Leicht verträumt

Ich fühle mich, als hätte mir jemand ganz liebevoll eine leichte, genau richtig warme, schützende Decke umgelegt.

Ich fühle mich so wohl in ihr.

Das mit der zärtlichen Decke seid Ihr gewesen und sie besteht aus Euren lieben Gedanken, Rückmeldungen, Grüßen, Mutmachern, Bestärkungen. Eure Freude über meine angekündigte Rückkehr, die selbst für mich routinierten Kritiker keine Zweifel in Betracht ziehen lassen.

Die Decke ermutigt mich derart, dass sich mir schon wieder neue Fenster öffnen, Aussichen, wenngleich auch verträumt…

„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ (das Zitat wird Antoine de Saint-Exupery zugeschrieben)

So ergeht es mir mit nur einem Satz aus einer Email von Thomas:

„Cascade Locks ist ein gutes Ziel, die Gegend dort wird Dir gefallen, erinnert ein bisschen ans Rheintal.“

Damit hat er meine Phantasie geweckt: Wie mag es dort aussehen? Was denkt er, was mir gefällt? Vielleicht ist es wunderschön dort?

Ich stelle mir den blauen Himmel vor und einen ganz leicht ansteigend verlaufenden, festen Weg, der sich an den mit Felsen durchbrochenen, aber üppig bewachsenen, steilen Hänge eines Tals entlang windet. Vielleicht ist ein Fluss zu sehen. Farblich bestimmen die eher dunklen Grüntöne der Bäume und Büsche die Aussicht. Aber ab und an entdecke ich wieder die bisher so nicht gesehene Blütenfarbe einer kleinen, unscheinbaren Pflanze am Boden. Käfer überqueren eilig den Weg, der unter meinen Schritten knirscht. Langsam verändert sich die Landschaft, das Tal schließt sich, der Fluss ist allenfalls noch zu hören.

Wie mag der Weg weiter verlaufen? Und wie erst in 100 Meilen?

Ja, so denke ich:

Blauer Himmel, 20°C, trockene, nicht zu milde Nächte, kein Schnee, keine Stechmücken und der Rucksack darf auch nicht zu schwer sein… ständiger Internetempfang und entspannte Gesellschaft, in der ich mich sicher und wohl fühle.

Ich weiß: Es kann auch ganz anders aussehen.

Und was passiert, wenn die zarte Decke von meinen Schultern rutscht? Oder ich sie nicht mehr spüren kann?

Ich habe noch 10 Stunden und 47 Minuten Zeit, meinen morgigen Flug von Vancouver nach Frankfurt zu stornieren.

Nach Hause kommen

Mein Zuhause:

Da, wo ich willkommen bin. Wo ich einen Platz habe. Da, wo ich hin will, um mich ganz, richtig und in Ordnung fühlen zu können.

Mein Zuhause ist bei Euch, meine lieben Freundinnen und Freunde, Lebensbegleiter und Lieblingsmenschen.

Bei Euch, die Ihr mich oft besser lieb haben und sein lassen könnt, als ich es kann.

Das Flugzeug landet am Freitag.

Ein Teil von mir sitzt drin.

Ich komme nach.

Irgendwann.

Ich freue mich jetzt schon auf Euch – das wird eine Freude!

Und ich freue mich unbeschreiblich darauf, wenn wir uns endlich – außer an den Herzen – auch mal wieder in den Armen liegen können.

Ich freu mich auf Euch!

Unser Lachen, Weinen, Schweigen, Beisammensein.

Ich komme….

Woanders.

Nun ist es passiert. Wie im Tunnel habe ich den Rückflug organisiert und gebucht. Starte morgen früh um 6 Uhr mit dem Bus und komme am 16. in Frankfurt an.

Habe mir keine Chance mehr gegeben, mich wieder einzufühlen ins Laufen auf dem PCT.

Die Gewohnheit ist weg. Die Vorstellung fremd.

Ich bin traurig.

Und, wie gewohnt, fühlt sich auch diese Entscheidung wieder so falsch an.

Aber ich brauche mehr Hilfe, als ich von den Menschen hier zu nehmen bereit bin.

Ich werde das Draußensein so sehr vermissen. Und das Draußenschlafen.

Aber ich konnte mich eben meiner Angst nicht stellen.

Es geht woanders weiter.

Genesung verschoben.

Oder eben: Ortswechsel verordnet.