Wummwochen

Manchmal ist so ein „Wumm“ nötig.

Ich bediene mich mal wieder eines Bildes, um auszudrücken, wie sich für mich anfühlt, was gerade geschieht.

Sicher kennt ihr es. Mir kommt Kaffee in den Sinn. Die frisch erworbenen Kaffeebohnen passen nicht ins Glas. Manchmal genügt ein dumpfer Schlag auf das Gefäß, manchmal folgen vielleicht ein paar freundliche Stupser. Der Inhalt wird in Bewegung versetzt, die Einzelzeile schaffen sich eine neue Ordnung und geben Raum frei.

Könnte man dieses Bild auf Leinwand bringen, würde ich es mit „Wumm“ betiteln. Und ich würde, genau betrachtet, nicht es meinen, sondern den Schwung.

Diesen freundlichen Schwung, der den dumpfen, schmerzhaften Schlag begleitet wie ein Schatten, wie ein Wind, wie ein guter Freund. Beide können nicht ohne einander.

Dieses Wumm aber setzt alles in Bewegung, löst kraftvolle Schwingungen aus.

Das mag befreiend klingen, im Kleinen gesehen aber werden Teile aus ihrer gewohnten Lage gepresst, gezwungen, umhergewirbelt, vielleicht gerissen. Das tut weh. Es wird ungeheuer viel Raum geschaffen, aber Raum und Teile sind zunächst wild durchmischt, der Ausgang offen. Nur die Schwerkraft sorgt irgendwann wieder für Richtung.

Und vielleicht kommt irgendwann auch mal wieder alles zur Ruhe und der Raum wird klarer.

In meinem Denken und Erleben finden gerade Wummwochen statt.

Der Motorschaden des gerade mal siebeneinhalbjährigen Dacias bei 185000km war so ein Schlag. Noch immer habe ich nicht entschieden, wie es für „mein“ Auto weitergehen soll.

Auch das gestohlene Portemonnai war so ein Zwang zum Fühlen und Handeln, zur Auseinandersetzung, dem mich Stellen einer „Aufgabe“, die ich bis jetzt noch nicht gänzlich gelöst habe… Wie sehr will ich mich schützen, wie sehr vertrauen? Kann ich mir meine Wertgegenstände anvertrauen? Und was ist für mich eigentlich, wirklich von Wert? Wo will ich welche dieser Papiere und Karten aufbewahren? Welche mit mir führen? Mit welchem Material, welcher Form, welchem Inhalt will ich mich befassen? Was ist mit dem Trotz, dem Widerstand, dem Ekel vor und bei all diesen Fragen?

Ich nahm das Angbot meines Bruders an, seinen Vectra auf unbestimmte Zeit nutzen zu dürfen. Genau drei Tage stand dieser so wunderbar gepflegte Wagen schadlos vor dem Haus – bis zum ersten Heckenkontakt mit Lackschadenfolge. Ein Tag später dann kaufte ich das Auto, nachdem ich – von den Schließungszeiten des Schwimmbads getrieben – flott dorthin ausparkte, wo einfach kein Raum dafür war. Jetzt ist es meines.

Gestern war ein kompletter Tag im Wumm, aber das war gestern. Gut so. Vorbei.

Und heute, am Freitag, 17.02.2019 finde ich dieses Ding, diesen… im Briefkasten…

Einen Wummschlag… also: Umschlag mit Inhalt, der dieses Gefühl auslöst, das ich gerade versucht habe zu beschreiben.

Die Rentenversicherung hat den dreizehnwöchigen, medizinischen Teil der beantragten langfristigen Rehamaßnahme bewilligt, an den sich, je nach erarbeiteten Aussichten, der berufliche Teil der Reha, direkt anschließen kann. Alles in allem kann die Maßnahme über zwei Jahre andauern.

Ohne Gezacker, Gutachten, Ablehnung, Widersprüchen… einfach so:

Genehmigt.

Ich musste raus. Der blaue Himmel wies auf die Konturen des Doms… die Sonne traf warm auf mein Gesicht. Die Angst regt sich. Die Hoffnung fühlt sich gemeint. Alles ist irgendwie dumpf betäubt von diesem Wumm…

Vor fast einem Jahr, noch benommen, gerade angekommen in der Klinik in Herborn, stellte mir die als Mensch anwesende Ärztin, die ich trotz all ihres Stresses noch heute in so guter Erinnerung habe, im Aufnahmegespräch diese Frage: „Was können wir für sie tun, Fr. Nies?“ und ich staune noch heute darüber, wie leicht es mein Hirn vermochte, die schlichte, reine, klare, ehrliche Wahrheit in vier Worten zu verdichten, zu formen und auszusprechen

 

Ich brauche eine Perspektive

 

Und es ist noch alles in Bewegung. Schwung presst sich in den Raum, um ihn frei zu geben.

Da ist die Perspektive.

Sie meint mich.

Und ich nehme sie an.

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