Kunsttherapie

Fr. Moosgrün-Hellwachsanftgemüt* (*nee, net wirklich 😉 ), Kunsttherapeutin der Herborner Klinik, führte kurze Einzelgespräche mit den ca. zehn Teilnehmern, die sie nicht alle schon kannte. Eine nachvollziehbare Reihenfolge war für mich nicht zu erkennen. Ich war die Letzte und verwechselte mich mit „das“. Bis zu diesem Zeitpunkt war mein innerer Druck schon durch das Betrachten der Werke anderer Therapieteilnehmer in Zusammenhang mit dem Warten, meiner Unruhe und die Ratlosigkeit, was ich denn tun wolle und könne, deutlich spürbar angestiegen. Als sie mich ansprach erklärte ich mich knapp, verabschiedete mich hastig und floh weinend aus meiner ersten Kunsttherapiestunde.

Vierzehn Tage später wusste ich schon etwas besser, was auf mich zukommt. Kurz zuvor hatte ich in meinem Chor „Friedrich, den Ermutiger“ ausgemacht und wollte die Gedanken dazu mithilfe eines Bildes ein bisschen verfestigen. Fr. M. schlug mir ein Format vor, ich wählte ein noch größeres. „Gute Idee“ meinte sie, händigte mir Malkreide aus und stellte mich so ausgerüstet an die Staffelei. Noch nie zuvor habe ich an einer Staffelei gemalt! Ich war recht ausgelassener Stimmung und ging so unüberlegt wie möglich ans Tun. Noch bevor die Kritiker das Wort ergriffen, erklärte ich das Bild für gelungen und vollendet. Ein paar Takte drüber sprechen. Klar, ohne Scham geht’s nicht. Aber das Bild begleitet mich seit dem Tag. Es ist da, wo ich schlafe und aufwache. Zumindest als Abbild auf dem Handy.

 

Was denn heute anstünde? Ich habe Schwierigkeiten damit, wahrzunehmen, was ich will und mich dann auch dafür zu entscheiden, meinte ich. Und gerade jetzt könnte ich das so offen stehen lassen. Ob sie denn eine Idee habe, wie ich mich annähern könnte an mich und an „das“?

Ja, meinte Fr.M., da gäbe es was:

Ein Schichtbild.

Malen mit zwei bis drei Lieblingsfarben. Mithilfe eines von ihr ausgeschnittenen Passepartoutrahmens eine Stelle aussuchen, die bleiben soll.

Dann wieder Farben / Material wählen und eine neue Schicht auftragen, also das alte Bild übermalen. Erneut eine Stelle entdecken, die bleiben soll…

Ich erinnere mich noch gut an die Scham beim Malen, aber besonders intensiv an meine Schwierigkeiten, etwas auszusuchen, das es wert sein soll, beschützt zu werden. Was macht es besser oder schlechter als den Rest des Bildes?

Darf nur „das Besondere“ bleiben?

Aber:

Ich muss nicht alles zerstören. Es darf etwas bleiben, das mir gefällt, am Herzen liegt.

Und dann das Übermalen:

Weg! Für immer weg!

Spüren, wie sehr ich am Alten hänge. Schmerzlicher Trost des Gebliebenen. Aber auch entdecken, das eine neue Schicht auch ungeahnte, eigene Wunder bergen kann.

Wählen der neuen Farbe! Ich nahm Pink. Es sollte ja zur vorhergehenden Schicht passen… sagte Fr. M.

Warum eigentlich?

Außerdem entdeckte ich noch einen Farbrest vom Vormittag….

lch wählte allen Ernstes eine Farbe für mich, weil sie von anderen übrig gelassen worden war!!!

Zuletzt sollte ich Ruhe reinbringen, meinte Fr.M.

Ich spürte recht deutlich, wie wenig Lust ich auf Ruhe hatte, folgte aber ihren Anweisungen und wählte Grau. Und Silbertrost. Aber der konnte auch nichts mehr retten.

Eigentlich klar:

Ich konnte das „fertige“ Bild so wenig leiden, dass ich es mir am Ende der stationären Behandlung nicht vorstellen konnte, es mitzunehmen. Fr. M. lud mich ein, es dort bei ihr zu lassen und später nochmal aus der Tagesklinik nach ihm zu sehen und spüren, ob ich es dann vielleicht mitnehmen wolle.

Das tat ich dann auch. Dort zurückbleiben sollte es auch nicht.

Möchte mich richtig verabschieden zu seiner Zeit.

Oder….

…noch eine weitere Schicht auftragen.

Zu meiner Zeit, mit meinen Farben, meiner Idee von Auswahl, Schwung und Ausdruck, meinen Entscheidungen folgend.