10. Mai 2017 Teil 1 – das Original

Es ist die Nacht zum Mittwoch, 10. Mai, 1:30 Uhr

Nach nur 10 Meilen habe ich gestern hier Rast gemacht, weil es angedroht war zu regnen und auch schon einige Tropfen runter gekommen waren. Es ist ein Campingplatz mit Sitzbänken und Feuerstellen und Plumsklo. Hatte mich abseits gestellt, damit ich bei Schlaflosigkeit oder seniler Bettflucht nicht so viele andere störe, aber es kamen mehr und mehr und ich habe recht enge Nachbarn bekommen.

Ich war gut in den Tag gestartet. Hatte wieder das Gefühl, neugierig in ein Abenteuer zu starten. Die Steigung bis zum Schnee ging auch ganz gut zu laufen, auch hatte ich mir beim Wasserholen einen Kaffee gemacht, mir also etwas gegönnt.

Im Verlauf konnte ich dann aber das wachsene Gefühl der Kraftlosigkeit so schlecht annehmen. Habe nur lächerliche 10 Meilen geschafft, obwohl ich praktisch 10 Stunden unterwegs war. Ja, klar, ich habe doch keinen Zeitplan, aber einerseits bin ich von mir so enttäuscht, und andererseits muss das Futter ja ausreichen…. Der Mut für die nächsten Etappen schwindet dann auch, sowie die Hoffnung, die anderen (Tine, Trish, Roland, Susi, Ludo, Chealsy) jemals wieder einzuholen.

Ich habe meine Traurigkeit und meine Hilflosigkeit meinen entwertenden Gedanken gegenüber mit auf meine Reise genommen. Das ist ja auch gut so, wie soll ich denn sonst lernen, irgendwie damit klar zu kommen, aber momentan leide ich eher wie üblich darunter, statt zu lernen. Die Etappe empfand ich als eklig anstrengend. Auf dem Höhenprofil sieht man nur die Linien und Zahlen; die Schneemengen, den zugeschneiten Weg mit abenteuerlichen, steilen Umwegen, die nassen Füße, die ständige Konzentration auf fast jeden Schritt und die häufige schlichte Atemlosigkeit sieht man nicht. Auch nicht die Enttäuschung, wenn man leichtfüßig überholt wird. Ja, ich weiß, Vergleiche soll man lassen. Haha.

Was man aber auch nicht in der App sieht, sind die phantastischen Ausblicke. Der PCT verläuft oft an Gratlinien, so auch heute: Man sieht rechts und links in zwei verschiedene Abhänge. Unvorstellbar beeindruckend.

Bergab haben sich dann die Knie gemeldet und auf das Tempo gedrückt. Und das drohende Wetter, von unten heraufziehende Wolken, konnte ich als Flachlandindianer auch nicht einschätzen. So habe ich mich zur frühen Rast entschieden.

Ich bin zur Zeit traurig und fühle mich einsam. Aber das gehört zu meinem PCT halt dazu.

Es hat nicht geholfen, mich zum Essen zuzumuten und mich zu einen Päärchen an den Tisch zu setzen, das sich als deutsch herausstellte. Ihre Zweisamkeit fütterte meine Einsamkeit.

Geholfen hat dann mein Platzwechsel zu den zwei Sectionhiker, die ich heute oft gesehen hatte und die ähnlich langsam waren wie ich. Sie hatten ein Feuer angemacht und ich konnte meine Schuhe trocknen. Ein bisschen konnte ich mich auch unterhalten, auch wenn es mir leid tut, nicht besser englisch sprechen zu können.

Ich habe mich also zugemutet. Geht doch. Und morgen ist ein neuer Tag. An dem ich meinen Gefühlen vielleicht etwas mutiger entgegentreten kann. Damit auch die positiven ihren Raum haben, im Chor präsent zu sein, dort Angenommensein und Wertigkeit, Kraft und Leichtigkeit zu leben.

Gute Nacht, Karin.

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