Vertrauung


Cafeteria oder Zuhauseseingefühl…

Stolz oder Trost

Nichts trifft wirklich zu.

Es ist ein Durchatmen, ein Lassenkönnen, ein kurzes „Ja“. Eine Einwilligung.

Hochzeit ohne jede Art von „müssen“: Aufgabe, Hingabe ohne Verlorengehen, Verlust, Gewinn oder Sieg.

In dieser Hinsicht könnte die Theke ein Traualtar des Augenblickes gewesen sein.

Vertrauung mit dem Leben.

 

Fremdsprache

Manchmal freue ich mich, zielstrebig und erwartungsfroh, auf die Cafeteria und den warmen, kräftigen Cappuccino. Es ist eine Art von Stolz, diesen Ort für mich entdeckt zu haben.

Klar, es gibt auch die anderen Momente. Die, in denen ich hier, am selben Ort zu anderer Zeit, einen Hauch von Trost finde.

Manchmal muss ich ein wenig warten, bis ich die Cappuchinoherstellung in Auftrag geben kann.

Heute habe ich dabei ein Bild zum Begreifen entdeckt, vom imaginären Kalenderblock gerissen, werfe gerade noch einen wertschätzenden Blick darauf, nehme es mit, lade es zum Bleiben ein und lege es mit Bedacht hier in meinen Blog nieder.

In der Auslage der Theke liegen allerlei leckerer Waren feil. Ich mag sie gar nicht aufzählen. Einiges kann ich leicht als mögliche Verführer ausschließen, weil ich ja keine Wurstwaren esse, aber schmecken würden sie mir wahrscheinlich schon.

Die Theke ist durchsichtig und nicht zu hell beleuchtet. Es sieht einfach alles appetitlich aus. Und mir schleicht sich eine Erinnerung an kindliche Kaufladenspiele an..

Hier und Jetzt bemerke ich: Ich lasse mich gerne verführen. Würde gerne ‚weich‘ werden. Mir einen Muffin bestellen oder ein knuspriges Laugengebäck. Nüsse oder einen Haferriegel. Frisches Obst oder ein mit Grünzeugs aufgepepptes Käsebrötchen.

Aber ich habe keinen Hunger.

Und gäbe ich mich jetzt der puren Lust hin, hätte ich ‚den Salat‘ vielleicht später auch in der ungewollten Form: Ohne bewusste Erlaubnis zum Genuss ist es manchmal nämlich nicht die Zufriedenheit, die sich beim Verführtwerden von Köstlichkeiten einstellt, sondern die Selbstabwertung, der Selbsthass oder die Schuld.

Und die brauche ich doch nicht mehr. (Habe genug davon…) Und kaufen will ich sie schon gar nicht.

Die Frauen hinter der Theke sind im Kontakt herrlich erfrischend: Fast neutral, aber mit einem Hang zur Unfreundlichkeit. Es macht Spaß, sie zum Schmunzeln zu bringen.

Und sie sind flott: Meist geht es schnell voran und ich muss, in der Schlange wartend, nicht allzu lange zwanghaft am Gebäck vorbei oder auf die Rückwand der Kaffeemaschine sinnieren.

Heute war es aber genau richtig lang, um mir das schon erwähnte Bild zu machen.

Der Verführung der selbsterniedrigenden Gedanken, des Badens im Leid will ich widerstehen lernen wie den Muffins.

Ja, es gibt sie. Sie sind heimelig vertraut und fühlen sich manchmal so verdammt richtig und wahr an.

Sie sind es aber nicht.

Und genau so wie in Uffenheim, als ich feststellte, das ich gar nicht das Essen will, sondern irgendetwas anderes, möchte ich diese Miesheit mir selbst gegenüber nicht mehr länger verinnerlichen.

Das Sprachgewirr ist hier in der Cafeteria bunt.

Ich werde die Sprache und deutlich auszusprechen lernen, in der ich

‚Nein, jetzt nicht‘

verstehe.

Heute

…war ich schon sowas von genervt, verärgert, schlimm wütend, traurig, misstrauisch, habe mich als falsch und unwert entlarvt gefühlt, und war dennoch mehrmals so tief von dem Geschenken des Lebens berührt, dass ich es jetzt nicht mehr wirklich fassen kann. Ich war müde, neugierig, abgedriftet, un- und konzentriert, hungrig, gierig, glücklich, in Freude, konnte sowas wie verträumt leichte, versponnene Liebe und meine tiefe Sehnsucht spüren, hatte Angst, wenn auch verschleiert, aber Lust, war verzweifelt, irritiert, zornig. Fühlte mich auch mal sicher, als Stütze, fleißig, ignorant, mutig und bin so feige.

Und doch:

Habe mich auch verbunden gefühlt. Und verzaubert.

Einfach getragen.

Und völlig unzumutbar.

Ist das jetzt was Besonderes?

Nein.

Nicht Gefühle zu haben ist neu.

Meine Wahrnehmung hat sich geändert. Und die Bewertung. Oft bin ich noch in inneren Kämpfen verwickelt, aber vielleicht bin ich tatsächlich

auf dem Weg zu erlauben, einfach da zu sein.

Menschen, Gefühlen, Bewertungen. Mir in meiner schlichten Seinigkeit.

Auf dem Weg

offen zu sein für ein Kommen und Gehen.

Klarheit.

Im Hier und Jetzt wie es sich mir zeigt, immer wieder neu,

ob ich „will“ oder nicht:

Egal

auf die vertrauende, leichte, liebende Art

willkommen

Pausenfilm

So richtig falsch fühlte ich mich dort in der Cafeteria der Unibibliothek.

Es war Mittagspausenzeit. Irgendein Hörsaal hatte sich hierher entleert…

…so steht man hier zur Zeit langschlängelig wartend am Tresen. Mehr als alle Sitzgelegenheiten sind genutzt. Dank dreier Ein- und Ausgänge herrscht ein emsiges Vorbei und Hindurch nach da von dort. Und zwischen all dem macht sich Stimmengewaber breit, bastelt aus geselligem, schrilltönefreiem Gelächter und unaufgeregtem Geschirrgeklapper seine ganz eigene Art von Entspannungsmusik für mich.

Solcherlei Klänge sind mir andernorts oder -zeits schnell ein Genervtsein wert. Gerade ist es anders.

Ich gehöre hier nicht her, sagt mir mein Verstand, und doch ist es jetzt genau mein Platz in der Ecke auf diesem nicht zur Einrichtung gehörenden Stuhl, den irgendjemand von irgendwo herbei und nicht wieder zurück geschleppt hat. Hier steht er nun neben den ungenutzten Kinderstühlen, die mir als Ablage des Glases dienen, in dem der gute, heiße Cappuccino für 1,25 € gereicht wird. Der Platz, an dem ich mich soeben gerade wohl fühle: Am Rande, unbeachtet, unauffällig, unbelästigt, geduldet.

Unsichtbar und unbemerkt, aber doch Dabeiseindürfen.

Und im Gemälde der Wahrnehmung erlauben, dass sich dort, wie jetzt am Tagesende, Traurigkeit und Erschöpftsein schützend vor die Sehnsucht schieben, die, sich taktvoll zurückhaltend, im Hintergrund wirkt.

Ohne die Kontraste des Dramas darf sich auch mal alles Übrige in Blässe verschwimmen.

Reintöniges Richtigsein im Falschsein ist mir bei aller eventuell mitklingenden Fragwürdigkeit wohlbekannt und ein willkommenes Gefühl.

Alles ist richtig. Mittendrin und nicht dabei. Atmen und Lassen sein.

Sonnenaufgangsabspannstimmung.

Mittendrin im Heimatfilm

ein Fundstück Lösungsweg.

Tag 20 – Pause

Die Station nimmt neben den „normalen“ (haha 😉 ) Krisenpatienten auch maximal 8 „DBT ler“ auf, die das gesamte achtwöchige Programm zusammen bestreiten. Um das Aufnahmeprozedere zu schaffen, wird diese Gruppe aber in zwei aufeinanderfolgenden Wochen aufgenommen. Nach mir und Nina* begannen in der Woche drauf noch vier KollegInnen.

Da waren’s nur noch drei. Und heute brach zudem auch noch Nina leider ab.

In meinem heutigen Präsentseingefühl traute ich mich… auf die Idee war ich schon vergangene Woche gekommen, als mir mein Erleben mal wieder wie ein Windspiel im Frühjahrssturm vorkam und ich mich nach meinem Bett sehnte, nach dem Alleinseinkönnen und nach dem Gefühl in der Hand, wenn sich nach einem anstrengenden Tag der Haustürschlüssel im Schloss dreht…

Ich traute mich zu fragen und die Antwort fiel positiv aus: Ich darf eine Woche pausieren, werde morgen entlassen und nächste Woche steige ich mit meinen Mitpatienten wieder in das Fortsetzungsprogramm DBT ein.

Kompetenz oder sowas

Es ist nicht so, dass ich mir sie als mir zugehörig zuschriebe, nein.

Aber ich kann sie gerade fühlen.

Ich konnte sie in dem Spiegel des fünfköpfigen Therapeutenteams finden, den sie mir vorhielten.

Ich war sehr aufgeregt wegen dieses Termins.

Es gehört zum Therapiekonzept, dass Menschen, die stationär DBT nach den Richtlinien des Dachverbandes machen, nach einer Eingewöhnungsphase dem Großteam eine den vorgegebenen Fragen folgende, aber selbstverfasste Verhaltensanalyse über ihr zentrales Problemverhalten vorstellen. Das Team trifft dann eine Entscheidung, ob eine weitere DBT Behandlung in ihrem Rahmen zum derzeitigen Zeitpunkt sinnhaftig ist und dementsprechend fortgeführt werden wird – oder eben nicht.

Alleine das Problemverhalten zu benennen war eine schwere Geburt. „Butter bei die Fische“, beriet ich mich hinterntretend ermutigend und quälte mich vorletztes Wochenende anhand des Themas „Ich bin /gebe mir /suche überall Schuld / mache mich schuldig“ durch die Fragestellungen. Aber mein Stolz über die schonungslose Selbstoffenbarung wurde nicht bestätigt, sondern meine Abhandlung als „am Thema vorbei“ gewertet: Ich müsse einen konkreten Vorfall betrachten, wobei mir dringend der Suizidversuch und am besten zudem noch ein aktuelles Problemverhalten im Rahmen der Therapie, also insgesamt zwei Analysen, zu verfassen empfohlen wurde.

So verbrachte ich alle Zeit des zurückliegenden Wochenendes, die ich damit aushielt, mit eingehender, so ehrlich wie mir möglicher Nabelschau und dem Sortieren, Formulieren und Zusammenfassen von dem, was ich da so vorfand.

Um 11 Uhr saß ich heute dann auf dem Flurboden vor dem Arztzimmer und versuchte häkelnd meine Wut über die Verspätung einzelner Therapeuten niederzuringen.

Endlich war es soweit. Ich trug die Verhaltensanalyse vor. Anhand der Fragen und konkreten Rückmeldungen der ZuhörerInnen konnte ich mir die Glaubwürdigkeit zu spüren erlauben, die Analyse sei mir kompetent gelungen.

Nach einer kurzen Beratungszeit hieß man mich „in der DBT willkommen“.


Ein gutes Gefühl.

Ich gehe aufrecht. Habe offene Augen. Sehe, wer da ist.

Fühle mich ‚alswesend‘.

Ich kann ja (was) – sein.

Ein Gefühl, das mir fehlt, um da zu sein.

Ja, so kompliziert ist es zu sein möglich.


Noch mehrmals habe ich im Verlauf des Tages von Mitarbeitern gehört, dass man von meiner Aufarbeitung beeindruckt gewesen sei. Man habe das in der Übergabe gehört. Mir wurde dazu gratuliert. Und – nein – es sei nicht selbstverständlich, das man weiter am Programm teilnehmen dürfe.

Ich gebe zu, das macht mich schon ein bisschen stolz in der Hinsicht: „Auch wenn Du es nicht richtig verstehst, scheinst Du den Weg richtig zu gehen“.


Dieses wache, so zufriedenstellende, wach seiende, irgendwie erwachsene Gefühl hatte ich bereits zwei Mal während meiner Zeit in dieser Klinik.

Da war die Hippotherapie. Der kleine, noch etwas eigenwillige Halbwüchsige machte das mit, wozu ich ihn aufforderte. Er kaute. Ein Zeichen von Pferden, wenn die Kommunikation stimmt und er sich wohl fühlt, wurde mir von der Therapeutin gesagt. Das freute mich wirklich zutiefst.

Und da war Mitpatient ‚Franz‘ (nenne ich ihn mal). „Über dem Strich“. Hatte wohl eine durchwachte Nacht hinter sich und fühlte sich von den Pflegern missverstanden. Ich blieb. Er war aufgebracht und hatte viel zu sagen. Versuchte zu hören, was er zwischen den Worten sagt. Hatte das Gefühl, das wir uns auf einen Sendeempfangskanal einigen konnten. Es wurde ärmer an Worten und reicher an sowas wie Vertrauen. Wir konnten einen Moment zusammen schweigen.

Ich nenne sowas ein Geschenk.


Ich bin ganz schön lange aus dem Geschäft und mir fehlen diese Momente des „Einfach und gleichzeitig richtig seins“.

Wird Zeit, dass ich so einen Platz wieder finde für mich und meinen Chor.

Tag 17

8:35 Uhr

noch so lange

öffne Dich dem Spiel

Auf dem Spielplan steht

lass Dich verführen vom Moment und verlier ihn schmerzlich

gegen

Lass Dich enttäuschen und gewinn den schmerzhaften Sarkasmus der Rechthaberei

oder auf zum Kampf der sein muss, um der Verführung Kraft zu geben, Raum zu schaffen, Synapsen zu knüpfnen

Wehleidereigetue

Versponnene Verträumereien

Zumutung für die Zuschauer

Quälerei für mich

Aber die Eintracht spielt inzwischen auch hinguckfähigen Fußball…

…konnte doch auch keiner dran glauben…

Auf geht’s

Verführung, ich komme und öffne die Augen, drück‘ den Skill für Dich

Nebenschauplätze

Tag 15

Ich liege unter in Decken, in die ich unsere Patienten gepackt habe. Ich bekomme das vorgesetzt, was ich aus den Küchencontainern meines Arbeitsplatzes mit allen Sinnen kenne. Ich höre die Sprüche, die ich selbst rausgehauen habe. Und ich spüre die Distanz, die ich damals glaubte, halten zu müssen.

Die Distanz, die mich hielt, hält mich jetzt ab, auf das Pflegepersonal zuzugehen.

Sinn oder Verzweiflung

Spiegel oder Memory

Nur nicht suchen…

Mir auf der Spur

Wenn ich gefragt werde, was ich gerne tue, kommt mir das Finden in den Sinn.

Ein Fundstück auf dem Flohmarkt, ein Blatt im Wald, der Duft eines Krautes oder das Wahrnehmen eines Wesens, Mensch z.B., das meinen Weg kreuzt. Oder eine Entdeckung beim Bildermachen, also einem Versuch ein Gefühl zu begreifen, das ich oft genug nicht benennen kann.

Gestern beim Singen habe ich gefunden, dass es mir um die Erfüllung einer Erwartung geht.

Die erfüllte Erwartung der Enttäuschung fühlt sich wahr an, bringt mich auf den Boden der vertrauten Gefühle zurück, die ich im Rahmen der vorsichtigen Vorfreude verlassen hatte.

Die vertrauten Gefühle der Sicherheit des Icherlebens als Kind sind Enttäuschung, das Gefühl weder gesehen zu werden, noch erlauben zu können, sichtbar zu sein – aus Angst, als Unwert erkannt und zurückgelassen zu werden.

Diesen Gefühlscocktail inszeniere ich mir immer wieder. Er ist meine Heimat.

Mir auf der Spur.

So konnte ich gestern lernen, dass es mir bei dem Finden, dass mein Herz erfreut, um die Un-erwartung geht.

So war die Vorfreude auf die Erlaubnis, womöglich Teil sein zu können, wunderbar.

Das Verträumtsein kommt mir in den Sinn… Das Zusammenspinnen des Womöglichwahrseinkönnens.

Oder ich finde die Erfüllung der Enttäuschung… Also Vertrautheit.

Ich nehme den Schmerz in Kauf oder es geht gerade darum, ihn zu spüren.

Um Vertrauen zu erleben, lebe ich die Heimat, inszeniere mir einen Gefühlscocktail- Heimatfilm.

Mir auf der Spur.

Sucht ist die Erfüllung des Heimatgefühls.

Welches, wenn ich Hrn Gerald Hüther (einfach wunderbar… siehe z.B. YouTube) Glauben schenken darf, nicht wegnehmbar ist. Hardware im Hirn. Nur zu ÜBER-denken. Durch Momente der Begeisterung neu zu erlernen. Aber es wird immer ein Programm, nie Einwahrsein sein.

Heimatfilminszenierung.

Schaue ich aber auf das Leben jetzt, muss ich nicht ins Kino. So vertraut es mir auch ist.