Angesichts der Lage am Stadtrand unweit des ‚Gießener Rings‘ befürchtete ich, die wandertätigen Fluchtmöglichkeiten seien hier für mich schlichtwegs unzureichend, aber direkt an der Klinik beginnt zu meiner Freude ein für meine Zwecke wunderbar geeigneter Weg in den Wald.
Er verläuft überwiegend geradlinig, ist also weit einsehbar, durchwegs befestigt und somit auch bei Dunkelheit sicheren Schrittes zu begehen.
trostreich
Wer sich auskennt, weiß, dass der Weg auf den Schiffenberg und zum dortgelegenen Kloster führt, welches heute als Ausflugsziel und Veranstaltungsort dient.
Mein derzeitig fast täglich aufgesuchtes Ziel liegt aber nicht direkt dort, sondern ein wenig abseits, ca. 5 km entfernt von der Klinik.
Es geht zunächst ca. 4,5 km stetig leicht bergan. Nicht steil, aber die Kombination aus Streckenlänge und -steigung reicht meist aus, um meine Anspannung spürbar zu senken.
Und zur Belohnung gibt es dann einen freien Blick aufs Feld.
Neulich also stellten sich eher die grauen und blauen Töne vor,
aber an die hier vor ein paar Wochen noch zu entdeckenden Farbspielereien kann ich mich auch noch gut erinnern…
Sofort wieder bildhaft präsent ist mir beispielsweise das sich zum Boden hin verdichtende, unaufdringliche, aber doch satte Grün der im Bild nun unter dem Schnee versteckten Trockenwiese.
Bei aller Kürze des Grases stand es dennoch in einem fließend schönen Kontrast zu dem senfig bis orangefarben Farbton der Halmspitzen, die, je nach Lichteinfall, sogar gold oder kupfern zu leuchten schienen…
…aber zurück:
Entlang der auf den Bild zu sehenden Baumreihe sind es noch etwa 500m bis an das kleine Wäldchen. Und da liegen sie:

Es sind einfach drei Steinhaufen.
Sie dienen mir als angestrebtes Ziel der Reise, welches ich auch gerne mit anschließender Besetzung auf beschränkte Zeit beehre.
Ich nenne sie die ‚weisen Steine‘.
Weise Steine… albern? Ja, klar. Trotzdem.
Ich nenne sie vielleicht so, weil ich hier nicht nur meinen Blick, sondern auch schon mal bereits getroffene Ansichten oder Urteile fern schweifen lassen konnte. Manchmal kommt mir, wie von dort, auch was Neues in den Sinn und ich nehme das dann stattdessen auf dem Rückweg mit.
Vermutlich ist es ihnen, den Steinen, völlig gleich, ob ich sie bemerke, vorbei gehe, hier zum Sitzen komme, oder nicht.
Mir ist ihre hiesige Liegenschaft aber gar nicht egal. Womit sie mir, bei aller Sachlichkeit von Steinen, wesentlich werden.
Und das Egalsein gelingt mir hier besonders gut.
Gerade im Moment zum Beispiel ist es mir egal, dass ich als Kind… blablabla….
Ich bin den Steinen egal. Ihre Wesentlichkeit aber erlaubt es mir, dennoch dort sowas wie Verbindung zu finden. Ich bin zeitgleich da und egal und es ist für alle Beteiligten nicht schlimm.
Wenn Egalsein früher sowas wie grauenhaft war, und ich dieses Grauen beizeiten heute noch in Form von irgendwie ausgelösten Gefühlen erlebe, gibt es einen Weg, es ziehen zu lassen wie mich die Steinwesen. Und einen Weg, es bemerken, achten und liegen zu lassen zu lernen, wie ich die Steine.
Egal sein können, egal zu sein und es mir egal sein lassen zu können (ohne Be- und Entwertung im Hier und Jetzt bleiben), vermögen die Steine mir also wundersam zu vermitteln.
Kreative, anschauliche Lehrer im Fach: Umgang mit Gefühlen…
Geeignet auch als immaginärer Treffpunkt mit den „Helden des Alltags“, sowie neutral genug, um als Sammel- und Pausenraum für den Gesamtchor dienen zu können.
Gar nicht so weit her geholt, das fleißtätige Verrücktsein auch ‚Spinnen‘ zu nennen, oder?