Splitter xy – Runden drehen

Gerade beim Lesen meiner letzten Beiträge kann ich mich des Gedankens nicht verwehren, das mir deren Inhalt sehr bekannt vorkommt. Mal Milde, mal vage Hoffnungsglimmer ohne Ankerplatz im Hafen Zukunft, dicht gefolgt von derben Abstürzen. Mal benutze ich dieses, mal jenes Bild zur Umschreibung, aber es bleibt sich gleich.

Wie viele Runden muss ich noch drehen?

Ich traue keiner Abfahrt.

Ich traue mich nicht.

 

Weiterkreisen.

 

Splitter 64 – Milde

Milde

Es ist ein ruhiger Morgen. Seit langer Zeit verbrachte ich die Nachtstunden mal wieder in Wetzlar, also da, wo ich meinen ersten Wohnsitz habe. Habe die Fenster weit auf gemacht. Aufgewacht bin ich milde gestimmt. Habe so viele Menschen, zu denen ich mich auf eine ganz eigene, wertschätzende Weise verbunden fühle. Von jedem von Euch fühle ich mich ein bisschen getragen. Und gerade jetzt, in diesem Moment, kann ich mir diese Passivität verzeihen, Vertrauen und Gehaltenwerden spüren und es einfach da sein lassen.

Sie sind selten, diese Momente der Milde.

Mir ihrer scheuen Flüchtigkeit sehr bewusst, will ich ihnen zumindest in diesen Zeilen haltende, liebevolle, dankbare Aufmerksamkeit schenken. Ich will diesem Moment der Milde wach, wertschätzend, respektvoll aber auch zärtlich begegnen. Innehalten und atmen.

Passenderweise ist heute ein Feiertag, der erste Mai.

Splitter 49 – Ein Plan

Ein Plan

Ich war die erste im Raum und unerwartet. Der Therapeut der Holzwerkgruppe konnte nach meiner kurzen Vorstellung seine Unkenntnis über seinen Gruppenzuwachs zwar nicht verbergen, sammelte seine erschlafften Gesichtszüge aber sehr schnell wieder ein und frug mich sogleich:

„Ja, und was wollen sie machen?“

Und dieses Gefühl, das er mit dieser harmlosen Frage in mir auslöste, kenne ich gut. Zuletzt begegnete ich ihm neulich in der Ergotherapie in sehr ähnlicher Situation.

Ich weiß es nicht.

Völlig übertriebene, abgrundtiefe Ratlosigkeit und Angst überschwemmen mich, Ärger und Weglaufenwollen, die pure Unfähigkeit, darauf eine Antwort zu finden. Alles ist nicht gut genug oder fühlt sich nicht richtig an, weder das Angebot, noch ich, weder der Therapeut, noch die Beschaffenheit des Fußbodens. Die Fülle der Möglichkeiten erschlägt mich und gleichzeitig fühle ich mich für alles zu klein, unfähig, nicht in der Lage.

Es ist eben das selbe Gefühl, das sich einstellt, wenn ich an meine bisherige und die zukünftige Lebensgestaltung denke – und eben und nur deshalb so bedrohlich.

Ich stammelte herum. Ich brauche nichts. Und ich will auch nichts verschenken, was andere vermutlich weder benötigen noch haben wollen. Produktion für den Mülleimer kommt auch nicht in Frage.

Ob er etwas brauche, was er auf einem Basar gut verkaufen könne? Nein, auf einen Basar gehe er nicht.

Ich sagte ihm, dass es mir eher darum ginge, mit Holz umzugehen, als irgend etwas herzustellen. Das Material kennenlernen. Schleifen, hobeln,…

Er drückte mir ein paar Vorlagen in die Hand und zeigte mir einen recht groben Bausatz zur Herstellung eines apfelhaltenden Vogelhauses. Das machte mich neugierig: Die Teile wollten zersägt, geschliffen, zusammengefügt und mit persönlicher Note gestaltet werden… aus rechten Winkeln Rundungen machen. Aus Schnittkanten glatte Flächen.

Ein Vogelhaus? Naja, das unsrige macht keinen so stabilen Eindruck mehr. Aber Äpfel sind nicht gerade die Leibspeise unserer immerhungrigen, fliegfertigen Besucher. Mein Ergotherapeut aus dem Nachbarraum kam vorbei und zeigte mir das von Kleibern umgarnte Vogelhaus vor der Türe.

Drei Möglichkeiten und zwei Gespräche mit Menschen, die mich ein Stück weit begleiten und unterstützen werden, reichten aus: Ich gab mir die Erlaubnis, „Ja“ zu sagen und „einfach“ zu beginnen. Ich nahm Maße, bekam Ideen, machte eine Skizze, notierte den Materialbedarf, mache mir Gedanken über das Vorgehen.

Ich habe einen Plan. Vertraue auf Hilfe. Und werde sie annehmen.

Vielleicht: Üben für’s Leben.

 


Nachtrag vom 2. Juni: