Ich freu‘ mich auf Dich

„Ich freu‘ mich auf Dich“

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich den Zusammenhang erspürte zwischen diesen Worten und…

…meinem Gefühl der Schwere, der Unzufriedenheit, des unbändigen, maßregelnden Getriebenseins.

„Warum denn nur?“ wütete der Widerstand.

Wie so oft gab ich dem Getriebensein auf einem Wanderweg Raum. Und ich weiß noch genau die Stelle, an der ich dort zum Stillstand kam. Es war exakt in dem Moment, als ich das Band zwischen „Ich freu‘ mich auf Dich, Karin“ und der bedrückenden Haltlosigkeit erkannte.

Tränen kullerten als Erkennungszeichen einer alten, tiefen Wahrheit.

Diese Erkenntnis möchte ich hier teilen mit Euch, von denen ich die Worte schon so oft gehört habe.

„Ich freu mich auf Dich“


Es kann nicht wirklich wahr sein…

Ich kann es nicht glauben. Das ist schlimm und tut weh. Und es kostet immer einen Umweg im Denken: „Karin, glaube es. Du hast keinen Grund, Aussagen anderer zu entwerten. Wenn sie es sagen, ist es Teil ihrer Wahrheit und somit bist Du Teil der Freude. Und das ist wunderschön. Auch wenn Du es im ersten Schritt nicht glauben kannst.“

„Wenn jemand sich auf Dich freut, musst Du aber…“

Nicht nur mich so benehmen, das das auch so bleibt… zusammenreißen, nach den Bedürfnissen anderer schauen, eigene ausblenden…

Es ist also anstrengend, wenn sich andere auf mich freuen.

Und:

„Du musst Dich jetzt aber auch freuen!!!“

befiehlt es im Hintergrund.

„Ich kann aber nicht.“ wimmert es aus dem All der Tiefe. Und das hat seinen Grund…

In den ersten Jahren meines Lebens wuchsen wir in einem Mehrfamilienhaus auf. Unter uns lebte ein altes Ehepaar. Ich habe sie als abweisend in Erinnerung. Wir durften in der Wohnung nicht rennen. Wir durften nicht laut sein. Auch nicht auf der Wiese hinter dem Haus. Wir mussten leise sein. Wir durften nicht stören. Laut sein in jeder Form störte – nicht nur die Nachbarn, sondern auch den Vater. Er kam von der Arbeit und wollte auf der Couch schlafen. Es störte auch die Mutter. Sie hatte oft Kopfschmerzen. Laut sein macht die Kopfschmerzen schlimmer. Laut sein tut der Mutter weh. Mir wurde das Ausleben von Freude verboten. Freude ist nicht erwünscht. Freude ist falsch. Ich bin falsch, weil ich sowas wie Freude habe.

Ich sehe darin die Wurzel. Noch heute fällt mir das Freudhaben schwer. Und Spaßigsein bedarf einer großen Portion situativen Vertrauens in Ort und Mensch.

(Manchmal, aber heutzutage auch nicht mehr sicher zu erwerben in Form von zu mir genommenen alkoholischen Getränken)

Du musst es schwer haben und leicht nehmen: Anders sein.

Noch im Nebel, nicht in Gänze zu betrachten, aber für mich existent ist der familiäre Einstellungssatz: „Wir fühlen uns grundsätzlich von anderen als schlecht bewertet und müssen – uns (und denen) – ständig beweisen, gut genug zu sein“. Das bringt eine Schwere ins Sein. Aber nicht nur das, sondern auch ein „Du musst es schwer haben und leicht nehmen, also: Anders sein“. Wieder ein Erwerben- und Verdienenmüssen der Freude, die deren schlichte Existenz und somit das gleichzeitige Leichthabendürfen mit Schraubzwingen begreift.

Also:

Das innere Kind fühlt sich grundsätzlich falsch. Es muss „anders sein“. Es darf sich nicht freuen. Es muss sich zusammenreißen. Es muss aufpassen. Es hat Angst vor Zurechtweisung und Strafe.

Die äußeren Kritiker (meine damaligen Eltern) haben Angst, die Wohnung zu verlieren… von den Nachbarn beschuldigt zu werden. Regeln zu verstoßen. Müssen aufpassen, das nichts passiert… sind genervt vom Lärm, den Anforderungen des Alltags, der eigenen Überforderung, der Unfähigkeit, sicher und liebevoll im Umgang mit den damals zwei Kindern zu sein…

Die inneren Kritiker haben schon oft erlebt, das das Kind verletzt war und von den äußeren Kritikern mit Worten und Taten zurechtgewiesen wurde. Es wurde oft angeschrieen. Irgendwas macht es immer falsch und die inneren Kritiker müssen arg aufpassen, das sich das Kind so benimmt, den äußeren Kritikern alles recht zu machen. Sie befürchten, das Kind könnte wegen Fehlverhaltens verstoßen und zurückgelassen werden. Todesurteil für ein Wesen, das nur im Leben sein und sich in seiner Welt entdecken will, sich aber nicht selbst schützen und versorgen kann.

OK. Soweit.

Ich habe gehört, dass sich jemand auf mich freut und das ist wunderschön. Ich lasse diese Freude über das Gehörte zu. Ich als Mensch habe in meiner Kindheit ein Schema entwickelt, das mir Freude an sich suspekt macht und mir zudem das dem Gefühl entsprechende Ausleben von Freude verbietet.

Ich weiß heute, dass ich damals meinen Eltern als Beschützer nicht trauen konnte. Das damalige Misstrauen ist heute nicht mehr angemessen. Ich bin in Sicherheit. Ich darf neue Erfahrungen machen. Habe aber Verständnis für mein inneres Kind. Kann sein, das es immer wieder Rückzug braucht. Ich werde versuchen, auf meine inneren Dialoge zu hören. Pausen einlegen, Wahrnehmung überprüfen und das Gefühl der Freude zumindest wahrnehmen, wenn ich sie vielleicht auch noch nicht „artgerecht“ ausleben kann 😉 . Und wenn Traurigkeit hoch kommt, ist auch diese verständlich, denn sie gehört zur verbotenen Freude aus Kindertagen. Mit der heute erlebten Freude, den dazugehörigen Menschen und der Situation hat sie aber gar nichts zu tun. Alles zusammen ist richtig, wie es ist.

Somit:

Ich packe meine Sachen und fahre morgen zu Dir, die sagt, das sie sich auf mich freut und darauf, mit mir Zeit zu verbringen und zu teilen.

Du freust Dich auf mich.

Ja: Unglaublich! Aber erfahrbar.

Boah ey!!!

Soll heißen: Ich freu‘ mich.

Nicht tobend durch die Räume, laut lachend hüpfend und schreiend. Aber so wie Karin, hier und heute.

Vorsichtig schön.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert