Dosenöffner

Ich fand ihn in der Küchenschublade meines gerade bezogenen, übervoll ausgestatteten Einzimmerappartements. Ich beachtete ihn zunächst gar nicht besonders. Er war einfach nur ein Teil unter vielen, die ich in den Wäschekorb legte, um ihn mit diesen zur Spülmaschine im Nachbarhaus zu transportieren. Mein Vorgänger hatte seine Maßnahme vorzeitig abgebrochen und wohl anderes im Kopf, als die Küchenutensilien in einem sauberen Zustand zu hinterlassen…

Eigentlich alle anderen Gegenstände trennten sich in der Gastronomiespülmaschine spätestens nach dem dritten Durchgang von ihren Anklebnissen, aber der Dosenöffner hielt trotz manuellen Zwischenarbeitsschritten mit Spüli und Bürste einem Teil seiner erworbenen Errungenschaften fest die Treue.

Es handelte sich um ein metallenes Ikea-Standartmodell im Edelstahllook mit reichlich Rostansatz – und eben hartnäckig haftendem Küchendunst- und Doseninhaltrestschmodder.

Eigentlich war ich wütend. Oder beekelt – und wütend – darüber, dass Hr. D. seinen Nachfolgern diesen, seinen Dreck einfach so hinterlässt. Darüber, dass der Träger der Einrichtung keine Verantwortung für solche Fälle einer überhasteten Übergabe übernimmt. Darüber, dass dieser Dosenöffner meinen Bemühungen so lässig trotzte.

Und ich spürte Ekel. Ekel und Wut…

„Stell‘ Dich nicht so an!“

raunte es aus den Tiefen des Nervensystems bzw. den Wahrheiten der Überlebensregeln aus den Kindertagen.

Und dieses „NEIN“ war da, einfach da. Ich konnte es hören hören und akzeptieren. Das „NEIN“ zum Dosenöffner. Diesen Dosenöffner wollte ich nicht in meinem Appartement haben, noch nicht mal in der Kiste mit all dem Krempel, den ich bis zum Auszug nicht brauchen werde. Diesen Dosenöffner wollte ich nicht in meinem Leben haben.

So stellte ich mich –

meinen inneren Kritikern, nahm das mir, jetzt, so gesehen, sehr wertvolle Stück und übergab es der zuständigen Hauswirtschafterin. Sie solle mit ihm machen, was sie wolle. Ich jedenfalls sage „Nein“ zu ihm.

Sie hatte die Kiste mit für mich Überflüssigem an mich zurück überwiesen. Auch die riesige Rührschüssel mit Deckel musste ich wieder mitnehmen und selbst verwahren. Den Dosenöffner aber nahm sie an sich und ich musste auch keine Austauschexemplar mitnehmen: Mein Nein zu ihm war also zu verstehen.

Und mit ihm mein Nein zu den Wahrheiten meines alten Leitsystems – meine Gefühle (Ekel, Wut) und Bedürfnisse (Respekt, Soseindürfen) seien zu übergehen, nicht wichtig, und ich habe gefälligst dafür zu sorgen, sie zu unterdrücken.

So lege ich das Nein zu diesem versifften Dosenöffner in meine Errungenschaftskiste als griffiges Beispiel, also ein immer wieder anwendbares Werkzeug, für hoffentlich noch viele, sich zwar fremd, aber irgendwie auch reizvoll, abenteuerlich und – alles in allem -echt gut anfühlende „Neins“.