Guck ins Loch

Alltag in Wetzlar.

Gestern aber fühlte er sich ganz anders an.

Schon seit einer ganzen Weile wandere ich nicht mehr. Meine Gedanken gehen immer wieder mit mir durch und ich lande zu oft im Tal Miesgefühl.

Auch beim Radfahren nehme ich mir manchmal in wohlbedachter Voraussicht was zur Ablenkung mit, mal ein Hörbuch, mal Musik. Um mir das lästige Fummeln ums Handy zu ersparen, habe ich mir einen Halter fürs Fahrrad gekauft – und der war noch am Mountainbike angebracht: Also nahm ich das.

Anders als mein Stadtrad hat das „gute Rad“ sauber schaltbare Berggänge sowie packende Scheibenbremsen und lässt sich somit artgerecht auch abseits des flachen Lahnradweges nutzen.

Geplant hatte ich nichts.

Ich wählte spontan den asphaltierten Weg von Nauborn hinauf Richtung Hundeplatz. Ich überholte ein spazierendes Päärchen im Zeitlupentempo… was mich zu einem selbstveräppelnden Kommentar veranlasste. Wir lachten.

Der Weg führt stetig, aber nicht mehr so steil bergan weiter zu den zwei Birken mit den schönen Aussichtsbänken, die wohl auch die Grenze zum ehemaligen Truppenübungsgelände markieren. Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie es hier gewesen sein muss, als die Panzer noch gerollt sind.

Wenn ich hingegen an die Geräusche der Fuhrwerke denke, die hier noch ein paar Jahrzehnte zuvor zugegen waren, wird mir altem Pferdemädchen deutlich wärmer uns Gemüt. Eine einfache Tafel erinnert an die 1877 geschlossene Grube namens Amanda, aus der Eisenerz „gewonnen“ und per Muskelkraft von Tier und Mensch nach Wetzlar in die Sophienhütte transportiert wurde, also dort hin, wo heute noch Buderus schafft.

Ja, ich weiß, mit Pferderomantik hatte das ganz sicher nichts zu tun…

Gut, jedenfalls, dass nichts an das Naturschutzgebiet erinnern muss: Es ist. Und es lässt – was weiß ich für welchen – Tieren und Pflanzen Raum – aber, auffallend, auch: Der Weite.

Nicht nur ich bin gerne dort oben.

Gestern drehte ich aber nicht einfach meine Runden, sondern fuhr geradewegs auf Laufdorf zu. Links ab führt dort die Radroute runter nach Bonbaden, die ich schon immer mal ausprobieren wollte.

Heidekraut in Mittelhessen? Hatte ich das schon mal sonst irgendwo gesehen? Naja, vielleicht im hohen Westerwald – aber hier in der Gegend echt noch nicht. Ausgebüchste Ziegen mit scheppernden Glocken kreuzten eilig den Weg – und machten damit meiner Alltagsstimmung einen deutlich spürbaren Strich durch die Existenz: Mit einem Mal war ich in Entdeckerlaune.

Dass ich in Bonbaden ankommen würde, war ja klar – aber wo? Ah, dort am Ortsausgang rechts… wenn ich meiner Fitness was zutraue, werde ich den Weg mal anders herum in Angriff nehmen.

Unten im Ort bog ich links nach Neukirchen ab. Dort war da nämlich noch dieser mir unbekannte Weg ins Nebental, den ich sonst immer „für irgendwann mal“ rechts liegen gelassen habe. Und so erfuhr ich für mich diesen still gelegenen Wirtschaftsweg zwischen Wald und Wiese, der gut erklimmbar sanft bergan nach Altenkirchen führt.

Noch nie war ich in Altenkirchen unmotorisiert! Die Landstraße aus dem Ort hinaus und in Richtung Philippstein ist ortsansässigen Motorradfahrern der netten Kurven wegen allerdings wohlbekannt. Und die hätte ich dann eben mal ganz gemütlich per Rad gesichtet, wenn mich da nicht dieses Schild gelockt hätte:

zum Aussichtspunkt Guck-ins-Loch“ ?

Noch nie was davon gehört!!!

Ich geb zu, ich musste absteigen und ein Stückchen schieben – aber es hat sich gelohnt…

Klar hab ich, ganz ergriffen von meiner schönen Tour und der erradelten Aussicht, auch Bilder gemacht. Die möchte ich Euch ob ihrer faden Qualität aber ersparen, deshalb hier ein Link zum Loch.

Quer durch den Wald ging es anschließend bergab. Kein Mensch zu sehen. Das Rauschen der Geschwindigkeit, das Knirschen des befestigten Waldweges unter den Reifen und die gefälligen Evergreens auf Antenne Bayern luden mich ein, hörbar mitzulärmen…

Ausgelassenheit und die, schon freudig am Waldrand erwartete, tolle Aussicht auf Braunfels samt Märchenschloss zur Belohnung…

Was für eine schöne Überraschung im Alltag.

Und heute…?

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