Gummi
Meine Grenzen des Vertrauens sind aus Gummi.
Deshalb fällt es mir so schwer, das „mich“
das „das bin ich“ zu fühlen.
Deshalb brauche ich so lange zum „ja, da kann und darf ich sein“.
Zum „So fühlt es sich richtig an.“
Zum „Bis hier hin und ganz sicher nicht weiter.“
Es ist nicht so, dass ich nicht da bin.
Ich bin nur manchmal nochschon woanders.
Wo ich gar nicht mehr sein wollte.
Wo ich gar nicht hin wollte.
Und kann es erst sehen, wenn ich dort bin.
Schlimm?
Nein.
Nein. UND es fühlt sich immer wieder wirklich schlimm an.
Es ist schlimm UND anders, nämlich
alles in seiner Ordnung…
Vertrauen auf das „Material“,
der Glaube an das Verbundensein… an das Richtigsein im ungelösten Puzzlespiel ohne Bild…
im Gefühl der und trotz des Gefühls der Haltlosigkeit:
Der Gummi ist „Made in und by Leben“ – meinem Leben.
Es ließ sich nur so halten.
Ich darf auf das Gummi vertrauen lernen.
In bewusster, behutsamer Langsamkeit.
Beim Dehnen.
Beim Loslassen.
So viel zur Theorie.
Ob ich es indazwischen aushalten kann?
Training.
Oder:
Reha?
Ich darf in der Ergo (Holzwerkstatt) machen, was ich will. Ich darf fragen. Ich darf Fehler machen und werde dafür gelobt. Ich darf in mein „Positivheft“ schreiben, dass ich mir eine Extrapause genommen habe und werde dafür gelobt.
Ich darf im Wohngruppengespräch meine Wut probieren, in angemessene Worte zu fassen – und werde dafür nicht gemobbt. Ich darf meine Verunsicherung spüren, fliehen, da bleiben…. darf und kann… den Gummi ausprobieren – mal hier, mal dort.
Und kaum habe ich es annäh(e)rend verstanden, soll ich in die berufliche Ergotherapie wechseln. Raus aus der Holzgruppe, rein ins Funktionieren. In das Suchen und Finden, Erringen und Erfüllen von beruflichen Anforderungen in möglichst vielen Praktika.
Wo ist meine Grenze? Darf ich mich wehren? Macht der Aufbruch in die berufliche Starre Sinn? Jetzt ’schon‘, nach drei Monaten, wo man erst nach spätestens neun Monaten „muss“? Soll, muss ich mich zwingen?
Habe ich zu gut funktioniert? Mal wieder den Halt in der Anpassung gesucht? Meine „Kleine“, meine Bedürfnisse nicht wahrgenommen, geschweige denn, respektiert?
„Fr. Nies, das wissen Sie vermutlich selbst am besten.“
Wo, verdammt nochmal, ist diese Grenze? Wo soll ich den Gummi stoppen?
Ich bin wütend, traurig, verunsichert.
Nix Neues also?
Nix Neues.
Und drei Monate vergangen… voller ‚Neues‘.
Und alles, was kommt – was imner es sei – darf ich neugierig staunend begrüßen.
Es war noch nie da. Und ich auch nicht dort.