Aquadukt

Donnerstag, 18. Mai 2017

Der aufbrausende, kühle Sturm der Nacht hatte nur eine klare, weite Sicht auf die umliegenden Berge hinterlassen. Verschwunden war er lange vor dem Morgenrot, mit dem wir uns auf den ca. 50 Meilen langen Weg Richtung Tehachapi machten.

Die erste Etappe ist unter den Wanderern berüchtigt, führt sie doch in der heißesten und trockensten Gegend des PCT, der Mojave-Wüste, größtenteils neben einer Wasserpipeline entlang, ohne Zugriff auf den Inhalt haben zu können.

Nur anfangs verläuft dieses Aquadukt oberflächlich, später ist es unter Beton versteckt. Daneben führt die Straße entlang. Wie sonst unüblich auf dem PCT kann man nebeneinander laufen und sich so prima unterhalten.

Pausieren lässt es sich hervorragend auf den in bestimmten Abständen auftauchenden Betoninseln. Sie bieten Schatten und Kühle. Und unter der Abdeckung kann man das Wasser rauschen hören.

 

Wenn man nach 17 Meilen den ersten Zugang zum Wasser hat, steht man schon mitten in einer riesigen Windkraftanlage.

Gerade gegen Abend machten die Mühlen mit dem auftauchenden Wind einen eindringlichen Lärm, dem ich mich nicht die ganze Nacht aussetzen wollte. So setzte ich meinen Weg bis hinter die letzten Krafträder fort. In einem kleinen Tal fand ich Windschatten und somit auch die Ruhe, die es braucht, um zum ersten Mal auf dem PCT einem großen Grillenkonzert zuhören zu können.

Schlaflos, glücklich und leichter

Bin noch immer in meiner „Schlafbox“ in Hikertown. Der Wind bläst, was er kann. Durch die Glastüre kann ich die Sterne sehen und wünsche mich einerseits ins Cowboycampen hinaus und bin andererseits sehr, sehr froh darüber, relativ windgeschützt und warm untergebracht zu sein.

Ich hatte bislang so viel Glück auf dem Trail. Zum Beispiel mit dem Wetter. Wanderer, die nur einen halben Tag hinter mir waren, hatten kürzlich stundenlangen Regen, teilweise Schnee und Hagel.

Und dass ich meinen ungeliebten, instabilen Schirm verloren habe, empfinde ich im Moment auch als Glück.

Heute haben mir Mitglieder meiner ehemaligen Wandergruppe geholfen, nochmal durch meine Ausrüstung zu sehen. Etwa 300 – 400g sind danach in die Hikerbox gewandert, darunter auch meine Klapptasse, die ich kaum, und wenn, dann meistens als Schöpfkelle benutzt habe. Ich besitze inzwischen kein Handtuch mehr. Zwei kleine Lappen müssen den Zweck erfüllen. Immer wieder wandert Seife in meinen Besitz. Auch diese durfte mich jetzt wieder verlassen, ebenso wie ein Teil des Verbandmaterials.

So bin ich glücklich und leichter, aber hoffentlich bald nicht mehr schlaflos…

High Sierra?

2,5 Tage bis Tehachapi, der letzten größeren Stadt für lange Zeit. Danach steht die Entscheidung zur „High Sierra“ bevor.

Viele von Euch wissen vielleicht, um was es geht. Die High Sierra ist ein Gebirgszug, in dem es im letzten Winter Rekordschneemengen gegeben hat. Und dieser Schnee ist ein Problem einerseits, wenn er liegt, aber besonders, wenn er schmilzt und die Flüsse mit kaltem Wasser und Geröll füllt, die die Wanderer dann durchqueren müssen. Gerade für Unerfahrene wie mich kann das Erwandern solcher Hochgebirge deshalb nicht nur extrem anstrengend, sondern auch gefährlich sein.

Es ist einerseits so reizvoll, mich zu Fuß in ein Hochgebirge zu einzuarbeiten. Mich mit Aussichen und Erfahrungen zu belohnen, die ich mir noch gar nicht vorstellen kann. Aber realistisch gesehen, habe ich keine Lust auf kalte, feuchte, klamme, nasse Hände, Füße, Klamotten, und die erhöhte körperliche und psychische Anstrengung. Dazu die durch die Abgeschiedenheit erschwerte Versorgungssituation, also mehr Gepäck und die Notwendigkeit, lange Wege abseits des Trails in Kauf zu nehmen, um an Verpflegung zu kommen. Ferner wäre es wohl notwendig, meine Ausrüstung an den Bedarf anzupassen, also Steigeisen, Eispickel, wärmerer Schlafsack, Kleidung,…

Vielleicht ist es ab Juli möglich, die High Sierra anzugehen. Oder sie zu überspringen und direkt dahinter (500 Meilen?) weiter zu gehen, wo jetzt auch noch Schnee liegt.

Es sind ca. vier Wochen Wartezeit, die ich noch nicht zu füllen weiß.

Einen Wanderweg um die High Sierra herum gibt es nicht.

Hikertown

Was habe ich mich darauf gefreut…

Ankommen.

Duschen. Wäsche auswaschen. Kalte Getränke. WLAN.

Es kam so, aber mal wieder ganz anders als erwartet und beschreiben kann ich diesen Ort auch nicht wirklich gut: Hütten im Stil eines schlechten Western beinhalten runtergekommene Betten. Eine Dusche in uraltem Wohncontainer mit Teppichfußboden. Ebenso die Toiletten. Ein altes Waschbrett ersetzt die Waschmaschine. Es gibt eine zentrale Stromversorgungsstelle und einen Wasserhahn: Also alles, was man braucht – und auf gar keinen Fall mehr davon… z. B. keine kalten Getränke. Die Übernachtung kostet 10 Dollar.

Ich war früh da, habe somit eine kleine Wohnkabine mit Glastüre bekommen, die ich zunächst nicht wirklich beziehen wollte, aber zum Trocknen meines Zeltes nutzte. Meine Phantasie bezüglich der Matratzenbewohner beruhigte sich am Abend mit einem frischen Laken, der Kälte draußen, der Tatsache, dass ich mein Zelt noch nicht aufgebaut hatte und der Regenklamotten, die ich aufgrund des Wäschewaschens trug und die ich als Schutzschicht empfand.

Den Tag verbrachte ich im vier Meilen entfernten Cafe, dessen Betreiber mit Hamburgern, Snacks, einer großen Auswahl an Getränken, freiem Wlan und einem Shuttle-Service wissen, was ein Wanderer so braucht.

Am Abend kamen auch Tine, Susi, Roland und Sante an. Ihnen steckte das nasskalte Wetter der letzten Tage, dem ich größtenteils entkommen war, noch ziemlich in den Knochen.

Glück gehabt!

00:45 Uhr: Jetzt, in der Nacht, bläst der Wind scharf um die Gebäude. Mir ist es warm und ich bin froh, mich heute nicht um mich oder mein Zelt sorgen zu müssen.

Mir ist warm.

Ich weiß, welch ein gutes Gefühl das ist.

Unterwegs nach Hikertown

Ich bin einfach nicht in die Gänge gekommen, speziell nicht in den „so geh‘ ich jetzt mal ein paar Meilen am Stück Gang“. Immer wieder musste ich anhalten: Mal drückte der Schuh oder die Blase, ich wollte das Solarpanel anbringen oder schützen, die Regenjacke an- oder ausziehen. Erschwerend stieg der Weg einige Male an, was meine Langsamkeit einlädt, alles zu tun, was sie kann. Dazu war meine Stimmung nicht gut, ich fühlte mich einsam auf die andere Art, die traurige.

Ob die fehlende Hitze mir nun den Weg erleichtern oder den vielen Pausen neben der Kraftlosigkeit einen Grund geben sollte, weiß ich nicht, jedenfalls  konnte man an der Vegetation sehen, dass es hier öfter mal feucht ist: Das Gras war noch grün und sowas wie Vogelmire habe ich auch entdeckt. Es regnete ab und an, aber meistens war es ein kühler Wolkennebel, der sich mit der Sonne einen Wettkampf lieferte, wer denn nun hier die Wetterlage bestimmt. Aber gerade am Abend wollte ich nicht im Nebel bleiben. So versuchte ich noch, einige Höhenmeter abwärts zu kommen, blieb dann aber nach 19,9 Meilen auf einem, zugegebenermaßen nur kurzfristig, sonnenbeschienenen Plätzchen auf ca.1700m. Das waren bis dahin mit vielen Auf’s und Ab’s immerhin rund 1000 Höhenmeter. Ich habe viel gegessen und gefroren, vermutlich aus Erschöpfung, vielleicht aber auch zum Trost nach diesem mir schwer gefallenen Tag. Nach einen kleinen Anstieg geht es morgen 700 Höhenmeter runter nach „Hikertown“, wo eine Dusche und kalte Getränke auf mich warten. Ich werde auch einige meiner ehemaligen Wanderfreunde wiedersehen, was gegen die Einsamkeit helfen wird.

15. Mai 2017

Ich bin einfach nicht in die Gänge gekommen, speziell nicht in den „so geh‘ ich jetzt mal ein paar Meilen am Stück Gang“. Immer wieder musste ich anhalten: Mal drückte der Schuh oder die Blase, ich wollte das Solarpanel anbringen oder schützen, die Regenjacke anziehen, ausziehen oder ich musste einfach nach Luft ringen: Immer wieder stieg der Weg an, was meine Langsamkeit einlädt, alles zu tun, was sie kann. Dazu war meine Stimmung nicht gut, ich fühlte mich einsam auf die andere Art, die traurige.
Ob die fehlende Hitze mir nun den Weg erleichtern oder den vielen Pausen neben der Kraftlosigkeit einen Grund geben sollte, weiß ich nicht, jedenfalls konnte man an der Vegetation sehen, dass es hier öfter mal feucht ist: Das Gras war noch grün und sowas wie Vogelmire habe ich auch entdeckt.

Es regnete ab und an, aber meistens war es ein kühler Wolkennebel, der sich mit der Sonne einen Wettkampf lieferte, wer denn nun hier die Wetterlage bestimmt. Aber gerade am Abend wollte ich nicht im Nebel bleiben. So versuchte ich noch, einige Höhenmeter abwärts zu kommen, blieb dann aber nach 19,9 Meilen auf einem, zugegebenermaßen nur kurzfristig, sonnenbeschienenen Plätzchen auf ca. 1700m. Das waren bis dahin mit vielen Auf’s und Ab’s immerhin rund 1000 Höhenmeter bergauf. Ich habe viel gegessen und gefroren, vermutlich aus Erschöpfung, vielleicht aber auch zum Trost nach diesem mir schwer gefallenen Tag. Nach einen kleinen Anstieg geht es morgen 700 Höhenmeter runter nach „Hikertown“, wo eine Dusche und kalte Getränke auf mich warten. Ich werde auch einige meiner ehemaligen Wanderfreunde wiedersehen, was gegen die Einsamkeit helfen wird.

Nachtrag: Hier noch ein Bild vom Sonnenaufgang, direkt aus dem Zelt.

Es war so kalt am Morgen, dass das Wasser auf dem Zelt sofort gefror, als ich es verließ. Ich trug vier Schichten Oberkleidung, Handschuhe und Mütze für ca. eine halbe Stunde Marsch, dann begann der „Pellvorgang“. Unten angekommen erwartete mich die Sonne und ich ließ mich bewusst von ihrer Wärme verwöhnen.

Casa de Luna

Sonntag, 14. Mai, 22:47 Uhr, Meile 485,4 nach Casa de Luna und ins. 17,7 Meilen

Nach ca. 10 Meilen erreichte ich das Trialangelhaus Casa de Luna.

Chaotisch und unaufgeräumt wirkend, aber mit allem, was man braucht, um sich ein bisschen zu erholen. Zum Frühstück gibt es Pancakes und abends den legendären Tacosalat. Ich kam für das eine zu spät und ging für das andere zu früh.

Die rustikale Gartendusche habe ich aber gerne genutzt und in zwar sicher nicht sauberer, aber frisch ausgewaschener Wäsche fühle ich mich auch wieder wohler. Um 15:30 Uhr war ich wieder auf dem Trail und froh darüber.

Ich habe eine neue Blase am rechten großen Zeh. Hoffentlich nervt die nicht.

Noch 32,1 Meilen bis zur nächsten Dusche: Hikertown.

Leichte Langsamkeit

Was für ein toller Tag!

Eigentlich war ich nach einer erstaunlich gut durchschlafenen Nacht im Hikerheaven um 6 Uhr schon komplett fertig und hatte den Rucksack auf dem Rücken.

Aber mir gingen so viele Möglichkeiten durch den Kopf, was ich nun machen könnte. Mich zurück nach Whrightwood fahren lassen, um einige der verpassten Strecken nachzuholen, rückwärts laufen oder vorwärts?

So verging die Zeit, die ich unter anderem in einem intensiven Gespräch über den PCT mit Trialangel „Spirit“ verbrachte. Auf meinen Hinweis, das mein Weg sich für mich nicht „ganz“ anfühlt, weil ich so oft gesprungen bin, meinte sie: „But it is a complete experience“. Und damit hat sie Recht.

Irgendjemand schlug vor, frühstücken zu gehen. Gute Idee!!! Pancakes und Kaffee.

Gegen 10:30 Uhr war auch das erledigt und ich bin nach links gegangen.

Links bedeutet, ich habe mich dafür entschieden, weiter voran zu gehen.

Die anderen sind noch nicht so weit, sie machen sich später oder morgen auf den Weg.

8,7 Meilen bis zum Wasser. Meist bergauf.

Ich habe mir viiiiiiel Zeit gelassen. Unglaublich, wie langsam ich sein kann. So viele waren es nicht, die mir begegnet sind, aber mit jedem, der wollte, habe ich mich unterhalten.

So z.B. mit den Helfern eines Berglaufs, die mir Wasser anboten und das letzte Stück selbstgemachten Bananenkuchen schenkten.

Ich war herrlich einsam und habe es so sehr genossen. In der Mittagshitze geht eigentlich niemand gerne und schon gar nicht von Hikerheaven weg. So hatte ich den Weg nahezu für mich alleine. Niemand, mit dem ich mich vergleichen und an den ich mich abwerten konnte.

So habe ich mit Euch Kontakt gehalten, die Aussicht bestaunt und die Pflanzen und Tiere am Wegesrand wahrgenommen.

Da war z.B. ein Moment, in dem beim Vorbeilaufen ein intensiver, würziger Duft meine Nase weckte und ich herausfinden wollte, wer denn der Verursacher war. Es handelte sich bei einer Handvoll möglicher Täter um dieses Kraut hier:

Und ich habe sogar eine richtige Mittagspause gemacht!

Die Quelle erreichte ich um ca. 16:30 Uhr und es dauert ein Weilchen, bis man Wasser für den Sofortdurst und die nächsten 15 Meilen gefiltert hat. Ich war also echt spät dran. Mit nur 8,7 Meilen konnte ich mich bei diesem herrlichen Wetter und den ausgesprochen entspannten, laufwilligen Beinen aber nicht zufrieden geben.

So hatte ich die Gelegenheit, noch weitere Trialanwohner zu fotografieren:

Gegen 19 Uhr habe ich dann nach ca. 13,2 Meilen (ca. 21 km) diesen Platz zum Zelten gefunden:

Wie für mich gemacht. Und die Sonne hat mich noch bis zum letzten Bissen begleitet: Ich habe mir zum Nachtisch mit Freude, Zufriedenheit und Dankbarkeit das Stück Bananenkuchen auf der Zunge zergehen lassen.

Gras

Beim Innehalten ist dieses beruhigende, leise raschelnde – oder eher rauschende – Geräusch zu hören,… eine Verbindung aus Wind und sanfter Reibung der Halme mit- und aneinander. Dazu ein Duft von getrockneten Gras.

Könnt Ihr Euch das ein bisschen vorstellen?