(ange) wi(e)der (t) da

Es war der Lärm, der beim Schließen der Türe verursacht wurde.

Wir kamen heute spät nach Hause. Ich schloss und hielt auf und war, vom Nachhause-, vielleicht auch vom Getrenntseinwollen, getrieben, schon auf den Stiegen, als dieses Geräusch, aus purer Ignoranz geladen, mit dem Aufeinandertreffen von Türe und Rahmen die Stille des Treppenhauses mit wuchtigem Scheppern zerplatzen ließ.

Genau so, nur lautlos, zerfurchte es mein Un-Bewusstsein.

Ich wählte ein bestimmtes Oberteil aus dem Schrank. Frisch gewaschen. Ein nur durch die Glätte kühl anmutender, weicher Baumwollstoff. Nicht zu weit, damit es ein bisschen wärmt. Ein nicht benennbarer, passender Duft wäre schön gewesen, aber schon der Gedanke daran, das er imstande wäre, etwas zum Trostcocktail der Sinne beizutragen, war genau das rechte Maß, das diesem fehlte. Das kleine Klangspiel an meinem Bett zauberte für ein Streicheln gleichsam sanfte Töne frei. Ich versuchte bewusst, aber wie so oft erfolglos, tief und ruhig zu atmen.

Entspannte Feierabendgeräusche von der Straße kommen durch durch das offene Fenster zu Besuch und erzählen noch von der vor Stunden vergangenen sonnigen Wärme des Frühlings.

Der Sonntag kommt mit Riesenschritten auf uns zu und ist gleich da – wenngleich eine Stunde kürzer.

Dieses Scheppern.

Diese Wut.

Sie ist das Urteil, das mein Gehirn gestern wie damals fällte, das ich aber erst hier und heute spreche.

Das Scheppern der Türe versetzte mich in das Haus der Wahrheit über Szenen meiner Kindheit zurück. Mit diesem Scheppern war die Erinnerung wieder da.

Rücksichtslos, unverdrängbar, präsent wie…

er an solchen Tagen nach Hause kam. War schönes Wetter, irgendeine Veranstaltung oder einfach Wochenende? Man konnte nie wirklich sicher sein wann, wusste aber, dass er irgendwann wieder, und wieder, nach Hause kommen würde. Schwankend, lallend… die Bewegungen nicht mehr steuernd können.

Wir

Wir?

Ich weiß, dass ich hier einfach von „wir“ schreibe und doch nur „ich“ bin, nicht wissen könnend, was Du oder Ihr…. Ich bitte ob dieser Respektlosigkeit um Nachsicht. Ich bemerke: Ich will nicht alleine damit sein. Und ich bin es nicht. Heute wie damals.

Wir

wussten nie, wie er drauf war. Manchmal, wenn wir Glück hatten, „ging“ er einfach ins Bett.

Manchmal hatten wir kein Glück. Dann machte er einen auf irgendeinen „Boah, was bin ich wichtig und ihr ein Dreck“, präsentierte sich ungefragt auf der Bühne dieses Theaters, in dem wir allesamt gefesselt waren – auch er. Wir schenkten ihm keine Beachtung – er ergriff sich in seiner bedrohlichen Unberechenbarkeit räuberisch. Wir kannten ihn, wussten seine Auftritte zu fürchten. Rette sich, wer kann: Der Abend war gelaufen. Hoffentlich kommt er nicht nach zu den Orten unserer Flucht, lässt uns in Ruhe. Hoffentlich geht er, wenn dann schon, zur Mutter, nicht zu uns. Sie setzt sich ihm zur Wehr. Hält sich ihn – von oder zwischen oder an oder sich oder uns. Egal: Es muss nur was dazwischen sein.

Hauptsache, das Getrenntsein ist da, hat einen Namen. Namenlos wäre „es“ – oder Sie, das Schicksal dieser generationenübergreifenden Tragödie, – nicht ____________ (auf Wunsch Wort und Satzzeichen nach eigenem Gutdünken einsetzbar).

Hoffentlich ist er so besoffen, dass nur noch sein Bett ihm als erstrebenswertes Ziel erscheint.

Hier, im Jetzt und Heute ging ich, wie damals, schweigend ins Bett. Anstatt mit der früheren Angst mit der heutigen Wut. Beide aber unterdrückt. Beide angewidert. Ekel. Da ist er wieder, wiedert sich an.

Ekel scheint unter Druck zu entstehen.

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Das Gefühl, es zu beschreiben zu vermögen, fehlt mir.

Es war kein menschlicher Ton, kein Tönen, keine Bewegung eines Körpers zu vernehmen. Ich sah nichts von der Szenerie in der Küche nebenan. Ich hörte nur das Geräusch einer Brottüte bei Berührung durch Wind oder Wesen. Ich hörte aber nicht einmal das, ich hörte eigentlich nur das „wie“.

Ja, ich kann tatsächlich an dieser bestimmten Art des Ertönens einer Papiertüte durch verschlossene Türen hören, das Du, besoffener Vater, in meinem Gehirn unvergessen bist. Detailgenau präsent und lebendig wie damals. Du, Bilder von Dir und all die damals wieder und wieder entstandenen Gefühle – und so muss ich mit Dir leben.

Ruhe in Frieden?

Du hast es gut.

– – – lass mir die Ruhe – – –

„Ich“ ist noch in der Mache. Das Satzzeichen auch.

Bremse

Manchmal spüre ich diese Bremse vor der Freude als stünde ich vor einer verschlossenen Türe aus Milchglas.

Wie gelähmt stehe ich davor. Kein Impuls zur Tat, zum Griff an den Griff. Ich rüttele nicht daran.

Da ist dieses verwitterte Schild:

„Besser nicht, Karin“.

Es sind nicht die Worte, die wirken.

Es ist die Schrift meiner Hand.