„Irren ist menschlich“ heißt ein Standardwerk in der Fachliteratur für Menschen, die mit psychiatrisch Erkrankten arbeiten. Damals, in meiner Vorbereitung zu meinem Krankenpflegeexamen (1989), machte mich Brigitte darauf aufmerksam und weckte meine Neugierde mit der Aussage, Erkrankungen seien darin als ‚Landschaft‘ beschrieben. In meiner Fachkrankenpflegeausbildung Anfang der Neunziger galt es als „Die Bibel“ und wurde im stundenintensiven Fach „Psychiatrische Krankenpflege“ intensiv genutzt. Leider hatte ich nie den Eindruck, den Autoren in ihrer Tiefe der Bilder wirklich folgen zu können. Vermutlich saß ich selbst zu tief drin oder war zu nah dran – wie man es sehen will – und verstand es es deshalb nicht wirklich, weil ich hätte erstmal auftauchen müssen, bevor ich mich dem Inhalt mit klarer Sicht annähern kann. Vielleicht aber hatte ich einfach zu wenig Erfahrung. Egal.
„Ich verstehe Dich sowieso nicht und die Erinnerung daran tut mir weh.“ waren wohl die Gedanken, mit der ich schon vor einigen Jahren leichten Herzens mein Exemplar aus dem Regal geworfen habe.
„Naive Landschaftsmalerei“ könnte ich heute meinen letzten Beitrag betiteln. Erfasst mit dem Blick aus dem sicheren Korb eines schwebenden Ballons. Nicht unwahr deshalb. Beruhigend sogar. Aber vergänglich…
Zitat: „Sie (die „Leere“) darf bleiben, wie sie ist. Neben mir gehen, wie ein Schatten. Oder fern sein wie eine gewiss in und mit mir lebende, aber gerade unsichtbare Wesensart.“
Ein ungesicherter Krater in übersichtlicher Landschaft ist leicht auszumachen.
Ein Schatten folgt brav, ist gezähmt.
Ein gerade unsichtbares freilebendes Wesen ist weit weg, berührt nicht…
„Wahr-nehmen. Nicht wahr träumen, Karin.“
ja ja….
Die Landung des Ballons war sicher deutlich spürbar und ausgestiegen bin ich wohl auch. Mein Bewusstsein aber wollte nicht mit, machte sich selbständig und blieb noch ein Weilchen im Land der Träume.
Sie ist mir nach wie vor fremd, diese Landschaft. Es gibt nicht nur Weite, Leere, Sanftmut, Stille und Unberührtheit.
Wenn keine Aufführung ist, ist die Bühne überschaubar.
In einen Krater, den man aus der Ferne sieht, fällt man nicht sofort rein.
Scheint die Sonne, ist der Schatten zu sehen.
Wenn der Chor schweigt, kann der Dirigent schlafen.
Auf dem Stundenplan stand: „Respekt“.
Und vermittelt wurde der Inhalt mit einem Angriff. Mit einem Auftritt von ihr, „I.“ (Wer war das noch? ⇒ Link in weiteres Browserfenster zum Beitrag „Petersilie verrücken, Juni 2018), der Wertvernichtungsdiva, bzw. dem Hurricane, der glaubt, einen Haufen Mist wegfegen zu müssen.
Sie kam in Gestalt der „selten schöne Art Wesen“ und griff mich an wie ein in seiner Landschaft frei und sich lebendes Raubtier.
Egal, ob sie glaubt, der Misthaufen habe die Höhe des Erträglichen erreicht und kein Wesen in dieser Landschaft sorge sonst ernsthaft für den Abtrag.
Egal, ob sie einfach Hunger hat, und vielleicht gar nicht mich meint. Einfach als Wesen in dieser Landschaft lebt und ihrer Lust folgt, sich als Laune der Natur auszuleben.
Es ist, wie es ist: Diese fremde Landschaft ist gefährlich und ich kenne mich in ihr noch nicht aus.
Ich bin aufgebrochen in diese Landschaft.
Zurück will und kann ich nicht.
So kann mein kommender Klinikaufenthalt ab Mitte November, in der in einem achtwöchigen Programm sämtliche Module des DBT Therapiekozeptes (Hintergründe und Fakten/Einführung in das Skillstraining/Achtsamkeit/Stresstoleranz/Umgang mit Gefühlen/Zwischenmenschliche Fähigkeiten/Selbstwert/Umgang mit Sucht) vermittelt werden sollen, vielleicht eine Art „Survivaltraining“ in dieser Landschaft sein, die und in der ich bin.
Jedenfalls bin ich gespannt auf die inzwischen 24. Auflage des Werkes „Irren ist menschlich“.
Nicht auftauchen, nicht Abstand nehmen müssen.
An meinen derzeitigen Ort liefern lassen 😉
Mal sehen, was und wie es heute ankommt. Und wer alles da ist, um es in Empfang zu nehmen.