Impftermin

Ich habe einen Impftermin.

Und mein Gefühl meint, ich müsse mich dafür entschuldigen.

Meinem Verstand weiß genau, dass ich nicht das Gesetz gemacht habe, welches mich in die Gruppe der Impfberechtigten sortiert. Deshalb ist mir schon auch klar, dass die Schuld nicht berechtigt ist, mich so zu piesacken.

Wie aber werde ich sie los, die ja spürbar da ist, berechtigt oder nicht, ob ich will, oder nicht?

Ich werde sie gar nicht los. Sie will von alleine gehen dürfen und wird das auch tun… (oder auch nicht…).

Die Frage ist also: Wie mache ich mir das Leben leichter?

Ich versuche, mich von dem Gefühl zu distanzieren. Also ihr, der Schuld, zuzuhören, ohne sie zu vereinnahmen, sie zu meiner zu machen.

Vordergründig meint sie, Menschen, die arbeiten gehen, sollten zuerst geimpft werden. Sie sind schließlich diejenigen, die den Sozialstaat zusammenhalten. Wir (zumindest die körperlich fitten…) Nutznießer dessen können uns ja schließlich distanzieren, fern halten, isolieren. Wir müssen nicht raus.

Und diese, meine Wahrheit trifft doch zu, oder nicht?

„Ja, und warum bist Du dann angemeldet?“ fragt die Schuld. „Warum hast Du den Berechtigungsschein ausstellen lassen?“

Weil ich mich auch schuldig gefühlt hätte, hätte ich es nicht getan.

Ich habe mir den Berechtigungsschein ausstellen lassen, weil ich kein potetieller Infektionsherd sein und niemanden anstecken möchte. Weil ich will, dass die Zahl der Geimpften so schnell wie möglich steigt, damit das Leben wieder normaler wird oder zumindest so aussieht. Wie jedem Menschen ist es mir wichtig, dass es den Menschen, zu denen ich Verbindung spüre, gut geht. Sie mögen frei sein von jedwedem Gefühl der Bedrohung.

„Schmarotziger Gutmensch…“ spottet es in mir: Jeder Mensch ist Teil seines sozialen Systems und genauso wichtig in diesem. Warum nimmst Du dann einem dieser Menschen – die zudem noch zur Arbeit müssen – die Impfdosis weg?

Stimmt: Jeder Mensch ist Teil seines sozialen Gefüges und nimmt eine dort irgendwie geartete Rolle ein. Und jede Rolle ist identisch in ihrem Wert, ihrer Bedeutung für das System. Warum soll also nicht ich zur Impfung gehen?

Und, ja: Ich gehe zur Impfung, weil ich meine Ruhe haben möchte.

Bei jedem Menschen, der mir ausweicht, der meine, reflexartig, hingestreckte Hand nicht nimmt, kommt mir die alte Schuld, widerlich zu sein, wieder hoch. Ich will mich nicht ständig um sie kümmern müssen.

Ich will dieses Gefühl nicht mehr haben, eine Gefahr zu sein oder als solche behandelt zu werden.

Ich habe mich entschieden. Auch wenn es sich nicht ganz richtig und gut anfühlt: Ich gehe zur Impfung.

Womit auch eindeutig widerlegt ist, ich sein ein schmarotziger Gutmensch 🙂

Wozu also das ganze Geschreibsel?

Ich habe Klarheit gewonnen. Fühle mich stabiler – der Schuld gegenüber.

Impfauffrischung der anderen Art.

anstößig

Früher hätte ich mir vermutlich eine Flasche mir wohlschmeckenden Rotweins gegönnt. Einfach, um diesem Moment den letzten Schliff Anerkennung und mir die Gelegenheit zu schenken, diese Feierwürdigkeit auch im Munde begehen zu können.

Ein Moment, um darauf anzustoßen.

Mein Kopf zeigt mir Bilder vom Tage und denkt an all die Menschen, mit denen ich in irgend einer Form Kontakt hatte. Ich fühle mich wohl dabei, dankbar und erstaunt.

„Und ich bringe es nicht zum Fließen…“

…glaubt mein Verstand. Seit Wochen.

Er bemerkt das Fehlen des Mörtels, des Kittes, der Energie, des Einverstandenseins, des „Wertgenugseins“, die es bedarf, all dieses als Gelegenheit bemerkte Jetzt des Erlebens in eine Form zu bringen und in dieser zu sehen, begreifen, zeigen oder/und zu wollen.

Fang einfach an!“ – Nicht das Ziel ist der Weg…

Meine Nähmaschine hat funktioniert… !!!

„Wie bitte?“

Ja. Ich denke an die Leinenbettwäsche. Was hatte ich mich gefreut, als ich sie bei den Verschenkartikeln der Kleinanzeigen in Freiburg entdeckt und dann auch noch den Zuschlag dafür bekommen hatte!

Ich mag es, Leinen zu fühlen.

Und dann lag sie da in ihrer Übergröße…

…monatelang…

…bis heute.

Mein Bügeleisen vollbringt für mich schon gedanklich einen gewaltigen Abstoß. Und einen ebensolchen Respekt flößt mir die Nähmaschine ein. Ich kenne sie schon lange. Sie ist wohl eine ehrliche Haut – aber ich spreche ihre Sprache nicht. Ihre, mir ob meines Unvermögens, mich in ihrer Bedürfnisse rechtzeitig hineindenken zu können, in der Regel völlig unvorhersehbar einsetzenden, schrill piependen Unmutsäußerungen, die sich mir wie gebutterte Gewindeschneider bis die letzten Winkel meines Hirns fräsen und in Sekundenbruchteilen Zelle für Zelle in höchsten Alarm versetzen, sind mir jedoch wohlbekannt…

An diesem Tag aber ist nicht nur sie gut gelaufen.

Der alte Herd samt Backofen ist entsorgt. Der Neue tut seinen Dienst. Und das Ebay Paket ist auf dem Weg. Ich habe die Amsel singen gehört. Und das Farbenspiel des Sonnenuntergangs gesehen.

Ich hatte – auf den verschiedensten Wegen – so viel Kontakt zu lieben Menschen – konnte Verbundensein und Dankbarkeit fühlen – und

nehme, völlig weinlos zwar, diesen Moment zum Anlass und gekünstelt holprige – anstößige – Worte zum Anklang