Anschlusspunkt

Und am Montag ging ich wieder ins Atelier. Irgendwann, als die beruhigende Wirkung von schlichtem Verweilen, getarnt, geschminkt, verwürzt mit Kaffee und Keksen, einsetzte, nahm ich mir ein grobes Skizzenpapier, sowie die Farben Schwarz und Weiß.

Ich gab der Leere eine haltlose Struktur, wollte diese aufweichen, verwässern, restliche Räume „irgendwie“ füllen, in Kontakt zueinander bringen, mischte die Farben, aber wirkungslos… letztendlich war der innere Konflikt („Mach’…! Tu.. Werd’… Aber schnell“ ) der den bewussten, vertauenden Beginn und ein zufriedenes Ende so schwierig macht, behandelt, bewerkelt, aber nicht bewerkstelligt, geschweige denn befriedet.

Irgendwann entstanden kleine Punkte auf einsamen, schwarzen Stellen. Wundenmarker?

Ein Pünktchen ist ein Ende und zwingend ein Neubeginn mit offenem Beginn: Ich habe infolgedessen immer wieder die Wahl, was nach dem Punkt geschieht. Was geschieht, fühlt sich begrenzt an (habe einen kleinen, weißen Pinsel in der Hand), ist es letztendlich aber nicht. Es könnte jederzeit zumindest ein Strich werden.

Ich fühle mich so begrenzt. Wodurch begrenzt? Durch den Raum, den ich mir zugestehe, die Möglichkeiten, die ich mir vorstellen kann, die Fähigkeiten, die ich mir einberaume.

Nein, Karin, diese Begrenzungen werden durch Dein Nein und Deine Schuld bewacht, aber sie sind vielleicht nur dadurch Grenze. Sie ist nicht das Ende. Du weißt es. Du reibst Dich an ihr. Gerne? Leidend? Gezwungenermaßen? Noch. Oft. Aber Du bist bewegt, auf sie zuzugehen.

Sie glaubt, Dich beschützen zu müssen vor Schlimmerem als „das allem“. So schnürt sie Dich ein mit Selbsterniedrigung. Aber sie gibt Dir Halt, hält Dich, wenn auch in Deinem Raum…

Du weißt, sie ist Deins, aber Du kannst sie nicht berühren, nicht nehmen. Jeder Kontakt mit tut so schlagartig „Nein“.

Punkt für Punkt. Wie abstoßende Magnete finden sie ihren Raum auf meinem Papier, lassen sich Abstand und Raum, werden sich aber nie nahe kommen, wenn sie weiter Punkt bleiben wollen.

Zu überwinden bin ich für mich nicht. Aber vielleicht einzunehmen. Durch Annahme. Oder „Radikale Akzeptanz“… die Grenze akzeptieren, sehen, achten, vereinnahmen,…? Wie wirdsoll das gehen?

Strich statt Punkt? Striche verbinden vielleicht, aber nähern sich dadurch Punkte wirklich an? Einer erobert den anderen. Flicken eine Wunde, heilen sie doch aber nicht.

Den letzten Punkt setzte ich auf dieses Papier am Montag, dem 1. Juli 2019, um 16:32 Uhr.


Montag, 1. Juli 2019, 16:32 Uhr.

Ich war also gerade dabei, möglichst „schöne“ Pünktchen in genau „richtigem“ Abstand auf die Welt aus Papier zu bringen.

Und ein anderer Mensch war im selben Moment dabei, einen der Punkte in meine Welt des Erlebens zu bringen, die sich „besonders“ hervortun. Die sich anfühlen, wie ein bedeutender, richtungsweisender Punkt.

Unser Treffpunkt war das Vibrieren meines Telefons.

Der Punkt heißt: Rehabeginn in Freiburg im Breisgau am Dienstag, den 9. Juli 2019

Nein, kein Schlusspunkt, denn es geht ja weiter. Es ist ein Anschlusspunkt mit Pfeil am Ende.

Ich ging zurück zu meinem Tisch und machte ein Bild vom Anschlusspunkt. Ein Bild, mit dem ich den Moment der Geburt dieses Farbstillstands fest hielt, um mir vielleicht vorzugaukeln, es gäbe irgendetwas im Leben, das auf/zuhalten sei.

Auf geht’s!