29. Mai 2017

Rund 24 Meilen ohne Wasser, zudem anfangs nahezu schattenlos und dazwischen ein kräftiger Anstieg stand auf dem Plan. Die gestrige Hitze war mir noch so bewusst, dass ich ihr durch zeitiges Aufstehen ein bisschen ausweichen wollte: Sehr früh klingelte der Wecker, gegen 4:30 kam ich endlich los.

Hier einfach mal ein paar Bilder vom Vormittag…

Nach ca. 13 Meilen, kurz vor Mittag und direkt vor dem tlw. steilen Dreimeilenanstieg stand Jim. Seine Tochter ist auf dem Trail und er macht sich derweil als Trialangle beliebt. Es gab Eis, kühle Getränke, frische, geschälte Orangen und reichlich Wasser.

Das war auch gut so. Mein Viereinhalblitervorrat hätte nicht gereicht für den langen Tag, der sich, ich fasse mich kurz, für mich am Ende schier unendlich zog. Ich hatte nur noch einen halben Liter übrig, wollte und musste also zum Wasser und erreichte das erste Bächlein kurz vor Sonnenuntergang gegen 20 Uhr. Ein langer Tag war das und ich mal wieder so richtig fertig.

 

28. Mai 2017

28.5. Meile 602.1 bis 621.9 + 1,4 m Dirtroad = 21,3 m, ca. 34 km

Eine schöne Route, wenn es etwas kühler gewesen wäre….

Anfangs verlief der PCT durch einen Wald und ließ sich toll laufen. Übergangsweise kamen wir an mit blumensäumten Felsformationen vorbei.

Aber ab der zweiten Tageshälfte bestand die Landschaft Wüste und es war so heiß, dass ich mehrere Stunden Pause unter einem schönen, großen Joshua Tree gemacht habe, Laufen war in der Hitze einfach nicht möglich.

Um 16:30 Uhr ging es los, eigentlich hatte ich nur noch rund vier Meilen bis zum Wasser, aber heiß war es noch immer und der Weg zog sich. Zuletzt machte ich noch ein paar Extrameilen, weil ich die Abkürzung zur Wasserstelle, einem großen, einladenden Bottich voller klarem Quellwasser, verpasst hatte. Aber ich bin gut angekommen und habe weder die letzte Hälfte eines Trialangelbieres, welche ich dankbar aus spendablen Händen entgegengenommen habe, noch einen herrlichen Sonnenuntergang verpasst.

Morgen haben wir wieder 24 Meilen bis zum Wasser. Mal sehen, ob ich es schaffe besonders früh aufzustehen.

27. Mai – Hart

3:58 Uhr. Gerade bin ich wieder in den Schlafsack gekrochen. Wird nicht lange dauern, bis er mich wieder wärmt. Ich mag ihn sehr und es hat mir sehr leid getan, ihn gestern Abend in meiner verschwitzten, staubigen Wanderkleidung aufzusuchen. Normalerweise ziehe ich mich um.

Gestern, also vor ein paar Stunden, war Samstag, der 28. Mai. Die Eintracht hat in Berlin aufgespielt. Sie hat im DFB Finale 2:1 gegen Dortmund verloren – was soll’s?

Ich habe gestern meinen Auftritt in Südkalifornien von Meile 583,3 (Wasserstelle Golden Oaks Spring) bis 602,1 (Wasserstelle Robin Bird Spring) gehabt (knapp 31 km). Es war eine der beiden bisher anstrengendsten Etappen für mich.

Sie führte von einer Wasserstelle zur nächsten und war die zweite von mindestens fünf bis sechs Etappen zur nächsten Verpflegungsstation, wir waren also reichlich mit Gepäck beladen. Landschaftlich befinden wir uns im Bereich der Mojave-Wüste, einer sehr trockenen, heißen Gegend. Und heiß war es auch schon ab ca. 10 Uhr.

Ich hatte nachts gegessen und morgens nicht gefrühstückt. Mittags hatte ich keinen Hunger. So habe ich an meinem Körper Raubbau getrieben, indem ich mich nur von Müsliriegeln, Salzgebäck und zwei Äpfeln ernährt habe. Das habe ich, gerade bei dem Anstiegen, deutlich zu spüren bekommen. Es gab einige dieser Anstiege und in der Hitze war es schon physisch eine Quälerei. Zudem hatte ich einen emotional harten Tag.

Völlig fertig kam ich irgendwann an der Wasserstelle an, habe es geschafft, mir was zu Essen zu machen um irgendwie wieder zu Kräften zu kommen, und mir anschließend ein einsames Cowboycamplager in ca. 300m Entfernung eingerichtet.

Um ca. 2 Uhr wurde ich mal wieder wach und kam auf die Idee, mich an der Quelle waschen zu gehen. Danach fühle ich mich immer besser. Gedacht, getan. Was für eine Wohltat!

Der Sternenhimmel ist noch immer wunderschön, es ist eine ruhige Nacht, der erste Vogel zwitschert. Heute, 28. Mai, muss es einfach besser werden.

Deutsche Bäckerei in Tehachapi

Es gibt eine deutsche Bäckerei in Tehachapi. Und die ist jederzeit gut besucht.

Welche Erwartungen werden hier erfüllt? Was wollen die Amerikaner hier kaufen?

Neugierig bin ich eingetreten und habe mit amüsierten Schmunzeln ein paar Bilder für Euch gemacht:

Vollkornbrot ist ausverkauft

Maggi Spargelcremesuppe ist auch dabei
Ein Behältnis aus echtem Glas zum Bier – ich war begeistert! Bamberger Schlenkerla Rauchbier gab’s allerdings nicht.

23. Mai, Teil 2: Einen Platz finden

Ein altes Päärchen nahm mich mit. Sie würden das immer machen. Sie machen extra einen Umweg wenn sie in der Gegend sind, einerseits, um zu helfen, andererseits wirkten sie wirklich interessiert daran, wen sie nun diesmal wieder eingesammelt hatten.

Wo ich denn in Tehachapi hin wolle?

Ehrliche Antwort?

In die tröstenden Arme eines Lieblingsmenschens. Ankommen, mich geborgen und richtig fühlen.

Tja.

Ich ließ mich am gestrigen Campingplatz am Segelflugplatz abliefern. Dieser war nahezu leer. Eine Angestellte, Bobby, empfing uns mit den Worten, am Flughafen direkt in Tehachipi würde die Übernachtung nur 5 Dollar kosten. Das sagte sie mehrfach. Ich kam mir alles andere als willkommen vor. Ob ich denn nicht bleiben könne? Ja, doch…

Lange winkend verabschiedete ich das abfahrende Päärchen und kam mir so alleine vor.

Der Segelflugplatz war geschlossen und somit die einzige Hoffnung auf etwas anderes zu essen oder zu trinken als Wasser und „Trialfood“ dahin. O.k., dachte ich, ich könne duschen und Wäschewaschen und mir so etwas Gutes tun. Aber als Bobby mir dann noch nicht mal 5 Dollar für das Waschen wechseln konnte, war es mir klar: Hier wollte ich heute nicht bleiben. Ich bat sie um Verständnis, mir mein Geld zurück zu geben und versuchte zu erklären, warum. Woraufhin sie es für ausgeschlossen hielt, dass ich zurück laufe. Sie rief erfolglos die zwei Trialangel an, deren Nummern ich gepeichert hatte und bestand danach darauf, mich selbst zurück zu fahren.

So kam ich gegen 19 Uhr am Best Western Hotel an. 100 Dollar die Nacht plus Steuern. Egal. Das muss jetzt sein.

Da saß ich auf dem Bett, nahm wahr, wie überhitzt sich mein Körper sich noch in diesem Moment anfühlte und brauchte noch ca. eine halbe Stunde, um unter der Dusche anzukommen.

Danach wurde es besser. Ich ging einkaufen, traf Michael aus Österreich, ging mit ihm was essen.

Der Stundenplan dieses Tages bot so viel Lehrreiches, das sollte für eine Weile reichen….

Aber ich glaube daran, dass ich nur die Aufgaben gestellt bekomme, die ich auch meistern kann. Irgendwie.

23. Mai, Teil 1: Praxislernen und Hausaufgaben

Der PCT kreuzt hier zwei Straßen. Mein Plan war, vom Campingplatz (gelbe Markierung) aus auf den zahlreichen Dirtroads zur ersten „Kreuzung“ zu kommen, die folgenden 7 – 8 Meilen (grüne Markierung) laufen, zu übernachten und am folgenden Tag nach Tehachapi (blauer Punkt) zurück zu trampen.

Ich fand den Plan super und bin so gegen 9 Uhr eifrig losgezogen.

Natürlich war alles gar nicht so einfach.

Dirtroads enden hier in Privatgrundstücken, vor Toren oder sie führen ganz wo anders hin. Aussagekräftige Karten hatte ich auch online nicht zur Verfügung. Habe zwar tolle Aussichten erarbeitet, aber kam dem Ziel einfach nicht näher.

California Poppy, Augenfreude am Wegesrand

Irgendwann habe ich dann so gegen 15 Uhr die Straße wiedergefunden und bin auf ihr dann ca. 2 Meilen Richtung PCT Kreuzung gelaufen. Hitchhiken erfolglos. Es war so heiß! Und seit Stunden nahezu schattenlos. Dazu der Lärm der vorbeirasenden Fahrzeuge – und auch die LKW’s sind hier deutlich lauter, als ich sie kenne.

Erst dann wurde ich mir meiner Erschöpfung bewusst. Merkte, dass ich zu wenig getrunken und wahrscheinlich auch gegessen hatte. Dass die Hitze dem Körper auszudrücken scheint. Und ich resumierte den Wasserstand: ca. 2,5 l sind einfach zu wenig für eine Nacht und einen weiteren heißen Tag. Wasserstellen gibt es keine mehr… Nur die Hoffnung auf einen Wasser Cache (von Spendern abgestellte Wasserkanister) an der Kreuzung.

Aber dann – fast unglaublich: Trialangel!

Wasser, Saft, Cola, Getorade, Obst, Hamburger, Hot Dogs, Süßigkeiten, Chips. Ein schattiger Platz. Freundlichkeit. Willkommensein. Eine Umarmung. Die ernst gemeinte Frage: „Wie geht es Dir?“ rührte mich, mal wieder, zu Tränen. Ich trank, aß, ruhte mich aus. Kam mir fremd vor unter den anderen, fröhlich ausgelassen plauderndernden Wanderern. Füllte mein Wasser auf und machte mich auf den Weg. Genau genommen etwa 300m außer Sichtweite. Die Hitze nahm ich so gegen 16:30 Uhr noch als brüllend wahr. Ich war erschöpft. Meine Hausaufgaben hatte ich verstanden, machen wollte und konnte ich sie nicht wirklich in der Sportstunde. Und es gab ja auch keine Notwendigkeit dazu. So machte ich kehrt und meldete mich für den ersten Trialangel an, der zurück nach Tehachapi fährt.

22. Mai

Am 22.Mai verabschiedete ich mich zunächst von Tine, Susi, Sante und Roland. Alle gehen ihrer Wege, keine Ahnung, ob wir uns wiedersehen. Nach dem Frühstück mit Rick verließ ich die Stadt. Ich hatte einen Campingplatz etwas außerhalb ausgemacht, den ich in aller Ruhe erwanderte.

Den ganzen Nachmittag verbrachte ich am nahegelegenen Segelflugplatz.

Leider hat es auch tags drauf nicht mit dem Rundflug geklappt, es fand sich kein Pilot, der Zeit und Lust gehabt hätte.

Neben meinem Campingplatz wurde Gitarre gespielt. Ich stelle hier in den USA zeitweise eine gewisse, neugierige Ungehemmtheit bei mir fest, die mir dabei hilft, ins Gespräch zu kommen. So sprach ich die Nachbarn auf die schöne Musik an und durfte so eine Weile teilhaben an dem, was dieses Rentnerpaar für mich gelebt hat: Sie waren so glücklich und zufrieden miteinander, verliebt nach 15 Jahren, ohne jede Langeweile oder abgestumpfte Gewohnheit. Bewusst respektvoll, liebevoll, aufmerksam, zärtlich im Kontakt, humorvoll, dankbar.

Gänsehautbewegend schön.

23.Mai….

Gerade sitze ich noch frisch geduscht am Segelflugplatz, trinke eine Kaffee und gehe gleich in Richtung PCT los. Werde die Nacht irgendwo verbringen, wo es mir gut gefällt. Es ist schon jetzt sehr warm. Habe 5 l Wasser dabei, das wird reichen.

Rick

Die High Sierra mit ihrem Schnee zwingt uns Wanderer mehr oder weniger alle zum Warten. Nur wer das wo und was er dann tut, ist unterschiedlich: Tine und Susi fliegen nach Hawaii. Roland fährt erstmal nach Los Angeles. Die meisten anderen, mit denen ich gesprochen habe, wandern erstmal 150 Meilen weiter nach Kennedy Medows.

Ich freue mich sehr darauf, mit Matthias ein paar Tage in Tehachapi zu verbringen und plane, dann auch erstmal weiter zu gehen. Allerdings ist er ein paar Tage hinter mir.

So dachte ich, ich fliehe zunächst aus Tehachapi, laufe die kommende 17 Meilen PCT Etappe erstmal hoch und tags drauf wieder runter…, aber für heute kam es erstmal anders:

Rick ist mir auf dem Trail eher unangenehm aufgefallen. Er spricht laut, viel und schnell. Meistens habe ich ihn nicht verstanden. Es hat einen flotten Schritt und mich deshalb mehrfach überholt, allerdings nicht, wenn es bergauf geht – da habe ich mich dann meistens wieder an ihm vorbei bewegt – was wirklich ein Zeichen seiner Langsamkeit ist. Er braucht viele Pausen zum Luftholen. Neulich haben wir zusammen auf einem Campingplatz übernachtet und gegenseitig anhand der zahlreichen Reißverschluss- und Wendegeräusche festgestellt, wie schlecht wir beide geschlafen haben. Dass ich ihm mit Wasser aushelfen konnte, hat er tags drauf jedem begeistert erzählt, ob er wollte, oder nicht.

Heute hat er mich zufällig beim Einkaufen aufgegriffen und mit seinem hier abgestellten Auto zurück zum ca. zwei Meilen entfernten Campingplatz am Flughafen gefahren. Als ich später dann mit Sack und Pack in der Stadt stand, sprach er mich erneut an. Schließlich fuhr er mich meilenweit zum Trail, auf dem ich eher Ruhe zu finden hoffte als auf dem Flughafen. Dann wieder zurück, weil ich mich dann doch nicht entschließen konnte loszugehen, läuft der Weg doch erstmal am mehrspurigen Highway entlang. Zudem war es schon recht spät, schrecklich windig und der nächste Platz zum Campen erst in ca. 5 Meilen ausgeschrieben. Er begleitete mich zum Essen, wir holten uns anschließend ein Bier und verbrachten den Abend im Innenhof der Lodge, uns sprachlich mehr schlecht als recht, aber von Herz zu Herz richtig gut unterhaltend.

„Menschen“, meinte Manuela, sind das, was auf den Weg wirklich wichtig ist, was in Erinnerung bleibt.

Rick wird es tun.

Freitag, 19. Mai – Trialmagic × 2

Es ging bergauf. Gefühlt sehr lange bergauf…

Bergauf zu laufen fällt mir einfach schwer. Verstärkt durch die Vergleiche mit Menschen, die mich mit einer erstaunlichen Leichtigkeit überholen und schnell als immer kleiner werdende Punkte im Horizont verschwinden.

Aber irgendwann war selbst ich oben. Und da war das Wunder:

Trialmagic!

Wasser,  Saft, frisches Obst, Kekse. So nett arrangiert mit Blumen, einladenden, freundlichen Worten auf Schildern. Und das alles völlig abgeschieden, nur zu Fuß oder auf einer schmalen Dirtroad zu erreichen. Wer sind nur diese Menschen, die so etwas machen? Ich könnte heulen, so sehr rührt mich das.

Danach ging es über Meilen bergab, leicht zu laufen. Immer weiter auf eine wirklich riesige Windkraftanlage zu.

Zum ersten Mal habe ich beim Laufen Musik gehört und war bei Louis Armstrong so beschwingt, dass ich sogar ein paar Tanzschritte einbaute.

Irgendwann (genauer gesagt nach ca. 15 Meilen) stand ich an einer Straße, entschied mich gegen die Aussicht, irgendwo im Windpark übernachten zu müssen und für das Trampen ins ca. 8 Meilen entfernte Tehachapi, wo es eine Campingplatz am kleinen Flughafen geben soll…

Trampen war, wie immer, kein Problem. Ich wurde am Flughafen abgeliefert, wo mich gleich Susi empfing: Ob ich Hunger habe? Es gäbe Trialmagic!!!

Wassermelone, Nudeln Bolognese, frischer Salat, Knobibutterbrot, Schokokuchen, Limonenkuchen, Brötchen. Dazu Besteck, Servietten, Teller. Einfach so, von einem Trialangel gebracht.

Habt Dank, ihr Engel!!!!

Nach der Pixidusche sind wir noch ein Bier trinken gegangen.

Und jetzt noch ein paar Worte zur Nacht:

Tehachapi liegt an einem mehrspurigen Highway, der fast direkt an den Sportflughafen grenzt. Ferner wird die kleine Stadt von einer Bahnlinie durchquert, auf der sich auch nachts stündlich unvorstellbar laut hupend ein ewig langer Güterzug ankündigt, der dann dröhnend durch den Ort donnert: Die Geräuschkulisse am Campingplatz auf dem Flugplatz zwischen Highway und Bahnlinie kann man sich weder vorstellen noch recht beschreiben.

Ich muss schon drüber grinsen, dass ich wegen des Lärms (o.k., auch wegen der Aussicht auf ein kühles Bier…) nicht zum übernachten im Windpark bleiben wollte!