Ist es Flucht oder Leben?
Es war eine so dermaßen verrückte Idee auf den PCT zu gehen.
Ermöglicht durch Uffenheim.
Ich habe meine Süchte verlassen. Das Essen, das Fernsehen, die Arbeit.
Was mich in Aufruhr gebracht hat. Ich spüre mein Getriebensein, meine Angst, meine Verunsicherung. Dieser Unruhe verdanke ich mein „Verrücktsein“ und somit viele Erlebnisse.
Das Verrückteste war natürlich der PCT an sich.
Auch auf dem PCT habe ich verrückte Dinge getan. Zum Beispiel, zu Ludo zu trampen. Oder nach Bishop. Oder zurück nach Big Bear zu fahren, um alleine meine Streckenlücke zu füllen. Mich dort wieder umzuentscheiden, um hunderte von Kilometern zurück zu fahren. Abzubrechen. Wieder den Rückflug absagen zu wollen, um mir noch eine allerletzte Chance zu geben. Lauter verrückte Dinge, so wie jetzt auch meine kleine Tour de France.
Ist Verrücktsein meine neue Sucht?
Laufe ich nur weg vor dem Annehmen meines kleinen Lebens? Bin ich nur verrückt, um mich nicht um meine Aufgaben im Hier und Jetzt zu kümmern?
Mit dem Tun von verrückten Dingen erringe ich Aufmerksamkeit, Anerkennung, Bestätigung. Ist Verrücktsein also nur die Suche nach Gehaltenwerden von Außen? Das „Seht mich!“ – damit ich mich nicht selbst sehen muss?
Etwas Besonderes sein wollen, um Aufmerksamkeit zu bekommen und zu „verdienen“. Weil es ja gar nicht sein kann, einfach sein zu dürfen. Das kann nicht genug sein, es muss verdient werden.
Und wer bin ich denn überhaupt, wer will ich sein? Und will ich das tun, was ich gut und richtig finden könnte? Darf ich das dann überhaupt?
Verrücktsein hilft mir alles in Frage zu stellen. Es gibt mir die Erlaubnis.
Verrücktsein ist aber auch ein Neinsagen zu meinem bisherigen Leben. Dabei war da bestimmt auch nicht alles schlecht.
Zudem klage ich darüber, meine Mitte nicht zu finden, gebe mit dem Verrücktsein der Unruhe aber immer wieder selbst Antrieb.
Ist es eine neue Sucht, einfach eine neue Art von Weglaufen aus dem Schmerz der Leere? Also ist Verrücktsein nur eine neue Süßigkeit, die den Schmerz überdeckt?
Oder ist es das Tor ins Leben? Lebendig sein. Neues denken, hoffen, wünschen, wagen, erleben zu können?
Muss ich Verrücktsein leben um mich selbst annehmen zu können? Um nicht wieder in Selbstzweifel zu verfallen, weil ich Nein gesagt habe? Zu bequem war?
Wenn ich also Nein sage zu einer verrückten Idee – sage ich dann Nein oder Ja zum Leben?
Ich, ich, ich….
Ist das vielleicht alles nur Getue um Aufmerksamkeit zu bekommen?
Puh.
Ich musste das mal aufschreiben, in der Hoffnung, es irgendwann einsortieren zu können. Ich weiß, dass es auf viele dieser Fragen keine eindeutige Antwort gibt, kein Schwarz-Weiß, sondern eher ein hübsches Grau.
Ich muss Verrücksein nicht leben.
Ich darf den Geschmack der Vorstellung von Verrücktseins spüren, die es mir bereitet, wenn ich daran schnuppere. Die Hoffnung erforschen, die darin innewohnt. Auch ohne verrückt zu sein.
Aber ich darf es auch leben.
Es hat was von Weite.