Auf dem Weg und in Burgos

Da hinten liegt Burgos
noch führt der Weg gefühlte Ewigkeiten an Strassen entlang

auch 150 Betten können ganz schnell voll sein

Jetzt liege ich hier, das Stimmengewirr der lebendigen Innenstadt dringt auch noch in den 6. Stock. Draußen findet das Leben statt, hier wird in den 30 belegten Betten des Raumes teilweise schon geschlafen.

Blick auf die eine Hälfte des Raumes…

Und morgen geht es weiter…

39,5 km in einen 18 Betten Schlafsaal

Mehr als noch das drohende Gewitter trieb mich die Vorstellung auf Essen zur Aubergue San Juan de la Ortega, hatte ich doch nur noch ein paar Nüsse im Rucksack. Ich kam kurz vor Küchenschluss an.

Schon 12 km zuvor hätte ich ein Bett im Schlafsaal haben können, entschloss mich aber zur Flucht, wohl wissend, das die nächste Herberge recht weit entfernt ist.

Ich tue mich schwer mit dem Dasein. Hier wie überall. Aber ab Burgos, ca 26 km entfernt, muss man wenigstens nicht mehr an der Straße voller dröhnender LKWs entlang laufen.

Nun liege ich im 18 Doppelstockbetten Schlafsaal. Nur ein Platz ist frei. Das wird was…

Los

Sie holt mich immer wieder ein.

Die Hoffnung, hier irgendetwas los werden zu können.

Aber vielleicht werde ich ja

die Hoffnung

los.

 

 

29. August – bis Grañón

 

Ich bin noch in der Region Rioja und werde den hier angebauten Wein nun mit dem Gefühl von Weite und Wärme trinken.

Das Regenwetter schwänzte seinen Termin, so hatten wir sonnige Begleitung.

Der erste größere Ort, durch den mich der Weg heute führte, war Najera.

Es gab Tapas und Obst zum zweiten Frühstück und zum Nachtisch „Landschaft“.

Mein eigentlich ins Auge gefasste Ziel war die Kleinstadt Santo Domingo de la Calzada, aber das hatten sich auch andere gedacht. Letztendlich trieb mich die Fülle von Pilgern, aber auch meine Unruhe weiter. Die nächste Station, 6,8 km entfernt, hieß Grañón. Ich zwang mich zur Eile, denn es braute sich ein Gewitter zusammen.

Auf dem ganzen Weg traf ich keinen anderen Pilger. Sie waren alle geblieben.

Die Abkürzung direkt auf das Örtchen zu offenbarte sich als Umweg, denn die einzige Herberge mit Waschmaschine versteckte sich außerhalb im ehemaligen Hospital und heutigen Jugendherberge „Albergue municipal Ermita de Carrasquedo“.

Ob ich ein Einzelzimmer wolle? Statt 8,-€ nur 18,-€. Nein, danke. Nun liegen ich alleine im Vierbettzimmer und ich bin der einzige Mensch auf Wanderschaft hier in diesen Mauern.

Wobei: Alleine bin ich nicht. Es sind einige Familien zu Gast und das hört sich so an:

Das Gewitter kam dann auch noch an, packte aber nur leises Grollen und ein bisschen Regen aus. Ich hoffe, morgen macht es sich dann ganz von dünne.

 

Regen und so

Es regnet hier. Konnte ich mich gestern noch wegen des leergefegten Weges sogar darüber freuen, fühlte ich mich heute genötigt, mich drei Mal umziehen zu müssen, was auf Dauer einfach nervt. Zudem verlief die Strecke heute größtenteils auf Asphalt, mitten durch die große Stadt Logroño und an Straßen, sogar direkt an einer Autobahn entlang.

Als ich nach gut 33 km im gerade strömenden Regen in Navarrete ankam und in mehreren Herbergen entweder auf besetzte Betten oder muffige Vorzimmer und ebensolche Anbieter stieß, setzte ich meinen Weg fort. Sotés liegt abseits und oberhalb des Weges, bietet aber Herbergsplätze an, also bog ich ab. Ein Vorbeifahrender wies mich darauf hin, dass ich auf dem falschen Weg sei. Mutig wie erfolglos fragte ich, ob er mich mitnehme. Irgendwann traute ich mich zu trampen, wenngleich mit wenig Hoffnung, waren ich und mein Riesenrucksack doch nicht gerade attraktiv und zudem auch noch nass. Aber gleich beim ersten Versuch hielt Elena an und fuhr mich bis hoch in den Ort zur privaten Herberge, wo ich freundlich empfangen wurde.

Nein, zu essen habe sie nichts mehr, gab mir aber einen Teller voll Kerne und Kekse.

Ein gutes Bett mit richtigem Laken, sauberer Dusche, Handtuch – alles zusammen für 10,-€. Da muss man sich fast schähmen.

Schön, so einen warmen, trockenen Platz zu haben, gerade auch dann, wenn draußen ein Gewitter sein Unwesen treibt.

Und es gibt noch mehr Schönes von diesem Tag zu berichten.

Ich habe z.B. Andrea aus Wettenberg wiedergetroffen. Und ich habe meine ersten und zudem sehr leckeren Tapas hier gegessen.

Dann gab es noch die freundliche Frau in der Kirche in Vialles, die mir eine Kerze schenkte und auch das Vogelkonzert im Feigenbaum war wunderschön:

Eure Kommentare und Nachrichten, wohltuende Telefonate und ganz viele „bon -camino-Wünsche“ im Vorbeigeghen, über die ich mich immer freuen kann.

Ich könnte noch mehr aufzählen, aber einer meiner zwei Zimmerkollegen liegt schon im Bett…

Obanos

Ich bin noch nicht weit gekommen. Heute und überhaupt. Kilometer kann man sammeln, messen, zählen, bewerten, festhalten. Verbundensein und Vertrauen mit und in sich und der Welt nicht.

Gestern war es da. Heute nicht.

Und dann komme ich durch Obanos, einem kleinen Ort kurz vor Puente la Reina.

Ich sehe diese Blüten und komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Ein alter Mann kommt vorbei und erklärt mir wortreich (wobei ich nur ein einziges verstehe ;-)), dass es sich dabei um die Passionsblüte handele.

Ich gehe in die Kirche. Und da ist diese kleine Frau mit bunt glitzerndem Strassteinschmuck. Sie ist für die Pilgerstempel zuständig. Wir sprechen miteinander, ich in Deutsch und Englisch, sie auf Spanisch. Sie könne auch slowenisch, aber deutsch nicht. Ich spreche kein Wort spanisch. Es ist nicht wichtig. In diesem Moment ist sie einfach nur für mich da, spricht mit mir, sieht mich. Und sie wünscht mir von Herzen einen guten Weg.

Ich laufe weinend raus.

Weil ich sie heute nicht für mich aufbringe, macht mich diese Freundlichkeit fertig.

Fertig?

 

 

La Abadia St. Lucia

Die Kleine Kirche liegt zwischen den Dörfern Illaratz und Ezkirotz bei ca. km 724.4 (Entfernung bis Santiago, also ca. 50 km hinter St. Jean Pied de Port).

Die Einweihung St. Lucias wird ins 17. Jahrhundert datiert, Der jetzige Besitzer Neill fand aber Münzen aus dem 13.

Der Altar vereint christliche wie heidnische Symbole.

Der Boden im Eingangsbereich war betoniert. Neill hat ihn freigelegt.

Eingearbeitet in das siebenstrahlige Muster sind kleine Rosetten angeblich dort, wo bei der Einweihung das Weihwasser den Boden berührt hat.

Durch die alleinstehende Lage und bestimmte Hinweise im und am Gebäude vermutet er, dass die Kirche ursprünglich als Schutz der Pilger von den Tempelrittern errichtet worden war. Erst später wurde es von der Kirche und ztw. von Benedektinermönchen genutzt.

Vom ersten Eingang ist nur noch der Türbogen zu erkennen, der Rest ist von Erde bedeckt:.

Tanja legt einen alten Bodenbelag frei. Im Hintergrund der alte Türbogen.

Vielleicht erzählt die Kirche igendwann noch ganz andere Geschichten als Neill jetzt schon.

Fundstück Moskitokugel… oder so :-))

GPS Daten: 42.909951,-1.521198 Pluscode 8CJWWF5H+XG, unter „safe the abbey“ findet man bestimmt auch etwas dazu im Internet bzw bei Facebook.

Intensivkurs

Titel: „Alte Muster, neu erlebt“:

Fühlen: Nützlich, Teil, Hilfe und willkommen sein.

Gebraucht werden.

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Können: Das Passende, nicht immer das Schwere wählen. Die eigenen Grenzen erkennen, aufhören, bei der Arbeit zusehen, Nein sagen. Sich verzeihen.

Dankbar und mitfühlend mit sich statt verärgert zu sein, zu beobachten, dass andere sich das selbstverständlich wert sind, einfach zu tun.

Wiederholung: Abhauen. Fliehen?

Nein: Ich habe erstmal genug erfahren.

Ich habe einen guten Platz gefunden.

Ich gehe weiter.

Vergehen lassen