„Alles in Bewegung“, sagte Ulli.
Das Gras, die Äste der Bäume und die Wolken bewegten sich im leichten Wind.
Demselben, der leicht über meine Haut strich.
„Alles in Bewegung“, sagte Ulli.
Das Gras, die Äste der Bäume und die Wolken bewegten sich im leichten Wind.
Demselben, der leicht über meine Haut strich.
Das Auto des Altschäfers störte mich lange. „Wenn es doch nur weg wäre“, dachte ich mir, „könnte ich ein schönes Erinnerungsfoto machen.“
Aber gehört es nicht zu diesem Moment? Er wäre nicht er selbst, stünde das Auto nicht dort.
Ja zu dem, was ist.
Nein zum „Ja, aber wenn?“
Kaum gedacht, Foto gemacht, war das Auto weg.
Praxislernen.
Heute hat mich Ulli besucht.
Wir liefen eine kleine Runde und setzten uns anschließend auf eine Holzbank, schauten in die Ferne, die nächste Woche und einer Schafherde zu.
Ließen Gedanken schweifen, gehen und kommen.
Wir hatten Zeit, teilten und schenkten sie uns selbst – gleichzeitig.
Ich fand Ruhe und nahm sie mir.
Für lange, vier schöne Stunden.
Vielen, vielen Dank, Ihr Lieben – für Euren Besuch!
Das war so schön mit Euch. Wiedermal mitten drin zu sein in einem Haufen lieber Menschen. Fühle mich noch heute getragen wie in einer warmen Badewanne voll Frohsinn und Zuneigung.
Spüre, dass er da ist – mein Platz – bei Euch im Sinn und Herzen.
Egal, wo ich bin.
Gestern hat mich mein Bruder Frank in Rüsselsheim mit offenen Armen empfangen. Ich bin wieder hier. Hier in „da“, wo man meine Sprache spricht.
Hier, wo meine Freunde leben.
In Rüsselsheim ist Hessentag, eine Art Volksfest. Es passt zu dieser irgendwie irrealen Situation, vor ein paar Stunden noch auf einem anderen Kontinent gewesen zu sein, sich jetzt in diesen Menschenmengen zu bewegen.
Körperlich anwesend, Teil der Menge und außenstehender Beobachter zugleich.
Frank und ich haben viel geteilt. Wir schenkten uns unsere Zeit.
Frank hat mir ein Fahrrad besorgt, sodass ich mich hier frei bewegen kann. Heute war ich im Ostpark, habe mich ins Gras gelegt und den Vögeln zugehört.
Vor ca. 46 Jahren stand hier „Radfahren und Enten füttern“ auf meinem Lehrplan.
Heute: „Da sein“.
Einfach da.
Herzlich willkommen!
Bist meiner.
Ich fühle mich, als hätte mir jemand ganz liebevoll eine leichte, genau richtig warme, schützende Decke umgelegt.
Ich fühle mich so wohl in ihr.
Das mit der zärtlichen Decke seid Ihr gewesen und sie besteht aus Euren lieben Gedanken, Rückmeldungen, Grüßen, Mutmachern, Bestärkungen. Eure Freude über meine angekündigte Rückkehr, die selbst für mich routinierten Kritiker keine Zweifel in Betracht ziehen lassen.
Die Decke ermutigt mich derart, dass sich mir schon wieder neue Fenster öffnen, Aussichen, wenngleich auch verträumt…
„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ (das Zitat wird Antoine de Saint-Exupery zugeschrieben)
So ergeht es mir mit nur einem Satz aus einer Email von Thomas:
„Cascade Locks ist ein gutes Ziel, die Gegend dort wird Dir gefallen, erinnert ein bisschen ans Rheintal.“
Damit hat er meine Phantasie geweckt: Wie mag es dort aussehen? Was denkt er, was mir gefällt? Vielleicht ist es wunderschön dort?
Ich stelle mir den blauen Himmel vor und einen ganz leicht ansteigend verlaufenden, festen Weg, der sich an den mit Felsen durchbrochenen, aber üppig bewachsenen, steilen Hänge eines Tals entlang windet. Vielleicht ist ein Fluss zu sehen. Farblich bestimmen die eher dunklen Grüntöne der Bäume und Büsche die Aussicht. Aber ab und an entdecke ich wieder die bisher so nicht gesehene Blütenfarbe einer kleinen, unscheinbaren Pflanze am Boden. Käfer überqueren eilig den Weg, der unter meinen Schritten knirscht. Langsam verändert sich die Landschaft, das Tal schließt sich, der Fluss ist allenfalls noch zu hören.
Wie mag der Weg weiter verlaufen? Und wie erst in 100 Meilen?
Ja, so denke ich:
Blauer Himmel, 20°C, trockene, nicht zu milde Nächte, kein Schnee, keine Stechmücken und der Rucksack darf auch nicht zu schwer sein… ständiger Internetempfang und entspannte Gesellschaft, in der ich mich sicher und wohl fühle.
Ich weiß: Es kann auch ganz anders aussehen.
Und was passiert, wenn die zarte Decke von meinen Schultern rutscht? Oder ich sie nicht mehr spüren kann?
Ich habe noch 10 Stunden und 47 Minuten Zeit, meinen morgigen Flug von Vancouver nach Frankfurt zu stornieren.
Mein Zuhause:
Da, wo ich willkommen bin. Wo ich einen Platz habe. Da, wo ich hin will, um mich ganz, richtig und in Ordnung fühlen zu können.
Mein Zuhause ist bei Euch, meine lieben Freundinnen und Freunde, Lebensbegleiter und Lieblingsmenschen.
Bei Euch, die Ihr mich oft besser lieb haben und sein lassen könnt, als ich es kann.
Das Flugzeug landet am Freitag.
Ein Teil von mir sitzt drin.
Ich komme nach.
Irgendwann.
Ich freue mich jetzt schon auf Euch – das wird eine Freude!
Und ich freue mich unbeschreiblich darauf, wenn wir uns endlich – außer an den Herzen – auch mal wieder in den Armen liegen können.
Ich freu mich auf Euch!
Unser Lachen, Weinen, Schweigen, Beisammensein.
Ich komme….
Nun ist es passiert. Wie im Tunnel habe ich den Rückflug organisiert und gebucht. Starte morgen früh um 6 Uhr mit dem Bus und komme am 16. in Frankfurt an.
Habe mir keine Chance mehr gegeben, mich wieder einzufühlen ins Laufen auf dem PCT.
Die Gewohnheit ist weg. Die Vorstellung fremd.
Ich bin traurig.
Und, wie gewohnt, fühlt sich auch diese Entscheidung wieder so falsch an.
Aber ich brauche mehr Hilfe, als ich von den Menschen hier zu nehmen bereit bin.
Ich werde das Draußensein so sehr vermissen. Und das Draußenschlafen.
Aber ich konnte mich eben meiner Angst nicht stellen.
Es geht woanders weiter.
Genesung verschoben.
Oder eben: Ortswechsel verordnet.
Ich bin hier in einem Ort, an dem Wanderer zurück von ihrer Erfahrung in der High Sierra kommen.
Es gibt Geschundene und Gestählte.
Ich fühle mich auch geschunden, wenngleich nicht körperlich, und dachte hier, mich teilen zu können, Teil sein zu können.
Aber ich bin es nicht.
Matthias meint, das sei letztlich die Folge meiner Flüchte, der ständigen Sprünge. Recht hat er. Aber die hatten doch ihren Grund. Warum flieht man? Warum springt man? Aus Angst und Hoffnung.
Und morgen springe ich wieder zurück vom kurzen Urlaub – in meine Welt.
Matthias, ich freu‘ mich, Dich unter den Gestählten zu wissen.
Gestählt wäre ich, könnte ich durch das gehen, was mich fliehen lässt. Das, was geschieht in meinem Gehirn, was ich ‚Verlorensein‘ nenne. Dazu müsste ich mich nur der Einsamkeit stellen. Auch, um mich den Menschen, denen ich dort begegne, trotz meiner Angst, zumuten zu lernen.
Das ist hier kein Problem. Auf, Karin, los: Internetlose Strecken gibt es hier überall. Nervige, wenngleich vermutlich harmlose, Schneefelder unvermeidbar.
Ihr, Freunde, singt mir Eure Lieder…. Sagt mir, die Ihr mich kennt: Rein in die befürchtete Qual, ein weiteres Mal? Ein letzter Versuch, zu lernen, sie in Stärke zu verwandeln?
Oder geht es um Annahme der Unfähigkeit?
Ja, ich weiß… die Antwort muss ich selbst finden.