verlässlich 2

Das Wort „verlässlich“ verlässt mich seit einer Weile in anderer Hinsicht nicht… ich formulierte kürzlich mal:

Ich bin kein Mensch, der verlässlich zu sich stehen kann.

Ist das schlimm? Ego meint verächtlich: „Schäm‘ Dich was!“ – Ego meint also, das sei schlimm.

Ist es aber gar nicht.

Es ist gut so.

Es ist gut, in dem Sinne, die Strenge des Egos, seine Wahrheiten, Beschuldigungen verlassen zu können:

Ich bin ein Mensch, der verlässlich zu sich stehen kann.

und

es macht Angst. Denn zu solchen launigen, wankelmütigen Menschen kann Andermensch nicht verlässlich stehen. Oder?

Bleib im Jetzt, Liebe, sagt mein Mitgefühl. Bleib‘ hier bei mir. Jetzt im Moment bist Du, real, völlig verlassen, denn Du bist alleine hier im Raum. Es ist kein Mensch da. Und, fühlt sich das schlimm an? Nein. (* Anmerkung der Redaktion: Kein Wunder, sie, mein Mitgefühl, ist ja da…) Jetzt im Moment lässt Dich das Ego in Ruhe, auch die Kleine schläft, egal wie viel Mist Du gemacht hast und wie verkorkst Du Dich manchmal verhälst: Egal, wie Dich Deine Kritiker bewerten. Egal, wie viel Angst in Deinen Gedanken über… steckt.

Wer verlässt überhaupt wen wann?

Alle Menschen sind im Moment auch verlassen von mir, denn ich bin alleine. Fühlt sich das für die im Moment schlimm an? Nein.

Ist das schlimm für mich? Ego/Kleine meint, kleinlaut, aber doch: „Ja, eigentlich schon…“ Womit die Lächerlichkeit dieses Urteils ziemlich offenbar wird.

Sie werden Dich verlassen! Sie werden Dich erkennen, angewidert sein und… Dich sowas von satt haben… zumindest viel lieber etwas mit anderen zu tun haben wollen… Lückenfüller…

Jetzt, im Moment jetzt, kann mir keiner (mehr) folgen. Ich weiß selbst nicht, auf welche Taste ich als nächstes tippe. Ich weiß nicht, was passiert.

Wenn Du Dich hingibst, wenn Du Dich zeigst, wirst Du die Angst der Wahrheit des Verlassenseins spüren. Du wirst erniedrigt, verspottet, weggeschickt. Du wirst verletzt, verwundet. So sehr, dass Du daran zu Grunde gehen wirst.

Der Verstand reagiert mit „Dumpfe“, mit Verdrängung, der Körper deutet Schock an. Für ihn war das schon sehr oft wahr. Für ihn war das früher so wahr, dass er das Programm gelernt hat, in bestimmte, lebensrettende Verhaltens- und Gefühlsmuster zu verfallen (Selbsterniedrigung, Anpassung, Unterwerfung, Kleinmacherei, Spott und Hohn, Anbiederung, Fremdverherrlichung, Realitäts(v)erträumung… Dumpfe und Verdrängung…).

Bei allem (in dieser Schockstarre) – verdumpften – Mitgefühl:

Sind diese Urteile im Hier und Heute deshalb weniger lächerlich?

Andauernd verlasse ich und bin verlassen und es ist nicht schlimm: Ist es nicht wunderbar befreiend? Auch das ist egal, denn es kann sich sogleich verdammt und real schlimm anfühlen, also wirklich sein… Und, Karin, auch das ist ein Geschenk, so fühlen zu können. Geschenke kann man manchmal nicht zurück geben oder wieder los werden. Man muss, darf sie behalten und etwas damit machen, lernen zum Beispiel:

Ich darf mich darüber hinaus

– immer wieder – auf mich

und

mich – immer wieder – verlassen.

Menschen verlassen mich. Mehrfach täglich. Und ich fühle es meistens nicht. Auch das ist schlimm. Und ich bin dankbar dafür.

Ich verlasse den Kreis vertrauter Menschen und fühle so dumpf. Dauerschuld. Manchmal kriecht die Angst hoch.

Und es ist nicht schlimm, dass es sich fühlt und denkt, als ob das alles zusammen genommen aber sowas von… sei.


„…diese Wichtigtuerei...“ ja, Ego… ruhig Blut. Wir sind uns unserer Unwichtigtuerei ja manchmal auch schon bewusst.

…und mit so einem Kram verpasst man das Leben… 😉

Dennoch: Danke für’s Lesen.

Noch mehr?


Ich bin ein Mensch, der verlässlich zu sich gehen kann.

Schmeckt sich gut an. Fühlt sich neugierig an. Ein schöner Legosatz. Lässt Freiheit zu, zu dürfen, auch anders zu sein, hat aber eine ziemlich begrenzte Richtung.

Den probier‘ ich vielleicht mal aus, lass‘ ihn mal so stehen… Der ist es aber nicht…

Denn: Ich bin auch (in) Euch, Ihr, die ihr seid und gewesen seid, seid auch in mir… wir leben zusammen. Und es gesellen sich neue Wanderer hinzu und wir dürfen uns wieder da sein und verlassen sein lassen.

Ich bin ein Leben, das, trotz (und nur wegen/in Form genau) dieser Menschengestalt, verlässlich lernen darf, einfach (einfach) zu sein.

Alles andere ergibt sich mit der Aufgabe.

verlässlich 1

Morgen trete ich die Reha in Freiburg an. Diese kann bis zu zwei Jahre andauern.

Heute steige ich aufs Motorrad und verlasse…

Ich sitze aufrecht in meinem Bett. Die Sonne schaut durchs Fenster. Hell ist es um 6:32 Uhr, blau das Stück Himmel. Es wird ein heißer Tag. Die Töne der Vögel wirken noch ein bisschen nachtmüde, gelangweilt. Vielleicht meckern sie über die Nachbarschaft. Vielleicht kommentieren sie ihre Körperpflege? „Und hier noch ein bisschen jucken, mach‘ mir doch mal einer die Plagegeister weg… und – aaaahhhrg – der Rücken… – was gibt’s heute eigentlich zum Frühstück?“

Ich werde mal sehen, was aus dem Kühlschrank noch weg muss. Ein Stück Ananas wartet da noch auf jeden Fall auf mich… Um spätestens 14 Uhr will ich aufgebrochen sein. Ich nehme die kurvigen, autobahnfreien Strecken, darf mich willkommen fühlen bei Margret und Franz. Klaus wird da sein. Und ein Willkommensein, das mir Tränen in die Augen treibt. „Da und verlässlich willkommen sein“ mit gefühlsechtem Wirklichkeitsgeschmack. Es sind willkommenheißende, herzliche Zärtlichkeitstränen für die Begrenztheit in mir.

Kann man etwas verlassen, das man gar nicht annehmen kann?

Das man glaubt, verdienen zu müssen? Bei gleichzeitigem unveränderbarem Schuldempfinden, weil man ja sowas gar nicht verdienen kann? Wenn sich Vertrauen ins Daseindürfen, in die Näheduldung immer wie ein „Vorschuss“ anfühlt, wie kann das „einfach“ sein dürfen?

Egal. So oder so nehme ich Euch alle, die mir am Herzen sind, mit. Das kann ich, auf meine Art. Ich pack‘ Euch zu mir, hab‘ Euch am Bandel, bestech‘ Euch… mit Füßekitzeln, Seifenblasen und Gutenachtgeschichten bei Kerzenschein (wahlweise Taschenlampe unter der Decke)… Ich mache ein Angebot, das Ihr nicht ablehnen könnt.

Und wieder schwappt ein Glücksgefühl zur Trauer. Meinem Körper wird’s warm… Ihr zumindest seid schon mal da angekommen 🙂

Ich bin begrenzt.

„Mach‘ das Beste draus.“ und „lass‘ es Dir gut gehen“. Ich nehme diese Sätze als gutgemeint an, und erweitere ihnen bewusst Raum, weil mir die Aufträge sonst zu groß erscheinen, nicht zu packen, vor zu schwierige Rätsel stellen, „Löcher in den faserigen Bug reißen können“.

Davon habe ich schon genug. Aber der Kahn fährt. Wir kennen uns schon eine ganze Weile und ich bin dabei, ihn lieben zu lernen.

Denn endlich vertraut er mir genug, sich mir ganz zu zeigen. Alle seine Wunden.

Vielleicht wie einen Oldtimer. Erst muss ich spengeln lernen, damit die Teile wirklich halten. Mein Hirn kapiert manchmal halt noch immer nicht, dass Neuteile von der Stange „einfach“ nicht passen.

Wir gehen auf Ausfahrt.