Es ist der 1. November 2017.
Ich nehme zwei Schlüssel aus dem Kasten. Einer hängt seit einem halben Jahr ununterbrochen oben links in der Ecke. Manchmal habe ich ihn gesehen. Es ist wohl nicht möglich, gleichzeitig zu seufzen und selbstermutigend tief einzuatmen. Sonst täte ich es in diesem Moment wohl.
Ich lasse sie leise klimpernd in meine Jackentasche fallen.
Türe auf, Licht aus, Türe zu, Treppe runter. Die Haustüre fällt ins Schloss.
Es ist dunkel.
Der Zeigefinger macht diese kleine Bewegung und ein gefühlt viel zu lautes fünfstimmiges Klacken öffnet die Türen des Dacias. Ich steige ein, suche auch nach sieben Jahren noch das Zündschloss und finde es spätestens mithilfe eines genervten Blickes. Der Motor springt an und los geht’s. Die Strecke wird mir gleichzeitig merkwürdig fremd und vertraut vorkommen. Nach ca. fünfunddreißig bis vierzig Minuten bin ich an der Arbeit.
Wie wird die Antwort meines winkenden Abendgrußes ins Pförtnerhaus ausfallen? Gleichgültig, irrtiert oder gar erfreut? Ich bin schon jetzt neugierig.
Und vielleicht blinzelt mir ja der blaue Golf schon erwartend zu, wenn ich ganz langsam zum Parkplatz hoch fahre?
Ach, ich freu‘ mich auf Dich, Irene!
Wir werden uns herzen und gemeinsam die vielleicht 367. und gleichzeitig erste Nacht verbringen.
Ich werde mich fremd fühlen.
Und keine Angst davor haben.
Ich werde mich an Laage erinnern: Mich fremd zu fühlen ist ein, ja, so gesehen auch willkommener Teil von mir. Ich habe ihn sehen gelernt. Und komme mit dem Schmerz schon ein bisschen besser klar. Jetzt im Moment habe ich verstanden: Ich kann aufhören, dort geliebt werden zu wollen und anfangen, zu arbeiten.
Ja, ich habe Angst vor dem Versagen meiner Fähigkeit und dem Verlust meines Willens, meine Grenzen zu erkennen und sie zu respektieren. Dem infolgedessen haltlosen Inmichzusammenfallen oder dem Rückfall in alte, dämpfende Muster.
Aber nur die Zukunft weiß, was wirklich wird.
Und ich gebe dem Arbeitsbeginn auch fast gerne ein bisschen meiner Freiheit ab. Ich habe die vage Hoffnung, mein auch kräftezehrendes, fast grenzenloses Getriebensein durch die festen Termine ein wenig einzudämmen. Um vielleicht, passend zur Jahreszeit, ein wenig zur Ruhe zu finden.
So viel zur Theorie.
Es gibt sie also, die Früchte des Jahres. Manche kann ich vielleicht schon erahnen und ich bin gespannt, wie sie duften und aussehen und hoffe, sie ehrlich und innig zu lieben.
Und ich freue mich schon auf das Erntedankfest mit Euch!!!
Irgendwann…
Gleichzeitig
Ich bin hier in Nürnberg bei Christoph von Herzen und fast bedingungslos willkommen, der Himmel lacht blau, und die BMW wartet unten am Gingkobaum. Ich freue mich, mit ihr die kleinen Strässchen der fränkischen Schweiz zu erkunden.
Ich bin gesund.
Sehe Früchte und Freunde.
So viel Glück!
Aber trotzdem drängt sich die Traurigkeit vor, lässt ihre Tränen frei.
Die Argumente der Vernunft sind machtlos.