Geburtstagsgeschenk

Ich wusste, sie kommt später noch zum Kaffeetrinken. Es war klar, sie kommt nicht zu mir, ich würde aber mit am Tisch sitzen. Und ich wusste, sie hat Geburtstag.

So deckte ich den Tisch mit einer Tischdecke ein, erfand Gründe, warum bestimmte Tassen vielleicht doch zu den Mustern oder Farben eigentlich völlig unpassender Teller passen könnten, suchte Servietten aus. Fand eine kleine Kerze in Blütenform und ein passendes Gefäß dafür. Freute mich darüber, dass sogar das Feuerzeug so schon bunt war. Füllte die Kaffeemaschine auf…

Alles war rechtzeitig fertig.

So hatte ich Zeit genug, um eine gemütliche Radfahrt zum Bahnhof zu machen. Rein zufällig hatte ich tags zuvor die Blütenpracht auf den ungemähten, wild bewachsenen Parkplatzrändern entdeckt und die Idee gehabt, ihr dort ja einen Geburtstagsstrauß pflücken zu können.

„Mit zunehmenden Alter werde ich immer komischer…“, kommt mir jetzt der Gedanke. Denn ich habe in diesem Jahr, soweit ich mich erinnere, noch keine Blume gepflückt. „Sie gehören in die Natur“, lautet mein Argument. Und dass es zu eigensinnig sei, sie nur für mich da raus zu holen.

Und was hatte ich eine Freude dabei, diesen Strauß zu sammeln!

Herauszufinden, welche Farbe noch fehlt und welche der vielen Blüten denn die Richtige für den Strauß sei… schauen, dass ich die weniger vertretenen Sorten schone usw.

Ich konnte mir die Freude gönnen, weil ich ihr eine machen wollte.

Anschließend fuhr ich dann auch noch in eine ganz andere Ecke Wetzlars, weil ich wusste, dass da ein Feld mit hunderten von echten Kornblumen war…

Ich war einfach einverstanden und zufrieden mit dem, was ich tat. Und stellte keine übertriebenen Ansprüche an mich.

Mein Geschenk zu ihrem Geburtstag.

Pfannkuchengeschichten

Gerne wie gewöhnlich gibt es bei mir zum Frühstück warmen Haferflockenschlonz mit einer Portion Obst. Zur Abwechslung spiele ich mit verschiedenen Gewürzen oder raspele Zucchini hinein, wenn der Glaube, sonst nicht genug zu bekommen, mal wieder übermächtig ist. Aber neulich hatte ich Lust und Muße, mich zu verwöhnen. Mir fiel ein Rezept ein, das ich vor kurzem in einem Kochbuch entdeckt hatte.

Ja, es durfte etwas Besonderes sein: „Pancakes“.

Früher, bei Mutter, wie auch bei der Großmutter, gab es sie pfannenfüllend groß und flach. Ich erinnere mich gerne daran… Wenn ich mich nicht irre, gab es sie selten. Meine Mutter kochte wegen ihrer Berufstätigkeit nicht mehr so oft und wenn, dann eher etwas, was auch mein Vater mochte – was bei Pfannkuchen nicht der Fall war. So hatte es immer etwas „Besonderes“, wenn die Mutter in der Küche stand, einen Pfannkuchen nach dem anderen buk, und jedem der Kinder, reihrund, einen davon frisch aus der Pfanne, heiß und duftend, auf den großen Teller legte. Wir streuten meist Zucker darauf, rollten ihn auf und schnitten ihn wie Apfelstrudel.

Warum schreibe ich hier also „Pancakes“ und bleibe nicht bei „Pfannkuchen“?

Weil mich das Bild im Kochbuch an meine Zeit auf dem PCT erinnert hat. Auch dort habe ich mich, wenn möglich, manchmal, mit einer Portion Pancakes „verwöhnen lassen“ (- oder ist dieses Wortgebinde 1:1 mit „getröstet“ ersetzbar? – Egal).

Ich habe sie bestellt, sie standen vor mir, heiß und duftend, und ich konnte genießen. Ich erinnere mich bis heute gut daran. Sie werden dort klein gebacken und sind dicker als „Pfannkuchen“. Dazu wurde Butter und immer Ahornsirup gereicht… sämig sanft tropfend und solo, für sich alleine, viel zu süß.

Ich habe also für mich, für ein gutes Gefühl gesorgt, für etwas, das ich genießen konnte. Ich konnte etwas für mich tun. Ein Moment des Einsseins.


Daran erinnerte ich mich… neulich am Pankuchentag…

…und genau dort dazwischen… auch daran:


Es war an einem späten Vormittag Anfang letzten Jahren und es war ein sonniger Tag. Ich hatte meinen Praktikumseinsatz bei der Abfall- und Stadtreinigungsdienst Freiburg („ASF“) zu dieser Zeit beim Team in Stadtteil Littenweiler. Im wöchtentlichen Rhythmus, je nach Bedarf wurden Parks und Straßen abgefahren, geleert, gesammelt, gemäht oder gekehrt. Ein Augenmerk lag auch immer auf den Glassammelcontainern und dieser, dort hinter dem Edeka ganz am Ende der Schwarzwaldstraße, war nach kurzer Zeit selbst mir auch schon bekannt als prominente Fremdmüllablagestelle, die wir (wenn ich mich mal als zeitweilig dazugehörig betrachten darf…) zu säubern hatten. Meist handelte es sich um ausgediente Möbel oder Kleidung in löchrigen Tüten, die nicht selten durchnässt und verdammt schwer auf den Kipper zu hiefen waren.

Stand ich also vor einer Ecke mit Kartons und Müllsäcken machte ich mir allenfalls Gedanken darüber, wie ich sie am geschicktesten und unbeschadet auf die Ladefläche verfrachten könnte…

Siggi, Rudi und Fred hingegen waren zwar mit vielem in der Welt nicht einverstanden, mit sich aber immer und sie versahen damals bereits zweistellige Jahre lang ihren Dienst bei der ASF, zudem viele dieser gemeinsam. Sie kannten nicht nur einander und ihren Bezirk gut, hatten ihre Körper und Werkzeuge fest im Griff, sie hatten auch den Blick für den Abfall geschärft…

So hielt mir Rudi an diesem Tag eine große Plastiktüte unter die Nase: „Schau‘ mal, was die Leute alles wegwerfen!“ Ich tat also, wie mir geheißen – und wunderte mich sogleich, denn: Haushaltsartikel, abgestellt an Glasmüllcontainern, waren ja nicht gerade so etwas Besonderes. Auf den Grund seines Erstaunens musste ich also noch mit der Nase gestoßen werden:

„Dähsch is AMC Zeuggs“

Ich denke gerne an die Zeit bei der Abfallentsorgung Freiburgs. Danke, Ihr Lieben, deren Namen ich hier geändert habe (nicht nur, weil ich sie teilweise schon vergessen habe…). Danke für den Blick hinein, den ihr mir gestattet habt. Darunter den in diese Plastiktüte…

…aus der ich damals diese flache, schwere Henkelpfanne fischte, in der ich mir heute so leckere Pfanncakeskuchengeschichten backen kann.

 


…und wer noch nicht genug davon hat:

Ich konnte mich sehr gut an folgenden Beitrag unten entsinnen, vermutlich wegen des Bildes mit dem tropfenden Ahornsirup:

aber das Suchwort „Pancakes“ führte überraschenderweise noch zu weiteren Treffern in diesem Blog – alle auf dem PCT verortet:

Essfreizeit

Nach neunzehn Tagen merkte ich beim Radfahren, dass mir mehr und mehr die Kräfte schwanden. Die Etappen waren nicht kürzer geworden, aber ich brauchte Pausen und immer öfter mied ich auch die kleinsten Steigungen oder ich musste wegen meiner zustande gebrachten Geschwindigkeit akut befürchten, von gerade erst passierten Spaziergängern in Schrittgeschwindigkeit überholt zu werden…

Ansonsten ging es mir weiterhin gut. Und ich hatte mir gesagt, dass ich dann aufhöre zu Fasten, wenn ich mich gut fühle. Wenn sich der Zeitpunkt richtig anfühlt. Und wenn ich einen klaren Plan habe, wie es mit meiner Ernährung weiter gehen soll und kann.

Als ich vor neunzehn Tagen morgens auf der Waage stand, fühlte ich mich, wie von einem harten Schlag getroffen, aus irgend einem Traum wachgerüttelt: Ich erkannte deutlich, wie hilflos ich mich wieder in meinem gestörten Essverhalten gefangen fühlte. Und weil ich schon oft im Leben viele Kilos ab- und wieder zugenommen habe, konnte ich mir denken, wohin mich dieser Strudel wieder bringen würde.

Die Zahl auf der Waage gab den Ausschlag, endlich zu dem Werkzeug „Fasten“ greifen zu können: Fasten als Strategie, vom krankhaften Essverhalten Abstand zu gewinnen. Ich wollte dem Darm und seinen Bewohnern eine Pause gönnen und dann ganz von vorne anfangen.

Die ersten Tage waren nicht einfach. Ich erinnere mich besonders an diesen einen Tag, an dem ich bis nachmittags im Bett lag. Eingepackt in Selbstverachtung. Es dauerte lange, bis ich mich überwinden konnte, um Hilfe zu bitten. Wen oder was auch immer. Einfach schweigend ins Leere.

Um etwas zu Bitten ist ein Ende der Ohnmacht.

Es brachte mich zum Aufrichten. Ich saß. Ich spürte Linderung indem ich einfach saß. Und später dann tiefe Dankbarkeit über dieses Erleben von Erleichterung.

Bei einem Telefonat am Abend hörte ich von einer Freundin, dass man beim Fasten auch seelisch entrümple. Dieser Gedanke half mir noch ein bisschen weiter, diesen Leidensmodus in anderem Licht zu sehen. Denn noch ein paar Tage zuvor hätte ich ihn nicht einfach ins Leben gelassen. Bei allem Unbill oder gar nur, weil sonst alles mühsam schien, aß ich. Eine alte Gewohnheit, die mir schon in Kindertagen geholfen hat: Essen zur Belohnung, zur Beruhigung, zur Selbstbesänftigung, zum Trost und zur Füllung jedweder Leere – bei Sehnsucht oder Langeweile, egal. Essen dämpft alles.

Und die anschließende Selbstkasteiung durch Schuldvorwürfe und Entwertung halten den Kreislauf aus Selbstverurteilung und zwanghaftem Essen in Schwung.

Nach diesem Tief in den ersten Tagen ging es deutlich bergauf mit meinem Befinden. Ich konnte wieder klarer denken und freute mich darüber, wie einfach das Leben während des Fastens ist: Kein Gedanke an Ladenöffnungszeiten, Kühlschrankfüllung oder Sonderangebotsjagden. Kein Rätseln über Zeitpunkt, Mengen und Inhalten von Mahlzeiten.

Mein Geschmack änderte sich: Statt mehreren Tassen Kaffee täglich gab es Tee. Statt zwei Beuteln Tee pro Kanne, teilweise mit Süßstoff, verdünnte ich mir nun die gleiche Menge ungesüßten Einbeuteltees mit reichlich Wasser. Meine ständig Lust auf „Verbotenes“ war weg. Und Hunger hatte ich nie.

Der so zwingend erlebte Gedanke „Ich MUSS jetzt was essen!!!“ löste sich in Luft auf.

Was für eine Erleichterung!

Nun esse ich schon den dritten Tag wieder. Meine Entscheidung, keinen Zucker (sowie keine Zuckerersatzstoffe) und kein Weißmehl mehr zu mir zu nehmen, Obst auf zwei handvoll täglich zu reduzieren und ab nachmittags möglichst keine Kohlenhydrate mehr zu essen, fühlt sich gerade sehr gut an. Wo ich vor ein paar Wochen noch bei jeder Bäckerei darüber nachdachte, was ich mir denn darin holen könnte, kann ich sie zur Zeit einfach an mir vorbei ziehen lassen: Sie haben nur Dinge im Angebot, mit denen ich nicht umgehen kann. Und sie haben nichts von dem, was ich wirklich möchte.

Ich möchte ein gutes Gefühl haben beim Essen.

(…und damit meine ich nicht das extrem kurzfristige Gefühl einer befriedigten Ersatzgier beim Biss in ein Sensationssüß…)

Ich bin dankbar dafür, so viel freie Zeit zu haben – und der Aufbruch in die neue Ernährungsform fühlt sich ein bisschen an wie die Reise in ein unbekanntes Land. Ich stelle es mir freundlich und einladend vor. Als Reiseführer dienen mir verschiedene Kochbücher, die ich in der – endlich wieder geöffneten – Stadtbibliothek für mich entdeckt habe. Ich bin gespannt darauf, was ich noch alles ausprobieren werde… Heute gab es eine Geschmacksexpediton in Form von frisch gemahlenen Fenchel-, Kümmel- und Anissamen, sowie mildes indisches Gewürzpulver, geschmort in Kokosöl als Basis für ein Curry aus Kokosmilch, Mandelmus, Süßkartoffel und frischen Gemüsen…

Das war echt lecker!