Ich stahl
mich nachts in den Vorratskeller im Untergeschoss. Klaute Gläser mit Wurst oder Dosen mit Erbsen. Oder ich ging an den Gefrierschrank und aß Eis. Am besten die ganze Packung. Dann fällt es vielleicht nicht auf. Müll wurde tief in der Mülltonne entsorgt oder sogar mit in die Schule genommen, um Spuren zu beseitigen. Auch Brot abzuschneiden hätte bedeutet, erwischt zu werden. Man hätte erkannt, dass nicht der Vater abgeschnitten hatte. Ich klaute meinem Bruder seine Süßigkeiten. Er konnte sie, im Gegensatz zu mir, schon immer aufheben und einteilen. Manchmal machte er sich lustig über mich. Manchmal wurde er wütend. Er hatte ja Recht. Ich gab ihm Geld dafür und noch heute nenne ich mich „den Grundstock seines finanziellen Wohlstands“ 😉 .
Entweder fiel das niemandem auf, dass in den Regalen etwas fehlte. Oder man schwieg es der Einfachheit halber tot. Oder es war einfach nicht schlimm.
Für sie.
Für mich schon. Ich las irgendwann in einem Bravoartikel über die „Esssucht“, erkannte mich in diesen Mustern. Wollte in Psychotherapie. Man hielt mich für verrückt. Nimm‘ Dich nicht so wichtig. Geht vorbei. Ist doch nicht schlimm, machst halt mal Diät. Und: Reiß‘ Dich endlich zusammen. Machst nur Stress. Das Kind in Psychotherapie schicken. Wo gibt’s denn sowas. Die spinnt doch.
Ich stahl
Dinge. Oft. Und wurde zwei Mal dabei erwischt. DAS war schlimm. Ich durfte in Psychotherapie.
Ohne Berechtigung und gleichzeitig schlecht zu sein, ist noch heute ein Grundgefühl. Ich habe es schon damals gelebt, indem ich gestohlen habe. So durfte dieses Gefühl da sein, so hatte es seinen Grund.
Essen ist Vereinnahmung. Da kommt keiner mehr dran. Meins. Wenn auch zu Unrecht, gestohlen. Aber diesen Genuss habe ich mir selbst besorgt. Ich werde immer fetter? Klar: Euch zeig‘ ich’s…
Ich fühle mich schlecht? Ja, ich zeig es Euch, indem ich mein Schlechtsein bin.
Bedürfnisse wie Lust und Trost werden auf Essen projeziert.
Diesen Mustern gilt es, auf die Spur zu kommen.
Das Hirn hat sich Muster gespeichert. Kommt dieses oder jenes Gefühl auf, wird es so bewertet, wie es sich während der Entwicklung bewährt hat.
Leider ändert sich daran nichts mehr (wenn ich Hrn. G.Hüther, Neurobiologe, richtig verstanden habe). Hoffnung gibt es in Form von körperorientierter Traumaarbeit, um dabei zu helfen, diese erlernten Muster durch den Neokortex neu bewerten zu lassen. Er muss immer wieder neue, hilfreiche Erfahrungen machen, damit er schneller, zuverlässiger und für sich glaubhafter „überbewerten“ kann.
Wenn das Stammhirn meldet: „Vertrauen – das kannst Du Dir nicht leisten. Irgendwas stimmt da draußen nicht. Das kann ja gar nicht sein. Pass‘ auf! Nimm, was Du kriegst, egal was, egal von wem, um zu überleben.“ muss der Kortex schnell und überzeugend sein, um dafür zu sorgen, dass die Bälle nicht allzu hoch fliegen.
Was lasse ich heute in meinem Leben aufführen?
Welches Gefühl lasse ich heute wahr werden, was inzeniere ich mir heute?
Diesen Mustern gilt es auf die Spur zu kommen…
Und: Wenn ich mir heute was erlebe, es mir lebendig mache, darf ich lernen, die aufkommende Schuld als Teil der Aufführung zu begreifen, nicht mich in ihr.
Und auch sie ist kein Schmarotzer, sondern Begleiterin der Kleinen. Die Schuld kommt auf, um mich auf mein Kleinkinderleben hinzuweisen, dass ich immer mit mir trage. Es muss nichts mit der Realität zu tun haben, für mein Gehirn aber war es und ist es noch heute wahr.
Das ist ein weitere, vorsichtige Schrittimmagination (nicht, dass ich denke, ich hätte das schon wirklich verstanden 😉 ). In Richtung „Entscheidung“ für den Ausweg.
Ich werden den Beitrag www nennen.
Wie Wahrheit wird. Eine Idee.
oder
wie Wahrheit wurde… ? Geht beides. Aber: „Werden“ klingt so schön nach frischem, erdig duftenden Hefeteig. Ich mag Hefeteig.
Wenn’s gut wird, werde ich mich endlich zu meinem „Eins“ machen können, eins, worauf ich wirklich Lust habe.