Verzeihen

Ich liege mal wieder wach. Ich habe sowohl die Sonnen- als auch die Lesebrille verloren und das geht mir nicht aus dem Kopf.

Ich habe schon so Vieles auf dem Trail durch Nachlässigkeit verloren oder kaputt gemacht. Ich scheine nicht zu lernen.

Die Brillen sind vielleicht am Waschplatz. Aber auf einem Bild konnte ich sehen, dass die Brillentasche schon dort offen war. Vielleicht waren sie dort schon weg, gingen unterwegs verloren. Der Rückweg von 10 Meilen einfache Strecke mit reichlich Steigung und schwieriger Flussbettüberquerung wäre vielleicht völlig sinnlos.

Ich bestrafe mich eigentlich gerne und zurück zu gehen wäre eine gerechte Strafe. Strafe ist auch, schon wieder Geld ausgeben zu müssen für Dinge, die ich mir hätte so leicht sparen können.

Ich kann mir einfach nicht verzeihen, bin resigniert, hoffnungslos hinsichtlich meiner Fahrigkeit.

Menno….

Es war so ein guter Tag. Zwar hat er mit sehr schweren Beinen begonnen, weil diese nach dem langen Abstieg gestern einfach nicht aufwärts gehen wollten, aber das legte sich und ich erreichte bei Meile 223 einen herrlichen Aussichtspunkt und entschied mich, einfach hier zu übernachten. 18 Meilen sind genug für heute.

Leider musste ich feststellen, dass ich meine beiden Brillen verloren habe.

Was für ein Missgeschick…vielleicht werden sie ja auch noch gefunden. Ganz sicher nicht, wenn ich sie beim Waschen am Fluss verloren habe…

Abwärts

Freitag, 28. April 2017.

Die Passage am „Fuller Ridge“ war mit aufschnallbaren Minispikes recht gut zu meistern.

 

Und dann ging es rasant abwärts auf ca. 550m, wobei die phantastischen Aussichten dem hastigen Abstieg immer wieder mal eine Fotopause verschafften:

Dieser Zapfen wollte wohl eine Ananas werden….

…und Cowboycampen nach 19 Meilen.

Morgen geht es dann in den nächsten Gebirgszug um den Mount San Getgonio Richtung Big Bear City wieder hoch. Und bis zur nächsten Wasserstelle in 14,6 Meilen werden 3-4 Liter Wasser, wenn auch schwindend, das Gepäck bereichern.

Aufwärts – Aufbruch aus Idyllwild

27. April 2017

Es ist ca. 20 Uhr abends. Die Nacht verspricht kalt zu werden. Die bisher härteste Etappe liegt hinter uns, nach nur ca. 10 Meilen Strecke sind wir alle, ziemlich erschöpft, noch vor Sonnenuntergang in die Zelte gekrochen.

Angefangen hat der Tag um 8:15 Uhr.

Wir wurden vom Inhaber des Idyllwild Inn zum Parkplatz Humberpark Trialhead gefahren und sind somit bei einer Höhe von 1975m gestartet. Es in die Bergevum den Mt. San Jacinto (3302m) ging steil bergauf, zwischenzeitlich auf eine Höhe von 2731m. Aber das hat mir nicht so viel ausgemacht wie die zu durchwandernden Schneefelder. Ich bin einige Male ausgerutscht, eingebrochen und hingefallen. Höhepunkt war die Überquerung eines tosenden Gebirgsbaches, bei der mir das Herz ganz schön in die Hose gerutscht ist.

Als wir bei unserem schönen Campingplatz auf 2639m Höhe angekommen waren, war ich so richtig fertig. Trish, die Gute, trekkingerfahren wie sie ist, hat gleich ein Feuer angemacht, damit wir unsere Schuhe trocknen konnten.

Morgen erwartet uns „Fuller Ridge“, ein Abstieg am Berghang, der durchgehend von einer Schneedecke bedeckt ist. Man sieht also keinen Weg und orientiert sich an Fußstapfen und prüft mit GPS.

Um 6:00 Uhr ist die Nacht vorbei. Wenn der Schnee gefroren ist, ist er besser begehbar. Und die neuen, schweren Minispikes kommen wohl auch zum Einsatz.

Lazy – Dank Manuela

Habe ich Euch schon von Manuela erzählt? Ich nenne sie meinen persönlichen Trialangel, weil sie mich zur Entscheidung zum PCT ermutigt und mich immer wieder unterstützt hat, wenn die Fragen und Zweifel mich mal wieder überrollt haben. Heute hatten wir ein kurzes Telefonat über Whattsapp und sie hat mir ein weiteres Mal geholfen: Hab vielen lieben Dank, Manuela!

Worum es ging? Ich war am Zweifeln, ob ich heute schon alleine weiter ziehen soll oder besser noch einen Tag warten, um mit Trish, Tine und Chelsea zusammen weiter zu laufen. Die Etappe morgen führt uns steil hoch nach Fuller Ridge, einem verschneiten bzw. vereisten Streckenabschnitt. Wir haben uns extra Minispikes zum Aufschnallen bestellt, um sicherer gehen zu können. Es wird empfohlen, in Gruppen zu gehen, um bei verschneitem Weg den PCT nicht so leicht zu verlieren. Auch Manuela riet mir zu einem weiteren Ruhetag angesichts der kommenden, anstrengenden Passagen, an die sie sich nach ihrer Wanderung auf dem PCT 2015 noch gut erinnern kann.

So sitze ich hier und bin faul….

Auch in meinen Entscheidungen: Was voraus schicken, was behalten? Einen Innenschlafsack kaufen, um den Schlafsack vor Schmutz zu schützen, oder nicht? Warme Socken? Ein neues Zelt? Und so weiter, das eher lästige Ausrüstungsraterätsel setzt sich fort…

Jedenfalls habe ich ab morgen einen neuen Rucksack, von den ich Euch vielleicht später noch berichten werde.

Hier und jetzt gerade

Es ist Mittwoch, der 26. April 7:50 Uhr. Bin in Idyllwild, in einer Lodge und Tine, mit der ich ein Bett teile, schläft noch. Eigentlich würde ich gerne aufstehen. Tine, Trish und Chelsea machen heute noch Pause, ich werde wohl aufbrechen. Es geht jetzt in verschneite Ecken. Wie wird das werden? Alleine…

Die drei haben mich bisher noch immer eingeholt. Das hat seine guten Seiten. Trish ist extrem gut organisiert und hat Trekkingerfahrung. Zudem ist Englisch ihre Muttersprache und sie hat mir nicht nur bem Kauf meines neuen Rucksacks geholfen.

Ich bin auf die neue Etappe noch nicht vorbereitet, weiß nicht, wo und wann es Wasser gibt oder einen Zeltplatz. Auch muss Tine noch ihr Päckchen abholen, in dem auch meine Minispikes für die eisigen Etappen sind. Gestern erzählten sie mir von einem einige alten YouTube Kanal, in dem davon berichtet wurde, das der Trail unter dem Eis nicht sichtbar und somit schlecht zu finden sei.

Andererseits fühle ich mich alleine wohler. Ich sehe, höre, rieche mehr, die inneren Stimmen sind freundlicher. Noch einen Tag einfach hier rumhängen?

Aber auch die Angst, Kontakt zu verlieren, ist da.

Immer wieder Zwiespälte. Wie werde ich mich entscheiden?

Trennung bedeutet auch Offenheit für Neues, Lernen, Erfahrungen, Leben.

Die Kleine

Eine meiner inneren Chorstimmen stammt von meiner ‚Kleinen‘.

Sie ist ca. 3 – 4 Jahre alt. Ihre große Schwester und sie sollten eigentlich schlafen, aber ihre Eltern streiten sich wieder so laut. Beide Kinder haben Angst. Die Schwester sagt: „Wenn die Eltern sich scheiden lassen, gehe ich zur Mutti“. Meiner Kleinen war zwar nicht klar, was eine „Scheidung“ ist, aber sofort bewusst, dass sie nicht auch zur Mutti kann, sondern „zu viel“ ist und übrig bleibt. Zum Vater will sie auch nicht, da fühlt sie sich nicht sicher. Meine „Kleine“ ist seit dem sehr bemüht, ja niemandem zur Last zu fallen und alles ganz richtig zu machen. Ihre Fehler könnten sie verraten, könnten Aufmerksamkeit auf sie lenken. Sie hat große Angst vor dem „Erkanntwerden“ oder „Gesehenwerden“, denn damit könnte man ihren Unwert entdecken, sie könnte als „zu viel“, als „Last“ beurteilt und ausgeschlossen, weggeschickt werden.

Damals hätte das den Tod bedeutet. Sie ist somit extrem ängstlich, scheu und irritierbar.

Die Kleine begleitet mich noch heute. Ihre damaligen Gefühle kommen noch immer in mir hoch und bestimmen mein Handeln.

Diese als die Ihren aus ihrer damaligen, längst vergangenen, Situation zu erkennen, ist meine Aufgabe. Mich am Heute zu orientieren, meinen Handlungsspielraum zu erkennen und respektvoll, möglichst liebevoll und bedacht mit mir und ihr umzugehen – das bedarf noch einiger Übung.

Schlangen und anderes Getier

Freitag, 21. April 2017

Diese Schlange kam mir mitten auf dem Weg bei einem Sonnenbad zu Gesicht. Nach einem kurzen Fotoshooting verkroch sie sich wieder in ihre Höhle am Wegesrand. Es sei wohl keine Klapperschlange, sondern eine harmlose Natter gewesen.

Bei meiner ersten Schlangenbegegnung vor einigen Tagen bin ich mir da nicht so sicher:

Eidechsen gibt es viele…

Familienzuwachs

Seit Warner Springs ist meine Bedarfsgemeinschaft im Rucksack um 500g reicher geworden: Es hat sich ein 19W Solarpanel eingenistet, das heute seinen Dienst schon prima verrichtet und während der Wanderung meine Powerbank wieder zur Fülle geladen hat.

Verlassen mussten uns deshalb eine Rettungsfolie, der Rest vom Handtuch, eine Tomatensuppe und die naive Vorstellung, ich könnte mich von noch mehr Sachen trennen.