So viel Gutes

Weil ich gestern gedacht hatte, einen schlechten Tag gehabt zu haben, möchte ich jetzt unbedingt noch mal auflisten, was alles gut gelaufen ist:

ich habe lange und gut geschlafen
hatte morgens einen Kaffee mit frischer, zubereitete Birne
bin zwei mal ganz lieb in den Arm genommen worden
Ich habe Kasimo getroffen und es mit der Busfahrt somit viel einfacher gehabt
Trotz verpasstem Anschlussbus sind wir nicht viel später in Whrigtwood angekommen
Ich habe mich über meine Sonnenbrille gefreut
Es geht mir körperlich gut
Das Wetter ist trocken und klar, es ist nicht zu kalt
Das Zelt ist rechtzeitig angekommen, es baut sich schnell auf und ist groß genug
Es gibt Menschen die ich mag und die mich mögen, auch wenn ich es selbst nicht verstehe.
Ich habe schnell einen Hitchhike an den Trail bekommen
Endlich meine gummiummantelten Verschlussdrähte im Outdoorshop bekommen
Ich konnte in der Nacht doch noch ein paar Stunden schlafen

Einsame Abendgedanken

Es ist ungefähr 23 Uhr abends.
lch liege in meinem neuen Zelt. Es ist kalt, vielleicht zu kalt.

Ich kann nicht richtig schlafen, immer wieder wache ich auf und grüble. Über was, kann ich gar nicht sagen. Meine Kleine sucht nach Halt und Sicherheit, hat Angst. Angst vor mir und meinen Gedanken. Angst vor morgen. Angst davor, unterversorgt zu sein an allem, was eine Kleine braucht: Liebe, Nahrung, Sicherheit, Geborgenheit, körperliches Wohlbefinden. Ich, die Große, will sich nicht kümmern. Irgendwie fühlt die sich gerade so klein an, dass sie es selbst nicht kann.

Morgen geht es erstmal runter auf 6600 Fuß, also ca. 2200m. Dann innerhalb von vier Meilen wieder rauf auf 2866m zum Mount Baden-Powell. Da es ja in den letzten Tagen geschneit hat, können das sehr anstrengende Meilen werden. Ich weiß nicht, was mich erwartet und wie es mir ergehen wird. Das nächste Wasser ist in ca. 3 Meilen. Da muss ich mich für die nächsten acht Meilen und den Berg versorgen.

Agua Dulce, die nächste Versorgungsstation ist nur 70 Meilen entfernt. Unter normalen Bedingungen sind das ca. vier Tage, aber ich traue mir selbst nicht. Meine Nahrung wird hoffentlich ausreichen, wenn meine nächtliche Beschäftigung bei Schlaflosigkeit, nämlich essen, nicht noch weitere Ausmaße annimmt.

Ich schäme mich für mich.

10. Mai 2017 – Teil 2

Wie es weiterging….

Ich habe „Detour“, dem einen der freundlichen Feuerengel, zum Abschied zugewunken, der noch im Eingang seines Zeltes rumlümmelte, und habe mich gegen 7:00 Uhr auf den abfallenden Weg zum Highway 2 gemacht. Mein Körper hat eindeutig zu mir gesprochen: Die kommende Steigung von steilen rund 400 Höhenmetern wollte er nicht schonwieder leisten, zumal der PCT den Highway im Verlauf mehrfach kreuzen würde. Da dieser aber kaum befahren ist, ist ein Hitchhiken nicht erfolgsversprechend, weshalb ich mich zu Fuß auf den Weg machte.

Nach rund 500m hatte ich aber mal wieder Glück:

Ich habe inzwischen echt viele Höhenmeter und PCT km ausgelassen, ich könnte mich schon jetzt nicht mehr als „Thruehiker“ bezeichnen, selbst wenn ich die High Sierra überqueren könnte… egal.

Beine und Füße waren in guter Stimmung, zumal die Strecke prima zu laufen war und sich die 480 Höhenmeter prima im Verlauf und im Wegverlauf versteckten.

Nachmittags erfuhr ich, das Ludo erneut gestürzt war und den PCT beenden würde. Zu ihm hatte ich großes Vertrauen, er sprach mir oft Mut zu und hat mich, z.B. nach dem Sturz, tröstend in den Arm genommen. Seine Heimreise tut mir somit doppelt leid – für ihn und für mich.

So kam ich auf die spontane Idee, ihn zum Abschied im Krankenlager zu besuchen. Keine Ahnung habend, wo ‚Palmdale‘ liegt, nahm ich nach 15 Meilen den erstbesten Hitchhike mit zwei Mexikanern in einem echt heruntergekommenen Pickup. Die Entfernung stellte sich als unerwartet weit heraus, wir fuhren bestimmt eine Stunde, zumal die zwei auch noch halten und nach dem Weg fragen mussten. Zum Abschied warnten sie mich noch, ich solle auf mich aufpassen, nicht alle Menschen seien gute Menschen. Geld nahmen sie natürlich auch nicht… „God bless you“ riefen sie mir noch zu…

Ludo hat sich echt gefreut! Ich durfte erstmal duschen, dann sind wir schön essen gegangen. Das halbe Bett hat mich nichts außer Mut und Vertrauen gekostet und ich werde diesen Ausflug ins Leben hoffentlich niemals vergessen.

Zurück gekommen bin ich mit einem Trialangel. Sie hat mich zu einem Campingplatz gebracht, auf dem ich schon wieder den ganzen Tag relaxe… und der nur 10 Meilen von Auga Dulce, der nächsten Resupply Station entfernt ist. Ich habe also erneut Meilen und Höhenmeter ausgelassen…. schäme mich zwar, frage mich, was ich alles verpasst habe, was ich hier eigentlich tue und ob ich nicht strenger mit mir sein sollte…. Aber jetzt, in diesem Moment, fühle ich mich ganz gut.

Geht es nicht darum?