Einfach so.
Tag: 18. August 2018
141
Stufen
Ein Treppenhaus im Klinikum Nord, Nürnberg.
Fetzen in Zeitlupe
Flohmarkt
Ich hatte ja für eine Motorradreise gepackt, also nicht viel an Kleidung dabei. Und drei Kurzärmelteile sind einfach ein bisschen knapp bei bis zu drei Mal täglich gelebter Unruhe bzw. Entdeckungslust.
So wollte ich einfach ein zusätzliches Teil finden und begab mich also zu dem Flohmarkt. Spüre, dass ich etwas finden möchte, das mir gefällt. Es soll mein Fundstück sein. Irgendwas wird sich doch finden lassen.
Ja. Stimmt.
Ein paar Knöpfe, die mich mit Irene verbinden. Denn sie lassen uns Spielen. Wir suchen und finden beide gerne. Und dann trennen wir gemeinsam: Wir trennen zwischen „Ich hab’s gefunden! Meins!“, sowas wie „Oh, ist Deiner aber schön!“ und Tauschen wie Kinder ihre Murmeln, Abziehbilder und Quartettkarten. Und verschenken übertrieben gönnerhaftend aber großzügig. Natürlich nur, wenn der Knopf einen Zwilling hat… oder die aus dem fleischfressenden Neid erwachsenden Laute des Schmerzes nicht mehr auszuhalten sind.
Einen Stempel. Braucht kein Mensch mehr. Nur eine fällt mir ein… Vielleicht deshalb. Ich denke gerne an sie.
Einen Locher. Damit ich endlich Ordnung machen kann im Papierstau. OK., und… damit ich nicht danach fragen muss. Feigling.
Einen kleinen Puzzleball. Als teilhabende Achtsamkeitsübung, Ablenkung oder „Skill“, wenn die Spannung noch im Rahmen ist, aber vielleicht anzuwachsen droht.
Etwas Stickgarn. Weil günstig. Und kann man ja immer gebrauchen… jaja… Und weiß ich zu verschenken.
Kein Hemd.
Typisch.
Umwege
OK. Dann eben in den DRK Second Hand Laden. Ist ja gleich nebenan. Suchen und finden. Das für mich genau passende Ohwietollwahensinnssuperschnäppchenfundstück.
Nein. Es ist ein Kompromiss. Ein Wanderhemd, dem ich eine Chance gebe. Seit dem PCT traue ich Synthetikgewebe ja einiges zu, solange es nicht reines Nylon ist. Der Preis erlaubt den Versuch, auf den ich es ankommen lasse.
Dazu zwei weitere Kompromissteile und einigermaßen günstige Wolle. Will mich doch beteiligen am Spendenprojekt „Spüllappen in Glattlinks für den guten Zweck“. Und die für die Herstellung notwendigen Anforderungen an Bereitschaft, Überwindung, handwerklicher Fähigkeit, Kreativität, Konzentration und Ausdauer erfülle ich zur Zeit in bemerkenswerter Vollkommenheit.
Macht 15,-€. Mehr als ich ausgeben wollte. Für Kompromisse.
Aber auch Kompromisse sind manchmal akzeptabel. Gerade wenn der direkte Weg im Nebel liegt oder einfach noch nicht da ist.
Auch im DRK Altkleidersammelbehälter ist der Weg noch nicht vorbei!
Auch noch ’ne Runde im Kreis gehen kann Freude machen.
Sesam
Ja. Eine Laugenstange. Die gönn‘ ich mir jetzt. Und genau DIE DA will ich haben! Sie hat ganz viel Sesam drauf. Oh, was freu‘ ich mich auf den Geschmack von geröstetem Sesam auf Laugengebäck! Hole sie ganz weit hinten aus dem Fach. Denn die will ich für mich. Und es macht mir Freude, dass ich dafür auch Mühe aufbringe. Die Lust wird nur größer dadurch. Und die Vorfreude. Eine Erlaubnis, ein „Ich darf“. Ich spüre alles: Finderstolz, Lust, Freude – und unbändige Gier (ja, auch die darf da sein). Bin ganz aufgeregt. Und warm ist sie auch noch und sie duftet herrlich nach frischem Gebäck.
Sesam?
Salz!
Egal! Salz kann man entfernen. Und wenn schon die Vorstellung von gaaaanz viel geröstetem Sesam auf einer warmer Laugenstange, die ich für mich entdeckt und ergriffen habe, reicht, mich so zu erfreuen… brauche ich auch keinen Sesam mehr 🙂 .
Sondern ich freu mich zudem noch über die schöne, praktische Lernübung zum Thema „Wahrnehmung“ und Achtsamkeit.
Milchschaumbartträger
Und jetzt einen guten Cappuchino. Kaffeerösterei. Ich sitze. Nichts zu schreiben, nichts zu tippen, keinen Schirm, aber Bild.
Der Junge mit dem Milchschaumschnurbart, ausprobierend, wie man sich auf dem zum Sitzen angewiesenen Stuhl anderweitig bewegen kann. Dabei die Mutter klug ablenkend aber fraglich erfolgreich fragend, ob er denn heute zu Oma und Opa könne?
Ab und zu lächelt er mich scheu vorsichtig an. Und ich zurück. Ich glaube, wir mögen uns. In diesem Moment.
Junge, schöne Frau
Gegenüber im ersten Stock des Siebzigerjahrebaus. Fenster an Fenster, Balkon an Balkon. Die Balkontüre steht auf. Sie klopft etwas unbeholfen, aber energisch ein viel zu großes, matratzenähnliches Sofakissen aus. Es ist hellbeige. Sie hat lange, feine, aber dichte, dunkelblonde Haare. Sie lacht über ihr ganzes Wesen.
Vielleicht hat sie gerade einen Scherz, eine Erinnerung, ein Gefühl, einen herzhaften Gedanken geteilt mit einem Menschen, der in der Wohnung ist. Vielleicht war der Grund ihres Lachens, das bis zu mir über die Straße schwappt, ein ganz anderer.
Egal. Völlig egal.
Schön, dass sie alle da waren.
Teilhaben. Mich als Teilsein fühlen. Können! In diesem Moment.
Genug
Und weg dürfen. Ganz schnell. Auch des Offenen, Schönen, des Leichten kann es mir schnell zu viel sein.
Weiteratmen.
Durchatmen.
Mich beruhigen.
Es war da. Es ist nicht immer da. Aber es war da. Ich habe es gespürt.
Teilen
Das Chorbild. Der schwerhörige Dirigent, der glaubte, sich im Zuschauerraum verstecken zu müssen, weil er keine Eintrittskarte hatte. Der Dirigent, der bei aller Enge erahnt, dass er ja gar keine braucht, weil er Teil der Aufführung ist. Der Dirigent, der auch keine Austrittskarte will oder nehmen muss, aber das noch nicht so ganz versteht wie das geht. Der Dirigent, der das Theater heimlich zu verlassen versucht hat. Der Dirigent, der seine Stimmen und sie zu verstehen sucht. Er ist gleichzeitig seine Stimmen, die ihn suchen.
Er ist noch zu klein, scheu, zu blass, flüchtig, verängstigt, in Watte versteckt. Sie suchen ihn im Zuschauerraum. Dort glaubt er sich manchmal zu spiegeln.
Deshalb muss ich mich nicht fragen, warum ich mich des Hörens anderer so abhängig fühle.
Deshalb muss ich mich nicht mit Schuld beladen, mich nicht in die weit offenen, allesverhüllenden Watte der mir so vertrauten, mütterlich üppigen Scham sinken lassen.
Gestatte mir mich zu trauen, mich auszuprobieren, mich abzugrenzen. Hole mir Rückhalt beim Team der 20 IV links. Tippe es in meine Welt. Und traue mich wieder und immer noch einen Schritt weiter. Und manchmal gibt es Haltestellen.
Traue meinem Dirigenten noch nicht. Aber sie können ihn ahnen. Und ich kann ihnen trauen.
Ich sehe Fetzen
Fetzen der Stadt. Radle kreuz und quer. Ziele sind oder waren die RPK, das Wohnheim, das Krankenhaus, die Wohnung, Aldi, DRK Secondhandshop, Müller Markt, die Pegnitz. Mal lasse ich mir von Google Maps helfen, mal nicht.
Ich, die ich mir sonst so gerne meine Strecken vom einer App dokumentieren lasse und mich an Zahlen werte, lasse das hier einfach sein.
So nehme ich Stadtfetzen wahr, mal hier, mal da. Straßennamen, Geschäfte, Kneipen, Bars, U Bahn Stationen, Pflastersteine, Routen, Türme, Kreuze. Ich erhoffe mir, daraus ein Bild entstehen zu lassen. Wiedererkennen. Mich auskennen lernen.
Meine Art, in Nürnberg hineinzutauchen, ähnelt der Art, wie ich versuche, mir DBT begreiflich zu machen.
Meine eigenen Eselsbrücken bauen kann ich nur indem ich es tue.
Noch bin ich am Steinesammeln.
Fahrschule
„Borderliner“, so der Pfleger, „empfinden Gefühle um ein mehrfaches stärker als der Durchschnitt der Menschen“. Das sei so.
So gesehen hätten Borderliner einen Ferrari. Er hingegen fahre gemütlich mit einer Ente um die Ecken.
Kein Wunder, dass das Ferrarifahren nicht klappt, wenn man glaubt, in einem Dacia zu sitzen.
Mal gucken, was ich kann.
Nürburgring Nordschleife, ich komme…
Notwendig ist ein vertrauenswürdiger, richtig guter Instruktor, eine passende Gruppe Menschen um sich rum, zumindest anfangs trockene Bedingungen, Pausen und viiiiiiel Trinken (-> Proviant. Atmen.).
Und dann: Üben, üben, üben…
O.K. und:
Es muss ja nicht gleich die Nordschleife sein 😉