Gerade ist Ruhe. Innen wie außen.
Es könnte – innen wie außen – vielleicht ein bisschen wärmer sein.
Aber gerade ist es gut so, wie es ist.
Der Zuschauerraum ist dunkel. Vielleicht bin ich alleine, aber ich fühle mich nicht so. Ich fühle mich mit Euch verbunden.
Ich scheine gerade ein bisschen über der Szene zu stehen. Schaue wie aus einer Loge auf das verlassene Bühnenbild, das ich schon im letzten Beitrag skizziert habe: Ich sehe das Gerüst, die Watte und die vermutete Weite drumherum, die im dämmrigen Morgennebel liegt.
Vielleicht beginnt das Stück „derzeitiges Erleben“ in ein paar Minuten wieder und ich bin mittendrin. Aber jetzt möchte ich den Moment genießen, Betrachter zu sein.
Ich weiß nicht, aus wie viel Akten dieses Theaterstück besteht und von welcher Gattung es ist: Nein, ein Märchen ist es wohl nicht. Hoffentlich wird es eine kleine, einfache Erzählung, die gut ausgeht, allen Beteiligten Mut macht und Hoffnung spendet. Für mich als Darsteller der Hauptrolle fühlt es sich momentan oft als ein Drama der Verzweiflung an.
Es war lange Zeit angenehm kuschelig in der Watte. Aber sie funktioniert und trägt nur durch das dahinterliegende Gerüst. Die Stahlträger sind scharfkantig. Sie schneiden mit Glaubenssätzen der Entwertung, Verachtung, des Ekels und der Unfähigkeit zu vertrauen tief ins Fleisch. Es gibt Schutzstreben. Die tragen den Namen „Ich darf nicht / Ich muss“. Dieses ganze Gerüst habe ich selbst gebaut. Damals dachte ich, ich brauche es. Ich hatte keine Ahnung von der Landschaft drum herum, ich war einfach zu klein zum Überleben. Ich brauchte Schutz und Wärme und konnte keine anderen Baustoffe finden. Schön war es wohl nicht. Deshalb die Watte, um es auszuhalten. Sie machte es mir viele Jahre erträglich, dort zu leben: Gefühlte Aufwertung durch Arbeit, diverse Freizeitbeschäftigungen und Beziehung, Betäubung durch übermäßiges Essen und Fernsehen. Aber es wurde immer enger mit all der Watte, sie schnürte mir die Luft zu…
Zur Zeit werde ich oft mit den alten Glaubenssätzen konfrontiert. Scham, Schuld und Angst versuchen mich zu schützen. Sie legen mir ans Herz, die Watte nicht allzu sehr zu verdammen. Ich bräuchte sie noch eine Weile und könnte mir ja neue Materialien suchen? Wut, Mut, Energie, Härte, Druck fühlen sich dagegen manchmal an wie aufmerksame Wächter, die mich gefahrenwitternd an die Gerüststreben peitschen.
Kindliche Gefühle kommen auf: Ein kleines Kind, das Angst hat, verlassen und zurückgelassen zu werden. Ein Kind, das einsam und trostlos ist. Das sich nicht helfen kann. Es fühlt sich an wie pure Verzweiflung. Die unfassbare Angst reißt den Boden zu einem tiefen Krater auf und das vorsichtige Grundgerüst des Vertrauens in das Leben und die Menschen mit sich. * siehe Anmerkung
Und das ist es, was ich mir heute selbst aus der Loge auf die Bühne zurufen möchte:
„Weiter so!
Gerade das ist es, worum es geht. Spüren, was los ist. Immer wieder! Mit jeder Aufführung hast du die Möglichkeit, zu fühlen, was du wirklich fühlst. Klar kannst und wirst Du Dir noch eine Weile lang tiefe Wunden zufügen. Aber irgendwann wirst Du dann lernen, diese Schmerzen, also all die unangenehmen Gefühle, als gar nicht so schlimme, alte Bekannte zu erkennen, die Dich hinaus ins neue Leben mit viel mehr Vertrauen, Klarheit, Freude und Liebe begleiten werden.“
Wenn ich ja sage zur Verzweiflung, sage ich auch ja zur Leichtigkeit.
Ja, ich will es so.
(* Klingt nach großem Theater, ich weiß…. ein Teil in mir spottet, aber der mitfühlende Teil in mir sagt mir, dass ich selbst dieser Art Bilder zur Zeit irgendwie brauche, um mich mir selbst zu erklären… Indem ich sie hier niederschreibe, übe ich mich, mich zuzumuten. Ich probiere „Vertrauen“ und bringe es so in meine Welt) zurück
Weiter so…