein Leben“ klingt arg theatralisch, entspricht aber prinzipiell meiner Beurteilung. Und wenn ich „mich“ im Hier und Jetzt getrennt erlebe, also Erleben als Produkt meines Gehirnes neben mir als körperlich existierendes Wesen, würde der Satz auch mit einem „und“ verbunden werden können.

Produkt meines Gehirns ist ein „Ego“, das mir das Erleben erschwert, verkompliziert, in Unruhe, Getriebensein, Verunsicherung versetzt – sich also in ständiger Gefahr wähnt. Egal, ob „ICH“ das so (wahr-) haben will oder nicht: Dieses Ego als Produkt meines Gehirns ist zum einen unschuldig (ich MUSS nicht so sein, denken, fühlen!), kann also frei gesprochen werden. Zudem ist es ‚überlebt‘, nicht mehr aktuell.

Da dieses Egoerleben aber nur ein Konstrukt meines Gehirnes ist – also nicht „ich“ ist, darf ich sagen, dass ich ES umbringen will und darf – getrennt von mir als Körperwesen:

Ich habe also das Ziel, mich von meinem Ego-Erleben fortzubewegen.

Dazu soll mir der heute beginnende Klinikaufenthalt dienen. Klinik und Therapie als Konstruktion, meinen Handlungsmöglichkeiten mehr Raum zu schaffen.

Therapiemethoden zu erkennen als hilfreiche Vorschläge, wie ich aus den zwingenden Urteilen meines Egos hinaustreten und mich von ihm distanzieren könnte. Rückschläge als Hinweis, nicht als Scheitern beurteilen lernen. Freude erkennen, berechtigen und erleben. Das Kommen und Gehen von Gefühlen an sich – vielleicht mit zunehmender Gelassenheit – beobachten und erfahren, vielleicht sogar lernen, also Werkzeuge zu be- und ergreifen, darin nicht mehr zu vergehen oder vom Ego hineingeworfen zu werden.

Das ist zu abstrakt, Karin.

„Ich“ weiß. Darin liegt Gefahr.

Menschen sollen mir als Ermutiger dienen, das Konstrukt „Klinik“ als Fabrik, die Methode DBT als Werkzeug, gleichgesinntes Sein, Denken, Fühlen, Tun, Teilen und Trennen mit Menschen ist der Werkstoff aus dem mein neues Erleben entstehen soll.

Das ist immernoch zu abstrakt, Karin.

Wenn Du ehrlich bist: Du hast in Begegnungen eigentlich grundsätzlich Angst. Du bist ständig gestresst, unter Anspannung und im Kontakt mit Deinen Kritikern. Du vergehst in ihrem Urteil, versuchst ihnen, statt Deinem Wohlergehen, selbstaufopfernd Dienst zu tun. Das ist wohl so, auch wenn Du dieser Tatsache davonläufst, Distanz schaffst mit Essen, Laufen, Telefonieren, Räumen, Grübeln, Verleugnen, Verschieben, Dich Kleinmachen…. etc… Du bist fern vom Hier und Jetzt, bist grundsätzlich wohl fast ununterbrochen in der Existenzbedrohung Deiner Kindheit, den Kritikern und den Gefühlen des Dichs als Kleinkind ausgeliefert. Du willst und musst weg vom Erleben Deiner Vergangenheit, willst Dich öffnen können lernen für das, was hier ist, jetzt im Hier und Jetzt. Darum geht es: Sicherheit erleben. Vertrauen erleben, auch ein Gefühl des Getrenntseins aushalten zu können. Aber auch: Gefühle des Insicherheitseins und Vertrauenhabens haben, aushalten, vergehen lassen lernen im Vertrauen auf die Wiederkehr. Dem alten Ego mit Würdigung Macht und Einfluss entziehen, dem neuen „Hier und Jetzt“ mit Offenheit, Zuversicht und Freude begegnen. Lernen. Nicht können.

…wird schon besser, Karin. Wohl geling’s 😉 Geht noch ein Schritt weiter?

O.K.

Die täglich auszufüllende Diary Card im DBT Programm beinhaltet den Punkt „Entscheidung für einen neuen Weg“

Ich habe gerade die sehr konkrete Idee, diesen Punkt hier in meinem Blog täglich zu veröffentlichen.

Butter bei die Fische.

So: 8:29 Uhr. Raus aus den Federn und der Komfortzone… – per Dienstfahrzeug.

Drei nach Besuch

In den letzten Wochen habe ich besucht und ich bekam Besuch. Und ich habe dazu einen ganzen, bunten Strauß Auffälligkeiten geschenkt bekommen…


Aufführungen

Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, sage ich meistens „wechselhaft“, was den Tatsachen entspricht, denn was ich schon gelernt habe, ist die Vergänglichkeit von Gefühlen zu bemerken. Was vielleicht fehlt ist die emotionale Distanz dazu. Ich schaffe es oft noch nicht alleine. Ich lasse mich gerne begleiten, wobei mich die Schwere und die Verzweiflung völlig vereinnahmen, mir die Freude und Leichtigkeit, sollte ich sie überhaupt erkennen, hingegen sehr fremd vorkommen. Manchmal – selten, aber beeindruckend – treten die beiden zusammen mit Faszination, Verwunderung und Staunen auf die Bühne. Wenn das so ist, kam es schon vor, dass ich sogar meine engste Vertraute, die Sehnsucht, verließ und mich diesem Schauspiel ungeteilt hingab. Ich konnte mich darin aufgebend, einfach sein. Ein unbeschreiblich schönes Gefühl: Einfach Sein. Oder: Wenigstens mal in der Rolle des Seins sein.

„Schlimm ist nicht das Gefühl, sondern der Widerstand dagegen“ meinte mein Psychologe…

Immer wieder dasselbe, ich weiß… Aber nochmal anders entdeckt, erkannt, beschrieben: Nicht die Distanz könnte also die Lösung sein, sondern die Hingabe. Nicht das Erkennen und „Daseinlassen“ von Leiden, Wut und Angst sondern auch da: Sein. Wenn nur das Leiden, die Wut und die Angst nicht so abstoßend wären, so widerlich schwere Rollen, auch wenn ich sie gut kenne. Mir sind sie so bekannt wie die Leichtigkeit mir fremd ist.

Aber das nur am Rande. Denn gerade bin ich die, die den Blog schreibt. Die Neugierde schaut mir über die Schultern. Und wenn die da ist, ist die Freude nicht weit…


Ich freu‘ mich auf Dich -> Link in neues Browserfenster

Verständnis für die Existenz der Kompliziertheit, die immer mitmischen will, wenn Freude und Leichtigkeit auftauchen 😉


Im Ursprung erklärbar, aber grundlos

Nein, ich sagte nicht das übergeordnete „wechselhaft“, sondern ich sagte „es geht mir nicht gut“.

Es entsprach den Tatsachen des bisherigen Tages und dem Grund, warum ich meinen Raum verlassen und die kurze Reise angetreten hatte.

„Raus aus der Situation“, aufbrechen, unterwegs sein, ankommen, Willkommensein fühlen, wieder gehen dürfen. Freude locken. Freude erhoffen. Als Türöffner für Zuversicht, Leichtigkeit, Spannungsminderung:

Ich hatte das Motorrad genommen, eine kurvenreiche Strecke gewählt. Begleitet von Sonne, blauem Himmel hinter herbstlich gekleideter Landschaft. Verstand, Gefühlsbrei und Körper sind abgelenkt von der Fülle der Sinneseindrücke und den kognitiven Anforderungen. Willkommen bin ich bei meiner Mutter, was hilft, das Gefühl dazu auch zu finden. Sie freut sich. Also findet meine Freude vielleicht auch leichter auf die Bühne.

Ich: „Es geht mir nicht gut…. und ich kann Dir nicht sagen, warum.“

Sie: „Ja, Du hast doch gar keinen Grund…“

 

Es traf mich wie ein Schlag: „Stell‘ Dich nicht so an! Du hast keinen Grund, also lasse es gefälligst: Hör‘ auf zu jammern. Dein Gefühl ist falsch. Du bist nicht richtig. Mit Dir stimmt was nicht! Nimm‘ Dich nicht so wichtig. Du bist nicht wichtig.“ und „Ich kann Dich nicht verstehen. Du bist verrückt und einfach nicht annehmbar, wie Du bist.“ zusammengefasst: „Du bist Schuld.“

Aber das hat SIE nicht gesagt. Es waren meine inneren Kritiker!

Ich verstand, zu überprüfen. Ihre Aussage war mitfühlend, nicht anklagend gemeint. Es war mein Missverständnis, das ich selbst erst jetzt richtig verstehe…

Ich kann ihr nicht sagen, warum es mir hier und heute schlecht geht, weil dann unvermeidlich Schuld im Raum stände als Kennzeichen meines Familienerlebens. Ich kann Schuld noch nicht loslassen, weil ich nicht will, dass sie andere belastet. Ich bin unterwegs, anzuerkennen, dass Schuld, die ich loslasse, gar nicht genommen werden muss… es steht den Menschen frei, was sie nehmen. Ich darf – in fast vollkommener Theorie erfasst – mich unschuldig fühlen. Und: Ich bin existenzfähig OHNE Schuld…

Und einen Grund für mein mieses Erleben im Hier und Heute gibt es tatsächlich nicht, da hätte meine Mutter wirklich völlig recht, selbst wenn sie es so gemeint hätte.

Ursachen im Wurzelwerk unserer menschlichen, geographischen, historischen, familiären und ganz individuellen Geschichten mag es geben. Ich kann Verständnis aufbringen und versuche, zu begreifen. Glaube aber noch, irgendetwas (tun, nehmen, greifen, stehen, lassen) zu müssen, um… zu… ja was auch immer.

Das ist es ja gerade 🙂

Ich freu‘ mich auf Dich

„Ich freu‘ mich auf Dich“

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich den Zusammenhang erspürte zwischen diesen Worten und…

…meinem Gefühl der Schwere, der Unzufriedenheit, des unbändigen, maßregelnden Getriebenseins.

„Warum denn nur?“ wütete der Widerstand.

Wie so oft gab ich dem Getriebensein auf einem Wanderweg Raum. Und ich weiß noch genau die Stelle, an der ich dort zum Stillstand kam. Es war exakt in dem Moment, als ich das Band zwischen „Ich freu‘ mich auf Dich, Karin“ und der bedrückenden Haltlosigkeit erkannte.

Tränen kullerten als Erkennungszeichen einer alten, tiefen Wahrheit.

Diese Erkenntnis möchte ich hier teilen mit Euch, von denen ich die Worte schon so oft gehört habe.

„Ich freu mich auf Dich“


Es kann nicht wirklich wahr sein…

Ich kann es nicht glauben. Das ist schlimm und tut weh. Und es kostet immer einen Umweg im Denken: „Karin, glaube es. Du hast keinen Grund, Aussagen anderer zu entwerten. Wenn sie es sagen, ist es Teil ihrer Wahrheit und somit bist Du Teil der Freude. Und das ist wunderschön. Auch wenn Du es im ersten Schritt nicht glauben kannst.“

„Wenn jemand sich auf Dich freut, musst Du aber…“

Nicht nur mich so benehmen, das das auch so bleibt… zusammenreißen, nach den Bedürfnissen anderer schauen, eigene ausblenden…

Es ist also anstrengend, wenn sich andere auf mich freuen.

Und:

„Du musst Dich jetzt aber auch freuen!!!“

befiehlt es im Hintergrund.

„Ich kann aber nicht.“ wimmert es aus dem All der Tiefe. Und das hat seinen Grund…

In den ersten Jahren meines Lebens wuchsen wir in einem Mehrfamilienhaus auf. Unter uns lebte ein altes Ehepaar. Ich habe sie als abweisend in Erinnerung. Wir durften in der Wohnung nicht rennen. Wir durften nicht laut sein. Auch nicht auf der Wiese hinter dem Haus. Wir mussten leise sein. Wir durften nicht stören. Laut sein in jeder Form störte – nicht nur die Nachbarn, sondern auch den Vater. Er kam von der Arbeit und wollte auf der Couch schlafen. Es störte auch die Mutter. Sie hatte oft Kopfschmerzen. Laut sein macht die Kopfschmerzen schlimmer. Laut sein tut der Mutter weh. Mir wurde das Ausleben von Freude verboten. Freude ist nicht erwünscht. Freude ist falsch. Ich bin falsch, weil ich sowas wie Freude habe.

Ich sehe darin die Wurzel. Noch heute fällt mir das Freudhaben schwer. Und Spaßigsein bedarf einer großen Portion situativen Vertrauens in Ort und Mensch.

(Manchmal, aber heutzutage auch nicht mehr sicher zu erwerben in Form von zu mir genommenen alkoholischen Getränken)

Du musst es schwer haben und leicht nehmen: Anders sein.

Noch im Nebel, nicht in Gänze zu betrachten, aber für mich existent ist der familiäre Einstellungssatz: „Wir fühlen uns grundsätzlich von anderen als schlecht bewertet und müssen – uns (und denen) – ständig beweisen, gut genug zu sein“. Das bringt eine Schwere ins Sein. Aber nicht nur das, sondern auch ein „Du musst es schwer haben und leicht nehmen, also: Anders sein“. Wieder ein Erwerben- und Verdienenmüssen der Freude, die deren schlichte Existenz und somit das gleichzeitige Leichthabendürfen mit Schraubzwingen begreift.

Also:

Das innere Kind fühlt sich grundsätzlich falsch. Es muss „anders sein“. Es darf sich nicht freuen. Es muss sich zusammenreißen. Es muss aufpassen. Es hat Angst vor Zurechtweisung und Strafe.

Die äußeren Kritiker (meine damaligen Eltern) haben Angst, die Wohnung zu verlieren… von den Nachbarn beschuldigt zu werden. Regeln zu verstoßen. Müssen aufpassen, das nichts passiert… sind genervt vom Lärm, den Anforderungen des Alltags, der eigenen Überforderung, der Unfähigkeit, sicher und liebevoll im Umgang mit den damals zwei Kindern zu sein…

Die inneren Kritiker haben schon oft erlebt, das das Kind verletzt war und von den äußeren Kritikern mit Worten und Taten zurechtgewiesen wurde. Es wurde oft angeschrieen. Irgendwas macht es immer falsch und die inneren Kritiker müssen arg aufpassen, das sich das Kind so benimmt, den äußeren Kritikern alles recht zu machen. Sie befürchten, das Kind könnte wegen Fehlverhaltens verstoßen und zurückgelassen werden. Todesurteil für ein Wesen, das nur im Leben sein und sich in seiner Welt entdecken will, sich aber nicht selbst schützen und versorgen kann.

OK. Soweit.

Ich habe gehört, dass sich jemand auf mich freut und das ist wunderschön. Ich lasse diese Freude über das Gehörte zu. Ich als Mensch habe in meiner Kindheit ein Schema entwickelt, das mir Freude an sich suspekt macht und mir zudem das dem Gefühl entsprechende Ausleben von Freude verbietet.

Ich weiß heute, dass ich damals meinen Eltern als Beschützer nicht trauen konnte. Das damalige Misstrauen ist heute nicht mehr angemessen. Ich bin in Sicherheit. Ich darf neue Erfahrungen machen. Habe aber Verständnis für mein inneres Kind. Kann sein, das es immer wieder Rückzug braucht. Ich werde versuchen, auf meine inneren Dialoge zu hören. Pausen einlegen, Wahrnehmung überprüfen und das Gefühl der Freude zumindest wahrnehmen, wenn ich sie vielleicht auch noch nicht „artgerecht“ ausleben kann 😉 . Und wenn Traurigkeit hoch kommt, ist auch diese verständlich, denn sie gehört zur verbotenen Freude aus Kindertagen. Mit der heute erlebten Freude, den dazugehörigen Menschen und der Situation hat sie aber gar nichts zu tun. Alles zusammen ist richtig, wie es ist.

Somit:

Ich packe meine Sachen und fahre morgen zu Dir, die sagt, das sie sich auf mich freut und darauf, mit mir Zeit zu verbringen und zu teilen.

Du freust Dich auf mich.

Ja: Unglaublich! Aber erfahrbar.

Boah ey!!!

Soll heißen: Ich freu‘ mich.

Nicht tobend durch die Räume, laut lachend hüpfend und schreiend. Aber so wie Karin, hier und heute.

Vorsichtig schön.